Donnerstag, 30. April 2009

Von Hütchen- und Pokerspielern


Sieben bis acht Euro fordert Finanzmagnat J.C. Flowers für seine Hypo-Real-Estate-Aktien, Steinbrück bietet weiter 1,39 Euro schreibt der Spiegel. „Der US-Großaktionär betrachtet - ebenso wie der Großteil der übrigen Aktionäre - die Offerte der Bundesregierung für die Aktien der Hypo Real Estate als zu niedrig - und lehnt sie ab. Er sei davon überzeugt, dass die Aktien mehr wert seien als die 1,39 Euro, die der Bund den Aktionären bietet. Sieben bis acht Euro pro Aktie will er haben.“

Pokerface Flowers weiß, wovon er redet. Klar, seine Aktien waren schon lange nichts mehr wert, bis Steinbrück den Fehler machte, über 100 Mrd. Euro Steuergelder in die Bruchbude zu versenken. Die will, und muss, der Finanzminister jetzt sichern. Auch wenn der Preis dafür am Ende noch viel höher wird, denn mit der angestrebten Übernahme wird das Fass erst so richtig aufgemacht.

Diese peinliche Zwangslage wird Flowers nun genüsslich auszunutzen wissen. „....Die Vorstellung von Flowers, er könne mit Preisen und Angeboten rechnen, die über das Angebot der Regierung hinausgehen, sei "schlicht ein Irrtum". Dass er das Angebot nicht annehme, sei "schade für ihn, nicht für mich". Flowers unterliege einer "völligen Fehleinschätzung"

Das wird sich noch herausstellen müssen. Zunächst mal erwägt er ein Klage gegen das HRE-Gesetz. Zwar sagte Steinbrück dazu lapidar „Dann soll er doch klagen“, aber die Chancen von Flowers sind gar nicht schlecht. Denn das Enteignungsgesetz ist mit der heißen Nadel auf Kante genäht: Es ist offensichtlich ein Gesetzt zum Nachteil eines Einzelnen, nämlich der HRE, und dass ist nicht erlaubt. Es hätte viel allgemeiner gefasst werden müssen, wofür es aber keine parlamentarische Mehrheit gegeben hätte. Diese politischen Halbheiten rächen sich jetzt.

Denn vor dem höchsten Gericht könnte er durchaus Recht bekommen, schaunmermal, sagt sich Flowers da. Und da schaut dann auch Herr Steinbrück. Falls der nämlich befürchten muss, mit dem HRE-Edikt wirklich Publikums- und Wahlwirksam auf den Rücken zu fallen, wird er schon etwas Verhandlungs bereiter werden, was den Preis angeht.

„Flowers und ihm verbundene Investoren hielten zuletzt rund 22 Prozent der Aktien an der HRE. Nur ein kleiner Teil der Anleger, mit weniger als einem Prozent der Papiere, würden das Angebot annehmen, hieß es. ... "Als längerfristig orientierte Investoren wollen wir das Unternehmen auf dem Weg in die Zukunft begleiten", teilte Flowers mit.“

Verlogen, aber wirksam. Auch die Kleinanleger spekulieren längst auf einen Erfolg von Flowers, und wollen ihre Profitchance nicht durch einen vorzeitigen Ausstieg riskieren.

„Im Gespräch mit manager-magazin.de kündigt der US-Investor nun bereits an, den Staat verklagen zu wollen. "Dann muss es eben so sein", so Flowers kampfeslustig.“ Schreibt dazu das Manager-Magazin. „mm.de: Ohne Staatshilfe wäre die HRE doch längst insolvent, warum meinen Sie, dass sich der Prozess lohnen könnte? Flowers: Das gilt auch für viele andere private und öffentliche Banken auf der ganzen Welt. So sieht es nun einmal aus. Und dort lässt man auch trotz öffentlicher Rettungsgelder die Altaktionäre an Bord. Und genauso wollen auch wir behandelt werden.“

Aha, da ja die anderen Banker auf Kosten von Ottonormalverbraucher saniert werden, dann muss das auch für Flowers gelten. Verständlich für den armen Mann.

Die reale Wirtschaft hat es da schon schwieriger überzeugend zu wirken. Chrysler hat nun in USA als Erster, aber sicher nicht Letzter, großer Autohersteller Insolvenz angemeldet:
„Der Knackpunkt war nach Informationen von US-Medien letztlich die Weigerung einiger Gläubiger, ihre Forderungen zu verringern. Laut "Wall Street Journal" hatten Vertreter des US-Finanzministeriums bis zum späten Abend mit den Gläubigern gerungen. Dabei habe der Staat sein Angebot um eine Viertelmilliarde Dollar auf 2,25 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) aufgestockt. Im Gegenzug sollten die Gläubiger auf 6,9 Milliarden Dollar Forderungen verzichten. Die großen Gläubiger waren nach Medieninformationen zu dem Deal bereit. Er sei aber am Widerstand vor allem der Hedgefonds gescheitert.“

Nun ja, die so hilfreichen Hedgefonds, die man vor kurzem auch noch in der BRD als kapitalistisches Wundermittel zur unbegrenzten Wohlstandssteigerung ansah. Die sind auf das Abwracken und Versilbern von Unternehmen spezialisiert. Die versprechen sich als Insolvenzspezialisten natürlich davon mehr, als von einem freiwilligen Verzicht zugunsten der arbeitenden US-Bevölkerung.

Und wie sieht es in Deutschland aus? Nach Opel sind auch Daimler und Porsche in Turbulenzen geraten. Die letzteren Beiden aber ohne US-Hilfe, das haben diese bundesdeutschen Vorzeigekonzerne auch alleine hingekriegt. Daimler insbesondere durch größenwahnsinnige Investitionen in Mitsubishi, Chrysler und gar in Flugzeug- und Raumfahrtkonzerne; und auch die Firma Porsche, die zuletzt zu einer Bank mit einer kleinen Autoabteilung verkommen ist. So machte Porsche in 2008 rund 1,2 Mrd. Euro Umsatz mit dem Verkauf ihrer Edelflitzer, aber gut 6 Milliarden Umsatz mit ihren Investmentgeschäften.

Die Zeche zahlen nun die Beschäftigten, wo z.B. Daimler kurzfristig sämtliche Löhne kürzte, um zu garantieren, dass die Aktienbesitzer weiterhin die Füße still halten. An Porsche sieht man exemplarisch die Auswirkungen eines BIP/Aktiva-Verhältnisses von 1:5; damit die dicke 5 nicht leidet, muss die kleine 1 bluten. Ganz wie im richtigen Leben.

„In der Krise schwinden die Einkommen der Deutschen. Trotzdem will die große Koalition mehr Geld verteilen.“ Schreibt dazu der Focus in seinem Artikel „Die leeren Versprechen politischer Hütchenspieler“

Der Wahlkampf hat längst begonnen, und damit auch die allgemeine Berieselung mit echten und falschen Zahlen. Echtes Geld wird mit dem Hubschrauber nach oben, falsches mit unhaltbaren Versprechungen nach unten befördert. „....Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben deshalb für dieses Jahr einen wahrscheinlichen Rückgang der Bruttolöhne und Gehälter um insgesamt 2,3 Prozent errechnet. Bezahlt wird das Gutachten der Wirtschaftsforscher aus dem Etat der Bundesregierung. Die will von dieser Zahl aber nichts wissen. Aus gutem Grund: Denn wenn die Arbeitnehmer weniger verdienen, müssten nach der geltenden Rentenformel auch die Altersbezüge der Rentner leicht sinken.“

Stattdessen hat man sie erstmal erhöht, schließlich ist Wahl, und wer will schon auf diese schönen Wahlzettel verzichten. Die Rechung kommt wie immer natürlich später an, wobei der Adressat wieder derselbe ist: Das aktuelle BIP und der liebe Steuerzahler. “Das sind wirklich unangenehme Wahrheiten – noch dazu im Wahljahr. Deshalb erklären Sozialminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nun, die Löhne und Gehälter würden in diesem Jahr steigen. Und selbst wenn sie es nicht tun, schwört Scholz mit Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sorge die Regierung zumindest für gleich bleibende Renten. ....“

Nun werden Renten natürlich auch immer vom aktuellen BIP bezahlt, die Rücklagen der Rentenkassen sind praktisch Null, was zur Vordertür rein kommt wird sofort zur Hintertür heraus gekarrt. Von Zinsgewinnen, wie bei Aktionären selbstverständlich, können die Renteneinzahler nur träumen.

So schreibt der Focus: “....Dann werden Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) oder sein Nachfolger dafür die Steuern erhöhen – natürlich nach der Wahl. Das sagt im Moment allerdings kein Politiker. Stattdessen stellt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla trotz der Krise sogar Rentenerhöhungen in Aussicht. Führende Köpfe der großen Koalition agieren damit wie Hütchenspieler, die ihr ahnungsloses Publikum an den eingesetzten Geldschein glauben lassen, den sie in Wirklichkeit längst schon doppelt und dreifach kassiert haben.“

Auch die andere große Sozialkasse kriegt die Schlagseite des BIP zu spüren, schreibt der Spiegel:
„Die Wirtschaftskrise reißt ein riesiges Loch in die Haushalte der gesetzlichen Krankenkassen (GKV): In diesem Jahr brauchen die Kassen weitere Steuermittel in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. ....Der Fehlbetrag, der durch einen Rückgang bei den Beitragseinnahmen entsteht, muss nun durch Steuermittel ausgeglichen werden.“

Auf der windabgewandten Seite tut man sich naturgemäß leichter: „Die Rezession tut Aktionären nur bedingt weh: Mitten in der Krise schütten die größten deutschen Konzerne Dividenden in Milliardenhöhe aus. Selbst Unternehmen, die ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken, zahlen gigantische Beträge - Gewerkschaften und SPD sind empört.“

Das gleiche Blatt schreibt: „...So zahlen die Dax-Konzerne auch in diesem Jahr wieder üppige Gewinne an ihre Aktionäre: Aktienbesitzer können sich über einen Geldregen von mehr als 22 Milliarden Euro freuen - allein bei den 30 größten börsennotierten Konzernen. Zwar sind die Gewinne im zurückliegenden Jahr um 40 Prozent gesunken, doch die Dividenden liegen nur 20 Prozent unter dem Rekordniveau des Vorjahres. Bei einigen Unternehmen sind die Dividenden sogar gestiegen - Krise hin oder her. ... So beschloss der Autokonzern Daimler auf seiner Hauptversammlung Anfang April eine Dividende von mehr als einer halben Milliarde Euro. Bei den Beschäftigten setzt das Unternehmen wegen der miserablen Zahlen im ersten Quartal 2009 allerdings den Rotstift an: Rund 60.000 Daimler-Leute müssen weniger arbeiten - ohne Lohnausgleich.“

Na denn, einen frohen 1. Mai 2009. Ach, was war denn eigentlich der Anlass für diesen Feiertag morgen? Ach egal, hab ich vergessen. Prost.

Dienstag, 28. April 2009

The Pest is back: Ein Unglück kommt selten allein.


„Ein neuer Grippevirus mit dem "Potential einer Pandemie" ist in Mexiko aufgetaucht. Brisant ist dessen Ähnlichkeit zur Spanischen Grippe, die Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Ob die aktuelle "Schweinegrippe" H1N1 auch nur annähernd so gefährlich ist, steht allerdings noch nicht fest.“ schreibt heute Spektrum-direkt.

Der Virus verbreitet sich erstaunlich rasch, nach wenigen Tagen ist er bereits in Europa angelangt. Drei Verdachtsfälle gibt es jetzt auch in Süddeutschland. Eine konkrete Hoffnung gibt es aber: Der Erreger hat bisher nur in Mexiko Todesopfer gefordert, und zwar rund 10% der Infizierten, ein heftiger Blutzoll. Möglicherweise deswegen, weil in den angelsächsischen und europäischen Ländern bereits Resistenzen gegen diesen Subtyp bestehen.

Verblüffend ist jedoch die enorme genetische Ähnlichkeit des Erregers mit der spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 weltweit mehr Menschen dahin raffte, als der Erste Weltkrieg und die damalige Wirtschaftskrise selbst. Auch das Entstehungsgebiet scheint das gleiche zu sein: Obwohl der Name eine Entstehung in Spanien suggeriert, konnte der Ursprung der tödlichen Grippewelle vor 90 Jahren bis nach Kansas/USA zurückverfolgt werden. Kansas liegt etwas nördlicher als Mexiko, jedoch konnte nach so langer Zeit nicht mehr geklärt werden, ob es nicht vorher schon Fälle gegeben hatte. Es scheint daher, als schöpfe der Virus aus demselben Reservoir.

Diese gefährlichen Grippetypen sind Mischformen aus Menschenviren und Tierviren, hier speziell der Haustiere Geflügel und Schweine. Lebt der Mensch mit solchen Tieren zusammen, so können hier Mutationen ausgetauscht werden. Im schlimmsten Fall, wie jetzt im Gegensatz zur letzten Vogelgrippe, mutiert der Mischvirus soweit, dass er auch ohne Tierkontakt von Mensch zu Mensch übertragen wird. Genau wie bei der klassischen Pest, die ebenfalls eine Zoonose ist und ganz ähnliche Entwicklungsstadien durch macht, bis sie von der Tierkrankheit zur Pandemie wurde.


Gott sei Dank sind wir heute besser gerüstet, wir kennen den Erreger, haben Virushemmer gebunkert, und ein gut funktionierendes Gesundheitssystem. Impfstoffe gegen den Erreger der Mexikanischen Grippe wird es vermutlich in drei bis sechs Monaten geben. Das ist aber auch nötig: Die spanische Grippe vor 90 Jahren verlief nämlich in drei großen Wellen, die tödlichste war dabei erst die Zweite. Aber auch wenn die aktuelle Grippewelle nicht so gefährlich sein sollte, die Kolateralschäden sind nicht klein. Man stelle sich nur vor, dass die Hälfte der Bevölkerung für mehrere Wochen mit Grippe im Bett liegt, die Arztpraxen überquellen und die Kapazitäten der Krankenhäuser gesprengt werden, Schulen und alle Gemeinschaftseinrichtungen schließen und das Wirtschaftsleben zum Erliegen kommt.

Die Warnstufe 4 der WHO ist daher nicht übertrieben, man muss nun alles tun um eine flächendeckende Ausbreitung zu verhindern. Pandemien sind die große Herausforderung des neuen Jahrhunderts, neben der Klimakatastrophe und den Systemkrisen. Denn Voraussetzung für deren Entstehung und Ausbreitung ist Armut, Dreck, Bevölkerungsdichte und Bewegungsfreiheit.

Für alle vier Bedingungen haben wir ja inzwischen gut gesorgt.

Montag, 20. April 2009

farcical revolution: Minnesota bewaffnet und gefährlich?


"Sieh dich vor, Amerika, die Revolution wird kommen!" zitiert heute der Spiegel Glenn Beck. Der 45-jährige startete eine Show für die konservativen Fox News mit inzwischen mehr als zwei Millionen Zuschauer und auf Anhieb das drittbeliebteste TV-Kabelprogramm in den USA.


"Seit Wochen köchelt der Volkszorn über Wirtschaftskrise, über Arbeitslosigkeit, Bonusskandale, den Kollaps der Autobranche, die Milliardenspritzen des Staates an die Banken. Diese bisher eigentlich ideologiefreie Wut will das rechte Lager nun für seinen erbitterten Kampf gegen US-Präsident Barack Obama politisch instrumentalisieren.". So streute er das Gerücht, die US-Katastrophenschutzbehörde würde bereits KZs bauen, oder warnt vor Notenbankchefs Ben Bernanke: "Sie kontrollieren euer Leben!". Und das, obwohl gerade Beide auf das konservative Konto der politischen Freunde des Showmasters gehen.

Aber auch der konservative Buchmarkt gibt einiges her: „"Amerika sei auf dem "Weg zur Tyrannei", postuliert der Radio-Talker Mark Levin, dessen Buch "Liberty and Tyranny - A Conservative Manifesto" seit zwei Wochen auf Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste der "New York Times" steht."

In den USA hat sich längst ein explosives Gemisch aus Staatsverdrossenheit, weltentrückten Pioneergeist und gigantischen Waffenarsenalen entwickelt. Natürlich dürfen hier auch beliebte US-Schauspieler nicht fehlen, die ja nicht zum ersten mal ihr Cowboyimage in die reale Politik verpflanzen möchten: ""Wie viel mehr wollen sich die Amerikaner zumuten lassen?", schreibt auch Chuck Norris, der zum Republikaner-Maskottchen mutierte Actionheld, im rechten Kampfblog "WorldNetDaily". "Wann ist es genug? Wird die Geschichte eine zweite amerikanische Revolution schreiben müssen?""


So schimpfen Tausende gegen Staatsausgaben, Steuererhöhungen und Konjunkturpakete. Sie sehen in Obama einen "Faschisten" oder "Kommunisten", je nach Gusto. In Anlehnung an die Boston Teaparty, ein Ereignis das der Gründung der USA vorausging und ein Protest gegen die englische Steuerpolitik war, werfen diese nun Teebeutel vors Weiße Haus. Nun verlangten sie in Texas die Sezession aus der Republik. Angedroht von keinem geringeren als dem republikanischen Gouverneur Rick Perry. Als Präsident des neuen unabhängigen Texas hat sich, wer sonst, Chuck Norris empfohlen.

Eben diese Heimatschutzbehörde (DHS) warnt vor einer Ausuferung der rechten Gewalt: "Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Unmut über Obama könnten nicht unbedingt nur friedliche Proteste zur Folge haben. ...Die Bedrohung durch Eigenbrötler und kleine Terrorzellen ist ausgeprägter als in vergangenen Jahren." Als Beispiel nannte es den Amoklauf von Pittsburgh, bei dem ein Mann Anfang April drei Cops erschoss.
Obamas Person und die Rezession seien "einzigartige Triebfedern" zur "Radikalisierung und Rekrutierung", so der DHS-Bericht. "Rechtsextremisten schlagen daraus Kapital", um "ihre Attraktivität zu verbreitern"
.


Kampf dem Staat, keine Steuern und unbeschränkter Schusswaffenbesitz sind die sozialfremden Triebfedern dieser Radikalisierung. "Seit November sind beim FBI 5,5 Millionen Anträge auf Background-Check zum Kauf einer Schusswaffe gestellt worden - 1,2 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. ....Top-Hit: die semiautomatische M&P-Pistole." Das man mit so einer Maschinenpistole nicht unbedingt auf Hasenjagd geht, sieht auch die republikanische Kongressabgeordnete Michele Bachmann. Nicht dass sie etwas dagegen hätte, nein, sie ruft ihren Heimatstaat nun zur Revolution auf: "Ich will, dass die Leute in Minnesota bewaffnet und gefährlich sind." Das Licht am Ende des Tunnels kann bekanntlich der entgegen kommende Zug sein. Oder aber die rechte Revolution. Merkwürdig hier nur, das es ausgerechnet diejenigen Anhänger der republikanischen Partei sind, die das Desaster politisch zu verantworten haben. Es ist eine seltsame Mischung aus altem Pioniergeist, Waffennarretei und Rassismus die mit jedem Tag der Krise brisanter werden kann.

Man muss sich sowieso wundern, wie das Millionenheer der Armen den Kontrast zwischen Traum und Wirklichkeit der USA erträgt. Der unzerbrechlich wirkende Glaube an den Schuhputzer der zum Dollarmillionär wird, lässt zudem den Zustrom lateinamerikanischer und mexikanischer Bürger im Süden nie abreißen. Die fliehen nicht nur vor der schuldenbasierten Armut in ihren finanzdesolaten Ländern, sondern auch vor den fürchterlichen Drogenkriegen wie in Mexiko. Diesem fallen pro Jahr tausende zum Opfer, der Unterschied zu anderen Bürgerkriegszonen dieser Welt liegt nur in der minderen öffentlichen Wahrnehmung, nicht aber in Angst, Elend und Tod. Es sind dabei nicht nur die Drogenkartelle die Schuldigen, es ist auch der nie enden wollende Bedarf der USA nach diesen Giften. Und, in umgekehrter Richtung, die Schusswaffenexporte nach Lateinamerika, deren Bedarf eben auch nicht beim Hasenjagen liegt. Zumindest in diesem Teilbereich der US-Wirtschaft besteht kein nennenswertes Außenhandelsdefizit.

Donnerstag, 16. April 2009

Krieg und Frieden der Währungen


Der Welt droht ein Krieg der Währungen, schreibt gestern die Zeitung Die Welt. „Immer mehr Staaten setzen im Kampf um Wettbewerbsvorteile auf die Abwertung ihres Geldes – auf Kosten der Nachbarn. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Wer die billigste Währung hat, kommt besser durch eine Krise und als erster aus ihr heraus.... Weltweit ist die Währungsschlacht eröffnet. .... Mit Devisenmarktinterventionen, billionenschweren Anleihekäufen oder ultrabilligem Geld starten Notenbanken einen Feldzug für die heimische Konjunktur.....Wer im internationalen Vergleich die billigste Währung hat, kommt besser durch eine Wirtschaftskrise und auch als erster aus ihr heraus. .....So sollen gezielt Schweizer Franken verkauft und dafür fremde Valuten erworben werden. Einen ähnlichen Schritt brachte jüngst der Vizechef der Schwedischen Riksbank Lars E.O. Svensson ins Spiel. „Eine Abwertung wäre die beste aller möglichen unkonventionellen Maßnahmen.“

Insbesondere der Dollar ist im Visier: „„Faktisch wirft die Fed die Notenpresse zur Finanzierung des Staatshaushalts an“, sagt Christian Apelt, Devisenstratege der Helaba in Frankfurt. Die avisierten Transaktionen würden die amerikanische Geldmenge erhöhen. „Nach monetären Wechselkurstheorien führt solch eine Expansion zu einer Währungsabwertung“, sagt Apelt. Geldmengenausweitungen würden in der Regel ein Überschießen des Wechselkurses nach sich ziehen, warnt er. Der Dollar könnte also stärker abwerten als es theoretisch gerechtfertigt erscheint.“

Weltweit jedoch hilft dies allein nicht weiter: „...Schließlich funktioniert das Ganze weltweit wie ein Nullsummenspiel. Die wirtschaftlichen Abwertungsgewinne des einen Landes sind die ökonomischen Verluste des anderen. Schon einmal – nämlich in den dreißiger Jahren – entwickelte sich aus dieser Gemengelage ein Währungskrieg, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Währungssystem von Bretton Woods beendet wurde.“

Volkswirte tun sich schwer in der Analyse der aktuellen Verhältnisse und der Prognose der mittelfristigen Zukunft. Selten sind die Vorhersagen der tonangebenden Wirtschaftweisen korrekt, wenn überhaupt mehr kurzfristig. Nur wenige Außenseiter sahen die aktuelle Krise vorher und auch jetzt wird alle paar Wochen schon wieder die Talsohle erblickt und ein schnelles Ende des Dilemmas verkündet. Wenn sich die Börse ein paar Tage beruhigt oder wenigstens eine Verlangsamung des Abstiegs zu beobachten ist, so wird dies gleich mit dem bevorstehenden Ende der Krise und einem neuen, unbegrenzten und allgemeinen, Wohlstandssteigerungsausblick gleich gesetzt.

Die Ursache für dieses seltsam anmutende Verhalten ist in den Standardlehren der Makroökonomie zu suchen. Denn diese behandeln die Ökonomie als quasi offenes System ohne für das Ganze wesentliche Grenzen. Insbesondere die unangefochtene Wahrnehmung des Kapitals als etwas grundlegend Gutes ist hier ursächlich. Zwar werden öffentliche Schulden und ihre Problematik grundsätzlich verstanden und gegeißelt, die privaten Vermögen und damit verbunden Aktiva werden aber weitestgehend außen vor gelassen.

Die Logik dahinter ist: Wenn keine Kredite nachgefragt werden, dann braucht sie ja auch keiner zu nehmen. Und das Kapital kann ja dann woanders hinziehen, wo noch eine Nachfrage besteht. Nun, das stimmt, solange das System keine wesentlichen Grenzen hat. Sind diese jedoch erstmal gefährlich nahe, dann sind die resultierenden Randeffekte weit wichtiger. Denn erstens gibt es dann keine geeignete Wirtschaftsregion mehr, wo man noch hinziehen könnte, und zweitens wird dem Kunden BIP die Kredite und Derivate praktisch aufgezwungen.

Werden nämlich nicht mehr genug klassische Kredite von den Wirtschaftenden nachgefragt, dann bildet man eben Konstrukte, wie etwa Hedgefonds, um auf Renditen aus dem BIP zu zugreifen. Oder man schwatz Leuten Kredite auf, die diese eigentlich gar nicht bedienen können, dass ist die Ursache der letzten Subblase der amerikanischen Immobilienkrise. Und noch viele andere krumme Methoden, die ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen möchte. Allen gemeinsam ist jedenfalls, dass man auch ohne Investition in reale Wirtschaft Anteile aus dem BIP herausziehen kann. Und man es natürlich auch macht, solange es nicht massiv verboten und verfolgt wird.

Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, der ganzen Problematik liegt noch eine ganz grundsätzliche Tendenz zur überproportionalen Vermögensakkumulation zu Grunde, die von der Schulökonomie überhaupt nicht wahr genommen wird: Die Vermögenskonservierungseigenschaft und Zinseszinsmethodik besonders der Kapitalwirtschaft, durch die jedes Bruttoinlandsprodukt nach absehbarer Zeit ins Hintertreffen geraten muss. Die seit dem Politikwechsel der Reagan-Präsidentschaft zunehmend entfesselte Gier der Finanzeliten hat diese Entwicklung lediglich unangenehm beschleunigt.

Schauen wir uns dazu die folgenden Schaubilder an: In ersterem (Szenarien A bis C) ist die Entwicklung einer Volkswirtschaft, am Beispiel der BRD, zu sehen. Eine Volkswirtschaft ist im Prinzip ein Prozessor, an einem Ende kommen Rohstoffe hinein, am anderen Ende Müll (Emissionen aller Art) heraus. Darin wird Wohlstand geschaffen, im günstigsten Falle für alle Beteiligten gleichermaßen. Die Welt als ganzes ist dabei sicher ein geschlossenes System, denn es findet kein wirtschaftlicher Austausch mit dem Weltall statt, von winzigen Marginalien einmal abgesehen.

Einzelne Volkswirtschaften dagegen sind nie ganz abgeschlossen, sondern Wechselwirken mit anderen Ökonomien. In Zeiten der Nationalstaatlichkeit ist dieser Austausch jedoch so begrenzt, das man sie als quasi-geschlossene Systeme betrachten kann. Einen gegebenen Ausenhandelsüber- oder unterschuss kann man unter Input (Rohstoffe) oder Output (Müll) subsummieren. Der wesentliche Grund für die Globalisierung der letzten Jahrzehnte war die Tatsache, dass die quasi-geschlossenen Volkswirtschaften, insbesondere das darin aufgestaute Kapital, längst die Grenzen des Systems erreicht hatten und zu sprengen drohten. Mit der Globalisierung gewann man daher Raum, und damit Zeit, für weitere Entwicklungen. Inzwischen aber gilt das obige Schaubild für die Weltwirtschaft insgesamt, im Grundsatz, genauso. Wobei die rote Aktivablase weltweit und andernorts noch weit schlimmer aussieht, als in der properen BRD.

(Alle Bilder in diesem Blog können durch anklicken in Vollauflösung gesehen werden.)

Szenario A entspricht etwa den Verhältnissen der 1950er-Jahre, nachdem die Währungsreform von 1948 die Wohlstandsuhr auf Null gestellt hatte. Durch diese Umstellung waren sowohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP, aus Arbeit und Produkten) als auch die Banken-Aktiva (Vermögen sind Banken-Passiva, Kredite und dergleichen Banken-Aktiva) recht klein in absoluten Werten. Insbesondere lag das BIP/Aktiva-Verhältnis bei nur 1:0,4. Eine Volkswirtschaft benötigt Rohstoffe aller Art um damit Produkte (Waren und Dienstleistungen) zu schaffen, die die Bedürfnisse und den Wohlstand der Bevölkerung befriedigen und mehren. Die dafür benötigte Arbeit wird mit Geld entlohnt, welches damit gleichzeitig den berechtigten Anteil an den erarbeiteten Produkten (BIP) regelt.

Szenario B entspricht etwa den Verhältnissen der Wirtschaftswunderjahre der 1960er und auch noch der 1970er Jahre. Das BIP hatte kräftig zugelegt und natürlich auch die Aktiva und Vermögen. Allerdings war das BIP/Aktiva-Verhältnis erst Mitte bis Ende der 60er auf etwa Parität 1:1 gestiegen. Das ist durchaus noch ein unproblematisches Verhältnis, denn die in der Volkswirtschaft vorhandenen Werte übersteigen das aktuelle BIP um die noch nicht abgeschriebenen BIP-Werte der Vergangenheit. Gleichzeitig nahm natürlich der Bedarf an Rohstoffen zu. Die Löcher in der Umwelt wurden größer und der Output an Müll genauso. Diese Belastung wurde zunehmend auch so empfunden und das Recycling von Rohstoffen wurde zunehmend nötig. Neue politisch relevante Strömungen wie die Grünen entstanden. Die Staatsverschuldung, die in den 50er-Jahren praktisch irrelevant war, steigt nun erstmals auf eine Größe, die politische Bedenken bei der jeweiligen Opposition auslösen.

Szenario C entspricht etwa den Verhältnissen ab dem Jahre 2000 (die Bilder entsprechen den realen Größenverhältnissen). Trotz aller Bemühungen hat die Umweltbelastung ungekannte Dimensionen erreicht. Die Polkappen schmelzen ab, es wird zu nehmend wärmer. Obwohl von der Mehrheit der Wissenschaftler als anthropogen erkannt, wird der Zusammenhang von wirtschaftstreuen Gutachtern weiterhin vehement geleugnet.

Diese mehr als bedenkliche Situation wird nun aber von einer weit bürgernäheren Entwicklung ins politische Abseits gedrängt: Die relativ zum BIP überproportional explodierten Aktiva, und der ebenso aufgeblähte Anteil der Staatsschulden daran, würgen die Entwicklung des BIP ab. Zuerst müssen, trotz der ins wahnwitzige steigenden Gewinne und Boni der Unternehmen, die Arbeitnehmer mit Lohnzugeständnissen, Steuer- und Abgabenerhöhungen bei sinkenden staatlichen Leistungen, und letztlich mit Realeinkommensverlusten kämpfen. Schließlich kommt Ende 2008, trotz der unglaublichen Geldmengen auf den Banken, die Kreditvergabe zum Erliegen. Natürlich nicht wegen zu wenig Kapital, sondern wegen fehlender Renditen. Denn das BIP, jetzt auch weltweit, ist nicht mehr in der Lage den Kapitalien den weiteren Zuwachs zu ermöglichen.


Szenario D: Ab 2009 beginnen die maßgebenden Volkswirtschaften mit finanzpolitischen Aktionen, um den Kreditfluss, und damit das jahrzehntelang kreditgesteuerte BIP, wieder in Gang zu setzen. Ursachen und Wirkungen werden durch kreditwirtschaftsnahe hohe Berater verzerrt dargestellt und damit den Politikern Problemlösung vorgeschlagen, deren Ziel allein der Erhalt der irrwitzigen Vermögen zu Lasten der Mehrheit der für das BIP Schaffenden, einschließlich der Unternehmen der Realwirtschaft, ist.

Das kann aber auf Dauer nicht gut gehen, und, es ist auch in der Geschichte der Menschheit noch nie gut gegangen. Denn eine solche Entwicklung der Volkswirtschaften kommt in schöner Naturgesetzlichkeit immer wieder vor und endet auch immer wieder tragisch für die betroffenen Gemeinwesen.

Die Lösung des weltweiten Währungsproblem liegt nun halt einmal alleine in der Neujustierung eines gesunden BIP/Aktiva-Verhältnisses. Sei es nun durch eine unkontrollierte Inflation oder durch eine kontrollierte unparitätische Währungsreform. Dieses jedoch ohne Krieg und Revolution hinzubiegen, das ist das aktuelle und nahezu unlösbare Problem der Politik. Denn dazu müssten diese erst einmal realisieren, wo das Problem liegt und wie man es beheben kann. Und dann noch müssten sie die Kraft aufbringen, diese unpopulären Maßnahmen statt gegen die Interessen der Wirtschaftenden gegen die Interessen der Besitzer der größten Vermögen durchzusetzen.

Ansonsten werden sich die dunklen Wolken über unseren westlichen Demokratien weiter zu ziehen.

Traurigerweise ist es gerade in Demokratien für die Regierenden praktisch unmöglich, das notwendige betonharte Rückgrat aufzubringen. Denn die Wahlen in Landes- und Bundesparlamenten, die im Jahrestakt einschlagen, machen selbst das Durchsetzen moderater Reformen gegen wesentliche Lobbyverbände zum regelmäßig aussichtslosen Spießrutenlaufen, mit garantiertem Karriereknick für den Verantwortlichen. Deswegen hält sich mein Glauben an ein moderates Ende des Dilemmas in engen Grenzen. Die nächsten Jahre werden also in einem weiterhin riskanten Umfeld verlaufen: Zwischen zeitweiligen Miniaufschwüngen wird die Gesamtsituation bestenfalls auf miserablen Niveau stabilisieren, wahrscheinlich jedoch blüht uns jetzt noch Ungeahntes.

Um noch einmal auf die in den Hintergrund gedrängte Klimakatastrophe zu kommen: Diese hängt natürlich ursächlich mit der Finanzkrise zusammen. Denn alle Volkswirtschaften produzieren Wohlstand aus der Umwelt und geben Emissionen aller Art dafür ab. Innerhalb der Ökonomien ist es zwar strittig, wer im Einzelfall für Kosten aufkommen, und wer den Gewinn kassieren soll. Der Letzte der zahlt, ist aber immer die Umwelt. Zwar lassen verbesserte Umwelttechniken auf weniger Umweltbelastung pro Wohlstandseinheit hoffen, aber am Grundsatz ändert das nichts.

Mittwoch, 8. April 2009

Futurologie V: Das gefährliche Spiel mit der Inflation


Mit der angekündigten gigantischen Geldschwemme der letzten Wochen haben die Industriestaaten die Saat für eine ebenso große Inflation gelegt. Zwar wird von den Promotoren dieser Schwemme behauptet, man könne das Geld dem Markt genauso schnell wieder entziehen, wie man es nun zur Verfügung stellte. Das dürfte aber in der praktischen Umsetzung nicht funktionieren.

Warum? Zunächst einmal ist eine Inflation ein scheinbar praktisch geeignetes Mittel, sich der überbordenden Schulden zu entledigen. Naiv gerechnet sieht das etwa so aus: Nimmt man die Zahlen von Ende 2008, also BIP knapp 2500 Mrd. Euro, Aktiva rund 8000 Mrd. Euro, ein Verhältnis von 1:3,2 also. (Zur Erinnerung: In den Wirtschaftswunderzeiten betrug dieses Verhältnis 1950 1:0,4 ; 1970 1:1,1 und erst in den 1990er Jahren wurden ungesunde Verhältnisse von mehr als 1:2 erreicht.) Lässt man nun kurzfristig eine Inflation von gut 300% zu, so würde man Preise, Löhne, Mieten auf das Vierfache aufblähen, also rund 10000 Mrd. Euro, bei wenig veränderten Aktiva von 8000 Mrd. Euro. Damit hätte man wieder ein gesundes BIP/Aktiva-Verhältnis von etwa 1:0,8. Gleiches ließe sich mit einer echten Währungsreform erreichen, mit einem Tauschverhältnis von 1:1 für Preise, Löhne, Mieten und 1:4 für Vermögen: 2400 Mrd. Neu-Euro stünden dann 2000 Mrd. Neu-Euro Aktiva gegenüber, ein Verhältnis von 1:0,83.

Soweit, so gut, der Unterschied liegt aber in der Zeitschiene.
Denn eine Inflation ist ein langwieriger, quälender Prozess der selten reibungslos erfolgt. Zum Szenario: Mit der Immobilienkrise ist die ungedeckt aufgetürmte Vermögensblase ins Wanken gekommen. Traumrenditen von 25% und mehr verwandelten sich in Megaverluste und der Geldfluss stoppte. Eine korrekte Liquidierung und Marktbilanzierung würde hunderte von Kreditinstituten und Versicherungen in den Konkurs stürzen. Um die daraus folgenden Verwerfungen der Volkswirtschaft zu verhindern, pumpen nun die Staaten und Notenbanken ersatzweise Billionensummen ins System und blasen damit die ungedeckte Geldschwemme noch weiter auf.

Trotzdem knickt die Realwirtschaft und damit das BIP nun kräftig ein. Damit sinken Steuer- und Abgabeneinnahmen des Staates, während seine Ausgaben, sie es Arbeitslosenhilfe, Renten- und Krankenkassenzuschüsse etc., drastisch ansteigen. Um dem entgegen zu wirken, werden wiederum große Geldmengen, so genannte Konjunkturprogramme wie die Abwrackprämie, schuldenfinanziert oder per Notenpresse in die Realwirtschaft gepumpt. Das ungesunde BIP/Aktiva-Verhältnis wird dadurch auch nicht besser, sondern schlechter.

Nun beginnt sich das Karussell zu drehen: Die ungeheuren Gelder die benötigt werden, lassen sich prinzipiell nur aus drei Quellen schöpfen: Aus neuen Schulden bei den gerade unterstützten Banken, aus Steuern aus dem leidenden BIP, oder direkt aus der Notenpresse. Alle drei Schienen werden nun befahren.

Zunächst führt dies erstaunlicherweise nicht zur Inflation, sondern sogar zu Deflation, zum Gegenteil also. Denn in den letzten Boomjahren hat die Realwirtschaft mit der Geldschwemme gewaltige Überkapazitäten angehäuft. Um die vollen Lager zu räumen, muss sie an die sparsamer gewordenen Kunden diese Produkte nun verbilligt abstoßen. Die Preise fallen und damit aber auch die Gewinne. Weitere Entlassungen sind nötig, und die Preisklemme der Industrie steigt und damit auch die Steuerklemme des Staates. Die Produktion geht in der Folge so lange zurück, bis wieder ein günstiges Verhältnis zur Nachfrage hergestellt ist.

Sollte nun doch, dank der neuerlichen künstlichen Geldschwemme, die Nachfrage wieder ansteigen und die Industrie wieder Tritt fassen, so müssten die Staatsbanken sofort wieder die Geldmenge reduzieren. Das aber, wo bei Zweifel angebracht sind wie sie das überhaupt bewerkstelligen sollten, würde den frisch angesprungenen Wirtschaftsmotor gleich wieder ins Stottern bringen. Also wird man nichts dergleichen tun.

Dann aber beginnt die Inflation zu greifen. Und damit steigen nicht nur Preise, sondern auch die Zinsen. Die aufgeblasenen Staatsschulden werden dann nur bezahlbar, in dem man die Steuern und Abgaben drastisch erhöht, bei gleichzeitig sinkendem Dienstleistungsangebot des Staates an den Bürger, oder eben in dem man wiederum die Notenpresse anwirft. Da ersteres schon jetzt noch kaum geht, wird man letzteres machen. Dann aber setzt man als letzte Stufe eine Hyperinflation in Gang, die die Währungen dann endgültig ruiniert. Und damit nicht nur die großen und kleinen Vermögen, sondern auch das BIP zum Erliegen bringt.


Und dieser absehbare Weg ist brutal, denn es ist das große Staatsversagen, das der Demokratie leicht den Hals brechen kann. Denn ein versagender Staat ist wehrlos, nicht nur gegen seine eigenen Bürger die zu Recht jeden Respekt verlieren und auf die Barrikaden steigen, sondern auch gegenüber äußeren Bedrohungen. Denn Militärmacht ist immer auch Wirtschaftsmacht. Und wenn den gewaltigen Trägerflotten der USA erstmal der Sprit ausgeht, dann wird sich auch das Machtgefüge der Welt von heute mächtig verschieben.

Nicht nur die Klein-Häuschen des Bürgers stehen auf dem Spiel, nein auch die ganze pax americana, die in den letzten 64 Jahren, zumindest für die erste Welt, einen relativen Frieden und Wohlstand garantiert hat. Denn ein ruiniertes Amerika kann an den vielen Brennpunkten der Erde nicht mehr für Ordnung oder Durchsetzung westlichen Demokratieverständnisses sorgen. Die Machtbalance wird sich ordentlich verschieben, sehr wahrscheinlich nach China und Asien.

Wer aber tritt dann noch für das unabhängige Existenzrecht von Taiwan, Israel oder Australien ein? Wenn China dann nicht aus eigenem Interesse solche Gemeinwesen schützt, dann darf man sich leicht ausdenken, was dort geschehen kann. Denn es sind quasi westliche Enklaven in asiatischen Gebieten, deren Existenzberechtigungen durch China nicht selbstverständlich anerkannt werden. Für Taiwan steht das außer Frage, hier wird der asiatische Drache wahrscheinlich schon in absehbarer Zeit die Weltmachtfrage klären. Bei den weiteren Kandidaten darf man zittern, ob in Zukunft noch die nötige Waffenhilfe zur Verfügung steht.

Diese absehbaren Entwicklungen könnte man durch einen scharfen Schnitt jetzt unterbinden. Eine echte Währungs- und Vermögensreform der beiden Weltwährungen Dollar und Euro, denn nur diese würde den schleichenden Wirtschafts- und Machtverlust der ersten Welt eindämmen können. Dieser Schritt würde allerdings einen wahren Über-Obama erfordern, der in der Lage wäre sich erfolgreich mit der Hochfinanz dieser Welt anzulegen, und das auch noch zu überleben. Ein Messias der sich zur Not auch kreuzigen ließe.


Denn dieser Schritt beinhaltet auch ein gewaltiges Krisenpotential mit schwer absehbaren Folgen, aber immerhin würde er den sowieso eintretenden Schaden auf eine verhältnismäßig kurze, und noch demokratisch kontrollierbare, Zeit reduzieren. Zudem wäre der Neu-Dollar oder Neu-Euro die neue Weltwährung, auf die sich alle sofort stürzen würden. Wer zuerst kommt, malt zuerst. Wer wird es sein? Europa, USA oder etwa China, mit einer eigenen frei konvertierbaren Währung? Vermutlich letzterer, denn so ein Messias, wie ihn die westliche Welt jetzt bräuchte, ist nicht in Sicht. So wird man also Geld drucken bis es uns allen bis zum Halse steht.

Übrigens, der nächste Mann, der auf dem Mond steht, wird mit der chinesischen Flagge wedeln.

Montag, 6. April 2009

Goldener Schuss: In the long run we are all dead


Auf dem G-20 Gipfel waren die maßgebenden Gaukler dieser Welt angetreten, um die Ruß geschwärzte Finanzwelt wieder schön zu färben. Das Manager-Magazin schreibt:
"Während des G20-Gipfels ließen sich die Regierungschefs wie Heilsbringer feiern. Doch weder sie noch die für die Krise verantwortlichen Banker müssen die Billionen-Dollar-Hilfen bezahlen, sondern die Steuerzahler und Sparer. Neben aktuell niedrigen Zinsen drohen künftig Steuererhöhungen und Inflation. Anleger sind in der Falle.....Fünf Billionen Dollar. Auf diese Zahl bezifferte der britische Premier Gordon Brown während des G20-Gipfels in London die gesamten Konjunkturhilfen weltweit bis Ende kommenden Jahres. .... "Wir haben es mit einer nie da gewesenen Geldzufuhr zu tun", sagte Brown. "Die G20 setzen das größte Konjunkturprogramm um, das die Welt je gesehen hat.".....Die Staaten verschulden sich und wälzen diese Last früher oder später auf ihre Bürger ab. Die sind es schließlich, die eigentlich das Geld haben. Es folgen Steuererhöhungen und - eine vielfach unterschätzte Gefahr: die Rückkehr der Inflation. Manch einer - beispielsweise der Londoner Chefvolkswirt von Morgan Stanley, Joachim Fels - spricht gar von einer möglichen Rückkehr der Hyperinflation, mit Geldentwertungsraten von 50 Prozent und mehr. ....Die Billionensummen, die für die Hilfen auf der Rechnung stehen, werden vielfach mit Dollar-, Pfund- oder Euro-Noten beglichen, die frisch aus der Druckerpresse kommen. Gleichzeitig machen sich die Notenbanken zum Billigheimer und überschwemmen die Märkte ebenfalls mit Geld. ....Denn die enorme Verschuldung, die auf den Etats dann immer noch lastet, lässt sich durch eine Geldentwertung bequem verringern (der Fachmann spricht vom "Weginflationieren"). Hinzu kommen wohl Steuererhöhungen, mit denen die Staatenlenker ebenfalls versuchen dürften, ihre Defizite in den Griff zu bekommen. ....Auf dem G20-Gipfel hatten solche düsteren Aussichten keinen Platz. Auch dem großen Verfechter staatlicher Konjunkturprogramme, dem britischen Ökonom Keynes, selbst, dürften sie einerlei gewesen sein ("In the long run we are all dead"). Den Anlegern dagegen lassen sie vor allem zwei Alternativen: Entweder sie erhöhen das Risiko ihrer Investments und erhalten so die Chance auf höhere Renditen. Oder sie flüchten in Sachwerte ...."


Der Spiegel wird in seinem Artikel "Der Goldene Schuss" daher noch deutlicher:
"Die G-20-Staaten bekämpfen die Krise, indem sie die nächste vorbereiten: Mit neuen Billionen auf Pump soll die Weltwirtschaft angekurbelt werden. Das offizielle Gipfelmotto lautete Stabilität/Wachstum/Arbeitsplätze - das wahre müsste heißen: Verschuldung/Arbeitslosigkeit/Inflation....Ihr Beschluss, in absehbarer Zeit fünf Billionen Dollar in die kollabierende Weltwirtschaft zu pumpen, könnte sich in der Tat als historischer Wendepunkt erweisen, aber als Wendepunkt nach unten. ......Die entscheidende Frage wurde nicht beantwortet, weil sie gar nicht erst gestellt wurde: Warum stehen wir da, wo wir stehen? Wer oder was hat uns dorthin geführt? Die Suche nach einer Antwort hätte ergeben, dass dem Marktversagen ein Staatsversagen vorausging. Wall Street und die Banken, also die Gierigen der Finanzindustrie, spielten eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle. Die Bankmanager waren die Dealer, die das heiße Spekulationsgeld unters Volk brachten. Der Mohnbauer aber sitzt im Weißen Haus. ....So hemmungslos wie Bush hat noch kein Präsident zuvor die Notenpresse angeschmissen und die Geldmenge ausgeweitet. Dieses neue Geld, und darin liegt seine tödliche Wirkung, ist nicht durch den Gegenwert von Waren oder Dienstleistungen gedeckt. ....Sie verkauften immer neue Staatsanleihen, um den Schein einer prosperierenden Nation zu wahren. Die Privathaushalte eiferten dem Staat zu allem Überfluss nach. Der Durchschnittsamerikaner lebt mittlerweile wie eine afrikanische Großfamilie - von der Hand in den Mund. .....Der Präsident und sein Notenbankchef Alan Greenspan wussten sehr wohl um die Problematik, vielleicht sogar um die Unverantwortlichkeit ihres Tuns. Sie taten zumindest alles, es vor der Welt zu verheimlichen. Seit 2006 wird die sogenannte Geldmenge M3, also jene Zahl, die angibt, wie viele Dollars im Umlauf sind, in den USA nicht mehr veröffentlicht.
...Allein im vergangenen Jahr stieg die Geldmenge demnach um bis zu 17 Prozent. Barack Obama setzte den Weg in den Schuldenstaat mit erhöhtem Tempo fort. Ein Drittel seines Staatshaushaltes ist durch Einnahmen nicht mehr gedeckt. Das einzige, was in den USA derzeit heiß läuft, ist die Notenpresse.....In London wurde über alles geredet, darüber nicht. So fiel nicht weiter auf, dass die Krise mit jenen Mitteln bekämpft wird, die sie verursacht hat...... Alle Staaten wollen ihrer Wirtschaft mit Bürgschaften helfen, die im Falle der Beanspruchung die Staatsverschuldung in die Höhe treiben werden....Wir leben in wahrhaft historischen Zeiten, da hat die Bundeskanzlerin recht. Womöglich setzt sich der Westen gerade den goldenen Schuss."


Der Jesuit Friedhelm Hengsbach bemerkt dazu in seiner G20-Analyse: "...Die zügellosen subjektiven Erwartungen einer Minderheit, die allein von ihren Vermögenserträgen leben kann, auf steigende Vermögenspreise sowie die unbegrenzte Kreditschöpfungsmacht des Bankensystems haben eine spekulative Blase ausgelöst, die sich mehr und mehr vom realwirtschaftlichen Produktionspotenzial abgelöst hat. Auf diese reale Grundlage muss sie wieder zurückgedrängt werden. Aber die Rettungspakete, die geschnürt werden, sind eine Einladung an die Banken, schon bald jene Kreditschwemme zu wiederholen. .....Nicht die bloße Reparatur von Krisenschäden, sondern ein Neustart jenseits des Finanzkapitalismus scheint mir die angemessene Antwort auf die dreifache monetäre, soziale und ökologische Krise zu sein....". Auf eine kurze Formel gebracht bedeutet dies: Rückführung des BIP/Aktiva-Verhältnisses auf die alten anständigen Werte. Sprich, eine Vermögens- und Währungsreform.


Die ist letztlich unvermeidlich, wenn sich nach dem großen Knall der Pulverdampf legen wird. Vorsorglich müssen die Besitzer großer Devisenbestände jedoch noch rechtzeitig dafür sorgen, ihre Vermögen in Sachwerte zu retten: "Die Araber kommen, und sie werden in der Krise hofiert: Bei Daimler und MAN Ferrostaal sind Investoren vom Golf zuletzt eingestiegen, weitere Autobauer wie Opel sind in ihrem Visier. Auch das Interesse am deutschen Mittelstand wächst. ....mm.de: Steht der Daimler-Einstieg von Abu Dhabi dennoch für einen Trend?
Obermayer: Ja, der Kapitalstrom arabischer Investoren nach Westen ist ein nicht zu übersehendes Phänomen. Gerade, weil im letzten Jahr aufgrund des hohen Ölpreises deutliche Überschüsse in der Region angefallen sind, die jetzt angelegt werden sollen. ...."


Diejenigen, die nichts mehr retten können, versuchen wenigstens die Konkursmasse in benachbarte Hände zu verschieben: Der Krisenticker des Managermagazins vermeldet heute: "8 Uhr: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat einem Medienbericht zufolge den krisengeschüttelten Ländern in Mittel- und Osteuropa die Einführung des Euro empfohlen. Sie sollten ihre Währungen zugunsten des Euro aufgeben, ohne formell Mitglied der Eurozone zu werden....Darin werde vorgeschlagen, dass die Eurozone ihre Beitrittskriterien lockere.... Ein Beitritt zur Eurozone verspricht dem IWF zufolge die besten Erfolgschancen für eine Bewältigung der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise in diesen Ländern. Die große Unsicherheit unter den Investoren würde damit zurückgehen."

Na so was aber. Vor allen Dingen geht es dem US-dominierten IWF um viel handfestere Probleme. Eigentlich ist er nämlich für die anstehende Stützung der bankrotten Oststaaten zuständig, und damit vorwiegend der US-Dollar. Schafft er es nun aber das Problem alleine der EU ans Bein zu kleben, dann reduziert sich die Schuldenlast der USA deutlich. Wer dann wiederum innerhalb der EU die Hauptlast gegen die "große Unsicherheit unter den Investoren" tragen soll, das ist, na Sie ahnen es schon, natürlich der mit Abstand größte Nettozahler Deutschland. Und damit, in the last run, Sie lieber Steuerzahler und Kleinvermögenbesitzer.

Und damit wir dann nicht zu allem Pech auch noch all dead sind, wäre es nicht schlecht, wenn eine der Parteien zur Bundestagswahl sich schon jetzt eine weltweite und soziale Vermögens- und Währungsreform auf die Fahne schreiben würde.

Freitag, 3. April 2009

Systemkrise vierter Akt: Der Zug der Lemminge


Der G-20 Gipfel hat die lange erwartete Geldschwemme ausgedehnt. Die letzten Hemmungen fallen und die Börsen reagieren begeistert. So legt der DOW in den letzten Tagen von rund 6500 auf fast 8000 Punkte zu. Denn die Erwartungshaltung ist, das die neuerliche Geldschwemme nun wieder ordentliche Renditen auf Anlageprodukte ermöglicht. Zumindest kurzfristig. Entsprechend wird das einzige langfristig werthaltige Finanzprodukt, Gold, abgestossen und auch der IWF und Nationalstaaten versilbern größere Bestände. Aber bis zum nächsten Katzenjammer ist es nicht so weit, und dann ziehen die Preise wieder an.

Nun, worauf hat man sich auf dem G-20 Gipfel geeinigt? Auf größere Finanzkontrollen, dank des Drucks durch Merkel und Sarkozy und gegen die Absichten der Briten und Amerikaner. Dazu ein weiteres gigantisches Stützungspaket im Werte von 1100 Milliarden Dollar, wovon die BRD einen wesentlichen Anteil tragen muss. Nun haben diese G-20 Vereinbarungen keine Gesetzeskraft, wenn gleich sie doch eine faktisch starke Verpflichtung ergeben. Bei den Finanzkontrollen wird sich aber weit weniger tun, als notwendig.

Im Manager-Magazin von heute kann man nachlesen, wie wenig ernst man dies meint: ".... Die für Bilanzierungsstandards zuständige US-Organisation FASB hat die Regeln für die Bewertung etwa von faulen Wertpapieren am Donnerstag entscheidend gelockert. Besonders die Finanzbranche begrüßte die Aufweichung und erwartet nun unter dem Strich weniger Verluste. Kritiker warnen dagegen massiv vor weniger Transparenz.....Die bisherigen Regeln verlangten eine Bewertung der Investments zum gegenwärtigen Marktpreis ("mark-to-market-Regel"). Da es etwa für giftige Kreditpapiere in der Krise praktisch keine Käufer mehr gibt und der Preis damit gegen null geht, mussten Banken und Unternehmen drastische Abschreibungen vornehmen. Nun sollen sie bei der Bewertung neben dem Marktpreis auch eigene Modelle anwenden dürfen.....Analysten erwarten nun bereits für die in den nächsten Wochen vorliegenden Zahlen zum ersten Quartal deutlich bessere Zahlen der Banken als bislang erwartet....Die für Europa verantwortliche Rechnungslegungsorganisation IASB werde in den nächsten Wochen zusammenkommen und weitere Lockerungen beschließen, hieß es in Branchenkreisen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück machte in London beim Treffen der G20-Staaten deutlich, die prozyklische Wirkung der Bilanzierungsregeln solle abgeschafft werden....."

Im Klartext also: Einerseits erhalten die Finanzjongleure eine riesige steuerfinanzierte Geldschwemme und andererseits die Erlaubnis ihre verheerenden Bilanzen "mit eigenen Modellen" schön zu rechnen. Und natürlich die nächsten faulen Derivatkonstrukte gleich mit solch schönen eigenen Modellen zur Bilanzklitterung zu versehen, und damit offiziell die Erlaubnis zur Insolvenzverschleppung erhalten haben.

Normale Gewerbetreibende können dafür in den Knast gehen und kriegen existentielle Schadenersatzklagen an den Hals. Zuletzt etwa medienwirksam das Boulevard Lieblingspaar Franjo und Verona Pooth. Banker dürfen das jetzt mit höchster Genehmigung um die "prozyklische Wirkung der Bilanzierungsregeln" zu vermeiden. Im Klartext: Wenn jemand Pleite ist, braucht er das nicht mehr zu sagen, damit ihm die Unbedarften weiter ihre Scheine rüber rücken. Aus krimineller Insolvenzverschleppung wurde also eine legale Abschaffung von prozyklischer Wirkung der Bilanzierungsregeln gezaubert. Ein guter Kandidat für das Unwort des Jahres 2009. Zweifellos wird dieses Jahr aber noch unzählige solche Verbalakrobatiken hervorbringen.


Man lässt es also wieder laufen wie gehabt und heizt mit frischen Scheinen sogar noch an. Wie im berühmten Zug der Lemminge wandert man also Hand in Hand auf die Klippe zu, um sich dort früher oder später in den Tod zu stürzen. Während sich die Wall Street mächtig über den Durst freut, geht es in den USA zu wie in einem Entwicklungsland: So schreibt die Welt heute: Jeder zehnte Amerikaner braucht Lebensmittelhilfe "Die Wirtschaftskrise in den USA führt immer mehr Menschen an den Rand des Existenzminimums. So ist inzwischen zehn Prozent der Amerikaner auf staatliche Lebensmittelmarken angewiesen. Das ist eine Rekordzahl von 32,2 Millionen Bedürftigen." Lebensmittelmarken kenne ich zuletzt noch aus dem jüngsten Zusammenbruch des Ostblocks, als in Polen solche Marken (1981-1989) ausgegeben wurden. Da wurde der makabre Witz erzählt: "Kennen Sie schon den polnischen Hamburger? Nein? Also: Brotmarke, Fleischmarke, Brotmarke.". Die USA stehen somit an einer Wendemarke, wie Polen vor 30 Jahren.

Verblüffenderweise sind es aber gerade Vermögen, die arm machen. Denn jedem Vermögen (Bankenpassiva) stehen Schulden (Bankenaktiva) gegenüber. Und letztere wollen immer verzinst werden, und das geht endlich nur aus dem Bruttoinlandsprodukt.

Die Kreditklemme resultiert nicht aus dem Fehlen von Geld, sondern aus dem Fehlen von Renditen!

Denn wegen des exponentiellen Wachstum von Vermögen/Schulden ist das BIP/Aktiva-Verhältnis in Deutschland auf fast 1:3,5 und in USA auf mehr als 1:5 angewachsen. Deren Renditedruck auf das BIP ist damit bei weitem zu hoch. Es spielt auch kaum eine Rolle, ob es sich um öffentliche oder private Vermögen/Schulden handelt, der Unterschied besteht nur darin, wer das Renditeinkasso übernimmt: Der Staat oder die Banker, jedenfalls immer beim Schaffenden. Auch hier will niemand Klartext reden, deswegen tue ich es hier:

Die einzige Möglichkeit aus der Krise heraus zukommen, ist daher die massive Vernichtung von Vermögen!

Denn nur dann kommt man wieder zu einem stressfreien Verhältnis zwischen BIP und Aktiva, also deutlich unter 1:2. Dies würde bedeuten, dass man von den 8000 Mrd. Euro Aktiva in Deutschland rund 4000 Mrd. kontrolliert abschreiben würde. Alternativ könnte man theoretisch auch das BIP relativ zu den Aktiva verdoppeln. Das geht aber schon lange nicht mehr, die Wachstumsraten des BIP hinken nämlich dem Aktivawachstum prinzipiell weit hinterher.

Die Handlungsanweisung an die politisch Verantwortlichen ist eindeutig: Das BIP/Aktiva-Verhältnis muss wieder deutlich verjüngt werden! Das lässt sich kontrolliert machen, wenn man das Problem beim Namen nennt: Die gewaltig angehäuften Großvermögen müssen wenigstens um den Faktor 2 reduziert werden, besser mehr. Andernfalls werden die Bürger auf Dauer vom Gewinn der Wirtschaft abgekoppelt und verlieren jedes Vertrauen in die Führung. Eine massive Vermögensreform ist natürlich der casus belli für die einflussreichste Oberschicht der Gesellschaft. Aber die Folgen werden keinen Vergleich aushalten mit dem was geschieht, wenn die Bürger dem demokratischen Staat in Scharen davonlaufen. Was dem Ostblock geschah, droht sehr bald auch dem demokratischen Kapitalismus! Bedenken Sie: Die in den letzten Jahren angehäuften Vermögen sind mittelfristig sowieso verloren, ganz egal wie man es macht. Lässt man aber die Dinge laufen, dann werden sie sich selbst bereinigen. Dann aber ohne jede demokratische Ordnung! Das ist die Lehre aus den Zwanziger Jahren, nicht das Fehlen wahnwitziger Konjunktur- und Stützungsprogramme.

Das Treffen Papens mit Hitler im Haus des Bankiers Schröder am 4. Januar 1933 in Köln gilt als die „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ . Unter der Vermittlung des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder einigten sich hier Franz von Papen und Adolf Hitler auf die Reichskanzlerschaft Hitlers. In der berühmten eidesstattlichen Erklärung Schröders im Nürnberger I.G.-Farben-Prozess von 1947 heißt es zu diesem Treffen:
„Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange Zeit an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. November 1932 einen ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, dass die Nationalsozialisten - einmal an der Macht - eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden.“

Die Chance sich solchen Entwicklungen entgegen zu stemmen besteht jetzt! Und nicht morgen oder übermorgen, weil man just vor unbequemen Wahrheiten zurück schreckt. Von 1929 bis 1933, dass waren gerade einmal 4 Jahre. Sollen wir 2013 wieder vor einem vergleichbaren Problem stehen? Oh Herr, lass der Politik Hirn wachsen!

Donnerstag, 2. April 2009

Futurologie IV: 23-F in Deutschland?


Die Immobilienkrise wurde schnell zur Finanzkrise und diese wiederum ist Ausdruck einer Systemkrise der westlichen Demokratien. Die jahrzehnte lange schuldenbasierte Politik- und Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit ist nunmehr in die lange vorhersehbare Krisenphase eingetreten. Nicht nur kleinere einzelne Staaten, wie Island oder Griechenland, sind bankrott, sondern auch die volkswirtschaftlich führenden Nationen USA, Japan und Deutschland sitzen endgültig in der Schuldenfalle.

Ein Entkommen ist faktisch unmöglich. Bei "guter" Politik rettet man sich bestenfalls in eine ökonomische Dauerkrise, bei dem demokratieüblichen Mittelmass wird das Desaster mittelfristig in die finanzielle und soziale Handlungsunfähigkeit der betroffenen Staaten münden. Letzteres führt aber unweigerlich in politisch instabile Zustände, mit noch völlig offenen Konsequenzen: von südländischer Lethargie bis hin zu gallischer Revolution oder imperialen Kriegen ist alles in nicht so ferner Zukunft denkbar.

Denn eine Beendigung der Krise ist nur durch massive Vernichtung von Vermögen und Schulden möglich. Zwar könnten die Hüter des Dollars und Euros diese Eliminierung auch kontrolliert herbeiführen, jedoch zeigt jede Erfahrung der Historie das dies nicht geschehen wird. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Besitzer der größten Vermögen auch über die effektivsten Machtmechanismen zur Durchsetzung ihrer ureigenen Interessen verfügen.

Vielmehr wird man daher solange weiterwursteln, bis sich die Dinge quasi von alleine regeln werden. Die Erfahrungen der Geschichte aber zeigen hier unmissverständlich auf, dass dieses dann außerhalb der Kontrolle der ehemals Herrschenden stattfindet, insbesondere außerhalb der Kontrolle demokratischer Institutionen.

Zu letzteren zählt natürlich auch das formale Staatsoberhaupt, das Institut des Bundespräsidenten. Dieser wird in Kürze (23. Mai 2009) wieder durch die Bundesversammlung gewählt werden. Zwar ist die Wahl formaljuristisch eine demokratische, sie kommt als solche aber nicht beim Volke an. Denn faktisch ist die Wahl durch den Parteinenproporz in Bund- und Länderkammern mit den entsandten Wahlmänner und Wahlfrauen bis ins kleinste Detail im Vorhinein abgesprochen, der Ausgang daher noch vorhersehbarer als der Ausgang der jährlichen Prinzenproklamation im Kölner Karneval. Ob sich da Gesine Schwan zum x-ten mal zur Prinzessin berufen fühlt oder sich ein süffisant kommentierender Tatortkommissar als Gegenkandidat aufstellen, egal. So geben diese zwar eine Projektionsfläche für ein Boulevardkasperletheater ab, eine ernsthafte Konkurrenz stellen sie jedoch nicht dar.

Entsprechend schwach ist seine Stellung im Volke verankert, sein maximales Flair entfaltet ein Bundespräsident daher mit seinen Weihnachts- oder Neujahrsansprachen. Die Weihnachtsmannfunktion reichte spätestens Bundespräsident Roman Herzog nicht mehr aus, so dass dieser mit seiner „Ruck-Rede“ 1997 die so genannte Berliner Rede einführte. Traditionell werden nunmehr mit der ersten Frühlingssonne die deutschen Befindlichkeiten zurecht gerückt. Die Titel dieser Reden schreiben seitdem Geschichte, etwa 1997 Herzog mit «Aufbruch ins 21. Jahrhundert» und der Formulierung „durch Deutschland muss ein Ruck gehen“. Es folgten dann erst wieder, und ganz fleißig, die beiden Präsidenten Johannes Rau und Horst Köhler.

Rau titelte mit «Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben» im Jahr 2000, «Wird alles gut? Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß» in 2001, «Chance, nicht Schicksal - die Globalisierung politisch gestalten» 2002, «Gemeinsam handeln - Deutschlands Verantwortung in der Welt» 2003, und «Vertrauen in Deutschland - eine Ermutigung» in 2004. Dicht gefolgt von weitsichtigen Ermutigungen seines Nachfolgers Köhler, der als ehemaliger Banker, und zuweilen als „Sparkassendirektor“ verspottet, mittelbar Beteiligter der Misere ist und außerdem erster Amtsinhaber ohne vorheriges bedeutendes politisches Amt. Dieser titelte 2006 «Bildung für alle», 2007 «Das Streben der Menschheit nach Glück verändert die Welt», 2008 «Arbeit, Bildung, Integration » und endlich 2009 «Die Glaubwürdigkeit der Freiheit », in der ihm erstmalig die Finanzkrise auffiel.

Bei dieser Legitimationsproblematik, in Verbindung mit solch ruckartigen Erkenntnissen im Nachhinein, fragt man sich wie das Staatsoberhaupt dann mit der noch anstehenden politischen Krise fertig werden möchte. Denn das Wohl und Wehe der Demokratie steht und fällt mit der Fähigkeit, der Mehrheit der Bevölkerung Sicherheit, Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern. Diese Fähigkeiten sind aber aktuell schon stark angekratzt und es ist zu befürchten, dass sie in den nächsten Jahren erheblich weiter erodieren werden. Längst lauern linke, rechte und braune Veteranen auf ihre Chancen zum Einsatz.


Eine neuerliche Variante stellt nun die Renaissance der Monarchie dar. Am 31. März sendete der WDR das Hörspiel „Der Demokratie die Krone aufsetzen“: Es ist etwas faul im Staate: 66% der Deutschen empfinden die derzeitige Lage als nicht gerecht, 74% sind unzufrieden mit der Arbeit der Regierung, und 51% sind der Meinung, dass Demokratie nicht das beste politische System für Deutschland ist. Unsere Demokratie, so scheint es, ist ein Auslaufmodell.
Was aber ist besser? Rudolph Ferdinand Prinz von Preußen kennt die Antwort, und er will Deutschland heilen: mit der Einführung einer konstitutionellen Monarchie. Eine Journalistin begleitet den Adeligen 14 Tage durch unser Land und muss feststellen, dass dem Prinzen die Herzen der Deutschen zufliegen.


Was einem auf den ersten Hörsturz hin als verfrühter Aprilscherz vorkommen mag, entbehrt aber nicht eines gewissen Charmes. „....Für die Sicherung der Nachfolge des spanischen Diktators Francisco Franco war bereits 1947 die Wiedereinführung der Monarchie vorgesehen worden. König Juan Carlos’ Rolle gilt als wesentlich für die in den Folgejahren stattfindende Demokratisierung Spaniens. ... Am 23. Februar 1981 versuchten Angehörige der Armee unter General Milans del Bosch einen Militärputsch. Tejero stürmte dabei das Parlament, wo Leopoldo Calvo-Sotelo gerade zum Regierungschef gewählt werden sollte. Mit dem entschlossenen Auftreten des Königs als Oberbefehlshaber der Armee, der sich im Rahmen einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache eindeutig für die Demokratie aussprach und das Militär auf seine Seite zog, konnte der Staatsstreich noch in der Nacht vereitelt werden. Dieses Datum wird von den Spaniern als der „23-F“ bezeichnet....(Q:Wikipedia)“.


Man fragt sich unwillkürlich, welche Folgen an so einem Tag die Rede eines Bundespräsidenten hinterlassen hätte. Natürlich ist die Wahl bzw. Thronfolge eines Monarchen vom Volke genauso wenig zu beeinflussen, jedoch ist der Monarch eine durch Tradition und Selbstbewusstsein der Bevölkerung getragene Identifikationsfigur, deren Worte ein weit höheres Gewicht haben als die einer weiteren Person, von vielen, des demokratischen Parlamentarismus. Denn der Monarch vertritt als „Blutadel“ per Definition das ganze Volk von links bis rechts, weder Militär noch Arbeiter, noch gar der König selbst, kann sich dieser Fiktion so leicht entziehen.

Als aufgeklärter Mensch mag ich mich fragen, ob ein mit dem Regenschirm Journalisten verprügelnder Welfenprinz, oder ein Prince of Wales, der durchs abgehörte Handy seiner außerehelichen Geliebten zu haucht „ich möchte dein Tampon sein“, ein so prickelnder Ersatz für einen Bundespräsidenten sein sollte, blaues Blut hin oder rotes Blut her.


Trotzdem, wäre ich vor die Wahl gestellt, Rot, Braun, Tot oder Monarch? Ich würde letzteren wählen. Denn ob Juan in Spanien oder Charlie in Britannien, die Erfahrungen mit den europäischen Königshäusern sind gar nicht so schlecht im Vergleich zu den Skandalen der Parlamentarier zwischen Rom und London, Brüssel und Berlin.

So lassen wir zum Abschluss Franz Joseph I. von Österreich (1910) sprechen: „Ich bin der letzte Monarch der alten Schule. Meine Aufgabe als Kaiser ist es, meine Völker vor ihren gewählten Politikern zu schützen.“ Das er das am Ende (1914) doch nicht konnte, sollte das Ende der alten Weltordnung bedeuten und Europa in einen weiteren dreissigjährigen Krieg stürzen.