Donnerstag, 28. Januar 2010

Spar'nschmarr'n: Warum der Staat gar nicht mehr sparen kann


"Wunsch und Wirklichkeit" titulierte der Spiegel unlängst: "Wirtschaftskrise und Schuldenrekord - zumindest Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor diesem Hintergrund längst alle finanzpolitischen Träumereien aufgegeben. Deshalb bereitet er die Bürger nicht auf Steuerentlast- ungen vor, sondern kündigt lieber umfangreiche Kürzungen ab dem kommenden Jahr an......Im Koalitionsvertrag hatten Union und Liberale sich nach wochenlangem Ringen auf 24 Milliarden Euro Steuerentlastungen verständigt. Allerdings enthält der Vertrag einen Finanzierungsvorbehalt und den Hinweis auf die neue Schuldenbremse. Die Mehrheit der Deutschen lehnt wegen der Finanzprobleme jüngsten Umfragen zufolge Steuerentlastungen ab. ....."

Das ein verschuldeter Staat erstmal Schulden abbauen sollte, statt neue zu machen, dass leuchtet auf den ersten Blick ein. So sehr, dass die Bürger sogar das von der FDP versprochene Steuergeschenk in Höhe von 24 Mrd. Euro mehrheitlich ablehnen und somit offensichtlich bereit sind, für dieses ehrende Ziel weitere Belastungen auf sich zu nehmen.

Nun allerdings, ist das Makroökonomisch gesehen aber wirklich sinnvoll? Was auf mikroökonomischer Ebene, für den privaten Haushalt oder einen mittelständischen Betrieb auf der Hand liegt, muss es keineswegs in der Gesamtschau der Volkswirtschaft sein. Dazu also wieder einmal der Blick auf die Zahlen, über die wir da reden müssen.

Zunächts einmal betragen die offiziellen Schulden von Bund, Länder und Gemeinden zur Zeit etwa 1700 Mrd. Euro. Bei den zur Zeit künstlich absurd niedrig gehaltenen Zinsen sind dafür pro Jahr "nur" gut 40 Mrd. Euro Zinsen zu entrichten. Dazu kommen aber noch einmal erheblich versteckte Schulden, wie etwa die Sondervermögen zur Bankenrettung hinzu, für die weitere Milliardenbeträge anfallen. Sollten die Zinsen in absehbarer Zeit auf realistische Werte steigen, was sie müssen um die Welt nicht in den sicheren Spekulationskollaps zu treiben, so steigen diese Zinsforderungen schnell auf Werte weit oberhalb der 100 Mrd. Euro/Jahr Grenze. Dann liegt allein der Zinsdienst über der 20% Marke des Haushalts, was von Ökonomen als die Schmerzgrenze angesehen wird, ab dem der Staatsbankrott kaum noch vermeidbar ist. Für neue deutsche Staatsanleihen werden zur Zeit 3,25% Zinsen fällig, was schon auf eine Zinslast von über 55 Mrd. zielt.

Aber bleiben wir erstmal bei den billigen alten Anleihen und gehen wir zudem von den viel zu niedrigen Zinssätzen und dem geschönten Schuldenstand aus. Dann müsste Schäuble und seine Kollegen in den Ländern und Gemeinden pro Jahr insgesamt mindestens 50 Mrd. Euro sparen, um überhaupt eine geringfügige Tilgung der Schulden zu erreichen. Spart er weniger, so wachsen die Schulden trotzdem durch Zins und Zinszins weiter ins Unermessliche. Die Rede ist zur Zeit aber eher von 10 Mrd. Euro pro Jahr, was keinen nennenswerten Effekt auf die steigenden Schuldenstände hat. Aber selbst bei 50 Mrd. Euro jährlich würde es Generationen dauern, den Schuldenstand wieder auf vernünftige Größenordnungen zu bringen, erst unsere Urenkel würden einen merklichen Effekt davon haben.

Um einen mittelfristig messbaren Effekt zu erreichen, müssten bei bald realistischen Zinsen um 5% und einer vernünftigen Tilgungsrate von ebenso 5% schon rund 170 Mrd. Euro jährlich, ohne die Sondervermögen zu berücksichtigen, gespart werden. Inklusive letzterer müssten es um den Dreh von 200 Mrd. Euro pro Jahr sein. Nur, selbst dass ist nicht nur graue Theorie, es ist absoluter Unfug, weil es nichts bringt. 200 Mrd. pro Jahr wäre nichts anderes als eine Bankrotterklärung und selbst 50 Mrd. erwürgt die öffentliche Hand.

Aber würgen wir einfach mal kräftig und sparen 50 Mrd. pro Jahr. Was wäre der Effekt? Zunächst einmal weiß jeder Betriebswirt, dass man mindestens rund 50.000 Euro Umsatz jährlich braucht, um einen Arbeitsplatz zu ermöglichen, mit weniger rechnet sich das nicht. Nehmen wir auch mal das BIP, zur Zeit rund 2400 Mrd. Euro. Davon werden etwa 42 Millionen Arbeitsplätze, vom 1-Euro-Jobber bis zum Boni verwöhnten Bankmanager, finanziert. Nach Adam Riese also rund 57.000 Euro pro Jahr und Arbeitsplatz, was diese Erfahrungstatsache sofort wieder spiegelt. Der Staat wiederum ist der größte Deutsche Arbeitgeber, denn unsere Staatsquote beträgt rund 50%. Das bedeutet das die Hälfte des BIP irgendwie durch die Hände des öffentlichen Dienstes fließt. Das aber nur nebenbei.

Denn der Staat spart ja nirgendwo, er bildet so gut wie keine Rücklagen, sondern gibt alle seine Einnahmen an anderer Stelle wieder aus. Er schleust die kompletten Einnahmen wieder in den Wirtschaftskreislauf. Und schafft damit direkt oder indirekt pro Milliarde Staatsausgaben rund 1.000.000.000/50.000=20.000 Arbeitsplätze. Spart er 50 Mrd. jährlich, so werden diese Gelder dem Wirtschaftskreislauf entzogen und faktisch auf die Konten der Spekulanten transferiert. Denn von einer Steuerentlastung der Bürger in gleicher Höhe kann ja keine Rede sein, im Gegenteil deren Belastungen durch Steuern, Abgaben und Gebühren sowie sinkenden staatlichen Transferleistungen steigen stetig weiter oder müssen im günstigsten Fall wenigstens gleich bleiben.

Spart der Staat also 10 Mrd. respektive 50 Mrd. jährlich, so vernichtet er damit 200.000 respektive 1 Million Arbeitsplätze. An jedem Arbeitsplatz hängen aber typischerweise noch Frau und Kind, durchschnittlich sind dann 3 zusätzliche Mäuler durch staatliche Transferleistungen zu unterstützen, nicht nur durch Hartz IV, sondern auch durch Kassenbeiträge, Miethilfen, soziale Brennpunkte usw. Dass sind pro Nase wenigstens 1000 Euro im Monat, oder rund 36.000 Euro jährlich, sehr günstig gerechnet. Der Nettoeffekt reduziert sich damit auf lausige 28% Einsparungen, pro Milliarde Euro also nur 280 Millionen.

Der Staat muss also nominal drei bis viermal soviel sparen, wie er glaubt. Für ein bisschen Tilgung also mindestens 150 Mrd. jährlich und für eine mittelfristig merkliche Entlastung sogar 600 Mrd. Euro jährlich. Schon die erste Zahl ist natürlich der faktische Bankrott des Staatswesens. Die Schulden werden also weiter unaufhaltsam steigen, mit realistischen Sparansätzen kann man im günstigsten Falle die Zeit bis zum Kollaps etwas hinauszögern.

Die Konsequenz aber ist grausam einfach: Wie bei jedem überschuldeten Betrieb hilft eigentlich nur noch die geregelte Insolvenz, die Gläubiger müssen sich dann mit einem Bruchteil der Verbindlichkeiten zufrieden geben und der Laden startet unter neuem Namen und Führung von vorne. Im Falle von Staaten ist dies natürlich eine unparitätische Währungsreform.

Der Schuldendienst ist auch ein Grund dafür, dass die westlichen Staaten an der Droge des billigen Geldes festhalten. Denn erhöht man den zur Zeit noch absurd niedrigen Leitzins, so steigen nicht nur die Risiken der spekulationsbelasteten Banken exponentiell, sondern es explodiert auch der Zinsdienst der Staaten.

Oder der Staat macht jetzt eben das, was auch viele Betriebe machen, wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht: Irgendwie umschulden, alte Kredite durch neue ablösen, alte Zinsschulden mit neuen Krediten bezahlen, die werden damit zwar nicht geringer, aber laufen dafür noch ein bisschen länger. Zudem wird der jeweils nächste Auftrag mit dem Geld des letzten vorfinanziert und das geht so lange gut, bis irgendwann keine neuen Aufträge, hier also Staatsanleihen die von irgendeinem gezeichnet werden, eingehen. Das nennt man dann Konkursverschleppung. So ergeht es zur Zeit Griechenland, dass verzweifelt versucht seine faulen Anleihen etwa den Chinesen anzudrehen, weil die EU sie nach ihren Statuten nicht selbst ankaufen darf. Das böse Ende ist absehbar, die Welt bewegt sich auf Messers Schneide.

Was also ist zu tun? Es gibt grundsätzlich natürlich zwei Blickwinkel auf diese unlösbare Situation. Nämlich der Blickpunkt derjenigen, die ihre Einnahmen aus Kapitalverwertung ziehen, und den derjenigen, die ihre Einnahmen aus Arbeit in den Betrieben erhalten. Wem von den Beiden nützt das Sparen, das man in Deutschland noch kürzlich mit Hilfe einer grundgesetzlichen Schuldenbremse betoniert hat?

Demjenigen der seine Einnahmen fast ausschließlich aus Arbeit bezieht praktisch kaum, denn seine Belastungen steigen immer weiter und er bekommt immer weniger dafür raus. Dem Kapitalbesitzer dagegen nutzt es erheblich, denn seine Vermögen bleiben, zumindest vorläufig, stabil und steigen sogar weiter. Bezahlt der Staat seine Verpflichtungen dagegen mit reichlich Schulden und frisch gedrucktem Geld per Staatsanleihen, so leiden im wesentlichen die Kapitalgeber. Deren Vermögen, die immer Schulden eines Anderen sind, inflationieren mittelfristig, der Durchschnittsverdiener braucht aber erstmal nicht zur Kasse gebeten werden. Längerfristig gesehen werden aber Alle ihre Federn lassen müssen.

Die grundgesetzliche Schuldenbremse wird sich, falls man sie ernsthaft einhalten will, wenn überhaupt kann, sich erstmal gegen die wenden, die eigentlich geschützt werden sollten, nämlich den Durchschnittsbürger. Das sollte Einem auch der kurzfristige Erfolg der Konjunkturmaßnahmen aus 2009 klar machen. Dass wir bislang von Massenarbeitslosigkeit verschont blieben, und das Minus des BIP mit 5% noch vergleichsweise billig ausfiel, liegt nicht daran das der Staat gespart hätte. Es gelang nur, weil er sich massivst neu verschuldet hat. Um Zeit zu gewinnen müsste er eigentlich damit gründlich weitermachen. Wenn er ernsthaft spart, explodiert die Arbeitslosigkeit und die Demokratie kommt über die sozialen Kosten, besonders der sekundären via Armut, sozialer Brennpunkte, Kriminalität und Gewalt, und in der Folge erstarkenden radikaler Parteien, wieder in die gleiche Zwangslage wie in den 1920er Jahren.

Wer dagegen etwas unternehmen will, der muss klotzen und nicht kleckern. Die Finanzindustrie weiter mit Samthandschuhen anzufassen ist tödlich. Barack Obama ist letzte Woche in Vorlage gegangen, seine Chancen etwas effektives zu ändern sind jedoch denkbar gering. Denn mit dem Verlust der Senats-, und absehbar der Kongressmehrheit, sind ihm praktisch die Hände gebunden. Zumal die amerikanischen Bundesgerichte mit fünf republikanischen zu vier demokratischen Stimmen beschlossen haben, dass ab sofort Wirtschaftsunternehmen und Lobbyisten mit unbegrenzten Summen die amerikanischen Wahlkämpfe beeinflussen dürfen. Einen massiver Angriff auf die Demokratie kommentierte ein sichtlich geschockter President Obama das höchstrichterliche Urteil.

Rise and Fall of the Empire, jede zweite Generation erlebt große Geschichte. Die Veränderungen der nächsten Jahre werden auch unsere Urenkel noch mit Erstaunen in den Schulbüchern lesen.

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