Samstag, 2. Juli 2011

Broadway's Remake der Affäre Dreyfus: The case of Dominique Strauss-Kahn


Erinnern Sie sich noch an die Dreyfus-Affäre? „...Als Dreyfus-Affäre wurde der Fall des Hauptmanns der Artillerie Alfred Dreyfus bekannt, der im Generalstab der französischen Armee diente und Ende des 19. Jahrhunderts wegen angeblichen Landesverrats zu lebenslanger Verbannung und Haft verurteilt wurde. Die heftigen Debatten um Schuld oder Unschuld des Offiziers, der jüdischer Herkunft war, hatten weitreichende Auswirkungen auf die französische Innenpolitik und polarisierten mehrere Jahre lang die gesamte Gesellschaft der Dritten Republik....“

Auch die begann mit einem Zimmermädchen: „...Ihren Anfang nahm die Affäre am 25. September 1894, nachdem angeblich eine französische Agentin, die als Putzfrau in der deutschen Botschaft in Paris tätig war, im Papierkorb des deutschen Militärattachés Maximilian von Schwartzkoppen Reste eines Briefes ohne Namen des Schreibers entdeckt hatte. In diesem Schriftstück, dem anschließend so genannten „Bordereau“, befand sich eine Liste geheimer französischer Dokumente, versehen mit dem Angebot, eben diese zu übergeben. Da das „Bordereau“ hauptsächlich Informationen über die Artillerie versprach, verdächtigte man im französischen Generalstab rasch den Artillerie-Hauptmann Dreyfus. Seine Eigenschaft als quasi-Deutscher - Dreyfus' Familie stammte aus dem Elsaß - und vor allem als Jude schien ihn zum Verräter zu prädestinieren....“

Nun, die Affäre Dreyfus entwickelt sich vor etwas mehr als 100 Jahren zu einem fränzösisch-europäischen Justizskandal erster Güte mit entscheidenden Folgen für den weiteren Verlauf der Weltgeschichte, bis heute: „...Die Dreyfus-Affäre wird oft als Höhepunkt des Antisemitismus in Frankreich gesehen. Der Österreicher Theodor Herzl, der als Journalist den ersten Prozess beobachtete, verfasste daraufhin 1896 sein Buch Der Judenstaat, in dem er das Modell eines eigenen Staates für Juden entwarf und so den Zionismus begründete.“

In "Der Fall Dreyfus und die Folgen, Elke-Vera Kotowski in Aus Politik und Zeitgeschichte 10. Dezember 2007, S. 25 - 32" liest sich das so: „...Bei Herzl, der dieser Entwürdigung [der öffentlichen Degradierung] beiwohnte, hinterließ das Ereignis nachhaltigen Eindruck...und weiter heißt es: „Ich sehe den Angeklagten noch in seiner dunklen verschnürten Artilleristenuniform...und auch der Wutschrei der Menge auf der Straße gellt mir noch unvergesslich in den Ohren: a mort! A mort les juifs! Tod allen Juden...“...1899 bekannte er in der 'North American Review': „Zum Zionisten hat mich der Prozess Dreyfus gemacht.“. Er sah ein Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Europa „auf der Basis von gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Duldung“ künftig als unmöglich an und beurteilte die bisherigen versuche der Juden um Emanzipation und Integration als vergeblich. Denn wenn schon in Frankreich, dem Land der Menschenrechte und revolutionären Prinzip der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Gleichstellung gescheitert war, wo sonst in Europa sollte sie glücken?“.

Die Affäre Dreyfus spaltete Frankreich, wenn nicht ganz Europa in Dreyfusards und Anti-Dreyfusards, ein Kriminal- und Politstück das auch die Medien und die als gesellschaftliche Klasse erstmals auftauchenden 'Intellektuellen' beinhaltete: „...Die Macht der Medien zeigte sich während der Affäre auf erschreckende Weise. Ohne die zeitgenössische Berichterstattung wäre der Fall Dreyfus wohl nicht zur nationalen Affäre geworden, ebenso wenig wenn nicht Intellektuelle wie Zola öffentlich Stellung bezogen hätten...“

Nun dürfen wir also Medienzeugen eines modernen Fall Dreyfus werden. In der Rolle des jüdischen Schurkens diesmal der Franzose und hochdekorierte Schürzenjäger Dominique Strauss-Kahn, kurz auch DSK genannt.

Nun, der Fall schien klar: „...Vor sechs Wochen wurde der französische Sozialist nur Minuten vor dem Abflug aus dem Flieger geholt; ihm wurde vorgeworfen, eine 32-jährige Hotelangestellte aus Guinea zum oralen Sex gezwungen zu haben. Es folgte: Einlieferung auf die Gefängnisinsel Rykers Island, ein demütigender Spießrutenlauf in Handschellen an TV-Kameras vorbei, höhnische Kommentare in Murdochs New York Post, die ihn einen "perversen Frosch" nannte und anti-französische Töne spuckte wie zuletzt beim Einmarsch in den Irak....“. Die Beweis-, oder besser Spermalast, war erdrückend, der Hemdkragen des Zimmermädchens voll davon und auch die Stelle auf dem Teppich, wo die so beglückte junge Frau sich der Last entledigte und dazu noch das fluchtartige Verlassen des Hotels unter Zurücklassung wichtiger Utensilien. Und DSK, allgemein kein Unbekannter, wenn es um sexuelle Attacken auf Personal in seiner Umgebung geht: „Doch Strauss-Kahns Zukunft bleibt ungewiss wie zuvor, am 18. Juli muss er erneut vor einem New Yorker Gericht erscheinen. Sollte er letztlich tatsächlich freigesprochen werden, könnte aber in Frankreich eine weitere Anklage gegen ihn warten. Dort behauptet eine junge Journalistin, sie sei während eines Interviews im Jahr 2002 von DSK angegriffen worden. ...“

Nun, Vergewaltigungsprozesse sind fast immer eine undankbare Aufgabe für die Gerichte, meist stehen Aussage gegen Aussage und an objektiven Beweisen für die eine oder andere Version fehlt es. Denken wir nur zuletzt an die Fälle von Wikileakschef Julian Assange und Wetterfrosch Kachelmann. Entscheidend ist in solchen Fällen die Glaubensfrage, welcher Aussage mehr Wahrhaftigkeit zu zuschreiben bereit ist, oder ob man, wie im Falle Kachelmann, lieber gar keinem Glauben schenken will. Nun, wie Juristen sagen, vor Gericht bekommt man kein Recht, sondern ein Urteil. Und das muss nicht zwingend das gleiche sein. Gerechtigkeit besteht darin, das man, zumindest in einem funktionierenden Rechtsstaat, Anspruch auf ein fach- und sachgerechtes Urteil nach gleichem geschriebenen Recht für Alle hat.

Das wird aber auch oft konterkarriert, insbesondere in den USA, wo sich der Richter nur auf das Urteil von im allgemeinen unerfahrenen zwölf Laienrichter stützen muss. Denn mehr noch als im deutschen Rechtssystem gilt in den USA: Amerikanische Gerechtigkeit ist, wenn eine Jury von 12 Personen darüber entscheidet, wer den besten Anwalt hat. So kann es sogar einem auf frischer Tat ertappten Doppelmörder gelingen, so dem Footballer O.J. Simpson, mit Hilfe gewiefter und sündhaft teurer Anwälte, der Jury die absurde Story eines geheimnisvollen, spurlos gebliebenen, unbekannten Dritten anzudrehen: „... Der Prozess stand unter öffentlichem und medialem Druck, da er innerhalb der schwarzen Gemeinschaften zum rassistischen Schauprozess gegen einen Amerikaner afrikanischer Herkunft stilisiert worden war. Es kam zu Demonstrationen und zu Plünderungen. Vor diesem Hintergrund gelang es Simpsons Anwalt, Johnnie Cochran, verschiedene einseitig ermittelte Fakten als eine Art Verschwörung gegen seinen Mandanten darzustellen, was er insbesondere mit einigen rassistischen Äußerungen des Hauptermittlers belegte. Entscheidender Auslöser für den Freispruch dürfte sodann ein blutiger Handschuh gewesen sein, der von den ermittelnden Polizeibehörden als Täterkleidung benannt wurde, Simpson aber bei der Anprobe im Gerichtssaal nicht passte. Weltweit meinen Rechtsexperten, dass die Indizienlage (DNA-Analysen) kaum oder keinen Raum für begründete Zweifel an der Täterschaft Simpsons lässt. Das Blut an dem in Simpsons Garten gefundenen Handschuh stammte laut Gutachten vom ermordeten Ron Goldman. An Socken, die man in Simpsons Schlafzimmer fand, wurden Blutspuren entdeckt, die von der getöteten Ex-Frau stammten. Umgekehrt fand man auf dem Grundstück der Ermordeten Blutspuren, die O.J.Simpson zuzuordnen sind. An dem Freispruch für Simpson entzündet sich deshalb Kritik hinsichtlich des damaligen US-amerikanischen Justizsystems: Staatsanwalt und Verteidiger wetteiferten um die Gunst von Geschworenen, die als Laienrichter über die Schuld des Angeklagten entscheiden. Diesen, so die Kritiker, fehlen häufig Kenntnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeitsrechnung, Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen und anderen für die Beweisfindung vor Gericht wesentlichen Faktoren. Nicht selten seien daher die Anwälte beider Seiten bemüht, die Geschworenen auf emotionaler, statt auf sachlicher Ebene zu erreichen, und setzten bewusst darauf, dass diese die sachlichen Indizien nicht richtig verstehen....“. Nun jeder Normalo wäre bei gleicher Beweislage in der Todeszelle gelandet oder hätte sich über zweimal Lebenslänglich freuen dürfen, einem wirklich reichen und gut vernetzten Amerikaner blühte das noch nie.

So wäre es DSK wohl schwer gefallen, die Jury davon zu überzeugen, das Zimmermädchen in New Yorker Luxushotels freiwillig ihren täglichen Proteinbedarf bei älteren postpubertären Hotelgästen stillen würden. Strauss-Kahn engagierte daher zwei New Yorker Spitzenanwälte, William W. Taylor III, und Benjamin Brafman: „... Brafman, Sohn von Holocaust-Überlebenden aus Brooklyn, der mit der Verteidigung von New Yorker Mafiosi bekannt wurde, hat schon viele Klienten freigepaukt: Michael Jackson und den Rapper Jay-Z, den Produzenten Peter Gatien, dem der Verkauf von Ectasy in seinen Nachtclubs vorgeworfen wurde, und Sean "Puffy" Combs, der mit seiner damaligen Freundin Jennifer Lopez in eine Schießerei vor einen Nachtclub verwickelt war. Obwohl hunderte von Zeugen gesehen hatten, wie "Puff Daddy" mit seiner Waffe herumfuchtelte, kam der Rapper frei. Brafmans Taktik ist, Stimmung in der Presse für seine Mandanten zu machen....“

Der Anwalt der Gegenpartei, Vance, ist dagegen etwas weniger gewieft: „...Vance setzte Dutzende seiner Leute an den Fall, der anfangs so klar schien: Eine Asylbewerberin aus Guinea, schwarz und arm, hart arbeitende verwitwete Mutter, die sich, aufgeregt und weinend, mehreren Kolleginnen anvertraut hatte. Dazu hatte sie blaue Flecken, Spermaspuren des Angeklagten waren an ihrer Kleidung. Hingegen hatte sich der Verdächtige eilends abgesetzt und verfügte über einen einschlägigen Ruf. Vance entschloss sich, hart durchzugreifen. Unter keinen Umständen wollte er einen zweiten Fall Roman Polanski riskieren, wo ein Vergewaltiger von Frankreich aus den USA eine Nase dreht. ...“. Dagegen sein Konterpart: „..Brafman hingegen hielt sich bedeckt, aber der Wind in der Presse hat in den letzten Wochen begonnen, sich für Strauss-Kahn zu drehen. Erst plauderte Anne Sinclair [Tochter der Rosenberg-Dynastie], Strauss-Kahns Gattin, mit der New York Times. Sie, eine in New York geborene Tochter eines französischen Kämpfers der Resistance, wünsche sich nichts mehr als den ersten jüdischen Staatspräsidenten nach Léon Blum, der Buchenwald und Dachau überlebt hatte.“

Nun ja, was leicht vergessen wird ist das DSK nicht nur Weltspitzenbanker, sondern auch bislang aussichtsreicher Spitzenkandidat für die kommende Präsidentschaftswahl in Frankreich ist. Bei diesem delikaten Background ist es nicht dumm, auf die Konstruktion eines Komplottes, mit einer fingierten Vergewaltigung im Zentrum, zu setzen. Und in der Tat wurde man fündig: „...Hinter den Kulissen hatten Brafmann und Strauss-Kahn aber auch Profis beauftragt, die das Leben der Frau durchleuchteten, darunter TD International, die von dem früheren CIA-Agenten William Green gegründet wurde, und die New Yorker Detektei Guidepost Solutions. Was die fanden, lieferte der Verteidigung beeindruckendes Material: Das Opfer hatte nach der Tat mit einem einsitzenden Drogenhändler telefoniert, und gesagt,"keine Sorge, ich weiß was ich tue, der Typ hat viel Geld"; (das Gespräch wurde aufgezeichnet). Wie die New York Times unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtet, hat sie ihr Konto für Geldwäsche zur Verfügung gestellt, die Steuer betrogen und sich eine Sozialwohnung erschlichen. Was jedoch am schwersten wiegt: Sie hatte in ihrem Asylantrag behauptet, sie sei in Guinea von einer Gruppe von Männern vergewaltigt worden. Später habe sie zugegeben, dass ihr ein Schlepper geraten habe, einen entsprechenden Text mithilfe einer Aufzeichnung auswendig zu lernen. Sie betonte jedoch, sie sei tatsächlich vergewaltigt worden in ihrer Heimat, allerdings seien die Umstände andere gewesen als sie zunächst angegeben hatte....“

Genug Material um die Öffentlichkeit und erst recht die Jury, zu beeindrucken. Mit der neuen Story ging Brafman zunächst an den Staatsanwalt Vance, der verpflichtet ist solchen Details nachzugehen: „..Als Vance einen Sachstandsbericht an den Richter sandte, landete auch diese Story wieder wundersamerweise in der Times. Am Morgen darauf wurde eine Eilverhandlung angesetzt, und Strauss-Kahn kam vorläufig frei.“

Während jetzt der bisher als Täter gehandelte DSK auf freiem Fuß, aber noch ohne Urteil, ist, sieht die Sache des bisherigen Opfers jedoch übelst aus: „...Für das Opfer steht inzwischen viel auf dem Spiel: Sie könnte ihren Asylantenstatus verlieren....Das Opfer wurde mehrfach verhört und wurde dabei immer unkooperativer, änderte die Version mehrfach, und war schließlich tagelang nicht zu erreichen. ...Kenneth Thompson, der Anwalt der Frau, wirft Vance nun vor, er sei feige, und knicke vor der Öffentlichkeit ein. Was gegen seine Mandatin vorgebracht werde, ändere nichts an dem Vorwurf der Vergewaltigung. Da aber letztlich Aussage gegen Aussage steht, spielt Glaubwürdigkeit durchaus eine Rolle....“.

Nun, was soll man glauben? Einem Zimmermädchen, das sich als halblegale Fremdarbeiterin durchs New Yorker Leben schlagen muss und unter der Belastung einer weltweiten Medienaufmerksamkeit und der Last der Widersprüche einer ganzen Nation einknickt und vielleicht ein bisschen Durcheinander geraten ist? Oder die Komplottversion, wonach sich genau dieses kleine halblegale Lichtlein einen der mächtigsten Politiker und Banker der Welt aussucht um sich mit einer fingierten Vergewaltigung Geld zu verschaffen?

Nun wir wissen es nicht wirklich, zwar ist die Komplottversion nicht unmöglich, jedoch hätte Sie sich dafür leicht einen weniger bedeutsamen Reichen ohne unkontrollierbares weltweites TamTam aussuchen können. Zudem sie in ihrem prekären Asylantenstatus gut daran täte Niemanden wegen irgendetwas zu verklagen, es sei denn sie ist nicht ganz bei Sinnen, wie etwa nach einer Vergewaltigung.

Anderseits haben Leute wie der DSK Konkurrent Sarkozy, aber auch seine Gegner im Finanzgewerbe, die einen finanzpolitisch französischen Anti-USA-Kurs fürchten, durchaus Interesse gehabt haben können, DSK ein Bein zu stellen: „...Nach wie vor halten sich Gerüchte, dass der Umgang mit Strauss-Kahn politisch motiviert sei. Belege gibt es dafür nicht. Aber nach der neuerlichen Entwicklung sieht sich jeder in seinem Weltbild bestätigt: Diejenigen, die an eine Geheimdienstintrige glauben, um einen Sozialisten zu demontieren, aber auch die, die meinen, mit genug Geld könne sich jeder Schurke in Amerika freikaufen....“. Völlig unmöglich ist so ein Politkomplott nicht, jedoch sollten in dem Falle über kurz oder lang echte Belege, die über eine reine Glaubwürdigkeitsfrage der Zeugin der Anklage hinausgehen, zu Tage kommen.

Nun, kommen wir auf Dreyfus zurück. Dreyfus war, wie sich später herausstellte, definitiv unschuldig. Summa cum laude freigesprochen wurde er deswegen noch lange nicht, erst nach langem zähen Ringen wurde er rehabilitiert. Waren in der Affäre Dreyfus auf der Klägerseite eindeutig antisemitische Mächte am werkeln und auf der Angeklagtenseite ein unbescholtener jüdisch-französischer Militär, so sind es nun völlig umgekehrte Seitenverhältnisse, die die Sache allerdings zu einem delikaten Politdrama von höchstem 'Unterhaltungswert' machen:

Auf der Klägerseite eine Vertreterin der typischen US-amerikanischen Unterschicht, farbige Zuwanderin mit nur vorläufigem Asylantenvisum, in prekärem Arbeitsverhältnis und nur am untersten Existenzminimum für ihre harte Arbeit bezahlt; und auf der Angeklagtenseite jüdischer Finanz- und Juristenadel mit allerbesten Verbindungen in die amerikanische Politszene. Denn die extrem einflussreiche jüdische Lobby ist in den USA insbesondere bei der Partei der Demokraten beheimatet, und wiederum besagter Staatsanwalt Vance ist ein hochrangiger Demokrat.

Egal wie das Verfahren in New York ausgeht, es werden in jedem Falle eine Menge Fragen bleiben und gestellt werden. Insbesondere wenn es zu einem Freispruch kommt und sich dann die sozialistische Partei in Frankreich tatsächlich auf eine Rückkehr von DSK als Präsidentschaftskandidat einlässt. Dann kann sich die Posse zu einem neuen europäischen Dreyfus ausweiten.

Schon jetzt ist das Drama eine formidable Pleite des US-Justizsystems: „...Die Stenografin hat nicht viel zu tun: Sieben Minuten dauert das Prozedere. Sieben Minuten, die einen der spektakulärsten Kriminalfälle der Geschichte völlig auf den Kopf stellen - und somit nicht nur auf Amerikas Justizsystem einen Schatten des Zweifels werfen, sondern auch auf eine Gesellschaft voller Sensationslust und Hang zur Vorverurteilung. Wohlgemerkt: Alle Vorwürfe und die Anklage gegen Strauss-Kahn, 62, bleiben vorerst bestehen. "Ich gehe davon aus, dass das Verfahren weitergeht", sagt Richter Obus. Doch das Eingeständnis der Justiz, sie habe Probleme mit ihrer einzigen Kronzeugin, ist eine dramatische Wende zugunsten des Angeklagten. Es ist der Anfang vom Ende dieses Sensationsfalls - und ein Debakel für Oberstaatsanwalt Cyrus Vance. Denn ohne eine verlässliche Belastungszeugin hat er wenig in der Hand. Vor US-Gerichten geht es schließlich weniger um die Wahrheit als darum, wer die glaubwürdigere Geschichte erzählt. Die turbulenten Ereignisse bringen das gesamte Rechtswesen und die Medien Amerikas in Misskredit. .....Selbst wenn die Frau die Wahrheit sagt - ihre Aussage wird vor einem Geschworenengericht wenig zählen, wenn sie anderweitig als Lügnerin dargestellt werden kann. Als Strauss-Kahn Anfang Juni angeklagt wurde, demonstrierten vor dem Gericht noch Hunderte Zimmermädchen: "Schäm dich! Schäm dich!" Ihre Rufe hallten bis in den Verhandlungssaal im 13. Stock hoch. Diesmal war da kein Laut zu hören: Niemand demonstrierte mehr.“

Ein Freispruch in den USA wäre für DSK endgültig, denn dort kann man wegen ein und demselben Fall nur einmal angeklagt werden. Was zu solchen Verrücktheiten führen kann, wie im Falle O.J. Simpsons, der strafrechtlich wegen Doppelmordes freigesprochen wurde, aber zivilrechtlich später doch schuldig, und musste Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen leisten. Wenn DSK erstmal die USA verlassen hat, dann gilt das aber so nicht. Insbesondere, wenn er sich nicht aufs Altenteil verzieht, sondern im Präsidentschaftswahlkampf 2012 in Frankreich antritt. Denn dann, aber nicht nur dann, wird man nach und nach weitere Einzelheiten zum aktuellen Fall in New York und anderer seiner Fälle von Gewalt gegen Frauen ans Tageslicht holen. Es werden dabei weitere geschmacklose Details ans Tageslicht kommen, und, selbst wenn die absurd klingenden Verschwörungstheorien wahr wären, auch nicht wirklich befriedigende Dinge für Frankreich, Europa und das Weltwährungssystem.

Er, bzw. seine Partei der Sozialisten, geben damit dem politischen Gegner eine formidable Steilvorlage. Nicht nur den Sarkozisten, sondern auch der rechtsnationalen Front National (FN), die für ihren Antisemitismus und Holocaustleugnungen berüchtigt ist. Zwar ist die Nachfolgerin im Vorsitz der FN, die Tochter des Alten, Marine Le Pen, weit geschmeidiger, intelligenter und wählbarer als ihr Vater, der es auch schon auf rund 18% Stimmenanteil brachte. Aber das macht die Sache ja nicht leichter: „...Ihr Publikum sind jene gering qualifizierten Lohnarbeiter, die sich von einer kulturell hochmütigen metropolitanen Linken verachtet und alleingelassen fühlen und von Nicolas Sarkozy enttäuscht sind. Ihnen präsentiert sich Marine Le Pen als jemand, der sie endlich ernst nimmt, mit ihrer Angst vor der Globalisierung, ihrer Wut auf Banken, Konzerne und Politiker, die kapitalistische Konkurrenz, den Euro und den Liberalismus. Anstelle eines FN, der seine Klientel unter den Handwerkern und kleinen Gewerbetreibenden suchte, tritt eine nationalsoziale Arbeiterpartei.“

Marine Le Pen's Ansichten sind dabei radikal, aber keineswegs weltfremd: „...euronews: Sie haben gesagt, dass Sie sich nicht allzu sehr für Europa interessieren… Marine Le Pen: Das habe ich niemals gesagt. Niemals. Ganz im Gegenteil. Ich interessiere mich für Europa, da ich es mit all meinen Kräften bekämpfe. Jedenfalls die Europäische Union, nicht Europa an sich. Europa, das ist eine Kultur, ein Gebiet. Ich bin Europäerin. Aber die Europäische Union ist eine Struktur, die für mich totalitäre Züge hat. Also die Europäische Sowjetunion, sozusagen. Je weiter sie fortschreitet, desto mehr wird sie ohne das Volk konstruiert – sie konstruiert sich am Volk vorbei. Je mehr Richtlinien sie uns aufzwängt… Wir sehen doch, und das muss man mal so sagen, dass sie unsere Wirtschaft ruiniert, dass sie uns auf der Tasche liegt, dass sie die Währung beeinträchtigt, dass sie uns ein Lebensmodell aufzwingt, das nicht unser eigenes ist. Euronews: Falls Sie Präsidentin werden, wollen Sie Frankreich aus der EU herausholen? Marine Le Pen: Die Europäische Union ist meiner Meinung tot. Sie ist ein untergehender Stern. Sie glaubt, dass sie lebt, aber sie ist schon längst begraben. Denn auch die Währung, die sie geschaffen hat, ist tot. Derzeit versuchen wir, den Euro um jeden Preis zu retten. Aber um welchen Preis? Ich will nicht, dass mein Volk wie die Iren den Mindestlohn um zwölf Prozent kürzen muss, das Kindergeld kürzen muss, das Arbeitslosengeld und die Beamtenlöhne kürzen muss. Wenn das der Preis ist, den wir zahlen müssen, um den Euro zu retten, dann sage ich: Besser, wir treten aus der EU aus und schaffen den Euro ab. Euronews: Welche Zukunft hat Europa Ihrer Meinung nach? Marine Le Pen: Ich denke, man muss ganz von vorne anfangen. Europa kann lebendig sein, wenn es sich auf einer Basis der Nationen erschafft, das nationale Souveränitäten respektiert, das ein Europa der Zusammenarbeit ist – nur dann erzielt es objektiv gesehen gute Ergebnisse....euronews: Haben Sie die Ereignisse in Tunesien und Ägypten überrascht? Marine Le Pen: Nein, nicht so sehr. Denn es sind meiner Meinung nach nicht so sehr demokratische Revolutionen sondern Hungerrevolutionen. Ich denke, dass das Internationale Währungssystem und die schlechten Entscheidungen des Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation zu den hohen Preisen von wichtigen Alltagsprodukten und Lebensmitteln geführt haben. Ich habe zwei Befürchtungen: Erstens, dass vom Sieg der Revolution, vom Bestreben nach Demokratie die islamistischen Parteien profitieren und sie die Macht ergreifen. Das zu leugnen ist meiner Meinung nach absurd. Die zwei Befürchtung: Massive Migrationswellen....“.

So schreibt auch die Israelische Haaretz: „Last month, in an interview which now seems sadly prophetic, shamed former IMF chief Dominique Strauss-Kahn identified three challenges he’d face if he ran for president: "Money, women and my Jewishness.”...But nonetheless, there is some unease among the 600,000-strong Jewish community here - the largest number outside of Israel and the U.S.- who fear they could be caught in the negative spotlight and that the affair will play into negative stereotypes of Jews and even inflame anti-Semitism...“

Und, da ist Haaretz ganz realistisch, bedient DSK alle gängigen jüdischen Klischees in Perfektion: „...“It is a nervous Jew’s nightmare…If ever there was a time that French anti-Semitism were going to rear its head, Mr. Strauss-Kahn has all but issued an engraved invitation,” writes Eric Alterman a senior fellow of the Center for American Progress in Washington DC. "Indeed, it’s hard to think of a single anti-Semitic stereotype that he does not exemplify. Think about it. Jewish banker: check. Jewish cosmopolitan globalist… check. Jewish leftist: check. Jewish sex maniac: check. “ Add into the mix the fact that the most vocal of Strauss-Kahn’s early defenders was intellectual Bernard-Henri Lévy, another high-flying leftist and identified Jew, and that Strauss-Kahn’s lawyer is an orthodox Jew who gave his first interview on the case this weekend to Haaretz – and the nightmare, for those prone to such nervousness, intensifies......Some already see repercussions: There are those, argues Serfati, who “…are using the arrest as an example of how perverse the Jews can be…so the community is definitely feeling the repercussions of this story.”

Es ist auch in israelischen Medien die Gefahr erkannt worden: „...Meanwhile, the Strauss-Kahn’s downfall could yet end up hurting the Jewish community in a different, perhaps more concrete way, as the affair has greatly weakened the Socialist party – and as such benefitted Marine Le Pen and the National Front (FN).Polls published in Le Parisian this week show a replacement Socialist candidate losing in a first round-- thus leaving the playing field to unpopular president Nicolas Sarkozy and Le Pen...“. Interessant in diesem Zusammenhang ist, ganz nebenbei, dass der politisch so brisante Kern der ganzen Affäre in den deutschen Medien kaum erwähnt wird, so findet man im Spiegel-online bislang nicht einmal einen Hinweis auf DSK's religiöse Heimat. Lediglich bei Brafman ließ man sich darauf ein. Nun, man kann sagen dass die religiöse Heimat bei der potentiellen Straftat keine Rolle spielt, und das ist natürlich auch absolut korrekt. Nur, es ist eben nicht die Story, die die Welt umtreibt und für die zu bewältigen der deutsche Leser offensichtlich für zu blöd, oder antisemitisch, gehalten wird. Ob solcher Art Vorsorge aber ausreichen wird, um die kommende Katastrophe der 2020er bis 2030er Jahre zu entschärfen, darf allerdings bezweifelt werden.

Nun, da die Franzosen vom Rechten Sarkozy enttäuscht sind, könnte dann die Stichwahl, im Extremfall, ausgerechnet zwischen Marine le Pen und Dominique Strauss-Kahn stattfinden. Und damit Frankreich vor der Zerreißprobe, eine nationalsoziale Präsidentin mit einer antisemitischen Basis im Schlepptau, oder einen, potentiellen, jüdischen Vergewaltiger ins höchste Amt zu wählen. Eine wahrlich groteske Zerreißprobe die, wenn 2012 die EURO-Schulden Exzesse zugunsten der Oberschicht und auf Rechnung des kleinen Mannes weiter eskalieren, zu einer Radikalisierung auf französischen Straßen führen muss. Und darüber europäische Bedeutung haben würde, und je nach Wahlausgang, auch für die elementaren Sicherheitsinteressen des Staates Israel.

Da passt es dann wie die Faust aufs Auge, das die BRD gerade dabei ist, 200 moderne Leopard-Kampfpanzer an Saudi-Arabien zu liefern, mitten ins Pulverfass: „..Nach Informationen des SPIEGEL billigte der Bundessicherheitsrat - in dem unter anderem die Kanzlerin, der Verteidigungs- und der Außenminister sitzen - in der vergangenen Woche grundsätzlich den Export. Die Saudis haben Interesse an mehr als 200 Stück auf Basis der modernsten "Leopard"-Variante, dem Typ 2A7+. Die deutsche Rüstungsindustrie - neben der Münchner Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann der zweite große Landsystemhersteller Rheinmetall und zahlreiche Zulieferunternehmen - erhofft sich ein Milliardengeschäft, da die Saudis neugebaute Panzer wollen und keine gebrauchten...“. Auch wenn man einwenden darf, dass die israelische Armee z.Z. kaum durch 200 Leopards zu beeindrucken ist, die Zeiten können sich schneller ändern als einem lieb ist. Wenn Europa und die USA erst mal so pleite sind, dass sie Israel nicht mehr ausreichend unterstützen können, oder politisch, Le Pen lässt grüßen, nicht mehr wollen, dann liegt die israelische Armee schnell auf dem trockenen. Die Lebensdauer des westfreundlichen Saudischen Feudalregimes ist auch nicht unendlich, und danach stehen ggf. nicht nur diese 200 vollgetankten Leopards vor Tel Aviv.

Und damit sind wir nochmal bei Dreyfus. Wurde mit der Affäre Dreyfus vor hundert Jahren der israelische Staat vorbereitet, so befindet er sich jetzt in der weltpolitischen Zwickmühle auf dem absteigenden Ast. Mit der Existenz oder dem Exitus Israels aber steht und fällt gerade auch der Friede in den westlichen Staaten, insbesondere Europas. Wenn uns also DSK einen letzten Gefallen tun würde, dann wäre es der, nach dem Prozess möglichst unauffällig in der Versenkung zu verschwinden. Ob in einer US-Zelle oder in einem Luxusanwesen an der Cote d'Azur, soll uns dabei letztlich egal sein.

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