Freitag, 21. August 2009

Welche Natter nährte ich an meiner Brust? Die Staatsfonds


"Sie sind überall, sie sind gut vernetzt - und sie sind reich. Staatsfonds, im Finanzjargon SWF genannt, kommen aus den Golfstaaten, aber auch aus Fernost oder Lateinamerika. ...Und mit 3,2 Billionen Dollar bündeln sie zusammen weit mehr Geld, als es die gefürchteten Hedgefonds mit rund 1,3 Billionen tun. Es ist auch viel mehr als jene 474 Milliarden Euro, die der gesamte Dax wert ist....Staatsfonds sind also eine stille Macht. Eine stille Macht, die sich regt." schreibt heute das Manager-Magazin.

Die ehemals volkswirtschaftlich abgehängten monokulturellen Rohstofflieferanten schlagen nun zurück: "...Das Öl war es, das diesen Weg möglich machte. Die Golfländer waren es daher, die die ersten Staatsfonds aus der Taufe hoben, um die Erträge aus dem Geschäft mit Öl und Gas zu sichern. Dazu kamen jene Länder wie China, die ihre Devisenreserven effizient verwaltet wissen wollten. ...."

Die einseitigen Wirtschaftsbeziehungen, die nur auf Rohstoffe, aber nicht auf die Errichtung konkurrenzfähiger und diversifizierter Volkswirtschaften zielte, beginnt sich zu rächen: "......Kein Wunder also, dass die Europäische Kommission noch im Februar 2008 ein Papier unter dem Titel veröffentlichte "Ein gemeinsames europäisches Vorgehen gegenüber Staatsfonds." Darin sprechen die Beamten von Befürchtungen, die die Staatsfonds wecken würden. Und verweisen zur Illustration auf die makroökonomische Seite, derzufolge das Wachstum der Staatsfonds ein Zeichen für die großen Leistungsbilanzungleichgewichte in der Weltwirtschaft seien.....Und in zehn Jahren sollen es mehr als sieben Billionen sein, schätzt die Deutsche Bank in einer aktuellen Studie"

Leistungsbilanzdefizit, dass ist ein Euphemismus für Schulden. Denn wer immer nur Rohstoffe einkauft, aber als Gegenleistung keine Produkte liefert, der stellt eben Schuldscheine aus. Also Dollars und Euros, die nun mal nichts anderes sind. Deswegen ist man nun an diese Schuldversprechen gefesselt, denn: "Der Spielraum der EU zumindest für Gegenmaßnahmen ist nicht gerade groß. Denn staatliche Einschränkungen ausländischer Investoren verbieten die eigenen wirtschaftlichen Leitlinien. Der freie Kapitalverkehr ist gesetzlich gewährleistet." Würde man den Kapitalverkehr wieder scharf reglementieren, wie vor der Deregulierung, so würde man seine uneingelösten Schulden entwerten, und damit die Weltwährungen erst recht ins straucheln bringen.

Für dieses Geld möchten die Devisensammler nun auch einmal Gegenwerte sehen, und die sind inzwischen weit aus knapper als Geld. Zumal es langsam allen dämmert, dass der Geldwerterhalt, geschweige denn reale Verzinsung, nicht unendlich gesichert ist. Also muss man es sehr bald umsetzen, und nicht mit Kleinkram, denn da für ist es einfach viel zu viel: "Doch zum Beispiel die EU sieht einige Gefahren heraufdämmern, schreibt CEP selbst in einer Mitteilung bereits im Februar vergangenen Jahres. Staatsfonds könnten sich "zielgerichtet Technologie oder Know-how aneignen, das den strategischen Interessen des Landes nützt." ......"Gerade die jetzige Wirtschafts- und Finanzkrise verdeutlicht doch .. wie stabilisierend die Investitionen dieser Fonds wirken können - siehe etwa die Fälle Opel und Porsche" sagt auch CEP-Sprecher Ralf Jaksch. So hat sich der Staatsfonds aus Katar zu 10 Prozent an Porsche beteiligt, und das Unternehmen einstweilen so stabilisiert. Und am Donnerstag hieß es, der Fonds wolle 50 Prozent der Vorzugsaktien von Volkswagen übernehmen. Immerhin, so viel Kritik gibt es dann doch, "es fehlt noch das Element der Kontrolle", sagt Nugée."

Na so ganz fehlt letzteres Element nicht, denn Kontrolle übernehmen jetzt zunehmend Andere. Der Spieß beginnt sich zu drehen. Wenn der Dollar und Euro in einigen Jahren dann wirklich verfällt, dann werden wir für die ehemals von uns Abhängigen arbeiten müssen, statt umgekehrt. Man kann es als gerechte Strafe für eine böse Tat sehen, aber es ist eine gefährliche Zeitbombe für dann Internationale Konflikte.

Die „Fabulae aesopicae collectae", eine Sammlung äsopischer Fabeln, berichtet: „Ein Wandrer erblickte eine Natter, die vor Frost fast todt war. Aus Mitleid hob er sie auf, legte sie an seinen Busen und suchte sie zu erwärmen. So lange die Natter vom Frost zusammengehalten wurde, blieb sie ruhig; als sie sich jedoch erwärmt hatte und wieder auflebte, biss sie den Wandrer in den Leib. Beim Dahinscheiden sprach dieser: „ich leide mit Recht! warum habe ich auch die vom Tode gerettet, welche man sogar hätte tödten müssen, wenn sie voll Lebenskraft gewesen wäre?" (Halm 97 b ).“

Nun ja, vielleicht scheiden wir zu Recht dahin.

Mittwoch, 19. August 2009

Berliner-Bären-Bude: Die Abwracker


Der Bundestagswahlkampf dümpelt so vor sich hin. Richtig Feuer geben mag zur Zeit noch Keiner, das scheinbar dringendste Problem der Republik scheinen die Dienstfahrten der Ulla Schmidt zu sein. Finanz-, Wirtschafts-, Verschuldungs-, Systemkrise? Welche Krise? Lieber nicht dran rühren, ist die Devise. Im Gegenteil, kaum meldet das Statistische Bundesamt eine kleine Quartalserholung für das BIP, schon rufen Ökonomen und Politiker bereits das Ende allen Unbills aus, orakeln bereits den kommenden Aufschwung, Abbau der Schulden, Steuersenkungen und profitable Arbeit für Alle herbei. Weiter so, es war nur eine kleine Delle, und die haben wir in Berlin prächtig gemanagt.

Zudem haben die Börsen in den letzten Wochen ordentlich zugelegt, auf den ersten Blick scheint es also wieder aufwärts zu gehen. Aber tut es das wirklich und nachhaltig? Die 0,3% Quartalserholung ist schließlich nicht viel mehr als eine unsichere statistische Schwankung, zudem mit der Abwrackprämie sündhaft teuer erkauft. Und die Börse ist nun mal nicht die Wirtschaft, auch wenn das allzu oft mit einander gleichgesetzt wird: Sie ist lediglich ein Spekulationsbarometer, welches die kurzfristigen Erwartungshaltungen der beteiligten Finanzjongleure wieder spiegelt. Und die sind kein geringeres Orakel.


Schauen wir also mal genau auf diese Finanzen, deren gesamtwirtschaftliche Summe von der Bundesbank (Zeitreihe OU0308; alle Graphiken können durch Anklicken vergrößert werden) regelmäßig ausgewiesen wird. Die erste Graphik zeigt die Entwicklung der Gesamtaktiva/Passiva der deutschen Kreditinstitute seit 1950. Wir sehen den bekannten exponentiellen Anstieg der Vermögen, der letztlich aus der natürlichen Zinseszinsproblematik entsteht, welcher zum ersten mal um das Jahr 2000 einen Knick bekommt. Die DotCom-Krise lässt die Zunahme stagnieren, um nach kurzer Zeit wiederum exponentielle Fahrt aufzunehmen. Endlich, in 2008, passierte etwas historisch einmaliges: Die Aktiva/Passiva nehmen tatsächlich ab, wenn auch nur marginal. Es ist jedoch der Hinweis auf eine grundlegende Änderung: Erstmals seit der Währungsreform 1948 müssen tatsächlich, in der Gesamtbilanz, erkennbar Vermögen abgeschrieben werden.


Die zweite Graphik zeigt uns daher den rechten Ausschnitt nur der letzten 5 Jahre. Im Oktober 2008 wurde der historische Höchststand mit 8093 Mrd. Euro, gegenüber einem BIP von 2490 Mrd. Euro in 2008, erreicht. Das Aktiva/BIP-Verhältnis erreichte das ungesunde Verhältnis von A/B = 3,25. Seit dem musste einiges abgeschrieben werden. Eigentlich weit mehr, aber die Politik tat alles nur mögliche, um genau dieses gerade zu verhindern. Dafür wurden dem Steuerzahler gigantische Schulden und Risiken aufgeladen. So wurden bislang gerade einmal die Aktiva von 8093 auf 7772 Mrd. Euro (6/2009) reduziert, also um etwa 4%. Viel zu wenig um den Verlust im BIP von 7,1% gegenüber dem Jahresvorquartal auszugleichen, das A/B-Verhältnis hat sich weiter verschlechtert, aber satt und genug um die Finanzwirtschaft in hellste Aufregung zu versetzen.


Deutlicher wird das Problem, wenn man statt der absoluten Zahlen die Gewinne/Verluste der gesamten Finanzwirtschaft auf Monatsbasis der Differenzen zwischen den Jahren betrachtet, also etwa die Differenz zwischen dem Februar 2006 und Februar 2005 usw. Auch hier wieder das Bild der letzten 5 Jahre. So wurden die notwendigen Ergebnisse ( mind. 5% von ca. 8000 € sind 400 Mrd. €) nach der DotCom-Krise erst wieder ab etwa 2007 erreicht um nach den Übertreibungen der Subprime-Weiterverbriefungen (+560 Mrd.€) Ende 2008 zu kollabieren. Dank der freundlichen Umschuldung auf die Staatsfinanzen konnte ein echter Absturz der Großvermögen verhindert werden, wenn auch nicht ganz, in 05/2009 musste ein echter Verlust von –39 Mrd. € hingenommen werden, der sich in 6/2009 durch eine neuerliche Jahreszunahme von 27 Mrd.€ schon wieder abmildert, Steuerbürger sei Dank.


So richtig prickelnd wird es erst, wenn wir wieder die historische Gesamtschau heranziehen. In der vierten Graphik daher die gleiche Gewinn/Verlust-Rechnung der Aktiva/Passiva seit 1951 bis heute 6/2009. Für die Mathematikinteressierten vorab eine Erläuterung: Da die Aktiva/Passiva nach einem Exponentialgesetz wachsen A=a*exp(b*t), ist deren Ableitung natürlich ebenfalls eine Exponentialfunktion, nämlich dA/dt=a*b*exp(b*t). Nichts anders als die erste Ableitung nach der Zeit ist wiederum genau die hier dargestellte Gewinn/Verlustrechnung. Rot eingetragen sehen wir nun die tatsächlichen Gewinne der Gesamtaktiva/Passiva nach den Zahlen der Bundesbank, Grün eingezeichnet die aufgrund einer gesunden Verzinsung (knapp 5%) tatsächlich notwendigen Renditen. Zunächst funktioniert dies auch prächtig, auch nachdem 1971 die letzte Deckung des Geldes durch Sachwerte wie Gold aufgegeben wurde. Allerdings beginnt die Kurve nun unruhiger zu werden, denn aufgrund der reinen Schuldendeckung neigt das Finanzsystem eher zum Zocken und Übertreiben.

Deutlich wird dies etwa bei der Wiedervereinigung. Dabei wurde der deutsche Währungsraum schlagartig vergrößert und für die DDR-Mark unrealistische Gegenwerte ausgezahlt. Diese Subvention landet wie immer zunächst mal auf den Konten der Begünstigten und erzeugt den gewaltigen Peak um 1990. In den Folgejahren bis etwa 1994 sehen wir die Investitionsblase DDR, das ist der kleinere Peak direkt hinterher. Das die blühenden Landschaften nicht unmittelbar aus dieser Gigainvestition entstanden, sondern blasenartig gleich wieder zusammen brach, ist auch darauf zurück zu führen, dass für die Erzeugung von Geld es eben völlig ausreichend ist, Schulden zu schaffen. Und einem möglichst unbeteiligten Dritten, etwa dem Steuer- und Abgabenzahler, zu zuschanzen. Eine tatsächliche Schaffung von Produkten und Werten war nämlich nicht notwendig, das Errichten von subventionsfinanzierten Bauruinen ist dagegen völlig ausreichend, und, einfacher und vor allen Dingen schneller zu bewerkstelligen.

Als nächstes kommt dann die Übertreibung der DotCom-Krise, als man durch den Verkauf von windigen Aktien selbst unterfinanzierte Garagenklitschen der IT-Industrie zu Milliardenunternehmen hochjubelte. Der Crash folgte auf dem Fuße und damit aber auch eine Zeitenwende: Konnte man zuletzt noch mit der DotCom-Übertreibung die eigentlich notwendigen(!) Renditen eintreiben, so rutschte man nun in die Zone ab, in der die notwendige Verzinsung der Kapitalien aus dem BIP technisch gar nicht mehr möglich ist.

Trotzdem versucht die Finanzindustrie nunmehr das, wofür sie ja auch da ist: Die Renditen ihrer gigantischen Aktiva/Passiva wieder an die Steigung der grünen Exponentialfunktion heranzuführen. Das kann aber nicht mehr auf Dauer funktionieren, denn das BIP ist seit dem „Break 2000“, als das Aktiva/BIP-Verhältnis etwa den Wert 3 überschritt, gar nicht mehr in der Lage das über 60 Jahre angesammelte Kapital mit den notwendigen Verzinsungen zu bedienen. Deswegen suchte man sich ein neues Verkaufsmodell für sein überflüssiges Kapital, so den Verkauf von Krediten an Leute, die sich diesen eigentlich gar nicht leisten konnten, und schließlich sogar die Weiterverbriefung von Paketen dieser sowieso fast wertlosen Kredite zu Spekulationspreisen an Möchtegernegroß-Banken. Der nächste, noch größere Crash erfolgte dann 2008.

Und wenn jetzt die Wirtschaft, dank gewaltiger Kostenübernahme der Steuerbürger, tatsächlich etwas Fuß fasst, dann ist der nächste Crash nicht weit. Denn man kann es als Gier bezeichnen, aber in Wirklichkeit ist es die Notwendigkeit eines aus den Fugen geratenen Systems: Die Finanzinstitute unternehmen nun erst recht jeden nur möglichen Winkelzug um weiter ihre notwendigen Renditen aus dem, nun erstmals kleiner gewordenen, BIP heraus zu prügeln. Sie können gar nicht anders, denn ihre Kunden verlangen das mit größter Vehemenz. Eine Abkehr vom Szenario der letzten Jahre ist daher reine Illusion, ein großer, dicker, Berlinerbär auf unserer Nase eben.

Aber auch die Berliner-Bären-Binder haben selbst einen solchen Bären auf die Nase gebunden bekommen: Zwar läge der einzige Ausweg aus dem Dilemma in weltweit massiven Abschreibungen; so etwa müssten sich in Deutschland die Vermögen im Verhältnis zum BIP mindestens halbieren, um einen annehmbaren Effekt zu erzielen. Die westlichen Demokratien unternehmen aber gerade das Gegenteil, sie tun alles um solche Abschreibungen zu verhindern. Und das zum Preis einer totalen Verschuldung und mittelfristig resultierenden Handlungsunfähigkeit des Staates, es grenzt an Selbstmord oder Hochverrat, je nach dem, wie man es sehen möchte.

Man kann unseren Parlamentariern zwar einiges unterstellen, aber das sie das eine oder andere davon wirklich wollen, eigentlich nicht. Warum aber handeln sie trotzdem so unvernünftig? Die Antwort liegt in der Funktion der Ökonomen begründet und deren Einstellung in Bezug zum Kapital, das wiederum die Entscheidungen von Bankern und Politikern entscheidend beeinflusst. Denn die Möglichkeit einer negativen Rückkopplung von zuviel Kapital auf die Wirtschaft wird von allen Standardlehren der Ökonomie faktisch negiert. Die Logik dahinter ist (a) in einer Kredit getriebenen Wirtschaft, und das ist bei uns der Fall, fördert reichlich Kapital das Wachstum. (b) Wenn Kapital am Markt zu wenig verfügbar ist, dann muss man ggf. auch aus dem Ausland oder sogar Staatlicherseits, nur reichlich Kapital hinein locken bzw. pumpen, (c) und, falls zuviel Kapital da ist, schadet das prinzipiell auch nichts, denn wer keinen Kredit haben möchte, braucht ja auch keinen zu nehmen. Im Gegenteil, dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgend, sollten dann sogar die Kreditzinsen sinken, was die Wirtschaft nur zusätzlich beflügelt. (d) Inflations- oder Deflationsgefahren kann man mit geeigneter Zinspolitik jederzeit entgegen steuern.

Nun, so sehr das in Zeiten ausgeglichener Aktiva/BIP-Verhältnissen wahr ist, so falsch ist es in Zeiten ausufernder Vermögen. Vor allen Dingen ist c) dem Grunde nach falsch. Denn die Verwalter der Vermögen, also die Finanzinstitutionen, leben davon , diese ihnen anvertrauten Vermögen zu vermehren. Und zwar jedes Jahr, und selbst die durchschnittliche Rendite von 5% ist den Vermögensbesitzen viel zu wenig. Die Erwartungshaltungen liegen durchweg im zweistelligen Bereich. Aufgrund der Zinseszinsschere zwischen BIP und Aktiva (Kredite und andere Finanzprodukte; und diesen in gleiche Höhe entgegen stehenden Passiva(Vermögen)), geht diese Rechnung nach 60 Jahren eben nicht mehr auf. Es entsteht ein ungleicher Kampf der Interessengruppen, auf der einen Seite der Großvermögen und auf der anderen Seite die Durchschnittsbürger und Kleinsparer. Kein Vermögensbesitzer wird je auf seine Renditen verzichten wollen, nur weil aus der Arbeit der Arbeiter und Angestellten nicht mehr genügend herausgezogen werden kann. Dann greift man eben zu anderen Methoden, so zum Beispiel etwa Hedgefonds, deren Geschäft im Prinzip daraus besteht, wackelige Firmen zu kaufen, gewinnbringend zu zerschlagen und die gegenüber stehenden sozialen Kosten dem Steuerzahler aufs Auge zu drücken.

Die nächsten Zacken, die nächsten Blasen in letzter Graphik stehen uns also bevor, und die Abstände werden kleiner und die Auswirkungen immer dramatischer werden. Solange bis die Zusammenhänge endlich einmal begriffen werden. Im Kampf der Interessengruppen werden sich die Demokraten entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen möchten: Auf der Seite des Kapitals oder auf der Seite des Durchschnittbürgers; ob sie die Demokratie erneuern oder abwracken wollen.

Eine Demokratie ist ohne Fairness, ohne Transparenz, und ohne allgemeinen Wohlstand zum Scheitern verurteilt. Insbesondere wenn sie dem Bürger nicht erklären kann, warum sie hunderte und tausende Milliarden zur Sicherung riesiger Vermögen ausgibt, aber gleichzeitig dem Bürger Steuern, Abgaben und Gebühren erhöht, Leistungen aller Art zurück fährt und nicht mal 1000 Euro für die Renovierung eines Kindergartens entbehren kann. Wenn sie sich nicht rechtzeitig für die richtige Seite entscheidet, läuft sie Gefahr unter zu gehen. Die nächste Legislaturperiode stellt genau diese Anforderungen an die unglücklichen Gewinner des herbstlichen Machtkampfs in der Berliner-Bären-Bude.

Donnerstag, 13. August 2009

Schönwetter am Prognosehimmel: 0,3%chen


Die neuesten Zahlen des statistischen Bundesamtes suggerieren Aufschwungsgefühle: Um sagenhafte 0,3% legte danach das deutsche BIP gegenüber dem Vorquartal zu. Etwas weiter hinten in der Statistik findet man dagegen den Fakt, dass es gegenüber dem entsprechenden Quartal des Vorjahres ein schnödes Minus von -7,1 % zu verzeichnen gab.

So spreizt man wieder die Ackermannfinger: „Die schwerste Rezession, die Deutschland nach dem Krieg erlebt hat, ist Geschichte: Das Bruttoinlandsprodukt steigt wieder“ schreibt der Focus. „Deutschland spreizt die Finger - zu einem kräftigen "V". Der Buchstabe, so hoffen Unternehmenslenker, Politiker und Beschäftigte, könnte zur Vorlage für den ersehnten Aufschwung werden: einmal kräftig runter, und dann genau so steil wieder rauf...."Wir werden in der zweiten Jahreshälfte eine v-förmige Erholung sehen", sagt etwa Unicredit-Volkswirt Andreas Rees.“

Jedoch sind bereits Wolken in Sicht: „Im Herbst, spätestens im Winter, dürfte es in diesem Szenario so weit sein: Die Firmen bauen Arbeitsplätze ab. ..."Es besteht die Gefahr, dass wir in eine neue Negativspirale geraten", sagt Hinze. Das RWI rechnet mit 4,6 Millionen Arbeitslosen am Jahresende 2010. Zudem laufen im kommenden Jahr große Teile der staatlichen Konjunkturhilfen aus. So verschärft das Ende der Abwrackprämie die Lage in Teilen der Automobilindustrie noch einmal. "Volkswagen wird da Probleme bekommen", erwartet Hinze.“

Zu Recht wendet der Spiegel ein: „Die Zahlen suggerieren zudem nicht nur aus technischer Sicht mehr Sicherheit als real existiert. Denn das Mini-Plus ist derzeit vor allem ein rechnerisches. In seiner Pressemitteilung merkt das Statistische Bundesamt an, dass "die preisbereinigten Importe erheblich stärker zurückgegangen sind als die Exporte". Einer der großen Effekte, der die Bilanz der Bundesrepublik ins Plus gehievt hat, ist somit ein Trugbild: Das Land wirkt reicher, weil es weniger ausgibt.“

Wer schiere Milliarden in Banken und Wirtschaft pumpt, der darf schließlich erwarten, dass diese Subventionen des Steuerzahlers Wirkung zeigen: "Der überraschend starke Aufschwung ist im zweiten Quartal vor allem auf den Boom zurückzuführen, den die Abwrackprämie auf dem Automarkt ausgelöst hat", sagt HWWI-Experte Hinze. ... Die Bundesregierung hat dafür fünf Milliarden Euro bereitgestellt, was 0,25 Prozent des BIP entspricht. ...Hinzu kommt, dass auch andere Konjunkturmaßnahmen wie staatliche Investitionen in den Bausektor zusehends anlaufen..."Das Plus im zweiten Quartal ist maßgeblich durch die Konjunkturprogramme der Regierung bedingt", sagt Hinze. Entsprechend sei mit erheblichen Einbrüchen zu rechnen, wenn die staatlichen Förderungen wieder auslaufen. ..."Einen sich selbst tragenden Aufschwung signalisieren die aktuellen BIP-Zahlen aber definitiv noch nicht."“

Letztlich geht die Kalkulation der Regierung aber, zumindest zeitlich, perfekt auf: „"Nach den Bundestagswahlen werden viele Wahrheiten auf den Tisch kommen, etwa höhere Sozialversicherungsbeiträge und eventuell steigende Steuern", sagte Deka-Analyst Sebastian Wanke kürzlich der Nachrichtenagentur dpa. "Dann werden wir sehen, dass das Vertrauen der Verbraucher nicht mehr trägt."“. Für die Wahl im nächsten Monat jedenfalls wird das Vertrauen mühelos halten.

Zudem kommt das Problem der Kurzarbeit, so sind die “...Lohnstückkosten - also die Lohnkosten im Vergleich zur Produktionsleistung der Beschäftigten - im ersten Quartal 2009 um 8,1 Prozent gestiegen. In der Industrie schwollen sie sogar um 25 Prozent an. Der Druck auf die Firmen, Mitarbeiter zu entlassen, steigt also, da die Kosten aus dem Ruder laufen. "Die Kurzarbeit entwickelt sich für die Unternehmen zu einer immer größeren Belastung - sollten sich die Aufschwungsignale nicht bald deutlich verstärken, dürften die ersten Unternehmen beginnen, Angestellte zu entlassen", sagt Hinze.“

Das kommentiert das Manager-Magazin so: „Es war eine tolle Geschichte, ein schöner Traum. Aber es war eben auch eine große und fatale Illusion. Die Weltwirtschaft sei auf dem besten aller Wege - das war in den vergangenen Jahren die Mehrheitsmeinung unter Managern und Unternehmern, unter Bankern und Ökonomen....Wir haben im manager magazin immer wieder gegen diese Illusion von Hurra-Kapitalismus angeschrieben. In vielen Artikeln und Kommentaren seit der Jahrtausendwende haben wir auf die Risiken hingewiesen: zu hohe Verschuldung, zu stark steigende Häuserpreise, zu niedrige Notenbankzinsen, zu große globale Ungleichgewichte. Zu lange ist die Welt mit Vollgas in die falsche Richtung gefahren. Deshalb erleben wir derzeit keine normale Rezession, sondern eine Jahrhundertkrise.“

Das die Börsen und der Finanzsektor nun längst wieder zu alter, verheerender, Dynamik aufgebrochen sind, gibt kein Wunder. Denn den Preis dafür hat die deutsche Mittelklasse bereits auf dem Deckel stehen, aber noch lange nicht bezahlt: „Und da ist zweitens die Staatsverschuldung. Eine wenig dynamische Volkswirtschaft kann nicht so leicht aus ihren Schulden herauswachsen.... Im Gegenteil, die fiskalische Lage dürfte sich weiter zuspitzen: Die in der Krise rapide gestiegenen Schulden drücken. Hohe Arbeitslosenzahlen und eine schwache Lohnentwicklung vermindern die Einnahmen und erhöhen die Ausgaben. Die möglichen Auswege sind allesamt holprig: Steuererhöhungen? Schwächen das Wachstum noch weiter. Ausgabenkürzungen? Sind politisch schwer durchsetzbar. Inflation? Gefährdet das Vertrauen ins Geld und in die Institutionen. Eine Kombination aus den drei Optionen? Keine unrealistische Erwartung.“

Realistisch ist: Die angehäuften gigantischen Staatsschulden, die lediglich dazu dienten gewaltige Abschreibungen bei den Finanzjongleuren zu verhindern, sind definitiv nicht zurück zahlbar. Im Gegenteil, sie werden mit Zins uns Zinseszins bis ins Infernalische anwachsen.

So stellt das Manager-Magazin weiter im Artikel „Die staatliche Blase“ fest: „Der Staat hat's gegeben, der Staat wird's nehmen. Vermutlich. Denn eben der Staat hat der Wirtschaft mit einer enormen Geldschwemme geholfen - und droht genau damit die nächste Blase zum Bersten zu bringen.“

Denn des einen Freud, ist des Anderen Leid: „Kurzer Rückblick: Seit März legen die Börsen zu. ..Vor allem die Regierungen und Zentralbanken der Welt sorgten dafür, dass sich ein steter Strom aus Abwrackprämien, Bankenstützungen oder Konjunkturprogrammen und natürlich günstigen Zinsen der Zentralbanken über Banken und Wirtschaft ergoss. Viel Geld floss und fließt auch in Aktien. ...Joachim Goldberg, Geschäftsführer von Cognitrend, spricht lieber von der "Hausse, die niemand versteht. Sie hat wenig Bezug zur ökonomischen Realität." Unter dem Strich zählt für viele Profianleger nur die Tatsache, dass die Kurse tatsächlich nachhaltig steigen.....Die Liquidität fließt nicht in Maschinen, sondern in Aktien. Dort droht also die Inflation", schlussfolgert Goldberg. .... Und wird übrigens von der konventionellen Inflationsmessung gar nicht erfasst.“

Und somit ist die nächste Blase natürlich bereits im Gange: “ Vom Markt als "Luftpumpe" spricht Goldberg. Droht, um im Bild zu bleiben, nach nur wenigen Pumpstößen das Platzen der nächsten Blase? "Ja, mit Sicherheit irgendwann in der Zukunft", nickt Becker. "Aber wie lange dauert das! Wir sprachen 2005 zum ersten Mal über die Immobilienblase - es dauerte also noch drei Jahre. ..."Die Blase wird platzen, wenn die Notenbanken das Geld vom Markt abziehen."“


Warum dies alles so dunkel aussieht, dass erklärt am besten wieder ein Blick in die Geschichte: “In einem Landhotel in Neuengland stampften 1944 die klügsten Ökonomen ihrer Zeit eine internationale Währungsordnung aus dem Boden. Jahrzehnte brachte das Arrangement von Bretton Woods der Welt Stabilität - bis Zocker die Regie übernahmen.“

Kurz vor dem absehbaren Ende des Zweiten Weltkrieges wurde dort, in weiser Voraussicht, ein neues Währungssystem vorbereitet, dass die Urkatastrophe mit dem Ersten Weltkrieg in Zukunft vermeiden sollte: “Der US-Dollar wurde die Leitwährung des Systems, alle Devisentransaktionen richteten sich nach dem Austauschverhältnis der einzelnen Währungen zum Dollar. Und: Die Amerikaner verpflichteten sich, die Dollar-Reserven jedes Landes gegen Gold einzutauschen, zum festen Kurs von einer Unze Gold für 35 Dollar.“

Aber das neue System litt unter mangelhafter Flexibilität: „Bretton Woods litt darunter, dass es nicht elastisch genug war, um auf eine sich rasch verändernde und wachsende Weltwirtschaft zu reagieren. Je mehr die nationalen Volkswirtschaften zu einem einzigen großen Markt zusammenwuchsen, umso schwerer war es, die grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen zu kontrollieren. In dem Maße, wie sich die Wirtschaft und der Geldwert in den einzelnen Ländern unterschiedlich entwickelten, hätten sich die Preise (oder: Kurse) für die einzelnen Währungen verändern müssen. Doch dieser Mechanismus funktionierte nicht.“

Was nun kommen musste, daran hatten gerade wir Deutschen eine erhebliche Beteiligung: „Symptomatisch war das Verhalten der Deutschen. Ende der Sechziger wäre eine Aufwertung der Mark zwingend gewesen. Doch die Unternehmerlobby stemmte sich mit aller Gewalt gegen das ökonomisch Gebotene. Eine Aufwertung hätte ihre Produkte im Ausland verteuert und womöglich zu weniger Exporten geführt. So wurde die Währungspolitik, ein eher sperriges Sujet, zum Top-Thema im Wahlkampf 1969. Der Sozialdemokrat Karl Schiller, Wirtschaftsminister der damaligen Großen Koalition, focht für die Aufwertung. Franz Josef Strauß, sein Finanzminister-Kollege von der CSU, und die gesamte Union waren dagegen. Erst mit der Bildung der SPD-FDP-Koalition im Herbst 1969 wurde dann die Mark - zum zweiten Mal nach 1961 - aufgewertet, um 8,5 Prozent.“

Der nächste Sargnagel war dann, man ahnt es, ein weiterer Krieg und die USA an vorderster Front: „Im Vietnam-Krieg warfen die Amerikaner ihre Gelddruckmaschinen an, um alle Auslandsrechnungen bezahlen zu können. Die Welt wurde mit Dollar regelrecht überschwemmt. Für Deutschland bedeutete das: Die Bundesbank musste Unmengen von Dollar ankaufen. Die wurden in Mark umgetauscht und erhöhten im Inland die Geldmenge. Man klagte über die "importierte Inflation".“

Man musste in dieser Situation reagieren, wollte man nicht selbst für diese Kosten aufkommen, und in einer ganz ähnlichen Situation befindet sich zur Zeit China: „Diese Dollar-Flut machte schließlich Anfang der siebziger Jahre Bretton Woods den Garaus. Deutschlands Wirtschaftsminister Schiller legte den Hebel um. Im Mai 1971 gab er den Wechselkurs der Mark frei und löste damit, wie der damalige Spitzenbeamte und spätere Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl schreibt, "ein kleines internationales Erdbeben aus".“

Die Folge war der definitive Knock-Out des alten Systems. Die Goldbindung verschwand endgültig, Devisen konnten ab nun frei floaten und die Gelddeckung wurde allein die Sache von Schuldtiteln jeglicher Art.

Damit nicht genug, es setzte ein Wettlauf der Deregulierung ein, um die „scheuen Rehe“ nicht zu verscheuchen: “Jene Regierungen, die den bei ihnen ansässigen Geldinstituten die geringsten Auflagen machten, konnten darauf zählen, dass sich bei ihnen die meisten Geldhändler niederließen. London stieg mit dieser Standortstrategie zum globalen Finanzzentrum auf. Der ökonomische Ultraliberalismus im Geiste Milton Friedmans hatte gesiegt - und er verwandelte die Welt in ein globales Casino....Sie betrieb und betreibt ihre Geschäfte im rechts- und kontrollfreien Raum über die Grenzen hinweg. Es sind Geschäfte, die sich zunehmend von der sogenannten Realwirtschaft abgekoppelt haben, längst nicht mehr mit dem Handel mit Gütern und dem Verkauf von Dienstleistungen verknüpft sind.“

Denn von nun an war es tatsächlich nicht mehr notwendig, irgendwelche realen Gegenwerte für Vermögen zu schaffen, das Errichten von Schuldtiteln reicht nun völlig aus: “Doch die Freiheit setzt nicht nur Kräfte frei, sie hat ihren Preis: Das Finanzsystem wurde immer krisenanfälliger. Ein Crash jagte den nächsten....Rund um den Erdball mussten nun die Regierungen mit unfassbaren Beträgen an (gepumptem) Staatsgeld einspringen, um den finalen Crash des Bankensystems gerade noch abzuwenden; jene Regierungen, deren Auflagen und Kontrollen die Bankenwelt viele Jahre lang für hinderlich und unnötig erklärt hatte, mussten nun die hilflosen Banker heraushauen.... Marktversagen oder Staatsversagen? Unzweifelhaft ist, dass der Prozess der Deregulierun... gnadenlos überdehnt wurde. Den Akteuren auf den Finanzmärkten waren immer mehr Freiheiten zugestanden worden, Kredite zu schöpfen, die Risiken über die ganze Welt zu verstreuen, nicht mehr kontrollierbar. Der marktwirtschaftliche Grundsatz, dass der Kaufmann für die Folgen seines Tuns haften muss, war für die Finanzwelt weitestgehend abgeschafft. Das konnte nicht gutgehen.“

Optimistisch träumt mancher aber vom baldigen Ende des Dilemmas, ohne das dafür wirklich Anlass bestünde: „Wenn die große Krise überwunden ist, wenn die Real- und die Kreditwirtschaft wieder einigermaßen ins Laufen kommen - dann stehen neue Probleme an: Die enormen Staatsschulden müssen abgetragen, das gewaltige Defizit in der amerikanischen Leistungsbilanz muss zurückgefahren werden. Womöglich wird mit der Staatsverschuldung, in die sich nun viele Länder gestürzt haben, der Grundstein gelegt für die nächste große Krise..... Die Krisen werden häufiger, sie werden unvorhersehbarer, und sie werden kräftiger werden."

Nur einschneidende Maßnahmen könnten zumindest eine mittelfristige Entspannung verschaffen: „Der Härtetest jedoch, die detaillierte Ausarbeitung neuer Regeln, steht noch bevor. Wird es wirklich zu einer "neuen globalen Finanzarchitektur" kommen, wie Kanzlerin Angela Merkel fordert? Wird das globale Casino geschlossen - oder werden nur kosmetische Korrekturen vorgenommen?“. Die Erfahrung, leider, zeigt, dass es meist bei Kosmetik bleibt. Denn passiert ist bisher nichts dergleichen außer Absichtserklärungen, ganz im Gegenteil wurden die Bilanzierungsregeln der Finanzinstitute bis ins lächerliche weiter herunter dereguliert damit Bankrotte nicht mehr so schnell ersichtlich werden.

Nun gut, nach dem letzten Umfragewerten zu urteilen, braucht man sich über den Ausgang der nächsten Wahl keine großen Gedanken mehr zu machen: Die Fraktion der Deregulierer und Verehrer der scheuen Rehe werden weiter die Oberhand behalten, ja noch ausbauen. Für eine echte Politikwende ist es schlicht noch zu früh. Erst wenn die Krise im Zentrum der Gesellschaft, dem Mittelstand, schwere Breschen schlägt, dann wird es zu einem effizienten Druck auf die Politik kommen. Denn nach Schönwetter kommen leicht wieder bedrohliche Wolken, wenn nicht ein deftiges Gewitter. Wenn es dann nur nicht zu spät ist für die angeschlagene Demokratie.