Montag, 21. Dezember 2009

Weihnachtsansprache 2009: Das Jahr der reitenden Leichen


In wenigen Stunden und Tagen werden wir wieder mit den Weihnachts- und Silvesteransprachen von Angela und Horst beglückt. Krise hin oder her, sie werden sich im schönfärberischen Sermon kaum von den letzt jährigen unterscheiden.

Daher hier vorab die TandemVipera-Weihnachtsansprache, oder das was Angela, Guido und Horst uns (vorerst) garantiert noch nicht sagen werden:





Liebe Mitbürger, Liebes Wahlvolk, Verehrte Banker,

wir haben ein hartes Jahr hinter uns. Ich und die Flintstones, ähem ich meine der Stein-brück und der Stein-meier wa, wir haben in erstaunlich kurzen Nachtsitzungen ihr Geld, und das Geld ihrer Kinder und Enkel, an Acki Deutsche-Baba und die vierzig Bankster verteilt. Die sind dafür total dankbar und haben uns die Rückzahlung der Kredite und Zinsen, die wir für deren Stützung bei denen selbst aufgenommen haben, erstmal gestundet. Echt nett, wa.

Und dafür haben die auch wieder unseren Wahlkampf finanziert damit sie mich im September auch wieder wählen konnten. Echt nett von Euch, und das ihr die Flintstones dann auch gleich kräftig abgemeiert habt, ja da sach ich euch wirklich Danke. Nur beim Guido, da habt ihr ein bisschen übertrieben. Dabei hat der seine Knete nur von den Hoteliers gekriegt. Aber Schwamm drüber, wa. Haben wir ja wieder ins Lot gebracht, die können sich jetzt die Merkelsteuer, äh Umsatzsteuer, in die eigene Tasche stecken, woll.

Jetzt kommt mir bloß nicht mit Wahlversprechen, wir haben euch ja auch noch ein kleines Weihnachtspaketchen geschnürt. Finanziert sich alles von selbst, sagt der Guido. Naja, Verfallsdatum ist der Mai 2010, bis dahin kann ich den Knecht Rupprecht, äh Wolfgang, noch zurückhalten. Allerdings kann der seine Rute einfach nicht bei sich behalten, dem muss ich demnächst mal die Luft aus den Reifen lassen, bevor er dem Jürgen in NRW die Wahl vermasselt. Den brauch ich nämlich dringend, damit mir im Bundesrat die verflixten Länder nicht aufs Dach steigen können, wenn ich euch endlich abkassieren muss.

Aber da muss ich mich wenig sorgen, wen sollt ihr denn sonst wählen? Bis zum Mai kriegen wir die Titanic schon noch gelenzt. Und ich hab euch noch den Aufschwung unter die Tanne gelegt. Den kann ich aus der Statistik raus lesen, das hab ich als Physikerin schließlich von der Pike auf gelernt. Wenn der Wähler mit einem Fuß auf’ner heißen Herdplatte und mit dem anderen auf einem Eisblock steht, dann geht’s ihm im Durchschnitt doch gut, wa?

Von der Wirtschaft sind fuffzig Prozente reine Psyschologie, der Rest ist ein bisschen Kreativität und Datenzauber. Der Obama und auch ich haben dieses Jahr unheimlich viele Geschenkgutscheinchen gedruckt, ich will mal hoffen das keiner auf die Schnapsidee verfällt, die wirklich einlösen zu wollen.

Ach was red ich. Wir hatten ja noch andere Probleme, Klimawandel und so. Na da haben die Chinesen in Kaoshagen aber gepokert, woll. Da konnten der Obama und ich mit unserem miesen Päarchen nicht gegenhalten. Überhaupt der Obama, der hat nix mehr zu melden wenn die Order aus Peking kommen, dann steht der stramm. Der ist ja längst so Pleite wie Island, Dubai und Griechenland zusammen. Alles reitende Leichen, genau wie Briten, Baltikum und Konsorten. Die müssen sich noch ein bisschen festhalten, bevor sie vom verhungerten Gaul fallen.

Ach ja, die christsozialen Brüder und Schwestern aus dem Alpenfreistaat machen mir auch immer Ärger. Erst versenken die Multi-Milliarden in die Bayern-LB und müssen dann auch noch die benachbarten Sissis vor der Staatspleite retten. Ich dachte die können mit Geld umgehen. Naja, und dann der Fürst von Guttenberg, der brockt mir auch noch nen richtigen Krieg am Hindukusch ein. Gutti, Gutti, Gutti, ich kanns nicht mehr hören, der will doch nur in 2013 auf meinen Sessel. Für den finde ich auch noch ne Harke, woll.


Na also, dann noch frohe Weihnachten und nen guten Rutsch nach 2010, da liegt schon mal ne schöne Blase für euch bereit. Ob das ne weiche Landung gibt, weiß ich aber nicht, wa. So und jetzt muss ich mit dem Horst noch ein bisschen in den Malkasten greifen für die echt geilen Fernsehansprachen. Da erzähl ich euch was von Hänsel und Gretel, wie jedes Jahr.

Eure Mutter der Nation.

Freitag, 18. Dezember 2009

Alexander oder Was läuft schief am Hindukusch?


Das Perserreich war zu Alexanders Zeit die größte Territorialmacht der Erde. Als der Makedonier Alexander der Große 334 v. Chr. dem Perserreich gegenüber stand, wurde dieses von Dareios III beherrscht. Plutarch zufolge war das persische Heer 600.000 Mann stark; Althistoriker dagegen schätzten die Zahl der Perser auf höchstens 100.000 und die Stärke des makedonischen Heeres Alexanders auf maximal 30.000 Mann. In der Schlacht bei Issos 333 v. Chr. trafen die Armeen im Kampf aufeinander.

Alexander machte nun etwas sehr ungewöhnliches. Statt sich der Schlacht in voller Breite zu stellen, startete er einen gezielten Angriff auf den Anführer König Darieos persönlich. Dareios aber nahm den Kampf nicht an und floh. Die eigentlich überlegene Streitmacht war demoralisiert. Am 1. Oktober 331 v.Chr., kam es zum zweiten großen Kampf bei Gaugamela. Wieder war das Heer des Dareios an Zahl weit überlegen, aber wiederum siegte Alexander. Unter Anwendung der gleichen Taktik ergriff Dareios erneut die Flucht. Damit war der persische Widerstand endgültig gebrochen. Der feige Anführer hatte jede Reputation verloren. Er floh zu einem weitläufig Verwandten, den Satrapen Bessos, dieser jedoch tötete ihn im Jahre 330 v.Chr. in der Hoffnung damit dem Zugriff Alexanders zu entgehen.

Nun, was hat diese kleine Geschichte mit der Bundeswehr am Hindukusch zu tun? Zunächst mal nur wegen einer an und für sich alten Kriegstaktik: Wenn du den Gegner besiegen möchtest, so ist es ganz besonders effektiv gezielt deren Köpfe zu eliminieren, statt sich in voller Breite den gegnerischen Truppen zu stellen. Und da kommen wir zur Bundeswehr, die jüngst zwei Tanklaster in die Luft jagte, unweit der Gegend wo vor 2339 Jahren Dareios der III massakriert wurde, und dabei unschönerweise auch noch 140 Kollateraltote hinterließ.

Denn Abseits der Frage wer wann, wo und was vom Angriff gewusst oder informiert hatte gerät die Kernfrage in den Hintergrund: Darf die Bundeswehr sich an so genannten „Gezielten Tötungen“ beteiligen? Denn genau diese Taktik, die von den Israelis schon seit Jahrzehnten bevorzugt und von den Amerikanern mit ihren Hightechwaffen perfektioniert wurde, führte hier zu diesen enormen Verlusten unter afghanischen Zivilisten.

Gezielte Tötungen, das heißt nichts anderes als das man mit Präzisionswaffen aus sicherer Entfernung auf mutmaßliche Anführer der gegnerischen Kombattanten zielt. Meist geschieht dies aus Flugzeugen, Hubschraubern oder ferngesteuerten Drohnen, denen der technisch hoffnungslos unterlegene Gegner nichts anhaben kann. Der Euphemismus „gezielt“ und „Präzisionswaffen“ täuscht hingegen über die Realität weg. Denn es handelt sich nicht um ein 5,6 mm Projektil das einem Talibanführer sein Kleinhirn wegbläst, sondern um formidable Bomben die eine riesige Verwüstung hinterlassen. Zivile Opfer sind dabei kaum vermeidbar, insbesondere in eng bewohnten Gebieten wie dem Gazastreifen, wo israelische Tötungsaktionen regelmäßig auch tote Kinder am Tatort hinterlassen.

Um es klar zu sagen: Keine Kriegspartei hat sich je wirklich um zivile Opfer geschert, und die Taliban tun es erst recht nicht. In einer offenen demokratischen Gesellschaft aber sieht das anders aus, da muss man sich moralisch-ethischen Fragen stellen. Und letztlich damit auch den juristischen Fragen, die genau die Einhaltung dieser Grundsätze dienen sollen. War das jüngste Verhalten der Bundeswehr in Kunduz also nun durch ein Mandat gedeckt oder nicht?

Die juristische Frage ließe sich mit einigem guten Willen leicht klären, die moralisch-ethische dagegen kaum. Sollen sich die Soldaten dem tapferem Kampf Mann gegen Mann stellen, oder aus sicherer Entfernung ihre Erfolge erzielen? Mit dem Unterschied das erstere Taktik viele eigene, zweite Taktik dagegen viele unbeteiligte Verluste erzeugt. Aus einem warmen Philosophensessel bei einem Glas Rotwein gesprochen kommt man naturgemäß zu anderen Überzeugungen, als der Soldat der an der Front steht und um seine körperliche Unversehrtheit fürchten muss. Für Letzteren ist die zweite Taktik nämlich klar attraktiver einzustufen.

Unfähig die moralisch-ethische Frage abschließend zu klären, kommen wir dann doch lieber wieder zum oberflächlichen Informationsdesaster. Positiv zu deuten ist jedenfalls der Effekt, das durch das jüngste Drama die ehrliche Vokabel Krieg den Mythos des Brunnen grabenden Samariters in Bundeswehruniform ablöst. Die Bundeswehr befindet sich im Krieg, und zudem noch in einem ziemlich sicher verlorenen Krieg. Das muss man beim Namen nennen. Und Krieg ist nun mal eine ziemliche Sauerei, so oder so.

Und überhaupt, die Wahrheit mit der man sich so schwer tut, sie ist immer das erste Opfer eines jeden Krieges. Ziemlich erstaunlich fand ich es, als kurz nach dem Desaster behauptet wurde, die rund 150 Tote wären wohl fast alles Taliban gewesen. Jeder, der schon mal einen Tanklaster gesehen hat, weiß aber, dass die beiden Führerhäuser nur je drei Sitzplätze haben, ergo maximal 6 Taliban. Und da sollen nun 150 Taliban mit Waffen drin gesessen haben? Oder sich zusätzlich noch rund 70 Taliban auf jedem der beiden Tanks oben drauf fest geklammert haben? Wo die doch die Wirksamkeit amerikanischer Drohnen bestens kennen und sicherlich bessere Methoden zum Selbstmord bevorzugen?

Jedem musste klar sein, dass dies nicht stimmen konnte. Was ein Augenzeuge im Spiegel berichtet, bestätigt was man längst ahnen konnte: Die Toten sind im wesentlichen Dorfbewohner die Sprit klauen wollten, und möglicherweise kein einziger echter Taliban, und schon gar nicht die anvisierten Taliban-Führungspersönlichkeiten. Denn die kennen die Gefahren aus Erfahrung sehr genau und haben sich entsprechend rechtzeitig vom Acker gemacht.

Wie soll es nun weiter gehen am Hindukusch? Man wird den zivilen Opfern bei Kunduz eine Abfindung zahlen, immerhin ein gewaltiger Unterschied zu anderen Kriegsparteien. Zwar macht das kein Kind, Frau oder Gatten wieder lebendig, aber es ist mehr als die sonst übliche Ignoranz und Verweigerung. Das ist schon mal was. Aber auch die Bundeswehr hat Gefallene. Deren Witwen und Waisen erhalten zwar etwas mehr auf die Hand, aber die öffentliche Ignoranz diesem Problem gegenüber schmerzt die Hinterbliebenen vielleicht noch mehr. Auch diesen Opfern gebührt mehr ehrliche Aufmerksamkeit.

Letztendlich aber dürften mittelfristig alle Opfer vergebens bleiben, denn die Erfahrung mit solchen Bürgerkriegen zeigt, dass sie für die extern eingreifenden Mächte nicht zu gewinnen sind. Denn dafür müsste man den Einsatz dort glatt verzehnfachen um eine realistische Chance zu haben. Das ist aber weder bezahlbar noch wünschenswert. Man muss sich klar sein, dass man einer mittelalterlichen Stammesgesellschaft keine moderne Demokratie aufzwingen kann. Auch dieses Ideal liegt gleich im Nachbargrab neben der Wahrheit.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Scherbengericht: Akropolis, adieu....


"Weil die Staatsschulden Griechenlands aus dem Ruder laufen, fürchtet Kanzlerin Angela Merkel um den Euro. Europas Währung stabil zu halten sei jetzt "unser aller Sorge", sagte sie zum Auftakt des EU-Gipfels," so der Spiegel heute.


Was schon Anfang des Jahres zu befürchten war, tritt jetzt langsam aber sicher an die Oberfläche. Gleichzeitig, wen wunderts, gehen auch im Bundeshaushalt die Lichter auf dunkelrot: "Einem Bericht zufolge soll das Defizit im kommenden Jahr 100 Milliarden Euro betragen." schreibt das Manager-Magazin über den aktuellen Bedarf des neuen Finanzministers Schäuble für 2010.

Darin sind die Kosten für die Griechenrettung selbstverständlich noch nicht drin. Denn obwohl eigentlich die EU-Statuten eine Hilfe verbieten, so wird man in der Praxis zu einer Schuldenübernahme kaum eine Alternative sehen. Wobei die Milliardenstützungen zweifellos in der griechischen Sommerhitze verglühen werden wie hierzulande jüngst das Stroh auf den Martinsfeuern. Schon im Mai schrieb die NZZ weise: "Staatsbankrotte und Währungskrisen haben eine lange Tradition. Verlässliche Aufzeichnungen seit 1750 in 64 Staaten belegen über 70 Fälle von Zahlungsunfähigkeit. Was bis anhin als unmöglich galt, gerät durch die andauernde Weltwirtschaftskrise auch in der Euro-Zone in den Bereich des Wahrscheinlichen.". Und die Kandidaten sind dabei vorallem die EURO-Länder Irland, Griechenland, Spanien, Österreich und Italien. Und die werden als erste in den Sog geraten, den die sinkende MS Akropolis hinterlässt.

Weiter schrieb die Neue Züricher erschreckend klar stellend: "Zahlungsstörung, Illiquidität, Staatsbankrott – die Begriffe sind in diesem Zusammenhang eher ungenauen Inhalts. Im Gegensatz zu Privaten kann der Staat nämlich Zwangsmittel gegenüber seinen Bürgern anwenden. So lässt sich über zusätzliche Steuern, eine Vermögensabgabe oder eine drastische Senkung der Ausgaben der staatliche Finanzierungssaldo verbessern. Von daher ist der Begriff einer relativen Zahlungsunfähigkeit zur Kennzeichnung dieses Sachverhaltes angemessen. Erst wenn ein bürgerlicher Ungehorsam die erforderliche Durchsetzung obrigkeitlicher Zwangsmittel verhindert, wäre ein Staat absolut zahlungsunfähig."

Nun, der "bürgerliche Ungehorsam", ergo das nicht mehr Einverstandensein mit weiterer Ausplünderung, dass ist das, was zunächst Griechenland, aber danach sukzessiv alle anderen westlichen Staaten erfassen wird. Neben den sogenannten PIGS aber auch die ehemaligen Lokomotiven der Weltwirtschaft, nämlich USA, Grossbritannien und last, but not least, die BRD.

Wie sang doch einst der Spatz von Paris:

Akropolis, adieu, ich muß gehen.
Die weißen Rosen sind verblüht.
Was wird geschehen?.....

Samstag, 31. Oktober 2009

Weimar 2.0, der Koalitionsvertrag: Finanzkrise, gibt's die überhaupt?

So, die Wahl 2009 ist gelaufen. Die SPD wurde vor allem durch Nichtwähler (ca. minus 2 Mio.) brutalst möglich ab gestraft. Warum ist im Nachhinein eigentlich klar, denn im Gegensatz zum Kanzlerwahlverein CDU hatte die SPD immer einen klassischen Vertretungsanspruch für die Unterprivilegierten der Gesellschaft. Der wurde in der Nachkohlzeit aber gründlich aufgegeben bei dem Versuch, die bessere CDU zu werden. Aber warum sollte man eine mäßige Kopie wählen, statt gleich das Original? Ähnliches gilt aber auch für die sogenannten Bürgerlichen Parteien CDU/CSU/FDP: Unter Merkel hat sich hier ein typisch sozialdemokratisches Profil entwickelt, so dass die beiden klassischen Lager kaum noch unterscheidbar wurden.


Eigentlich ebenfalls kein Wunder, bedenkt man dass mit den Kanzleramts Schaltstellen Angela Merkel (Kanzlerin) oder etwa Lothar de Maizière (Bundesminister für besondere Aufgaben
1990), immerhin und aller Politik-Rhetorik zum Trotz, ausgerechnet bei der CDU ehemalige Führungskräfte der DDR an die Spitze gelangten. So war Lothar de Maizière immerhin der letzte DDR-Ministerpräsident und IM der Staatssicherheit. Angela Merkel dagegen war FDJ-Sekretärin und als Kulturfunktionärin der Vermittlung des Marxismus-Leninismus verpflichtet. Und nie war Sie am DDR-Widerstand in irgendeiner Form beteiligt. In einem Interview soll sie auf die Frage, was sie während der Montagsdemos gemacht habe, dazu einmal sinngemäß geantwortet haben: ...ich stand am Fernseher und habe die Faust in der Tasche geballt... Fragt sich nur noch, warum die Faust geballt war. Der niedersächsische CDU-Kommunalpolitiker Hinrich Rohbohm musste vor kurzem noch sein Amt räumen, weil er solche Tatsachen nocheinmal auf den Tisch brachte, und an Merkel als "DDR FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda" erinnerte.

Allerdings schaden solche Dinge der CDU weit weniger als ähnliche gelagerte Fälle bei SPD oder gar der Linken. Denn Opportunismus ist ein Grundprinzip der CDU seit Adenauer, der Alt-Nazis reihenweise in die Partei hinein ließ, etwa Hans Globke. Man kann diesen politischen Opportunismus beklagen, aber er ist nur dem Realitätssinn geschuldet: Man kann nach einem Regimewechsel, sei es nun im Irak, in Afghanistan oder eben auch in Deutschland, die Mitläufer, Anhänger und auch Funktionäre der alten Regime nicht dauerhaft aus grenzen sondern muss sie assimilieren.

So finden wir aktuell unter den Wählern und Funktionsträgern der Unionsparteien und der FDP numerisch sicherlich mehr Anhänger des SED-Regimes als in der Linken. Verlogen ist nur, dass man es der kleinen Linkspartei ständig aufs Butterbrot schmiert, während es in den eigenen Reihen geduldet und vehement unter den Tisch gekehrt wird. Der Sinn dahinter ist schlicht und ergreifend: Hauptsache und Grundprinzip ist, dass man eine "bürgerliche" Meinungs-Mehrheit zusammen bringt um den Kanzler aus den eigenen Reihen stellen zu können. Und das hat natürlich wieder einmal geklappt.

So deuten die Wähleruntersuchungen auch daraufhin, dass die typische Wählerklientel der Parteien regelrecht die Lager getauscht haben. Während das typische Bildungsbürgertum heute SPD, Grüne und Linke wählt, ist die typische SPD Klientel allesamt bei der Union und FDP eingetrudelt. Nun, man kann es gut finden oder darüber lamentieren, aber es ist offensichtlich eine der Auflösungserscheinungen der Demokratie, wie wir sie seit den Wirtschaftswunderjahren zu lieben gelernt hatten.

Kommen wir daher zum aktuellen Koalitionsvertrag: "Wir stellen den Mut zur Zukunft der Verzagtheit entgegen. Wir wollen unserem Land eine neue Richtung geben. Freiheit zur Verantwortung ist der Kompass dieser Koalition der Mitte...." heißt es ganz am Anfang in der Präambel. Befreit von der Schönwetterrhetorik der Politik bedeutet dies Im Klartext der Realität: "Mit dem Mut der Verzweiflung müssen wir unserem Land eine neue Richtung geben, der Bürger wird in Zukunft seinen Problemen weit gehend selbst überlassen.....". Naja, soviel Mut zur Wahrheit war im Vorfeld kaum zu erwarten.

Der Sachteil beginnt dann mit den Worten: "Unsere wirtschaftspolitische Leitlinie ist die Soziale Marktwirtschaft. Sie greift weit über ökonomische Ziele hinaus, ist ein unverzichtbarer Teil einer freiheitlichen offenen Gesellschaft. Wir achten, schützen und verteidigen die Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft mit aller Kraft....". Was so wahr ist und hoffnungsvoll stimmt, wird aber letztlich im selben Vertrag völlig konterkarriert. Ich will nicht auf jedes Detail des 132-seitigen Vertrages eingehen, daraus lassen sich spielend ein dutzend Beiträge machen. Dass er nicht so ernst genommen wird, wie er da steht, haben kurz nach Unterschrift aber schon genügend Neu-Koalitionäre betont. So dürften die Bürgerentlastungspläne maximal bis ziemlich kurz nach der NRW-Wahl am 9. Mai 2010 halten. Danach haben sie ihre Pflicht erledigt und es geht an die viel grausamere Kür.

Selten wohl hat man in der BRD einen Realität ferneren Koalitionsvertrag gesehen. So machte Angela Merkel auch nach Abschluss ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, wurde von 9 Abgeordneten der eigenen Fraktion nicht gewählt und vergaß beim Schwur zur neuerlichen Vereidigung sogar die Hand zu heben. Egal, wird ja eh nix werden, sollte man meinen. Neben dem Feuerwerk der leeren und unfinanzierbaren Versprechen fallen mir zwei Punkte des Vertrages insbesondere ins Auge: Erstens die Rente. Seite 84 heisst es: "...Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge...". Es zeigt, wie viele andere Punkte auch, dass man die Krise noch lange nicht verstanden hat. Denn eine kapitalgedeckte Altersversorgung in der jetzigen Zeit belastet das BIP nur mit dem Renditedruck zusätzlicher und erheblicher Vermögen bei Banken und Versicherungen. Es beschleunigt lediglich den Kollaps. Zu zweitens weiter im Fortfolgenden.

Nicht verleugnen will ich, dass auch durchaus ein paar positive Beiträge zu finden sind, so etwa die von der FDP eingebrachten Veränderungen in Internet und Datenschutz (Seiten 100 ff.) oder eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik (Seite 74) als Reaktion des im Bildungssystems längst überspannten Bogens der Mädchen- und Frauenförderung.


Finanzkrise, gibt es die überhaupt? Somit kommen wir zum zweiten und wichtigsten Punkt. Vielmehr ist allerdings festzustellen, dass dieser Punkt, nicht verbal aber sachlich, vollständig fehlt. Denn während man den Bürgern (wird aber bald zurück genommen) und Unternehmen und Banken (wird natürlich nicht zurück genommen) Erleichterungen in Fülle verpricht, wird über die Finanzierung wenig der Worte verloren. Angeblich soll bald ein neues Wirtschaftswunder die alten und neuen Schulden tilgen, in Wahrheit ist es natürlich der deutsche Mittelstand.

Kein Wort, keine Idee, auch nur Ansatzweise aber, wie denn Diejenigen, die den Schlamassel angerichtet haben, die Alleine durch die jetzt aufgenommenen und in den nächsten Jahren noch notwendigen Milliarden und Billionenschulden profitierten, für deren Vermögensrettung wir in Zukunft an allem knappsen müssen, wie Diese steuerlich an der Begleichung ein wenig beteiligt, geschweige denn zur Kasse gebeten werden sollen! Und dass steht natürlich in krassem Widerspruch zur Einleitung und Kernaussage des Koalitionsvertrages "....Unsere wirtschaftspolitische Leitlinie ist die Soziale Marktwirtschaft. ...", tata tata tata, hihi, haha, hohoho.....gerade zu live-politisches Cabaret als verfrühte Karnevalseinlage.

Aber ganz im Ernst, gibt es, ja kann es, überhaupt eine "Finanzkrise" geben? Zur Beantwortung dieser Frage sollten wir der Sache noch einmal, ganz von Anfang, auf den Grund gehen. Finanzen, ergo Geld, was ist das überhaupt? Nun im Grunde genommen erst einmal ein paar kleine Metallplättchen oder Papierzettelchen mit einer Zahl darauf, Wert praktisch Null. In modernen Zeiten sogar einfach nur der Eintrag einer mehr oder weniger großen Zahl in der Datenbank eines Finanzinstitutes, also lediglich eine winzige magnetisierte Fläche auf einer Festplatte. Und damit noch nicht einmal geeignet zum Tapezieren oder als Unterlegscheibe und nach Ausschalten des Stromes auch ohne irgendeinen unmittelbaren Wert.

Der tatsächliche Wert von Geld ist das dahinter stehende Garantieversprechen, ein Gutschein also. Der ausgebende Staat verspricht dem Besitzer der Finanzen Gegenleistungen, früher in Edelmetall, heute schlicht in Leistungen aus dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Wer Geld hat, der darf sich also, in Höhe des aufgedruckten oder verbürgten Garantieversprechens, aus Waren und Dienstleistungen des BIP bedienen. Geld dient lediglich der Verteilung des Erlöses aus der Arbeit der gesamten Gesellschaft des ausgebenden Staates. Die Summe der Finanzen und der prozentuale ( aber nicht der absolute!!) Anteil des Einzelnen an dieser Summe, sind also nichts anderes als der Verteilungsschlüssel des Wohlstands in der betroffenen Gesellschaft.

Das es eine Verteilungskrise und keine Finanzkrise ist, sieht man eben auch daran, dass in 2008 nun keine Fabrik sich weigerte zu produzieren, keine Arbeitnehmer sich weigerten zu schaffen, und auch kein Konsument nicht mehr bereit gewesen wäre zu konsumieren. Nur die Banken waren nicht mehr bereit Kredite zu vergeben, weil sie wegen des Renditemangels die notwendigerweise immer wackeligeren Assets teilweise abschreiben mussten. Die Verteilungsrelation stimmt halt nicht mehr und daran haben die staatlichen Stützungsaktionen grundsätzlich nichts verändert.


Eine technische Bemerkung vielleicht an dieser Stelle: Die Aktiva/Passiva/Vermögen sind eine Bestandsgröße, gemessen etwa in Euro. Das BIP ist eine Stromgröße, gemessen etwa in Euro/Jahr. Für das Verhältnis bzgl. des Deckungsversprechens ist diese also mit dem durchschnittlichen Zeitraum (Einheit: Jahre) der Abschreibung bereits in der Vergangenheit erbrachten und noch nicht abgeschriebenen BIP zu multiplizieren. Der durchschnittliche Abschreibungszeitraum der Wirtschaftsgüter ist stark schwankend, er beträgt für Dienstleistungen und schnell verderbenden Waren wie Lebensmittel praktisch Null, für sonstige Wirtschaftsgüter meist 4 oder 5 Jahre, für Immobilien aber auch schon mal 30 Jahre. Im Durchschnitt unserer Dienstleistungsgesellschaft können wir von 2 bis 3 Jahren ausgehen, so dass das BIP mit diesem Faktor zu einer gleich lautenden Bestandsgröße der Einheit Euro wird.

Daher kommt auch der Fakt, dass eine Volkswirtschaft instabil wird, sobald die Vermögensschere (Aktiva zu BIP Verhältnis) auf das 2 bis 3 fache des aktuellen BIP angewachsen ist. Denn dann ist die Deckung des Geldes nicht mehr gewährleistet. Die "Finanzkrise" entsteht aber zunächst dadurch, dass erstmal die Zinslast aus den Renditeansprüchen auf das BIP zu übermächtig wird. Die nächste Runde entsteht dann, wenn man wirklich versucht diesen Finanzüberhang in Sachwerte zu tauschen, denn dann kollabiert das System notwendiger Weise endgültig. Das steht uns noch bevor.

Der Kardinalfehler der Ökonomie, Politik und auch des Bürgers besteht nun genau in dem oben angedeuteten Missverständnis, Geld als absoluten anstatt als relativen Wert zu sehen. Denn durch das exponentiell zunehmende Auseinanderklaffen der Vermögensschere nimmt der tatsächliche Anteil des nichtvermögenden Schaffenden am Erfolg aus dem BIP zu den Vermögenden Finanziers relativ immer weiter ab. Was dann entsteht ist das, was wir jetzt haben: Eine Verteilungskrise, was das einzig richtige Wort für diese Spätphase der "Finanzkrise" ist.

Und damit kommen wir zur Lebenslüge der Demokratie und speziell der "sozialen Marktwirtschaft": So wenig wie es im real existierenden Sozialismus Ungleichheit geben konnte, so wenig kann es in der sozialen Marktwirtschaft eine Verteilungskrise geben. Deswegen werden wir aus Regierungsmund diese korrekte Bezeichnung nicht so schnell zu hören bekommen, während man trotzdem fleißig das Geld der Schaffenden auf die Konten der Finanzinstitute transferiert. Der Staat verkommt damit sehr bald zum Inkassounternehmen Merkelmann.

Zum Schluss eine Bemerkung zum Personalkarussel: Natürlich war dieses wieder einmal mehr dem Parteienproporz der Koalitionäre denn der fachlichen Kompetenz geschuldet. Auch deshalb verlor Merkel ein Teil ihrer Fraktion bei der Wahl zur Kanzlerin: denn sie hatte vergessen den Osten der Republik mit einem Ministerposten zu versehen. Eine Personalie war aber nicht schlecht: Die überraschende Berufung von Wolfgang Schäuble auf den Schleudersitz des Finanzministers.

Zwar ist Schäuble auch kein ausgewiesener Finanzspezialist, wenn man von der unrühmlichen Verwicklung in den CDU-Spendenskandal der Kohlzeit absieht, als er mal eben eine 100.000 Moppen Spende in seinem Schreibtisch „vergessen“ hatte. Jedoch ist er ein Mensch, der sich nicht so leicht von Koalitionären, zweifelhaften Programmen oder schrägen Finanzjongleuren und Bankern dumm schwätzen lässt. Schon kurz nach seiner Berufung stellte er klar, dass die Geschenkorgien überhaupt nicht bezahlbar sind. Seitdem fallen Politiker der Union reihenweise um. Aus dem Hause Schäuble wird die Mutter der Nation vielleicht noch einige unerwartete Querschüsse erleben müssen.

Also schaunmermal, für Spannung ist gesorgt.

Donnerstag, 17. September 2009

Weimar 2.0: Wer hat die Kraft?


Nun, welche Koalition wird in der nächsten Legislaturperiode die Republik verwalten? Von regieren wage ich nicht zu reden, denn wer auch immer, kann nur noch reagieren. Die Spielräume des Staates sind angesichts bereits zugegebener zusätzlicher Kredite von 500 Mrd. Euro für Bund, Länder und Gemeinden bis 2013 faktisch Null.

Nach den Umfragen wird es für eine schwarz-gelbe Koalition reichen. Einerseits könnte es schon in absoluten Zahlen langen. Andererseits wird die numerisch stark geschrumpfte Union zwar nur 35+ Prozente erreichen, aber gleichzeitig zweifellos die mit Abstand meisten Direktmandate erringen. Aufgrund dieses gegenläufigen Effektes wird es zu einer großen Anzahl von Überhangsmandaten gerade bei der CDU kommen. Nach kompetenten Rechnungen könnten daher sogar 46% der Stimmen für Union/FDP gegenüber 49% für SPD/Grüne/Linke schon ausreichen.

Trotzdem sollte man nicht sicher von schwarz-gelb ausgehen. Denn angenommen man erreicht trotz numerischer Unterlegenheit die Mehrzahl der Mandate, so ist man dann doch mit dem Nimbus der Verfassungswidrigkeit im Amt. Denn das Verfassungsgericht hat die Überhangsmandatsregelung als Grundgesetzwidrig eingestuft, aber die notwendige Änderung des Wahlgesetzes hat noch nicht stattgefunden. Selbst wenn es numerisch reicht: Zusammen mit der FDP kann Frau Merkel nicht davon ausgehen, dass sie in den extrem haarigen nächsten vier Jahren eine Mehrheit in beiden Kammern, Bundestag und Bundesrat, hat. Der zweifellos gewaltige Bedarf an Zustimmung zu den anstehenden Gesetzgebungsverfahren wäre damit wohl kaum gegeben.

Wenn die Wahlforscher doch etwas daneben liegen sollten, dann kämen noch verschiedene Ampeln in Betracht. Etwa Schwarz-Gelb-Grüne, kaum weniger wackelig aus Sicht von Frau Merkel, ehr schon ein Flohzirkus. Oder eben SPD-Grüne-Linke, was aber wegen der Vorfestlegung der SPD schon nicht möglich ist. Dann noch SPD-FDP-Grüne, was die FDP schon definitiv ausgeschlossen hat. Und beides wären natürlich auch Säcke voller Flöhe, bei dem insbesondere die SPD mittelfristig nur verlieren könnte.


Es lauert dagegen die Fortführung der großen Koalition. Der Vorteil liegt auf der Hand: Frau Merkel könnte mit einem eingespielten Team weitermachen. Dabei sind die ideologischen Unterschiede zwischen Steinmeier-SPD und Merkel-CDU weit geringer, sofern überhaupt vorhanden, als wie mit der neoliberalen FDP und ihren von der aktuellen Entwicklung längst überholten Rezepten der 80er-Jahre. Zudem kann man auf eine solide Mehrheit in beiden Häusern und breiter Zustimmung zu den gemeinsamen, und notwendig brutalen, Gesetzesvorhaben zählen.

Aus Sicht der reinen politischen Vernunft sollten Merkel und Steinmeier also wieder eine große Koalition anstreben, selbst wenn es für eine numerische Überlegenheit von CDU/CSU/FDP reicht. Vielleicht kalkuliert Merkels schwacher Wahlkampf gerade mit der Hoffnung, dass die schwarz-gelbe Mehrheit möglichst dünn ausfällt. Denn nur dann hat Sie alle Möglichkeiten und Entscheidungen in eigener Hand. Eine klare unzweideutige Mehrheit für schwarz-gelb würde ihr dagegen eine selbstständige Entscheidung entgegen dem FDP-Wunsch einiger CDU-Granden unmöglich machen.

Wer also ins Wettbüro gehen möchte: setzen Sie mal 55% ihres Einsatzes auf die große Koalition, 35% auf Union/Fdp und 10% auf eine der drei Ampel nach dem Wahltagballyhoo. Und entsprechend dürfen Sie auf den nächsten Kanzler/in ihren Obolus zu 94% auf Merkel und bestenfalls zu 6% auf Steinmeier setzen.

Nun, die Vorhersage des Wahlausgangs ist vergleichsweise leicht, schwieriger die Vorhersage was uns in der Legislaturperiode bis 2013 erwartet. Bei allem, außer der großen Koalition, ist kaum zu erwarten, dass dieselbe Regierung die sich im Oktober 2009 zusammen finden wird, in 2013 auch wieder zur Wahl antritt. Denn ab 2010 werden Rechnungen an den Wähler, vor allem an den Wähler aus dem deutschen Mittelstand, den Zahlmeister der Nation, gestellt werden. Und der reagiert empfindlicher als alle Anderen, er ist der schlafende politische Löwe, den man eigentlich nicht wecken darf.

Da wird man aber nun nicht mehr herum kommen. Denn das Steuer und Abgabenaufkommen wird von dieser, relativ wohlhabenden und politisch einflussreichen, aber numerisch erstaunlich geringen Mitte getragen. Schauen wir daher einmal auf die ungefähren Zahlen: Die Anzahl der offiziell Beschäftigten beträgt in Deutschland um die 40 Millionen. Da fehlen aber noch 43 Millionen bis zur Einwohnerzahl. Denn die „Arbeitslosenstatistik“ weist zur Zeit ja nur 3,5 Millionen Arbeitslose aus, was ist denn mit den anderen 39,5 Millionen?

Das Problem ist: Keine dieser Zahlen weist das tatsächliche Dilemma korrekt aus. So weist die gemeinhin „Arbeitslosenstatistik“ genannte Statistik lediglich die Anzahl der offiziell als Arbeit suchend eingestuften Mitbürger aus. Und die ist schon mächtig geschönt, so sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr Bürger aus diesen Zahlen heraus definiert worden, so etwa Leute die in ABM Maßnahmen sitzen, Menschen in Fortbildung, angeblich Unvermittelbare, etwa die über 55-jährigen usw. usf. Würde man dieselben statistischen Regeln wie in den 70er-Jahren anwenden, man läge weit über der neuralgischen 5 Millionen Grenze.

Was ist nun mit den 40 Millionen Beschäftigten? Auch das ist keine so aussagekräftige Zahl, wie man meinen möchte. Denn darin enthalten sind wirklich alle, vom 1-Euro-Teilzeit-Jobber über Arbeiter, Angestellte, Beamte und auch Selbstständige und Unternehmer. Und deren tatsächlicher Anteil an der Steuer und Abgabenlast differiert je nach Status ganz erheblich. Geringverdiener zahlen wegen mangelnder Leistungsfähigkeit und hoher Freibeträge praktisch nichts, Hochverdiener wegen der Bemessungsgrenzen relativ weniger in die Sozialabgaben, Beamte und Selbständige sind teilweise oder ganz von den Sozialabgaben befreit, Selbständige und Unternehmer haben zudem eine große Steuergestaltungsfreiheit.

Am schlimmsten trifft es die abhängig Vollzeitbeschäftigten mit einem Verdienst nahe an den Bemessungsgrenze der Sozialbeiträge. Denen wird schon bisher das Fell bis fast auf die Knochen abgezogen, so betragen deren Steuern- und Abgaben (insb. Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Solidaritätsbeitrag, Kirchensteuer...) vom Arbeitgeberbrutto (nicht das Arbeitnehmerbrutto! Die wirkliche Summe sieht kaum einer.) gemessen rund 60%. Da diese, meist Familienmenschen, zudem am Ende des Monats trotzdem einigermaßen blank sind, werden von den restlichen 40% noch mal rund 20% für Konsumsteuern (insb. die MWSt u.a.) kassiert. Summa summarum landen also rund 70% von deren Einkommen in allgemeinen Kassen. Das führt zu dem irren Effekt, dass in der Tatsache 75% der Staats- und Sozialkasseneinnahmen von nur gut 20% der Bevölkerung geleistet werden. 80% der Bevölkerung, eben das wachsende Heer der Beschäftigungslosen und Geringverdiener, insbesondere auch die mehr als 20 Millionen Rentner und Pensionäre, aber auch unfairerweise die wirklich Wohlhabenden, bekommen von Staat und Gesellschaft unterm Strich viel mehr raus, als sie aktuell einbezahlen.

Das war grundsätzlich zwar schon immer so, aber in aller Regel konnte sich der Mittelstand darauf verlassen, dass sie vom Wachstum des Gemeinwohls, und von den großen Kuchen die ganz oben gebacken werden, noch soviel netto ab bekam, dass es sich noch lohnte. Das wird nun anders werden. Schon seit der Jahrtausendwende ging die Rechnung nicht mehr so recht auf, jetzt geht es ans Eingemachte. Diejenigen die so richtig bluten müssen, dass sind in der Tat weniger als 20 Millionen, und allein die bereits zugegebenen 500 Mrd. Neuverschuldung bedeuten, das man jedem von diesen Mitmenschen effektiv 25.000 Euro bis 2013 abknöpfen muss. Oder wenigstens jährlich die Zinsen für dann rund 2000 Mrd. Schulden von Bund, Länder und Gemeinden, was noch schlimmer ist, denn das hört nie auf sondern nimmt jährlich noch zu.


Das wird sich zweifellos bitter rächen. Während am oberen Ende der Gesellschaft gigantische Reichtümer mit Milliarden locker zugesagten Steuergeldern staatlich gestützt werden, nehmen am unteren Ende dagegen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Armut und in der Folge Kriminalität, Gewalt und Unsicherheit massiv zu. Der Mittelstand wird zur Kasse gebeten, bei sinkenden Nettoeinkünften, schwindenden Rücklagen, unsicheren Renten, stehen ihm andererseits immer weniger Leistungen des Staates gegenüber. An der Bushaltestelle riskiert er zusammengehauen zu werden, sein geliebtes Mittelklasseauto derweil sich auf Berliner Strassen in Rauchwölkchen auflöst unter dem Gejohle von jugendlichen Chaoten. Polizei und Justiz, die trotz zunehmendem Bedarf unter massiven Einsparungen leidet, kann dem aufkommenden Anarchismus dann immer weniger entgegensetzen.

Dem Staat bleibt derweil neben ständigen Erhöhungen der Steuern, Abgaben und Gebühren sowie dem Herunterfahren von öffentlichen Leistungen, nur die Aufnahme neuer Kredite oder schlicht das Drucken von frischem Geld. Allein die HRE wird in monatlichem Takt Milliardensummen fordern. Und das Problem der Leistungsbilanzunterschiede in der EU wird dramatisch zunehmen. Lediglich Deutschland, und in geringerem Maße die Niederlande, haben einen Überschuss auszuweisen, alle anderen, an der Spitze das bevölkerungsreiche Spanien, haben deftige Defizite, Spanien rund 10%. Da wird die BRD mit regelmäßigen Milliardenspritzen für die EU einstehen müssen, wenn man nicht einen Zusammenbruch der Währungs- und Wirtschaftsunion riskieren will. Das kann nicht ohne einhergehende Inflation gestemmt werden, die wiederum die Einkünfte und Rücklagen des Mittelstandes besonders bedrohen, denn wer keine oder sehr viele hat, den schmerzt das weniger. Die vor kurzem gesetzlich verankerte Schuldenbremse wird dagegen wenig tun. Sie ist sogar kontraproduktiv, denn wenn man sie ernst nimmt, dann wird der Handlungsspielraum des Staates aufs Sparen alleine reduziert. Im Klartext, aufgrund der verfahrenen Situation würde er dann völlig handlungsunfähig sein, was unterm Strich noch viel verheerender ist, als die im Effekt Schulden tilgende Inflation.


In der Folge wird sich die bürgerliche Mitte in zunehmenden Maße von den so genannten Volksparteien abwenden und zu einer Protesthaltung finden. „Wir sind das Volk“, hieß es vor 20 Jahren in der damaligen DDR. Und die Säulen der DDR-Gesellschaft kehrten dem abgewirtschafteten Staat scharenweise den Rücken. Während die DDR-Bürger aber noch eine demokratische, und kapitalistische, Alternative gleich wenige Meter hinter der Mauer hatten, fehlt diese in den nächsten Jahren. Und nicht ganz zu Unrecht werden viele ehemalige Wohlstandsbürger im Angesicht der ungerechten Verteilung der Lasten skandieren: „Wer hat uns verraten? Demokraten, Demokraten!“ und damit zu den radikalen Parteien am linken und vor allem zu dem, einfacher strukturierten, rechten Ende der Gesellschaft überlaufen.

International werden zudem weitere noch ungedachte Probleme auftauchen. Mit dem inflationieren des Dollars, aber auch des Euros und dem möglichen Entstehen einer asiatischen Weltwährung, werden sich mittelfristig Machtverhältnisse in der Welt verschieben. Denn Militärmacht ist in erster Linie Wirtschaftsmacht, da eine Armee die nicht mehr ausreichend finanziert wird, so zerfällt, wie es auch die Sowjetarmee tat. Ergo wird die westliche Ordnungsfunktion zunehmend durch eine östliche abgelöst werden, und damit werden sich die Verhältnisse, gerade für Europa grundlegend verändern. Denn die Gewichte, wen oder was man zu welchem Preise zu schützen bereit ist, werden sich kräftig verschieben.

Das ist die Hybris, die uns in den nächsten vier Jahren näher kommt. Beim besten Willen kann ich keinen Beneiden, der in dieser Situation den Auftrag bekommt, für uns die Kohlen aus dem Feuer zu hohlen, schon gar nicht mit einer schwachen Mehrheit. Er kann sich nur die Finger verbrennen. Insofern wäre es das beste, und auch gerechteste, wenn dieser Auftrag an die geht, die den Schlamassel angerichtet haben. Beziehungsweise die so unklug waren, sich die Rettung der Supervermögen von der Finanzwirtschaft als gemeine Staatsaufgabe aufschwatzen zu lassen.

Also denn, Mission: Impossible

„Guten Morgen, lieber Koalitionär. Die Mission ist die Sanierung des Finanz- und Wirtschaftsystems und die Rettung der Demokratie. Sollten Sie oder jemand aus Ihrer Regierung gefangen genommen, getötet oder sogar abgewählt werden, wird der Volkssouverän jegliche Kenntnis dieser Operation abstreiten. Dieses Blog wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten. Viel Glück, Angela. Merkel, übernehmen Sie!“

Freitag, 4. September 2009

The Imperium strikes back: Warum die Krise gerade erst begonnen hat

Die Börse hat in den letzten Monaten rund 50% zugelegt, an der Wall Street träumt man von der 10.000er Marke, und Renditeziele von wenigstens 25% sind für den Deutsche Bank Chef Ackermann auch schon wieder im Fokus. An schmackhaften Boni labt man sich nach wie vor, ob 15 Millionen für 6 Monate erfolglose Sanierungsbemühungen oder von Bonus in Halteprämie umgetaufte Millionenstützen für arbeitswillige Investmentbanker, alles bleibt beim Alten.

Warum auch nicht, denn einmal abgesehen von schamloser Selbstbedienung, machen Sie natürlich genau dass, wofür sie da sind: Vermögen zu vermehren. Kaum vorzuwerfen also, dass sie ihren Job machen. Nur, wer soll dass alles bezahlen? Politik und Ökonomie drücken sich um eine klare Antwort. Der Wahlkampf ist, trotz oder gerade wegen der aufziehenden Götterdämmerung, so flach wie nie. Ob mit Busenplakaten oder einfach nur „Die Kanzlerin kommt“.

Was auf den ersten Blick recht menschelnd klingt und hier in Bonn plakatiert ist, heißt jedoch lediglich das die Kanzlerin auf dem Marktplatz spricht. Und das ist auch schon das ganze Programm, und man will und wird die Wahl damit bestreiten. Und gewinnen, versteht sich. Über die Wahrheit breitet man gepflegtes Schweigen: Union und FDP versprechen Wolkenkuckucksheime alla Steuer- und Abgabenerleichterung für Alle, seitens SPD, Grüne und Linke wagt man das bittere Ende dagegen anzudeuten, was wahltaktisch in der Vergangenheit noch immer ins Auge gegangen ist.

Dem Wähler schwant das da was faul, ja megafaul ist, nur was, das wird ihm auch vom genauso flachen Bildschirm vorenthalten: „Darauf angesprochen, ob man die Verursacher der Wirtschaftsmisere stärker zur Kasse bitten müsse, antwortete er mit der Frage: „Muss der Finanzmarktsektor nach der Krise nicht sehr viel stärker zur Finanzierung beitragen als wir uns dies jemals ausgedacht haben?“ Das klang dramatisch. Da hätte man gerne genauer gewusst, was Steinbrück vorschwebt. Doch leider: „Wir können das jetzt nicht vertiefen“, meinte der Moderator – und brachte das Problem der Sendung final auf den Punkt.“

Nun die Krise ist nicht vorbei, sie fängt gerade erst an. Denn es handelt sich in der Tat um eine echte Systemkrise und nicht um ein Börsengewitter. Letztere ist sowieso schon wieder ganz unruhig, denn auch dem härtesten Zocker schwant Böses angesichts der Tatsache, das Börsengewinnen von 50% auch beim besten Willen und Optimismus keine entsprechenden Zuwächse in der Realwirtschaft gegenüber stehen. Es handelt sich offensichtlich um reine Börsenonanie und so zittern die Kurse vor sich hin und der Goldpreis nagt wieder an der 1000 $ Marke.


Warum es eine Systemkrise ist, dazu muss man des Börsianer liebstes Kind, die Renditen, aus Makroökonomischer Sicht näher betrachten. Erste Graphik (durch Anklicken zu vergrößern) zeigt uns das bekannte Bild. Die Entwicklung der Aktiva/Passiva (Aktiva sind die aktiven Posten, d.h. Kredite, Derivate etc. pp. und Passiva die in gleicher Höhe entgegen stehenden Einlagen, ergo Vermögen. Die Aktiva/Passivabilanz ist dabei immer ausgeglichen) im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es handelt sich um die jeweils nominalen Werte und sind den offiziellen Statistiken der BRD entnommen für die Jahre von 1950 bis 2008.

Nun die Aktiva entsprechen den Vermögen, und die erste Ableitung nach der Zeit (Jahresbasis) dA/dt entsprechen den Zinsen, die zweite Ableitung d2A/dt2 dem Zinseszins. Für die exakten Werte der Zinsen müsste man zwar noch den Zu- und Abfluss von Kapital nach und aus dem Ausland berücksichtigen, aber diese Bilanz ist einigermaßen ausgeglichen und beeinträchtigt das Bild im Grundsatz nicht weiter. Die Vermögensschere zwischen BIP und Aktiva ist überdeutlich. Aber was bedeutet sie für das Wirtschaftsleben? Die Bedeutung liegt in der Zinskurve unten rechts, denn die wird ab Mitte der 80er-Jahre zu einer bedeutenden Belastung für das BIP.


Deutlich wird das, wenn wir uns den Gewinn, d.h. die Verzinsung, der Aktiva im Vergleich zum Gewinn des BIPs, das ist das Wirtschaftswachstum, anschauen. Die mittlere blaue Kurve ist das tatsächliche Wachstum des BIP (also die erste Ableitung dB/dt), die obere Kurve die Zinsen (dA/dt) und die untere Kurve die Zinseszinsen (d2A/dt2), jeweils in Milliarden nominaler Euros. Wir sehen: Bis Anfang der 70er Jahre lagen Gewinn aus Aktiva und Gewinn aus BIP nahe beieinander. Das ist gut so, denn dann sind die Vermögensgewinne aus BIP gedeckt und außerdem ist gewährleistet, dass sich Investitionen in Realwirtschaft für Kapitalbesitzer tatsächlich lohnen. Spätestens seit den 80er Jahren geht die Schere aber auseinander, die Zugewinne aus Aktiva liegen bereits oberhalb der Zugewinne aus BIP.

Das ist zunächst auch nicht tragisch, zwar ist eine direkte Deckung durch BIP nicht mehr gegeben, aber so lange die Aktiva nicht in Geld und Konsum verwandelt werden, nahezu bedeutungslos. Hauptsache bleibt, dass das BIP lediglich die Renditen hergibt, der Kapitalbesitzer somit zufrieden gestellt ist. Allerdings beginnt nun des Dramas dritter Akt: Aufgrund der Gewinnschere nimmt das Interesse zu, mit Geld Geld zu verdienen, statt mit den anstrengenden und weniger gewinnträchtigen Investitionen in die Realwirtschaft. Derivate und dergleichen nehmen entsprechend zu, die Gewinne aus Aktiva spreizen sich weiter vom Wachstum ab.

Der vierte Akt beginnt dann Ende der 80er Jahre: Nun beginnt sogar der notwendige Zinseszins regelmäßig das Wachstum zu überschreiten, das System wird nun instabil. Denn diese sind Ausdruck der angesammelten Altlasten, im Gegensatz zu kurzfristig rentablen Krediten an die Realwirtschaften sind sie Beleg für nicht zurückgezahlte, auch inzwischen nicht mehr rückzahlbare, Schulden. Und zwar öffentlicher wie privater, es macht keinen grundsätzlichen Unterschied. Die Zinskurve beginnt nun zu explodieren, die folgenden drei Riesenzacken sind DDR-Übernahme, DotCom-Krise und Subprimekrise, ein Ende nicht absehbar.


Zu guter Letzt damit noch einmal die Verhältniszahlen Vermögen/BIP, Zinsen/Wachstum, Zinseszins/Wachstum in der zeitlichen Entwicklung von 1950 bis 2008. Die 1-Linie bedeutet das alle Verhältniszahlen oberhalb prinzipiell ungünstig, die darunter günstig für das BIP-Wachstum sind. Das deutsche Wirtschaftswunder endet 1966, als auch das Aktiva/BIP-Verhältnis die rote Linie überschreitet. Der direkt folgende Zinsbuckel ist Ausdruck der Rezession1966/1967, die der damaligen CDU-Regierung den Kragen kostete und die erste Große Koalition unter Kiesinger(CDU) und Brandt(SPD) hervorbrachte. Die Zinsforderungen der Aktiva an das BIP forderten danach entsprechend auch oberhalb des Wachstums ihren Platz. Dramatisch wird es dann 1988, als bereits die Zinsezinsen das Wachstum überforderten. Mit der Gier im DotCom-Wahnsinn übersteigen die Aktivaforderungen in 1996 dann das Wachstum um mehr als das 10-fache, ein Unding das nicht gut enden konnte, der rapide Absturz folgte in 2000, um in der Subprimekrise wieder auf das fast 6-fache anzusteigen. Das System ist mittelfristig unhaltbar geworden.

Die violette Ausgleichsgerade zeigt uns des Pudels Kern, die Systemkrise, an: Die Renditenschere liegt in der Größenordnung des Aktiva/BIP-Verhältnisses und beträgt inzwischen knapp das 4-fache des Wachstums. Niemand braucht sich also zu wundern, dass in den Jahren nach der DotCom-Krise zwar die Gewinne um 61% zulegten, die Einkommen der Bürger aber nur um 4%. Nach Abzug der Abgabenerhöhungen und/oder der Leistungseinschränkungen seitens des Staates und der Sozialkassen, blieb dem Durchschnittsbürger also weniger als Nichts. Mit dem gewaltigen BIP-Einbruch in 2009 einerseits (in den Graphiken noch gar nicht enthalten) und den andererseits dagegen staatlich massiv gestützten Vermögen, verschärft sich diese Situation nun noch dramatisch.

In der kommenden Legislaturperiode werden dem Bürger Rechnungen präsentiert werden, das Zähneknirschen wird groß sein. Und das eigentliche Imperium, das die Finanzimperien nährt, wird zurück schlagen. Die letzten Finanzkrisen, die in Wirklichkeit Renditekrisen waren, sind schon Folgen des technischen Zurückschlagens des BIP. Demnächst kommt die menschliche Rückwirkung wenn der deutsche Mittelstand feststellen muss, dass den Milliarden und Billionen die staatlicherseits in 2009 bewegt wurden, und noch viele werden folgen, tatsächlich massive Forderungen und Nachteile an Ihn gegenüber stehen. Der Verteilungskampf zwischen Schaffenden und Vermögenden wird dann an Schärfe deutlich zunehmen.

Regierung und Ökonomen, insbesondere die zukünftigen Koalitionäre der FDP, sehen naiver Weise in einem „selbst tragender und nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung“ die Lösung des Problems. Demnach soll dieser dem Bürger Vollbeschäftigung, erneuten Wohlstandszuwachs und dem Staat die Begleichung, ja sogar die Tilgung, seiner Schulden ermöglichen. So glaubt man etwa sogar Steuersenkungen rechtfertigen zu können.

Nicht dergleichen wird geschehen. Zwar ist immer ein kurzfristiges Strohfeuer möglich, sei es durch Abwrackprämien zum Preise weiterer Verschuldung. Ein mittelfristiger, gar langfristiger, Ausweg ist es nicht. Denn selbst wenn die Vermögensbesitzer nur mit der, oft als lächerlich empfundenen, 5% Verzinsung ihrer Aktiva zufrieden wären, man benötigt inzwischen ein Wirtschaftswachstum von fast 20% um zu gewährleisten, dass für den Durchschnittsbürger unter dem Strich tatsächlich etwas übrig bleibt. Der Versuch ist so zum Scheitern verurteilt wie wenn man versuchte die Titanic mit der Kaffeetasse zu lenzen.

Der einzige Ausweg aus der Systemkrise ist, man muss es so deutlich sagen, auch wenn es brutal, gemein, unaussprechlich und absolut Gotteslästerlich klingt:

Die in den letzten Jahrzehnten angesammelten Vermögen müssen weg!

Und das möglichst schnell. Denn verloren sind sie sowieso, sei es nun kontrolliert durch eine unparitätische Währungsreform oder chaotisch durch eine Inflation von wenigstens 500%. Je länger es dauert, so verheerender werden jedoch die nicht mehr rückgängig zu machenden Auswirkung der Aufkäufe von Industrien, Patenten, Immobilien und sonstiger Sachwerte, durch nicht nur der internationalen Staatsfonds, sein. Denn wenn die erst das inflationäre Papier in solche Werte verwandelt haben, dann hilft uns weder Reform noch Chaos weiter. Dann ist der Laden ausverkauft und der Bürger muss sehen wo er bleibt, wenn nicht nur Mercedes und Porsche in China produzieren.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. So heißt es, aber leider hat man am oberen und entscheidenden Ende der Gesellschaft noch kaum die Erste Stufe davon erreicht. Und man darf bezweifeln, ob überhaupt der Wille besteht, es zu begreifen.

Wenn nun, nach dem postwahltaktischen Ballyhoo, die neue Egalwelche-Koalition die Bühne betritt, werden wir spätestens Anfang 2010 mit dem altbekannten „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt, Wir müssen nun den Gürtel enger schnallen“ konfrontiert werden. Die Wahrheit aber ist, nicht Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, sondern Die da Oben haben über unsere Verhältnisse gelebt. Und auch nicht wirklich "Wir" sondern nur Wir da Unten, sollen und werden den Gürtel enger schnallen müssen.

Das dies tatsächlich eine Systemkrise ist, kann man sich auch anders leicht klar machen: Als in 2008 alles ins Wanken kam, waren es nicht plötzlich die Konsumenten, die nicht mehr bereit gewesen wären mehr zu konsumieren, waren es auch nicht die Industrien, die nicht mehr bereit gewesen wären mehr zu produzieren. Es waren die Finanzinstitute die, angesichts mangelnder Renditen und gestiegener Risiken und wegen der eigentlich notwendiger Vermögensabschreibungen, nicht mehr bereit waren weitere Kredite zu vergeben. Die Krise resultiert nicht aus Unvermögen des BIP sondern aus der ungesunden Verteilung der Ansprüche auf das BIP, ergo Vermögen.

Deswegen werden die kommenden Jahre spannend wie nie, denn es geht nicht mehr darum, die Kuh vom Eis zu kriegen, sondern darum die heilige Kuh zu schlachten. Und natürlich, ob es gelingt diesmal einen demokratischen Metzger dafür zu finden.

Freitag, 21. August 2009

Welche Natter nährte ich an meiner Brust? Die Staatsfonds


"Sie sind überall, sie sind gut vernetzt - und sie sind reich. Staatsfonds, im Finanzjargon SWF genannt, kommen aus den Golfstaaten, aber auch aus Fernost oder Lateinamerika. ...Und mit 3,2 Billionen Dollar bündeln sie zusammen weit mehr Geld, als es die gefürchteten Hedgefonds mit rund 1,3 Billionen tun. Es ist auch viel mehr als jene 474 Milliarden Euro, die der gesamte Dax wert ist....Staatsfonds sind also eine stille Macht. Eine stille Macht, die sich regt." schreibt heute das Manager-Magazin.

Die ehemals volkswirtschaftlich abgehängten monokulturellen Rohstofflieferanten schlagen nun zurück: "...Das Öl war es, das diesen Weg möglich machte. Die Golfländer waren es daher, die die ersten Staatsfonds aus der Taufe hoben, um die Erträge aus dem Geschäft mit Öl und Gas zu sichern. Dazu kamen jene Länder wie China, die ihre Devisenreserven effizient verwaltet wissen wollten. ...."

Die einseitigen Wirtschaftsbeziehungen, die nur auf Rohstoffe, aber nicht auf die Errichtung konkurrenzfähiger und diversifizierter Volkswirtschaften zielte, beginnt sich zu rächen: "......Kein Wunder also, dass die Europäische Kommission noch im Februar 2008 ein Papier unter dem Titel veröffentlichte "Ein gemeinsames europäisches Vorgehen gegenüber Staatsfonds." Darin sprechen die Beamten von Befürchtungen, die die Staatsfonds wecken würden. Und verweisen zur Illustration auf die makroökonomische Seite, derzufolge das Wachstum der Staatsfonds ein Zeichen für die großen Leistungsbilanzungleichgewichte in der Weltwirtschaft seien.....Und in zehn Jahren sollen es mehr als sieben Billionen sein, schätzt die Deutsche Bank in einer aktuellen Studie"

Leistungsbilanzdefizit, dass ist ein Euphemismus für Schulden. Denn wer immer nur Rohstoffe einkauft, aber als Gegenleistung keine Produkte liefert, der stellt eben Schuldscheine aus. Also Dollars und Euros, die nun mal nichts anderes sind. Deswegen ist man nun an diese Schuldversprechen gefesselt, denn: "Der Spielraum der EU zumindest für Gegenmaßnahmen ist nicht gerade groß. Denn staatliche Einschränkungen ausländischer Investoren verbieten die eigenen wirtschaftlichen Leitlinien. Der freie Kapitalverkehr ist gesetzlich gewährleistet." Würde man den Kapitalverkehr wieder scharf reglementieren, wie vor der Deregulierung, so würde man seine uneingelösten Schulden entwerten, und damit die Weltwährungen erst recht ins straucheln bringen.

Für dieses Geld möchten die Devisensammler nun auch einmal Gegenwerte sehen, und die sind inzwischen weit aus knapper als Geld. Zumal es langsam allen dämmert, dass der Geldwerterhalt, geschweige denn reale Verzinsung, nicht unendlich gesichert ist. Also muss man es sehr bald umsetzen, und nicht mit Kleinkram, denn da für ist es einfach viel zu viel: "Doch zum Beispiel die EU sieht einige Gefahren heraufdämmern, schreibt CEP selbst in einer Mitteilung bereits im Februar vergangenen Jahres. Staatsfonds könnten sich "zielgerichtet Technologie oder Know-how aneignen, das den strategischen Interessen des Landes nützt." ......"Gerade die jetzige Wirtschafts- und Finanzkrise verdeutlicht doch .. wie stabilisierend die Investitionen dieser Fonds wirken können - siehe etwa die Fälle Opel und Porsche" sagt auch CEP-Sprecher Ralf Jaksch. So hat sich der Staatsfonds aus Katar zu 10 Prozent an Porsche beteiligt, und das Unternehmen einstweilen so stabilisiert. Und am Donnerstag hieß es, der Fonds wolle 50 Prozent der Vorzugsaktien von Volkswagen übernehmen. Immerhin, so viel Kritik gibt es dann doch, "es fehlt noch das Element der Kontrolle", sagt Nugée."

Na so ganz fehlt letzteres Element nicht, denn Kontrolle übernehmen jetzt zunehmend Andere. Der Spieß beginnt sich zu drehen. Wenn der Dollar und Euro in einigen Jahren dann wirklich verfällt, dann werden wir für die ehemals von uns Abhängigen arbeiten müssen, statt umgekehrt. Man kann es als gerechte Strafe für eine böse Tat sehen, aber es ist eine gefährliche Zeitbombe für dann Internationale Konflikte.

Die „Fabulae aesopicae collectae", eine Sammlung äsopischer Fabeln, berichtet: „Ein Wandrer erblickte eine Natter, die vor Frost fast todt war. Aus Mitleid hob er sie auf, legte sie an seinen Busen und suchte sie zu erwärmen. So lange die Natter vom Frost zusammengehalten wurde, blieb sie ruhig; als sie sich jedoch erwärmt hatte und wieder auflebte, biss sie den Wandrer in den Leib. Beim Dahinscheiden sprach dieser: „ich leide mit Recht! warum habe ich auch die vom Tode gerettet, welche man sogar hätte tödten müssen, wenn sie voll Lebenskraft gewesen wäre?" (Halm 97 b ).“

Nun ja, vielleicht scheiden wir zu Recht dahin.

Mittwoch, 19. August 2009

Berliner-Bären-Bude: Die Abwracker


Der Bundestagswahlkampf dümpelt so vor sich hin. Richtig Feuer geben mag zur Zeit noch Keiner, das scheinbar dringendste Problem der Republik scheinen die Dienstfahrten der Ulla Schmidt zu sein. Finanz-, Wirtschafts-, Verschuldungs-, Systemkrise? Welche Krise? Lieber nicht dran rühren, ist die Devise. Im Gegenteil, kaum meldet das Statistische Bundesamt eine kleine Quartalserholung für das BIP, schon rufen Ökonomen und Politiker bereits das Ende allen Unbills aus, orakeln bereits den kommenden Aufschwung, Abbau der Schulden, Steuersenkungen und profitable Arbeit für Alle herbei. Weiter so, es war nur eine kleine Delle, und die haben wir in Berlin prächtig gemanagt.

Zudem haben die Börsen in den letzten Wochen ordentlich zugelegt, auf den ersten Blick scheint es also wieder aufwärts zu gehen. Aber tut es das wirklich und nachhaltig? Die 0,3% Quartalserholung ist schließlich nicht viel mehr als eine unsichere statistische Schwankung, zudem mit der Abwrackprämie sündhaft teuer erkauft. Und die Börse ist nun mal nicht die Wirtschaft, auch wenn das allzu oft mit einander gleichgesetzt wird: Sie ist lediglich ein Spekulationsbarometer, welches die kurzfristigen Erwartungshaltungen der beteiligten Finanzjongleure wieder spiegelt. Und die sind kein geringeres Orakel.


Schauen wir also mal genau auf diese Finanzen, deren gesamtwirtschaftliche Summe von der Bundesbank (Zeitreihe OU0308; alle Graphiken können durch Anklicken vergrößert werden) regelmäßig ausgewiesen wird. Die erste Graphik zeigt die Entwicklung der Gesamtaktiva/Passiva der deutschen Kreditinstitute seit 1950. Wir sehen den bekannten exponentiellen Anstieg der Vermögen, der letztlich aus der natürlichen Zinseszinsproblematik entsteht, welcher zum ersten mal um das Jahr 2000 einen Knick bekommt. Die DotCom-Krise lässt die Zunahme stagnieren, um nach kurzer Zeit wiederum exponentielle Fahrt aufzunehmen. Endlich, in 2008, passierte etwas historisch einmaliges: Die Aktiva/Passiva nehmen tatsächlich ab, wenn auch nur marginal. Es ist jedoch der Hinweis auf eine grundlegende Änderung: Erstmals seit der Währungsreform 1948 müssen tatsächlich, in der Gesamtbilanz, erkennbar Vermögen abgeschrieben werden.


Die zweite Graphik zeigt uns daher den rechten Ausschnitt nur der letzten 5 Jahre. Im Oktober 2008 wurde der historische Höchststand mit 8093 Mrd. Euro, gegenüber einem BIP von 2490 Mrd. Euro in 2008, erreicht. Das Aktiva/BIP-Verhältnis erreichte das ungesunde Verhältnis von A/B = 3,25. Seit dem musste einiges abgeschrieben werden. Eigentlich weit mehr, aber die Politik tat alles nur mögliche, um genau dieses gerade zu verhindern. Dafür wurden dem Steuerzahler gigantische Schulden und Risiken aufgeladen. So wurden bislang gerade einmal die Aktiva von 8093 auf 7772 Mrd. Euro (6/2009) reduziert, also um etwa 4%. Viel zu wenig um den Verlust im BIP von 7,1% gegenüber dem Jahresvorquartal auszugleichen, das A/B-Verhältnis hat sich weiter verschlechtert, aber satt und genug um die Finanzwirtschaft in hellste Aufregung zu versetzen.


Deutlicher wird das Problem, wenn man statt der absoluten Zahlen die Gewinne/Verluste der gesamten Finanzwirtschaft auf Monatsbasis der Differenzen zwischen den Jahren betrachtet, also etwa die Differenz zwischen dem Februar 2006 und Februar 2005 usw. Auch hier wieder das Bild der letzten 5 Jahre. So wurden die notwendigen Ergebnisse ( mind. 5% von ca. 8000 € sind 400 Mrd. €) nach der DotCom-Krise erst wieder ab etwa 2007 erreicht um nach den Übertreibungen der Subprime-Weiterverbriefungen (+560 Mrd.€) Ende 2008 zu kollabieren. Dank der freundlichen Umschuldung auf die Staatsfinanzen konnte ein echter Absturz der Großvermögen verhindert werden, wenn auch nicht ganz, in 05/2009 musste ein echter Verlust von –39 Mrd. € hingenommen werden, der sich in 6/2009 durch eine neuerliche Jahreszunahme von 27 Mrd.€ schon wieder abmildert, Steuerbürger sei Dank.


So richtig prickelnd wird es erst, wenn wir wieder die historische Gesamtschau heranziehen. In der vierten Graphik daher die gleiche Gewinn/Verlust-Rechnung der Aktiva/Passiva seit 1951 bis heute 6/2009. Für die Mathematikinteressierten vorab eine Erläuterung: Da die Aktiva/Passiva nach einem Exponentialgesetz wachsen A=a*exp(b*t), ist deren Ableitung natürlich ebenfalls eine Exponentialfunktion, nämlich dA/dt=a*b*exp(b*t). Nichts anders als die erste Ableitung nach der Zeit ist wiederum genau die hier dargestellte Gewinn/Verlustrechnung. Rot eingetragen sehen wir nun die tatsächlichen Gewinne der Gesamtaktiva/Passiva nach den Zahlen der Bundesbank, Grün eingezeichnet die aufgrund einer gesunden Verzinsung (knapp 5%) tatsächlich notwendigen Renditen. Zunächst funktioniert dies auch prächtig, auch nachdem 1971 die letzte Deckung des Geldes durch Sachwerte wie Gold aufgegeben wurde. Allerdings beginnt die Kurve nun unruhiger zu werden, denn aufgrund der reinen Schuldendeckung neigt das Finanzsystem eher zum Zocken und Übertreiben.

Deutlich wird dies etwa bei der Wiedervereinigung. Dabei wurde der deutsche Währungsraum schlagartig vergrößert und für die DDR-Mark unrealistische Gegenwerte ausgezahlt. Diese Subvention landet wie immer zunächst mal auf den Konten der Begünstigten und erzeugt den gewaltigen Peak um 1990. In den Folgejahren bis etwa 1994 sehen wir die Investitionsblase DDR, das ist der kleinere Peak direkt hinterher. Das die blühenden Landschaften nicht unmittelbar aus dieser Gigainvestition entstanden, sondern blasenartig gleich wieder zusammen brach, ist auch darauf zurück zu führen, dass für die Erzeugung von Geld es eben völlig ausreichend ist, Schulden zu schaffen. Und einem möglichst unbeteiligten Dritten, etwa dem Steuer- und Abgabenzahler, zu zuschanzen. Eine tatsächliche Schaffung von Produkten und Werten war nämlich nicht notwendig, das Errichten von subventionsfinanzierten Bauruinen ist dagegen völlig ausreichend, und, einfacher und vor allen Dingen schneller zu bewerkstelligen.

Als nächstes kommt dann die Übertreibung der DotCom-Krise, als man durch den Verkauf von windigen Aktien selbst unterfinanzierte Garagenklitschen der IT-Industrie zu Milliardenunternehmen hochjubelte. Der Crash folgte auf dem Fuße und damit aber auch eine Zeitenwende: Konnte man zuletzt noch mit der DotCom-Übertreibung die eigentlich notwendigen(!) Renditen eintreiben, so rutschte man nun in die Zone ab, in der die notwendige Verzinsung der Kapitalien aus dem BIP technisch gar nicht mehr möglich ist.

Trotzdem versucht die Finanzindustrie nunmehr das, wofür sie ja auch da ist: Die Renditen ihrer gigantischen Aktiva/Passiva wieder an die Steigung der grünen Exponentialfunktion heranzuführen. Das kann aber nicht mehr auf Dauer funktionieren, denn das BIP ist seit dem „Break 2000“, als das Aktiva/BIP-Verhältnis etwa den Wert 3 überschritt, gar nicht mehr in der Lage das über 60 Jahre angesammelte Kapital mit den notwendigen Verzinsungen zu bedienen. Deswegen suchte man sich ein neues Verkaufsmodell für sein überflüssiges Kapital, so den Verkauf von Krediten an Leute, die sich diesen eigentlich gar nicht leisten konnten, und schließlich sogar die Weiterverbriefung von Paketen dieser sowieso fast wertlosen Kredite zu Spekulationspreisen an Möchtegernegroß-Banken. Der nächste, noch größere Crash erfolgte dann 2008.

Und wenn jetzt die Wirtschaft, dank gewaltiger Kostenübernahme der Steuerbürger, tatsächlich etwas Fuß fasst, dann ist der nächste Crash nicht weit. Denn man kann es als Gier bezeichnen, aber in Wirklichkeit ist es die Notwendigkeit eines aus den Fugen geratenen Systems: Die Finanzinstitute unternehmen nun erst recht jeden nur möglichen Winkelzug um weiter ihre notwendigen Renditen aus dem, nun erstmals kleiner gewordenen, BIP heraus zu prügeln. Sie können gar nicht anders, denn ihre Kunden verlangen das mit größter Vehemenz. Eine Abkehr vom Szenario der letzten Jahre ist daher reine Illusion, ein großer, dicker, Berlinerbär auf unserer Nase eben.

Aber auch die Berliner-Bären-Binder haben selbst einen solchen Bären auf die Nase gebunden bekommen: Zwar läge der einzige Ausweg aus dem Dilemma in weltweit massiven Abschreibungen; so etwa müssten sich in Deutschland die Vermögen im Verhältnis zum BIP mindestens halbieren, um einen annehmbaren Effekt zu erzielen. Die westlichen Demokratien unternehmen aber gerade das Gegenteil, sie tun alles um solche Abschreibungen zu verhindern. Und das zum Preis einer totalen Verschuldung und mittelfristig resultierenden Handlungsunfähigkeit des Staates, es grenzt an Selbstmord oder Hochverrat, je nach dem, wie man es sehen möchte.

Man kann unseren Parlamentariern zwar einiges unterstellen, aber das sie das eine oder andere davon wirklich wollen, eigentlich nicht. Warum aber handeln sie trotzdem so unvernünftig? Die Antwort liegt in der Funktion der Ökonomen begründet und deren Einstellung in Bezug zum Kapital, das wiederum die Entscheidungen von Bankern und Politikern entscheidend beeinflusst. Denn die Möglichkeit einer negativen Rückkopplung von zuviel Kapital auf die Wirtschaft wird von allen Standardlehren der Ökonomie faktisch negiert. Die Logik dahinter ist (a) in einer Kredit getriebenen Wirtschaft, und das ist bei uns der Fall, fördert reichlich Kapital das Wachstum. (b) Wenn Kapital am Markt zu wenig verfügbar ist, dann muss man ggf. auch aus dem Ausland oder sogar Staatlicherseits, nur reichlich Kapital hinein locken bzw. pumpen, (c) und, falls zuviel Kapital da ist, schadet das prinzipiell auch nichts, denn wer keinen Kredit haben möchte, braucht ja auch keinen zu nehmen. Im Gegenteil, dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgend, sollten dann sogar die Kreditzinsen sinken, was die Wirtschaft nur zusätzlich beflügelt. (d) Inflations- oder Deflationsgefahren kann man mit geeigneter Zinspolitik jederzeit entgegen steuern.

Nun, so sehr das in Zeiten ausgeglichener Aktiva/BIP-Verhältnissen wahr ist, so falsch ist es in Zeiten ausufernder Vermögen. Vor allen Dingen ist c) dem Grunde nach falsch. Denn die Verwalter der Vermögen, also die Finanzinstitutionen, leben davon , diese ihnen anvertrauten Vermögen zu vermehren. Und zwar jedes Jahr, und selbst die durchschnittliche Rendite von 5% ist den Vermögensbesitzen viel zu wenig. Die Erwartungshaltungen liegen durchweg im zweistelligen Bereich. Aufgrund der Zinseszinsschere zwischen BIP und Aktiva (Kredite und andere Finanzprodukte; und diesen in gleiche Höhe entgegen stehenden Passiva(Vermögen)), geht diese Rechnung nach 60 Jahren eben nicht mehr auf. Es entsteht ein ungleicher Kampf der Interessengruppen, auf der einen Seite der Großvermögen und auf der anderen Seite die Durchschnittsbürger und Kleinsparer. Kein Vermögensbesitzer wird je auf seine Renditen verzichten wollen, nur weil aus der Arbeit der Arbeiter und Angestellten nicht mehr genügend herausgezogen werden kann. Dann greift man eben zu anderen Methoden, so zum Beispiel etwa Hedgefonds, deren Geschäft im Prinzip daraus besteht, wackelige Firmen zu kaufen, gewinnbringend zu zerschlagen und die gegenüber stehenden sozialen Kosten dem Steuerzahler aufs Auge zu drücken.

Die nächsten Zacken, die nächsten Blasen in letzter Graphik stehen uns also bevor, und die Abstände werden kleiner und die Auswirkungen immer dramatischer werden. Solange bis die Zusammenhänge endlich einmal begriffen werden. Im Kampf der Interessengruppen werden sich die Demokraten entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen möchten: Auf der Seite des Kapitals oder auf der Seite des Durchschnittbürgers; ob sie die Demokratie erneuern oder abwracken wollen.

Eine Demokratie ist ohne Fairness, ohne Transparenz, und ohne allgemeinen Wohlstand zum Scheitern verurteilt. Insbesondere wenn sie dem Bürger nicht erklären kann, warum sie hunderte und tausende Milliarden zur Sicherung riesiger Vermögen ausgibt, aber gleichzeitig dem Bürger Steuern, Abgaben und Gebühren erhöht, Leistungen aller Art zurück fährt und nicht mal 1000 Euro für die Renovierung eines Kindergartens entbehren kann. Wenn sie sich nicht rechtzeitig für die richtige Seite entscheidet, läuft sie Gefahr unter zu gehen. Die nächste Legislaturperiode stellt genau diese Anforderungen an die unglücklichen Gewinner des herbstlichen Machtkampfs in der Berliner-Bären-Bude.

Donnerstag, 13. August 2009

Schönwetter am Prognosehimmel: 0,3%chen


Die neuesten Zahlen des statistischen Bundesamtes suggerieren Aufschwungsgefühle: Um sagenhafte 0,3% legte danach das deutsche BIP gegenüber dem Vorquartal zu. Etwas weiter hinten in der Statistik findet man dagegen den Fakt, dass es gegenüber dem entsprechenden Quartal des Vorjahres ein schnödes Minus von -7,1 % zu verzeichnen gab.

So spreizt man wieder die Ackermannfinger: „Die schwerste Rezession, die Deutschland nach dem Krieg erlebt hat, ist Geschichte: Das Bruttoinlandsprodukt steigt wieder“ schreibt der Focus. „Deutschland spreizt die Finger - zu einem kräftigen "V". Der Buchstabe, so hoffen Unternehmenslenker, Politiker und Beschäftigte, könnte zur Vorlage für den ersehnten Aufschwung werden: einmal kräftig runter, und dann genau so steil wieder rauf...."Wir werden in der zweiten Jahreshälfte eine v-förmige Erholung sehen", sagt etwa Unicredit-Volkswirt Andreas Rees.“

Jedoch sind bereits Wolken in Sicht: „Im Herbst, spätestens im Winter, dürfte es in diesem Szenario so weit sein: Die Firmen bauen Arbeitsplätze ab. ..."Es besteht die Gefahr, dass wir in eine neue Negativspirale geraten", sagt Hinze. Das RWI rechnet mit 4,6 Millionen Arbeitslosen am Jahresende 2010. Zudem laufen im kommenden Jahr große Teile der staatlichen Konjunkturhilfen aus. So verschärft das Ende der Abwrackprämie die Lage in Teilen der Automobilindustrie noch einmal. "Volkswagen wird da Probleme bekommen", erwartet Hinze.“

Zu Recht wendet der Spiegel ein: „Die Zahlen suggerieren zudem nicht nur aus technischer Sicht mehr Sicherheit als real existiert. Denn das Mini-Plus ist derzeit vor allem ein rechnerisches. In seiner Pressemitteilung merkt das Statistische Bundesamt an, dass "die preisbereinigten Importe erheblich stärker zurückgegangen sind als die Exporte". Einer der großen Effekte, der die Bilanz der Bundesrepublik ins Plus gehievt hat, ist somit ein Trugbild: Das Land wirkt reicher, weil es weniger ausgibt.“

Wer schiere Milliarden in Banken und Wirtschaft pumpt, der darf schließlich erwarten, dass diese Subventionen des Steuerzahlers Wirkung zeigen: "Der überraschend starke Aufschwung ist im zweiten Quartal vor allem auf den Boom zurückzuführen, den die Abwrackprämie auf dem Automarkt ausgelöst hat", sagt HWWI-Experte Hinze. ... Die Bundesregierung hat dafür fünf Milliarden Euro bereitgestellt, was 0,25 Prozent des BIP entspricht. ...Hinzu kommt, dass auch andere Konjunkturmaßnahmen wie staatliche Investitionen in den Bausektor zusehends anlaufen..."Das Plus im zweiten Quartal ist maßgeblich durch die Konjunkturprogramme der Regierung bedingt", sagt Hinze. Entsprechend sei mit erheblichen Einbrüchen zu rechnen, wenn die staatlichen Förderungen wieder auslaufen. ..."Einen sich selbst tragenden Aufschwung signalisieren die aktuellen BIP-Zahlen aber definitiv noch nicht."“

Letztlich geht die Kalkulation der Regierung aber, zumindest zeitlich, perfekt auf: „"Nach den Bundestagswahlen werden viele Wahrheiten auf den Tisch kommen, etwa höhere Sozialversicherungsbeiträge und eventuell steigende Steuern", sagte Deka-Analyst Sebastian Wanke kürzlich der Nachrichtenagentur dpa. "Dann werden wir sehen, dass das Vertrauen der Verbraucher nicht mehr trägt."“. Für die Wahl im nächsten Monat jedenfalls wird das Vertrauen mühelos halten.

Zudem kommt das Problem der Kurzarbeit, so sind die “...Lohnstückkosten - also die Lohnkosten im Vergleich zur Produktionsleistung der Beschäftigten - im ersten Quartal 2009 um 8,1 Prozent gestiegen. In der Industrie schwollen sie sogar um 25 Prozent an. Der Druck auf die Firmen, Mitarbeiter zu entlassen, steigt also, da die Kosten aus dem Ruder laufen. "Die Kurzarbeit entwickelt sich für die Unternehmen zu einer immer größeren Belastung - sollten sich die Aufschwungsignale nicht bald deutlich verstärken, dürften die ersten Unternehmen beginnen, Angestellte zu entlassen", sagt Hinze.“

Das kommentiert das Manager-Magazin so: „Es war eine tolle Geschichte, ein schöner Traum. Aber es war eben auch eine große und fatale Illusion. Die Weltwirtschaft sei auf dem besten aller Wege - das war in den vergangenen Jahren die Mehrheitsmeinung unter Managern und Unternehmern, unter Bankern und Ökonomen....Wir haben im manager magazin immer wieder gegen diese Illusion von Hurra-Kapitalismus angeschrieben. In vielen Artikeln und Kommentaren seit der Jahrtausendwende haben wir auf die Risiken hingewiesen: zu hohe Verschuldung, zu stark steigende Häuserpreise, zu niedrige Notenbankzinsen, zu große globale Ungleichgewichte. Zu lange ist die Welt mit Vollgas in die falsche Richtung gefahren. Deshalb erleben wir derzeit keine normale Rezession, sondern eine Jahrhundertkrise.“

Das die Börsen und der Finanzsektor nun längst wieder zu alter, verheerender, Dynamik aufgebrochen sind, gibt kein Wunder. Denn den Preis dafür hat die deutsche Mittelklasse bereits auf dem Deckel stehen, aber noch lange nicht bezahlt: „Und da ist zweitens die Staatsverschuldung. Eine wenig dynamische Volkswirtschaft kann nicht so leicht aus ihren Schulden herauswachsen.... Im Gegenteil, die fiskalische Lage dürfte sich weiter zuspitzen: Die in der Krise rapide gestiegenen Schulden drücken. Hohe Arbeitslosenzahlen und eine schwache Lohnentwicklung vermindern die Einnahmen und erhöhen die Ausgaben. Die möglichen Auswege sind allesamt holprig: Steuererhöhungen? Schwächen das Wachstum noch weiter. Ausgabenkürzungen? Sind politisch schwer durchsetzbar. Inflation? Gefährdet das Vertrauen ins Geld und in die Institutionen. Eine Kombination aus den drei Optionen? Keine unrealistische Erwartung.“

Realistisch ist: Die angehäuften gigantischen Staatsschulden, die lediglich dazu dienten gewaltige Abschreibungen bei den Finanzjongleuren zu verhindern, sind definitiv nicht zurück zahlbar. Im Gegenteil, sie werden mit Zins uns Zinseszins bis ins Infernalische anwachsen.

So stellt das Manager-Magazin weiter im Artikel „Die staatliche Blase“ fest: „Der Staat hat's gegeben, der Staat wird's nehmen. Vermutlich. Denn eben der Staat hat der Wirtschaft mit einer enormen Geldschwemme geholfen - und droht genau damit die nächste Blase zum Bersten zu bringen.“

Denn des einen Freud, ist des Anderen Leid: „Kurzer Rückblick: Seit März legen die Börsen zu. ..Vor allem die Regierungen und Zentralbanken der Welt sorgten dafür, dass sich ein steter Strom aus Abwrackprämien, Bankenstützungen oder Konjunkturprogrammen und natürlich günstigen Zinsen der Zentralbanken über Banken und Wirtschaft ergoss. Viel Geld floss und fließt auch in Aktien. ...Joachim Goldberg, Geschäftsführer von Cognitrend, spricht lieber von der "Hausse, die niemand versteht. Sie hat wenig Bezug zur ökonomischen Realität." Unter dem Strich zählt für viele Profianleger nur die Tatsache, dass die Kurse tatsächlich nachhaltig steigen.....Die Liquidität fließt nicht in Maschinen, sondern in Aktien. Dort droht also die Inflation", schlussfolgert Goldberg. .... Und wird übrigens von der konventionellen Inflationsmessung gar nicht erfasst.“

Und somit ist die nächste Blase natürlich bereits im Gange: “ Vom Markt als "Luftpumpe" spricht Goldberg. Droht, um im Bild zu bleiben, nach nur wenigen Pumpstößen das Platzen der nächsten Blase? "Ja, mit Sicherheit irgendwann in der Zukunft", nickt Becker. "Aber wie lange dauert das! Wir sprachen 2005 zum ersten Mal über die Immobilienblase - es dauerte also noch drei Jahre. ..."Die Blase wird platzen, wenn die Notenbanken das Geld vom Markt abziehen."“


Warum dies alles so dunkel aussieht, dass erklärt am besten wieder ein Blick in die Geschichte: “In einem Landhotel in Neuengland stampften 1944 die klügsten Ökonomen ihrer Zeit eine internationale Währungsordnung aus dem Boden. Jahrzehnte brachte das Arrangement von Bretton Woods der Welt Stabilität - bis Zocker die Regie übernahmen.“

Kurz vor dem absehbaren Ende des Zweiten Weltkrieges wurde dort, in weiser Voraussicht, ein neues Währungssystem vorbereitet, dass die Urkatastrophe mit dem Ersten Weltkrieg in Zukunft vermeiden sollte: “Der US-Dollar wurde die Leitwährung des Systems, alle Devisentransaktionen richteten sich nach dem Austauschverhältnis der einzelnen Währungen zum Dollar. Und: Die Amerikaner verpflichteten sich, die Dollar-Reserven jedes Landes gegen Gold einzutauschen, zum festen Kurs von einer Unze Gold für 35 Dollar.“

Aber das neue System litt unter mangelhafter Flexibilität: „Bretton Woods litt darunter, dass es nicht elastisch genug war, um auf eine sich rasch verändernde und wachsende Weltwirtschaft zu reagieren. Je mehr die nationalen Volkswirtschaften zu einem einzigen großen Markt zusammenwuchsen, umso schwerer war es, die grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen zu kontrollieren. In dem Maße, wie sich die Wirtschaft und der Geldwert in den einzelnen Ländern unterschiedlich entwickelten, hätten sich die Preise (oder: Kurse) für die einzelnen Währungen verändern müssen. Doch dieser Mechanismus funktionierte nicht.“

Was nun kommen musste, daran hatten gerade wir Deutschen eine erhebliche Beteiligung: „Symptomatisch war das Verhalten der Deutschen. Ende der Sechziger wäre eine Aufwertung der Mark zwingend gewesen. Doch die Unternehmerlobby stemmte sich mit aller Gewalt gegen das ökonomisch Gebotene. Eine Aufwertung hätte ihre Produkte im Ausland verteuert und womöglich zu weniger Exporten geführt. So wurde die Währungspolitik, ein eher sperriges Sujet, zum Top-Thema im Wahlkampf 1969. Der Sozialdemokrat Karl Schiller, Wirtschaftsminister der damaligen Großen Koalition, focht für die Aufwertung. Franz Josef Strauß, sein Finanzminister-Kollege von der CSU, und die gesamte Union waren dagegen. Erst mit der Bildung der SPD-FDP-Koalition im Herbst 1969 wurde dann die Mark - zum zweiten Mal nach 1961 - aufgewertet, um 8,5 Prozent.“

Der nächste Sargnagel war dann, man ahnt es, ein weiterer Krieg und die USA an vorderster Front: „Im Vietnam-Krieg warfen die Amerikaner ihre Gelddruckmaschinen an, um alle Auslandsrechnungen bezahlen zu können. Die Welt wurde mit Dollar regelrecht überschwemmt. Für Deutschland bedeutete das: Die Bundesbank musste Unmengen von Dollar ankaufen. Die wurden in Mark umgetauscht und erhöhten im Inland die Geldmenge. Man klagte über die "importierte Inflation".“

Man musste in dieser Situation reagieren, wollte man nicht selbst für diese Kosten aufkommen, und in einer ganz ähnlichen Situation befindet sich zur Zeit China: „Diese Dollar-Flut machte schließlich Anfang der siebziger Jahre Bretton Woods den Garaus. Deutschlands Wirtschaftsminister Schiller legte den Hebel um. Im Mai 1971 gab er den Wechselkurs der Mark frei und löste damit, wie der damalige Spitzenbeamte und spätere Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl schreibt, "ein kleines internationales Erdbeben aus".“

Die Folge war der definitive Knock-Out des alten Systems. Die Goldbindung verschwand endgültig, Devisen konnten ab nun frei floaten und die Gelddeckung wurde allein die Sache von Schuldtiteln jeglicher Art.

Damit nicht genug, es setzte ein Wettlauf der Deregulierung ein, um die „scheuen Rehe“ nicht zu verscheuchen: “Jene Regierungen, die den bei ihnen ansässigen Geldinstituten die geringsten Auflagen machten, konnten darauf zählen, dass sich bei ihnen die meisten Geldhändler niederließen. London stieg mit dieser Standortstrategie zum globalen Finanzzentrum auf. Der ökonomische Ultraliberalismus im Geiste Milton Friedmans hatte gesiegt - und er verwandelte die Welt in ein globales Casino....Sie betrieb und betreibt ihre Geschäfte im rechts- und kontrollfreien Raum über die Grenzen hinweg. Es sind Geschäfte, die sich zunehmend von der sogenannten Realwirtschaft abgekoppelt haben, längst nicht mehr mit dem Handel mit Gütern und dem Verkauf von Dienstleistungen verknüpft sind.“

Denn von nun an war es tatsächlich nicht mehr notwendig, irgendwelche realen Gegenwerte für Vermögen zu schaffen, das Errichten von Schuldtiteln reicht nun völlig aus: “Doch die Freiheit setzt nicht nur Kräfte frei, sie hat ihren Preis: Das Finanzsystem wurde immer krisenanfälliger. Ein Crash jagte den nächsten....Rund um den Erdball mussten nun die Regierungen mit unfassbaren Beträgen an (gepumptem) Staatsgeld einspringen, um den finalen Crash des Bankensystems gerade noch abzuwenden; jene Regierungen, deren Auflagen und Kontrollen die Bankenwelt viele Jahre lang für hinderlich und unnötig erklärt hatte, mussten nun die hilflosen Banker heraushauen.... Marktversagen oder Staatsversagen? Unzweifelhaft ist, dass der Prozess der Deregulierun... gnadenlos überdehnt wurde. Den Akteuren auf den Finanzmärkten waren immer mehr Freiheiten zugestanden worden, Kredite zu schöpfen, die Risiken über die ganze Welt zu verstreuen, nicht mehr kontrollierbar. Der marktwirtschaftliche Grundsatz, dass der Kaufmann für die Folgen seines Tuns haften muss, war für die Finanzwelt weitestgehend abgeschafft. Das konnte nicht gutgehen.“

Optimistisch träumt mancher aber vom baldigen Ende des Dilemmas, ohne das dafür wirklich Anlass bestünde: „Wenn die große Krise überwunden ist, wenn die Real- und die Kreditwirtschaft wieder einigermaßen ins Laufen kommen - dann stehen neue Probleme an: Die enormen Staatsschulden müssen abgetragen, das gewaltige Defizit in der amerikanischen Leistungsbilanz muss zurückgefahren werden. Womöglich wird mit der Staatsverschuldung, in die sich nun viele Länder gestürzt haben, der Grundstein gelegt für die nächste große Krise..... Die Krisen werden häufiger, sie werden unvorhersehbarer, und sie werden kräftiger werden."

Nur einschneidende Maßnahmen könnten zumindest eine mittelfristige Entspannung verschaffen: „Der Härtetest jedoch, die detaillierte Ausarbeitung neuer Regeln, steht noch bevor. Wird es wirklich zu einer "neuen globalen Finanzarchitektur" kommen, wie Kanzlerin Angela Merkel fordert? Wird das globale Casino geschlossen - oder werden nur kosmetische Korrekturen vorgenommen?“. Die Erfahrung, leider, zeigt, dass es meist bei Kosmetik bleibt. Denn passiert ist bisher nichts dergleichen außer Absichtserklärungen, ganz im Gegenteil wurden die Bilanzierungsregeln der Finanzinstitute bis ins lächerliche weiter herunter dereguliert damit Bankrotte nicht mehr so schnell ersichtlich werden.

Nun gut, nach dem letzten Umfragewerten zu urteilen, braucht man sich über den Ausgang der nächsten Wahl keine großen Gedanken mehr zu machen: Die Fraktion der Deregulierer und Verehrer der scheuen Rehe werden weiter die Oberhand behalten, ja noch ausbauen. Für eine echte Politikwende ist es schlicht noch zu früh. Erst wenn die Krise im Zentrum der Gesellschaft, dem Mittelstand, schwere Breschen schlägt, dann wird es zu einem effizienten Druck auf die Politik kommen. Denn nach Schönwetter kommen leicht wieder bedrohliche Wolken, wenn nicht ein deftiges Gewitter. Wenn es dann nur nicht zu spät ist für die angeschlagene Demokratie.