Die
politische Landschaft Europas wird nun langsam umgekrempelt. Weg von etablierten „bürgerlichen“ Parteien, hin zu Parteien am linken und
rechten, und sogar zu ziemlich undefinierbaren Rändern hin. Während die Etablierten Schulden und Rettungsprogramme für Banken und
Superreiche rücksichtslos auf Kosten und Pump des steuerzahlenden
Bürgers anhäufen, steigt natürlicher, und unterm Strich leider
auch berechtigter, Weise die Zuneigungen zu mehr oder weniger
radikalen Parteien an. Wobei das Attribut „radikal“ längst kein
Privileg extremer Parteien, sondern inzwischen integrierter
Bestandteil bürgerlicher Politik geworden ist. Obwohl man das dort
feiner betitelt, so mit dem ökonomischen Begriff der
Austeritätspolitik : „Der Begriff austerity
wurde
in dieser Bedeutung zuerst im Vereinigten Königreich während der
Zeit des Zweiten
Weltkriegs verwendet.
Charakterisiert wurden damit die Sparmaßnahmen die eine
ausgeglichene Zahlungsbilanz,
Vollbeschäftigung
und
die Aufbringung ausreichender Mittel für die Kriegskosten
erreichen
sollten. England stand nach dem Ende des zweiten Weltkriegs am Rande
der Zahlungsunfähigkeit. Die Wirtschaftspolitik in den Jahren 1930
und 1931/32 während der Weltwirtschaftskrise
gilt
als eine Politik, die Austerität über alle anderen politischen
Ziele stellte. Austeritätspolitik ...[ist ] problematisch, weil sie
einerseits den Finanzmärkten glaubwürdig demonstrieren wolle, dass
die Überschuldung zurückgeführt werden soll und damit die
Rückzahlung von Krediten nicht gefährdet sei; anderseits bewirke
sie selbst durch Kürzung der Staatsausgaben
einen
Rückgang des Wirtschaftswachstums. Eine IMF-Studie
weist auf Bedenken gegenüber einer exzessiven Austeritätspolitik
hin, da sie die Armen treffe und IMF-unterstützte Programme
beeinträchtige. Paul
Krugman
kritisierte
Empfehlungen der OECD,
die in Richtung Austeritätspolitik gehen, obwohl sie durch deren
eigene Prognosen nicht fundiert würden.“. Gerade schwarz-gelb im
Bund steht für diese Politik, die einerseits den Finanzmärkten
schier unglaubliche Summen in den nimmersatten Hals wirft, und, um dann die
Zinsen dieser unbegrenzten Geschenke per Austeritätspolitik dem
kleinen Mann aus der Tasche zu ziehen. Während Hilfstranchen für
Finanzinstitute im zwei- und dreistelligen Milliardenbereich übernacht
frei gegeben werden, ist beim Bürger strengste Sparsamkeit in allen
Bereichen angesagt. Ein mehr als radikales Konzept, dass sich immer
weniger der Gelackmeierten in ganz Europa für "dumm" verkaufen lassen.
Um
so mehr hat man sich zuletzt auch in Frankreich und Griechenland
zuletzt radikalen Parteien zugewandt, wo nur das besondere
Mehrheitswahlrecht in Frankreich, und eine besondere Mehrheitsregel
in Griechenland (pauschal plus 50 Abgeordnete für die stärkste
Partei) vorläufig verhinderte, dass diese auch zum Zuge kamen.
Dieser Trend wird sich sicherlich auch in der „kleinen
Bundestagswahl“, der Landtagswahl in NRW am kommenden Wochenende
fortsetzen. Die Wahl in Schleswig-Holstein zeigte auch schon diesen
Trend. Während die CDU sich mit winzigem Vorsprung als stärkste
Partei halten konnte, trotz fast 5% Verlusten und dem Umstand, dass
selbst der Spitzenkandidat in seinem sicher geglaubten Wahlkreis
abgewählt wurde und sich abstruser Weise deswegen als „Sieger“
sahen, konnten die Piraten mühelos in den Landtag einziehen. Und das
obwohl bei denen eigentlich gar kein klares Konzept erkennbar ist,
nicht so richtig links, nicht so richtig rechts, eigentlich überall
und nirgendwo. Aber dem verzweifelten Wahlbürger ist gar kein
Konzept inzwischen bald lieber als die zum Scheitern verurteilten
Konzepte a la bürgerlich-europäischer Verschwendungsorgien auf der
fetten, und Austeritätsdrangsalierung auf der schmalen Seite.
Dem
entsprechend dumm, dreist oder eben dummdreist sind die
Wahlkampfslogans der bürgerlichen Parteien. Immerhin ganz witzig und
der Wahrheit ja gar nicht so fern, war der SPD Slogan „Wir sind
Currywurst...“, dummdreiste Heuchelei dagegen Röttgens Slogan
„Verantwortung statt Verschuldung“ auf der Gegenseite des
Möchtegarnichtgerne-Ministerpräsidenten der CDU. Oder auch „Solide
Finanzen statt teurer Versprechen“ bei Lindner's FDP, eine nur
leicht umformulierte und genauso hirnerweichende Heuchelphrase
orientiert am designierten Koalitionspartner CDU. „NRW im Herzen,
Leerlauf im Hirn“ titulierte treffend der Kölner-Stadtanzeiger
nur zu Recht.
Denn
allein die offizielle Staatsverschuldung hat in der Regierungszeit
Merkels, von Ende 2005 bis Anfang 2012, von 1580 auf rund 2095 Mrd. €
zugenommen. Und das ist nur die offizielle Zahl wobei die ungeheuren noch versteckten Schulden aus europäischen
Verpflichtungen, Krediten und Garantien überhaupt noch nicht
eingerechnet sind. Mehr als 500 Mrd. € zusätzliche offizielle
Schulden alleine unter der Verantwortung von Merkel, und auch von
Spitzenkandidat Norbert Röttgen und Christian Lindner in NRW nun.
Natürlich lässt sich, wie bei jedem Bundeskanzler in der Geschichte
der BRD trefflich darüber streiten, warum und wieso man nicht anders
konnte oder wollte oder was auch immer, schließlich hat noch kein
einziger in seiner Amtszeit an dem Dilemma der steigenden
Staatsverschuldung je etwas ändern können, aber es ist nun mal eine
unumstößliche Tatsache, dass Merkel und ihre Partei die größte
Schuldenlawine aller Zeiten, sowohl absolut als auch relativ, zu
verantworten haben.
Trotzdem
ist man der Meinung, dass der Wahlbürger schon „doof“ genug ist,
diese, die Tatsachen dreist auf den Kopf stellenden Slogans in NRW,
zu schlucken. Erinnern wir in diesem Zusammenhang ruhig noch einmal
an die aktuellen Target2-Kredite: Die sind von Jahresbeginn bei gut
498 Mrd. auf nun astronomische knapp 645 Mrd. € hochgeschnellt.
Alles ungefragte Kredite an die Südländer, die diese sich
genehmigungsfrei, unbegrenzt und zeitlich unlimitiert aus der
Bundesbankkasse greifen können. Zu einem lächerlichen Zinssatz von
1%. Für diese Kredite (Langläufer, unbegrenzt!) müssten sie aber
auf den Finanzmärkten deutlich über 5% zahlen. Mindestens, und
keineswegs zu Unrecht. Denn der international übliche Zinssatz
kalkuliert die vermutlichen Ausfallkosten eben ein. Nicht so die BRD
und ihre verantwortliche politische Spitze, die verschenkt das Geld,
das mit absoluter Sicherheit nie in dieser Höhe zurück kommen wird (insbesondere Spanien und Italien haben sich in den letzten Monaten mit jeweils über 270 Mrd.€ selbst bedient).
Die Verluste werden dramatisch sein. Aber wen schert's heute,
insbesondere weil bis dahin sind ja eh „die Anderen“ dran, und
seien es nur die Piraten oder die depperte SPD, und denen kann man
dass ja dann problemlos wieder in die Schuhe schieben.
So
zeigt eine repräsentative Befragung des Berliner
Meinungsforschungsinstituts Info im Auftrag von Handelsblatt Online:
“...CDU und FDP legen demnach im Endspurt vor der Wahl in der
Wählergunst am deutlichsten zu. Im Vergleich zum Vormonat gewinnt
die Union 4 Prozent und landet jetzt bei 33 Prozent. Die FDP springt
von 3 auf 5 Prozent.“.
Auch wenn man zur Zeit, aus rein makroökonomischer Sicht nur die
sprichwörtliche Wahl zwischen Teufel und Beelzebub hat, so
bewahrheitet sich auch wieder der platte Spruch „Dummheit siegt“,
oder besser ergänzt um „Dummdreist ist sogar noch viel
effektiver.“.
Natürlich
muss man genauso hinterfragen ob der Kraft-Kurs der SPD, einer
zumindest moderaten weiteren Neuverschuldung, nachhaltig sein kann.
Die Antwort ist natürlich auch hier Nein. Denn die weiter
eskalierende Finanzkrise beinhaltet ein Grunddilemma, das prinzipiell
nicht schmerzfrei lösbar ist. Aber immerhin geht weitere
Staatsverschuldung in letzter Konsequenz auf Rechnung der großen
Kapitalbesitzer, während die gegenteilige Austeritätspolitik nun
mal direkt auf Rechnung des Durchschnittsbürgers und Schaffenden
geht. Die Frage ist immer die Gleiche: Von wem soll die
Schlussrechnung eines kollabierenden FIAT-Geldsystem bezahlt werden?
Wenig verwunderlich ist, wenn sich Finanzlobby und
Austeritätspolitiker in ganz Europa da ziemlich einig sind. Unten
bezahlen, oben verdienen, logisch. Und da die Mehrzahl der Politiker
schon keinen klaren Begriff davon haben, wie eine geschlossene
Volkswirtschaft wirklich funktioniert, wie soll man es dem Bürger
verübeln, der sich hier so ungeniert öffentlich verraten und
verkaufen lässt?
Die
BRD befindet sich nach wie vor am oberen Ende der Fahnenstange
Europas, sowohl was Verschuldung aber auch positive Konjunktur
angeht, denn beides hängt eng zusammen, und das lindert den Schmerz
in der BRD noch erheblich. Aber nur vorläufig, denn uns geht es im
Moment nicht so gut obwohl, sondern weil, es den anderen in
(Süd-)Europa so schlecht geht.
Der
Ausgang der Wahl dürfte vermutlich eine Fortsetzung der Rot-Grünen
Koalition bringen, jedoch sicher ist das nicht, Entscheidend ist ob
und wer von den kleineren Parteien den Sprung über die 5% Hürde
schafft. Bei Grünen und Piraten ist das nach den letzten Umfragen
ziemlich sicher, bei FDP fast sicher, und bei den LINKEN dagegen äußerst fraglich. Kämen alle dieser vier kleinen Parteien in den Landtag, so wäre es mit der klaren Mehrheit
für Rot-Grün nämlich vorbei.
Nun, dann schaunmermal am Sonntag vor allen Dingen auf die kleinen
Parteien. So ändern sich die Zeiten, von der "Qual der Wahl" kommen wir immer mehr zur "Wahl der Qual".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich werde ihn baldmöglichst freischalten. Diese Funktion dient lediglich der Vermeidung von Spam- und Flame- Kommentaren und dient niemals einer Zensur.