Freitag, 11. Mai 2012

Die Wahl der Qual: Currywürste, Heuchler, oder Anarchisten...


Die politische Landschaft Europas wird nun langsam umgekrempelt. Weg von etablierten „bürgerlichen“ Parteien, hin zu Parteien am linken und rechten, und sogar zu ziemlich undefinierbaren Rändern hin. Während die Etablierten Schulden und Rettungsprogramme für Banken und Superreiche rücksichtslos auf Kosten und Pump des steuerzahlenden Bürgers anhäufen, steigt natürlicher, und unterm Strich leider auch berechtigter, Weise die Zuneigungen zu mehr oder weniger radikalen Parteien an. Wobei das Attribut „radikal“ längst kein Privileg extremer Parteien, sondern inzwischen integrierter Bestandteil bürgerlicher Politik geworden ist. Obwohl man das dort feiner betitelt, so mit dem ökonomischen Begriff der Austeritätspolitik : „Der Begriff austerity wurde in dieser Bedeutung zuerst im Vereinigten Königreich während der Zeit des Zweiten Weltkriegs verwendet. Charakterisiert wurden damit die Sparmaßnahmen die eine ausgeglichene Zahlungsbilanz, Vollbeschäftigung und die Aufbringung ausreichender Mittel für die Kriegskosten erreichen sollten. England stand nach dem Ende des zweiten Weltkriegs am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Die Wirtschaftspolitik in den Jahren 1930 und 1931/32 während der Weltwirtschaftskrise gilt als eine Politik, die Austerität über alle anderen politischen Ziele stellte. Austeritätspolitik ...[ist ] problematisch, weil sie einerseits den Finanzmärkten glaubwürdig demonstrieren wolle, dass die Überschuldung zurückgeführt werden soll und damit die Rückzahlung von Krediten nicht gefährdet sei; anderseits bewirke sie selbst durch Kürzung der Staatsausgaben einen Rückgang des Wirtschaftswachstums. Eine IMF-Studie weist auf Bedenken gegenüber einer exzessiven Austeritätspolitik hin, da sie die Armen treffe und IMF-unterstützte Programme beeinträchtige. Paul Krugman kritisierte Empfehlungen der OECD, die in Richtung Austeritätspolitik gehen, obwohl sie durch deren eigene Prognosen nicht fundiert würden.“. Gerade schwarz-gelb im Bund steht für diese Politik, die einerseits den Finanzmärkten schier unglaubliche Summen in den nimmersatten Hals wirft, und, um dann die Zinsen dieser unbegrenzten Geschenke per Austeritätspolitik dem kleinen Mann aus der Tasche zu ziehen. Während Hilfstranchen für Finanzinstitute im zwei- und dreistelligen Milliardenbereich übernacht frei gegeben werden, ist beim Bürger strengste Sparsamkeit in allen Bereichen angesagt. Ein mehr als radikales Konzept, dass sich immer weniger der Gelackmeierten in ganz Europa für "dumm" verkaufen lassen.


Um so mehr hat man sich zuletzt auch in Frankreich und Griechenland zuletzt radikalen Parteien zugewandt, wo nur das besondere Mehrheitswahlrecht in Frankreich, und eine besondere Mehrheitsregel in Griechenland (pauschal plus 50 Abgeordnete für die stärkste Partei) vorläufig verhinderte, dass diese auch zum Zuge kamen. Dieser Trend wird sich sicherlich auch in der „kleinen Bundestagswahl“, der Landtagswahl in NRW am kommenden Wochenende fortsetzen. Die Wahl in Schleswig-Holstein zeigte auch schon diesen Trend. Während die CDU sich mit winzigem Vorsprung als stärkste Partei halten konnte, trotz fast 5% Verlusten und dem Umstand, dass selbst der Spitzenkandidat in seinem sicher geglaubten Wahlkreis abgewählt wurde und sich abstruser Weise deswegen als „Sieger“ sahen, konnten die Piraten mühelos in den Landtag einziehen. Und das obwohl bei denen eigentlich gar kein klares Konzept erkennbar ist, nicht so richtig links, nicht so richtig rechts, eigentlich überall und nirgendwo. Aber dem verzweifelten Wahlbürger ist gar kein Konzept inzwischen bald lieber als die zum Scheitern verurteilten Konzepte a la bürgerlich-europäischer Verschwendungsorgien auf der fetten, und Austeritätsdrangsalierung auf der schmalen Seite.

Dem entsprechend dumm, dreist oder eben dummdreist sind die Wahlkampfslogans der bürgerlichen Parteien. Immerhin ganz witzig und der Wahrheit ja gar nicht so fern, war der SPD Slogan „Wir sind Currywurst...“, dummdreiste Heuchelei dagegen Röttgens Slogan „Verantwortung statt Verschuldung“ auf der Gegenseite des Möchtegarnichtgerne-Ministerpräsidenten der CDU. Oder auch „Solide Finanzen statt teurer Versprechen“ bei Lindner's FDP, eine nur leicht umformulierte und genauso hirnerweichende Heuchelphrase orientiert am designierten Koalitionspartner CDU. „NRW im Herzen, Leerlauf im Hirn“ titulierte treffend der Kölner-Stadtanzeiger nur zu Recht.

Denn allein die offizielle Staatsverschuldung hat in der Regierungszeit Merkels, von Ende 2005 bis Anfang 2012, von 1580 auf rund 2095 Mrd. € zugenommen. Und das ist nur die offizielle Zahl wobei die ungeheuren noch versteckten Schulden aus europäischen Verpflichtungen, Krediten und Garantien überhaupt noch nicht eingerechnet sind. Mehr als 500 Mrd. € zusätzliche offizielle Schulden alleine unter der Verantwortung von Merkel, und auch von Spitzenkandidat Norbert Röttgen und Christian Lindner in NRW nun. Natürlich lässt sich, wie bei jedem Bundeskanzler in der Geschichte der BRD trefflich darüber streiten, warum und wieso man nicht anders konnte oder wollte oder was auch immer, schließlich hat noch kein einziger in seiner Amtszeit an dem Dilemma der steigenden Staatsverschuldung je etwas ändern können, aber es ist nun mal eine unumstößliche Tatsache, dass Merkel und ihre Partei die größte Schuldenlawine aller Zeiten, sowohl absolut als auch relativ, zu verantworten haben.

Trotzdem ist man der Meinung, dass der Wahlbürger schon „doof“ genug ist, diese, die Tatsachen dreist auf den Kopf stellenden Slogans in NRW, zu schlucken. Erinnern wir in diesem Zusammenhang ruhig noch einmal an die aktuellen Target2-Kredite: Die sind von Jahresbeginn bei gut 498 Mrd. auf nun astronomische knapp 645 Mrd. € hochgeschnellt. Alles ungefragte Kredite an die Südländer, die diese sich genehmigungsfrei, unbegrenzt und zeitlich unlimitiert aus der Bundesbankkasse greifen können. Zu einem lächerlichen Zinssatz von 1%. Für diese Kredite (Langläufer, unbegrenzt!) müssten sie aber auf den Finanzmärkten deutlich über 5% zahlen. Mindestens, und keineswegs zu Unrecht. Denn der international übliche Zinssatz kalkuliert die vermutlichen Ausfallkosten eben ein. Nicht so die BRD und ihre verantwortliche politische Spitze, die verschenkt das Geld, das mit absoluter Sicherheit nie in dieser Höhe zurück kommen wird (insbesondere Spanien und Italien haben sich in den letzten Monaten mit jeweils über 270 Mrd.€ selbst bedient). Die Verluste werden dramatisch sein. Aber wen schert's heute, insbesondere weil bis dahin sind ja eh „die Anderen“ dran, und seien es nur die Piraten oder die depperte SPD, und denen kann man dass ja dann problemlos wieder in die Schuhe schieben.

So zeigt eine repräsentative Befragung des Berliner Meinungsforschungsinstituts Info im Auftrag von Handelsblatt Online: “...CDU und FDP legen demnach im Endspurt vor der Wahl in der Wählergunst am deutlichsten zu. Im Vergleich zum Vormonat gewinnt die Union 4 Prozent und landet jetzt bei 33 Prozent. Die FDP springt von 3 auf 5 Prozent.. Auch wenn man zur Zeit, aus rein makroökonomischer Sicht nur die sprichwörtliche Wahl zwischen Teufel und Beelzebub hat, so bewahrheitet sich auch wieder der platte Spruch „Dummheit siegt“, oder besser ergänzt um „Dummdreist ist sogar noch viel effektiver.“.

Natürlich muss man genauso hinterfragen ob der Kraft-Kurs der SPD, einer zumindest moderaten weiteren Neuverschuldung, nachhaltig sein kann. Die Antwort ist natürlich auch hier Nein. Denn die weiter eskalierende Finanzkrise beinhaltet ein Grunddilemma, das prinzipiell nicht schmerzfrei lösbar ist. Aber immerhin geht weitere Staatsverschuldung in letzter Konsequenz auf Rechnung der großen Kapitalbesitzer, während die gegenteilige Austeritätspolitik nun mal direkt auf Rechnung des Durchschnittsbürgers und Schaffenden geht. Die Frage ist immer die Gleiche: Von wem soll die Schlussrechnung eines kollabierenden FIAT-Geldsystem bezahlt werden? Wenig verwunderlich ist, wenn sich Finanzlobby und Austeritätspolitiker in ganz Europa da ziemlich einig sind. Unten bezahlen, oben verdienen, logisch. Und da die Mehrzahl der Politiker schon keinen klaren Begriff davon haben, wie eine geschlossene Volkswirtschaft wirklich funktioniert, wie soll man es dem Bürger verübeln, der sich hier so ungeniert öffentlich verraten und verkaufen lässt?

Die BRD befindet sich nach wie vor am oberen Ende der Fahnenstange Europas, sowohl was Verschuldung aber auch positive Konjunktur angeht, denn beides hängt eng zusammen, und das lindert den Schmerz in der BRD noch erheblich. Aber nur vorläufig, denn uns geht es im Moment nicht so gut obwohl, sondern weil, es den anderen in (Süd-)Europa so schlecht geht.

Der Ausgang der Wahl dürfte vermutlich eine Fortsetzung der Rot-Grünen Koalition bringen, jedoch sicher ist das nicht, Entscheidend ist ob und wer von den kleineren Parteien den Sprung über die 5% Hürde schafft. Bei Grünen und Piraten ist das nach den letzten Umfragen ziemlich sicher, bei FDP fast sicher, und bei den LINKEN dagegen äußerst fraglich. Kämen alle dieser vier kleinen Parteien in den Landtag, so wäre es mit der klaren Mehrheit für Rot-Grün nämlich vorbei.

Nun, dann schaunmermal am Sonntag vor allen Dingen auf die kleinen Parteien. So ändern sich die Zeiten, von der "Qual der Wahl" kommen wir immer mehr zur "Wahl der Qual".

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