Montag, 23. Mai 2011

Creti und Pleti in der Oberwelt

„Coitus ergo sum“, so tituliert die Financial Times die aufgeflogenen Lustreisen der Versicherungsbranche. Die von Westerwelle vor Jahresfrist noch so weltfremd vermutete „Römische Dekadenz“ bei Hartz-IV-Empfängern ist nämlich nicht so weit unten, sondern wie im Alten Rom natürlich auch schon, ganz oben zu finden.



Da verlustiert man sich im gemeinsamen Kopulieren, zu dem uns das Handelsblatt mit den dekadenten Details versorgt: „Kai Lange gründete 1988 den AWD und leitete ihn mit seinem Schwager, Carsten Maschmeyer. ..Er bestätigte gegenüber dem Handelsblatt, dass er als Vertriebsdirektor zu der Reise nach Budapest einlud und auch selbst teilnahm. Höhepunkt der dreitägigen Tour im Juni 2007 war die Veranstaltung in der historischen Gellert-Therme - ein Fest für alle Sinne. Es gab Livemusik, ein Sternekoch tischte auf, Feuerspucker, Schwertschlucker und Akrobaten zeigten ihr Können. Als Krönung warteten mehrere Dutzend Prostituierte auf die Versicherungsvertreter. Außerdem hatte jemand große Himmelbetten in der Therme aufgestellt. „Jeder konnte mit einer der Damen auf eines der Betten gehen und tun, was er wollte“, erinnert sich ein Teilnehmer. „Die Damen wurden nach jedem solcher Treffen mit einem Stempel auf ihrem Unterarm abgestempelt. So wurde festgehalten, welche Dame wie oft frequentiert wurde.““. Obiger Hr. Maschmeyer, der sich 2009 von Frau und Kindern trennte um seit dem mit Kinoikone Veronika Ferres durch die Gazetten zu ziehen, steht im Verdacht „er habe 1998 dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder mit einer möglicherweise illegalen anonymen Parteispende auf dem Weg ins Kanzleramt geholfen.“

Nun mag das noch ganz lustig für die Beteiligten, in letzter Konsequenz selbstverständlich auf Kosten der Versicherten, gewesen sein. Weniger lustig für die Allgemeinheit sind da die Eskapaden unserer Polit-Elite: Sei es der Minderjährigen-Liebhaber und Sexmaniac Berlusconi, immerhin Oberhaupt der Italiener, in römischer Tradition aber eher als „pater familia“ oder neuitalienisch Pate zu bezeichnen, sei es der IWF-Weltbanker Dominique Strauss-Kahn, der nicht zum erstenmal, aber diesmal gründlich, mit seinen sexuellen Übergriffen in die Kacke stapfte. Sei es der Hilfs-Belmondo Sarkozy, seines Zeichens Franzosenchef, der sich durch die Damenwelt modelt, oder der Supermacho Putin, der auch schon mal halbnackt in Schwarzenegger-Pose vor die Kamera tritt, wenn er nicht gerade seine knappe Freizeit benötigt, um mit Busenfreund Berlusconi ein paar Milliarden zu verschieben.

So sucht man jetzt einen Ersatz für den gestrauchelten Cretien der Weltbank, und gerät in einen Streit der Besetzung des Postens mit den BRIC-Staaten. Zu Recht, denn warum sollen eigentlich die Pleitiers des Westens immer noch diesen Posten für sich beanspruchen? So versteift man sich auf die Französin Lagarde. Die wiederum ist aber in einen Skandal um Amtsmissbrauch und Korruption verwickelt, auch nicht unbedingt ein Aushängeschild, wenn auch nicht ganz so schlüpfrig: „...Angela Merkel betrachte Lagarde als international respektierte Finanzpolitikerin, mit der Deutschland gut zusammenarbeite, hieß es. ...Lagardes Benennung stehe noch unter dem Vorbehalt, dass sie wegen der Affäre Tapie in Frankreich nicht angeklagt werde. .. Lagarde wird in Paris Amtsmissbrauch vorgeworfen. Lagarde hatte vor Jahren dem Ex-Minister und Geschäftsmann Bernard Tapie durch Anrufung einer zivilen Schiedsstelle eine lange gerichtliche Auseinandersetzung mit dem französischen Staat erspart. Da der Staat aber das Verfahren vor der Schiedsstelle verloren hatte und seine Ansprüche gegen Tapie nicht mehr durchsetzen konnte, wird Lagarde Begünstigung vorgehalten...“

Die Beispiele sind beliebig erweiterbar. Versuchte man vor kurzem in der islamischen Welt mit Pornovorwürfen gegen den liquidierten Al Kaida Chef zu punkten, so erweist sich doch das Problem als kultur- und schrankenlos: Die Welt scheint endlich immer von Schurken regiert zu sein, hüben wie drüben von Creti und Pleti. Menschen, die den gestellten Ansprüchen in den seltensten Fällen genügen können. Es ist das, was beim zunehmend verstörten Volk ankommt.

Und das gilt nicht nur den Mubaraks und Gaddafis, es gilt auch zunehmend den Staatsoberhäuptern der westlichen Welt: Der Aufstand des kleinen Mannes oder Frau, die eben nicht an den dekadenten Feiern in historischen Thermen teilnehmen dürfen. Zumindest nicht personell, jedoch eindeutig mit ihrer Brieftasche als unfreiwillige Finanziers der Ausrutscher ihrer Oberhäupter. Die ihrerseits gerne das kleine Feierabend Bierchen des Hartz-IV-Empfänger, diesen Faulen der Gesellschaft, die die reichlich vorhandenen Einkommensmöglichkeiten unserer freiheitlich demokratischen sozialmarktwirtschaftlich kapitalistischen Vorbildgesellschaft nicht wahrnehmen wollen, dieses Bierchen, vielleicht sogar bereichert um eine Zigarette, zu Unrecht finanziert aus Steuergeldern, als Römische Dekadenz geiseln.

Dabei ergibt sich, honi soit qui mal y pense , das ausgerechnet Guide Westerwelle zur Zeit der Thermensause Mitglied des Beirats genau obiger Versicherung, als Teil der Hamburg-Mannheimer, war, die reihenweise ihre Lustdamen abstempelten (siehe Nebeneinkunfte von G.W. unter Punkt 3. Funktionen in Unternehmen, u.a. Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG, Hamburg- Mitglied des Beirates bis 31. Dezember 2008). „„...Die Damen trugen rote und gelbe Bändchen“, berichtete ein Gast in seiner eidesstattlichen Versicherung. „Die einen waren als Hostessen anwesend, die anderen würden sämtliche Wünsche erfüllen. Es gab auch Damen mit weißen Bändchen. Die waren aber reserviert für die Vorstände und die allerbesten Vertriebler.“. Na denn, man weiß ja, was sich gehört: Der nächste Herr, die gleiche Dame...Ein Schelm, der böses dabei denkt.

Nun, es ist das immer gleiche Problem seit den Tagen Spätrömischer Dekadenz: Das Volk akzeptiert die Eskapaden so lange, wie es selbst ausreichend daran Teil haben kann: panem et circenses, Brot und Spiele. Gerade die Finanzkrise, die eigentlich keine ist (denn Geld ist nur ein buntes Zettelchen oder billiges Metallplättchen, heute meist sogar nur der Eintrag in eine elektronische Datenbank, es hat keinen eigenen Wert), sondern es ist eine massive Verteilungskrise (denn Geld ist Anspruch auf BIP, also das Erfolgsergebnis der Masse der Schaffenden), verhindert zunehmend diese Teilhabe.

Und damit auch die Akzeptanz die in guten Zeiten solche Geschichten mit einem mehr oder weniger lustigen Schmunzeln abhaken lassen. So gehen die Menschen nicht nur in Arabien auf die Straße, sondern jetzt auch in Britannien, Frankreich, Spanien oder Griechenland um sich gegen die Wirkungen der diversen „Hilfspakete“ (für wen eigentlich?), die nur eine Art der Kreditausbeutung sind, zu wehren. Die spanischen Proteste sind ein Vorgeschmack der Revolution: „..Für viele Demonstranten gibt es deshalb nur eine Antwort: Wahlboykott. "Die Sozialisten und PP bekämpfen sich gegenseitig und haben dabei die Bürger längst vergessen", sagt Oscar Morales Padro. Der 33-Jährige hat einen Universitätsabschluss in Psychologie und sucht schon seit Jahren nach einem Job. Ein fester Vertrag? "Das kann man in Spanien vergessen." Oscar Morales Padro steht damit stellvertretend für Millionen junger Spanier und für viele, die seit Tagen auf die Straße gehen: gut ausgebildet, aber arbeitslos und ohne Perspektiven. Die Arbeitslosigkeit beträgt 21 Prozent und ist damit so hoch wie in keinem anderen Land Westeuropas. Bei den Unter-25-Jährigen liegt sie sogar bei 45 Prozent...“

Wie es in Europa weiter geht ist im Detail noch unklar: „...Noch ist offen, was aus dem Protest werden wird. Aber die Menschen auf der Puerta del Sol geben sich entschlossen, noch lange durchhalten zu wollen. Ein ungerechtes Wahlsystem, die Sparpolitik der Regierung, weitverbreitete Korruption und die hohe Arbeitslosigkeit haben sie gegen die Politik aufgebracht: "Wir sind nicht gegen das System, das System ist gegen uns", steht auf einem Plakat.“

Irgendwann wird auch der Deutsche Michel, der zur Zeit noch am komfortablen Ende der Europäischen, und als Exportvizeweltmeister neben China auch der weltweiten, Kette steht, diese Systemfrage stellen müssen. Denn die Verteilung der Schuldenverschiebungspakete, euphemistisch Rettungs- oder Hilfspaket, Bürgschaften die nie fällig werden und Sondervermögen, die irgendwann zu positiven Geld werden sollen genannt, landen natürlich zuletzt in Merkels Verschiebebahnhof Berlin.

2 Kommentare:

  1. Danke, das Thema kitzelte mich ebenfalls schon. Ich konnte biher noch nicht genügend Sarkasmus aufbringen dazu einen Post zu verfassen.

    Besonders lehrreich war für mich das Detail der Schleifchenfarben. Damen mit gelben Schleifen waren ausschliesslich den Herren des Vorstands vorbehalten. Ordnung muss sein in der Versicherungswelt.

    Man mag sich wohl als Vorstand nicht zu sehr mit dem gemeinen, wenn auch erfolgreichen, Mitarbeitern, auf eine Stufe stellen.

    Wie ist es aber eigentlich mit der Frauenquote bei den Versicherungsvertretern bestellt? Hatten die Vertreterinnen die gleiche "incentive"? Gibt es keine Schwulen Vertreter?

    Fragen über Fragen die sich mir stellen. Mein Mitleid gilt jedenfalls den Damen. Die haben sich ihr Geld sehr hart verdient.

    Abschliessend möchte ich dazu aus Woody Allens Film "Die letzte Nacht des Boris Gruschenko" zitieren:

    "Es gibt schlimmere Dinge als den Tod. Wenn Sie schonmal einen Abend mit einem Versicherungsvertreter verbracht haben, wissen Sie ganau was ich meine."

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  2. Mit erwähnen sollte man vielleicht noch die Tatsache, dass Herr Maschmeyer nicht nur mit Frau Ferres liiert ist sondern auch mit unserem werten Bundespräsidenten (welcher in Maschmeyers Villa seien Urlaub verbrachte, Finanzmafia und Politik, wortwörtlich im selben Bett!), sowie dem "Wirtschaftsweisen" Bert Rürup und natürlich wie bereits angesprochen Ex-Kanzler Schröder. Alles trotz oder gerade wegen (?) der Tatsache dass Maschmeyers AWD mit dem Attribut "dubios" nach geschmeichelt ist.
    Zum Abschluss noch einen wirklich (!) guten Witz unserer Kanzlerin. Diese sagte zu dem von ihr und dem deutschen Steuerzahler für Herr Ackermann ausgerichteten Geburtstagsessen: "Ich bin jemand, der immer versucht, auch Gruppen, die normalerweise nicht zusammenkommen, zusammenzubringen." Ja so ist das in Deutschland, Politik und Banker sind sich im Normalfall halt spinne-feind! Wie gut nur dass beide immer näher zusammenrücken!

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