Donnerstag, 17. Februar 2011

Summa cum klaude: Dr. plag. Frhr. K.-Th. zu Guttenberg


Der zum Doctorat gelangende Student
Wer sauern Schweiß und Fleiß im lernen nicht geschonet,
wird nach vollzogner Müh mit Ehren=Ruhm belohnet:
das Haupt so lange Zeit die Kräffte dran gestreckt,
wird mit dem Ehren-Kranz und Doctor-Hut bedeckt.
So blüht ein Musen Sohn denn diese Ehren-Stuffen,
kan ihn zu größrer Ehr und Dignitaeten ruffen.
Wer was gelernet hat und weißlich rathen kann,
den sieht man in der Welt, als einen Abgott an.

(Quelle: Konrad Lengenfelder (Hrsg.): Dendrono-Puschners Natürliche Abschilderung des Academischen Lebens in schönen Figuren ans Licht gestellet, 2. Auflage Altdorf 1993 (1. Auflage Nürnberg 1962), Urheber: Johann Georg Puschner, 1725, Public Domain because of its age, Wikipedia)

Während die Lavablase des Finanzsystems weiter vor sich hin brodelt, leistet sich die deutsche Politik auch noch ganz andere Kalauer. Das sind zwar nur Petitessen am Rande, aber schon echt lustig. Schummeleien einer typischen Cut-and-Paste Promotion bringen den Freiherrn aus Bayern nun erstmals in echte Erklärungsnöte, die man nicht mehr einfach weg schieben und auf andere projezieren kann. Denn eine Promotion lebt einzig von dem Nachweis einer eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit unter Beachtung der Grundkenntnisse des wissenschaftlichen Arbeitens. Missachtung der Zitiergepflogenheiten ist dabei einer der schlimmsten Verfehlungen.

Nun kann sich naturgemäß kein Autor davon freisprechen, nicht schon mal beim Zitieren einen Fehler gemacht zu haben, und, Schwamm drüber. Allerdings zieren die Promotion Guttenbergs reihenweise solche „Versehen“ und obendrein sogar ganz vorne und unübersehbar in der Einleitung. Da ein „Versehen“ zu unterstellen, naja, da ist so als wenn man den Doktoranden offiziell für geistig minder bemittelt erklären würde. Und mit Sicherheit sind die bislang entdeckten sechs elementaren Stellen nur die Spitze des Guttenbergs.

Nun würde eigentlich schon ein einfache Verfehlung dieser Art eine Promotion in Bedrängnis bringen, die Vielzahl normalerweise erst recht. Wird er deshalb den Dr.-Titel aberkannt kriegen? Ganz sicher nicht, und das hat mehrere Gründe. Zum einen natürlich ist die zuständige Uni und deren Fakultäten, Professoren und Gutachter, sowie der Candidatus selbst, viel zu sehr in der CSU verbandelt, als dass dort etwas anderes als ein Freispruch, summa cum laude versteht sich, heraus kommen könnte. Allerdings wird es die Tage ziemlich lustig sein zu beobachten, wie sich alle Beteiligten winden und wenden um den Persilschein dann endgültig auszustellen.

Sehr interessant ist jedenfalls schon jetzt das Schlaglicht, dass auf die deutsche Bildungsvielfalt geworfen wird. So ist die deutsche Bildungslandschaft föderalistisch zerstückelt wie kaum eine andere in Europa. Das allgemeine Bildungschaos setzt sich vom Kindergarten über Grundschule bis Gymnasium, ja auch in die Universitäten bis hin zu Dr. und Prof. mühelos durch, und warum sollte es auch an dem Freiherrn aus Bayern vorbei gegangen sein. So macht sich nicht nur jedes Land und jede Schule ihr eigenes Konzept, auch schließlich die Universitäten, Fakultäten und Professoren machen sich ihre eigenen Regeln. So gibt es so viele Promotionsordnungen wie Fakultäten und soviele Regelauslegungen wie Professoren. Ein einheitliches Konzept, was sowohl die Anerkennung einer Promotion als ihre Ablehnung oder Aberkennung angeht, ist nirgendwo erkennbar. Zudem sind die rechtlichen Formulierungen der Verordnungen so zahlreich wie windelweich, dass eine Pampers dagegen wie eine Betonschale wirkt.

Trotzdem wird dem wissenschaftlichen Nachwuchs an den Unis zum größten Teil Übles abverlangt. Da werden fertigt studierten Spitzenleuten absolut unterbezahlte Jobs angeboten, wo sie für eine viertel, oder bestenfalls halbe Stelle, Fronarbeit für das Institut leisten müssen. Und das oft fünf Jahre lang und auch, trotz Teilzeitstelle, gerne 60 Stunden die Woche. Die eigentliche Promotion bleibt da oft auf der Strecke und wird gegen Ende des prekären Dienstes dann schnell mal runter gepinselt. Und auch danach hat der frisch gekürte Wissenschaftler in aller Regel nur die Auswahl zwischen einem lausig bezahlten, und zeitlich begrenzten Hilfsjob an der Uni, oder einer gut bezahlten Arbeit fern ab der Wissenschaft in Wirtschaft oder Verwaltung. Das Vergnügen wirklich endlich als fair bezahlter Wissenschaftler arbeiten zu dürfen, dass haben nur die Glücklichen die einen der ganz raren, teils beamteten, Vollzeit Dozenten- und Professorenplanstellen ergattern können. Dass Gros der talentierten Wissenschaftler wird in der BRD tatsächlich im System verschlissen und vergeudet. Ein bedauerlicher Zustand, den jeder kennt der seine Zeit an der Uni verbracht hat.

Wer sich aus Forschungsgründen öfters mal eine Promotion aus den Universitätsbibliotheken beschafft, weiß gut um die enormen Qualitätsunterschiede, die diese offenbaren. So gibt es absolute Meisterwerke, fast schon Nobelpreis reif, darunter, als auch Arbeiten die nicht mehr wert sind als eine simple Seminar- oder Hausarbeit, die man locker in 4 Wochen nieder gepinnt bekommt. Dabei sind Ehrfurcht erregende Maxiwälzer keineswegs grundsätzlich besser als manch eine nur 100 Seiten dicke Pappe mit dafür hohem wissenschaftlichen Gehalt. Guttenbergs 475 DIN-A4 Seiten starker Wälzer, umgerechnet auf normales Paperback sind das satte 1000 Seiten, ergibt aber einen praktischen Sinn: Solche Wälzer werden von Doktorvätern und den Gutachtern niemals wirklich gelesen.

Da studiert man das Inhalts- und Literaturverzeichnis, die Einleitung am Anfang und das Fazit am Ende, und ein paar für den Gutachter interessante Kapitel. Das hat den enormen Vorteil das minderer Gehalt oder grobe Schnitzer keine große Chance auf Entdeckung haben. Masse statt Klasse, ein alter, aber immer noch wirkungsvoller Trick. Dafür müsste sich Guttenberg allerdings, in Angesichts der Tatsachen an den Unis, in keiner Weise schämen und dafür brauchte auch niemand ernsthaft an seinem Titel zu rütteln. Auch wenn es bei den bisher entdeckten sechs Stellen bliebe, könnte man noch so grade zwei Augen zu drücken. Aber dabei wird es nicht bleiben. Die Statistik lehrt einem dass, wenn schon in der so prominent wichtigen Einleitung geschummelt wurde, sich das durch das ganze Werk fortsetzt. Und nimmt man nur alle vier bis fünf Seiten so eine Schummelei, dann wird man bei gründlichem Studium der Arbeit sicher um die 100 oder mehr nicht gekennzeichnete Zitate finden.

Und damit wird es dann so richtig amüsant, denn dass würde ganz objektiv die komplette Arbeit entwerten, so viele Augen kann keiner haben wie man dafür zu drücken müsste. Sofern Karl-Theodor aber nicht selbst irgendwo die Reißleine zieht, dann werden die Verbiegungen der Gutachter in den nächsten Wochen grotesk Volksbühnen haften Charakter annehmen. Eine bayrische Valentinade mit größtem Unterhaltungswert, die „Wetten Dass“ bestens ersetzt, und das ohne Gefahr dass sich jemand den Hals bricht.

Eine Aberkennung des „Dr.“ ist in der Tat eine schwerwiegende Maßnahme, die in Anbetracht der übertriebenen gesellschaftlichen Wahrnehmung eines solchen Grades, einen davon betroffenen Menschen physisch und psychisch schwer in Mittelleidenschaft zieht. Und das hat der Freiherr in Anbetracht der Realitäten an den Unis und der Tatsache, das er unter lauter teils blinden Politiker zumindest einer der Einäugigen ist, vielleicht doch nicht verdient.

Lassen die Gutachter, Wetten Dass, alles beim gehabten, dann ist das aber auch ein Bumerang: Nämlich ein Präzedenzfall, der Promotionen als ganzes entwertet und die Ehrlichen und Fleißigen bestraft. Denn es würde klarstellen, dass auch hunderte Plagiate in einer wissenschaftlichen Arbeit kein ernsthaftes Problem darstellen und wäre geradezu eine Aufforderung an Alle, es dem Adligen gleich zu tun. Man könnte dann auch gleich, neben dem bekannten Dr.h.c. (honoris causa) auch noch einen Dr. plag. (plagiatus) einführen. Umgekehrt aber auch: Würde man den „Dr.“ tatsächlich aberkennen, dann könnte man in der BRD auch gleich hunderte anderer vergleichbarer Arbeiten monieren, denn lausige Promotionen sind nicht so selten. Nun ja, Volksbühnen leben von solch unlösbaren Dilemmata.

Entlarvend ist natürlich das „summa cum laude“, oder besser summa cum klaude. Es zeigt klar, dass sich keiner die Mühe gemacht hat, die Arbeit wirklich abzuklopfen, da wurde nach Bauchgefühl begutachtet. Was so aussieht wie eine grobe Schlamperei, könnte aber durchaus zum Rettungsanker werden: Einen salomonischen Weg die Kuh halbwegs vom Eis zu bringen wäre, das komplett irrsinnige „summa cum laude“, die Höchstnote, abzuerkennen und in ein ggf. realistisches „ausreichend“ zu verwandeln. Dann wären alle Beteiligten einigermaßen aus dem Schlamassel bzw. befriedigt.

Wetten Dass?

post scriptum: (Die Anzahl der gefundenen Plagiate nähert sich allerdings z.Z. der Zahl 100 (17:19 Uhr ca. 86 Verdachtsfälle) und der Verdacht einer typischen Ghostwriter-Promotion rückt damit auch in den Focus. In dem Falle wäre ihm leider nicht mehr zu helfen, was mir einigermaßen leid täte.)

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