Mittwoch, 29. August 2012

Falschmünzer, Quartalsirre und Montag, der 17. Dezember



Der Druck nimmt zu, und so bezeichnete Dobrindt (CSU) kürzlich den EZB-Chef noch als „Falschmünzer“, nicht zu unrecht, aber äußerst undiplomatisch polemisch : „Bei der neuen Verbalattacke geht es um Draghis Vorschlag zur Einführung einer Zinsobergrenze beim Ankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern: Dobrindt bezeichnet die Idee gegenüber der "Bild am Sonntag" als den Versuch, vertragswidrig eine "Finanzierung der Schuldenländer durch die Hintertür" zu erreichen - damit könnten "Schuldensünder ihren Schlendrian fortsetzen". Mit solchen Vorschlägen begebe sich Draghi "auf den besten Weg, in das Geschichtsbuch als der Falschmünzer Europas einzugehen", urteilt Dobrindt. Er warf Draghi vor, die EZB "als Schaufelrad" zu missbrauchen, "um Geld vom stabilen Norden Europas in den defizitären Süden zu schaffen". Damit mache der italienische Zentralbank-Chef die EZB "zur Inflationsbank".“ Und Griechenland sehe man in 2013 nicht mehr im Euro, hieß es  u.a.: „...Er möchte Griechenland vorerst nicht mehr in der Euro-Zone haben. "Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass Griechenland nur dann eine Chance hat, wenn es den Euro verlässt", sagte Dobrindt der "Rheinischen Post". Das Land müsse nach dem Austritt mit einem Wiederaufbauprogramm unterstützt werden. Zudem schlug Dobrindt eine "Rückkehroption in den Euro" vor, "wenn Griechenland saniert ist".“

Natürlich grassiert auch in der FDP hier und da ein Anflug von Vernunft,  sowohl Eurorebell Schäffler oder Kubicki, als auch inzwischen FDP-Chef Rösler sind sogar nicht mehr fest auf der Linie von „Mutti“: “Was Griechenland angehe, so gelte: „Wenn die Reformen in Athen nicht erbracht werden, kann es kein weiteres, drittes Hilfspaket für Griechenland geben.“ Das wisse auch die Regierung des Landes und ziehe hoffentlich daraus Schlussfolgerungen. „Wir wollen nicht, dass Griechenland zahlungsunfähig wird, aber notfalls könnten wir mit den Folgen umgehen“, sagte er....“. Nun denn, da schaunmermal.

Und die SPD sekundiert keineswegs den Eurorebellen, sondern gefällt sich in ihrer Lieblingsrolle der Kanzlerin-Macherin und kritisiert deren internen Kritiker im fast Text gleichen Ton wie die Partei- und Regierungssprecher der amtierenden Kanzlerin, so als wäre Merkel die erste richtige SPD-Chefin seit Brandt und Schmidt: „...Die SPD hat CSU und FDP vorgeworfen, mit Äußerungen über einen Euro-Austritt Griechenlands Deutschland zu schaden. "Die wissen offenbar gar nicht, welch gigantischer wirtschaftlicher Schaden auch für Deutschland am Ende damit angerichtet werden kann", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Das die SPD, und ihr Grüner Sidekick, nach den aktuellen Umfragen in der Wählergunst weiter abfallen, gibt da nun wirklich kein Wunder. Mal ehrlich, warum sollte man dann denn auch eine lausige Kanzlerkopie wählen, anstatt gleich das Original zum gleichen Preis?

Wer also solche Feinde hat, braucht sich um Freunde nicht zu sorgen. Da hat die Kanzlerin in den eigenen Reihen schon ganz andere Probleme. Selbst als Kanzlerinnen-Stütze ist die SPD zu nichts zu gebrauchen, das kann sogar die CSU noch besser: „...Der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, warf ihm "provinzielles Gemeckere" vor. "Es ist ein Stück aus Absurdistan, zu glauben, dass Griechenland mit der Drachme schneller auf die Füße kommt", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Mit einer abgewerteten Währung könne sich das Land keine Einfuhren mehr leisten, auch nicht aus Deutschland.“. Selbst CSU-Chef Seehofer, mit seinen Äußerungen oft sozialdemokratischer als die Sozis und selten auf einem Gleis mit den Berlinern, kann das besser, und, zynischer: “....Er [Seehofer] denke, Dobrindt werde den Begriff "Falschmünzer".."nicht wiederholen", sagte Seehofer der "Bild"-Zeitung. Zugleich sprach Seehofer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Unterstützung der bayerischen Schwesterpartei aus. "Wir unterstützen die Kanzlerin in ihrer erfolgreichen Politik der Euro-Stabilisierung seit drei Jahren.". ...Wegen der Streitigkeiten in der Bundesregierung strebt der CSU-Chef einen Koalitionsausschuss an. "Wir werden uns sicher im Herbst zusammensetzen und offene Fragen klären", kündigte er an.“.

Ich mag den Seehofer. Ehrlich. Haben sie's gemerkt? „... in ihrer erfolgreichen Politik der Euro-Stabilisierung seit drei Jahren...“. Huhu, und gleich noch einen oben drauf: „... sicher im Herbst zusammensetzen und offene Fragen klären...“. Ergo, geklärt ist hier garnix mit Mutti, und was die letzten drei Jahre an Vergeudung satt Stabilisierung waren, das erschließt sich schließlich jedem Kenner der Materie sofort. Und dann zwei Tage später setzt der Dobrindt noch mal die Spitze auf den in sämtlichen Farben glühenden Weihnachtsbaum: „...Dobrindt hatte trotz gegenteiliger Äußerungen Merkels am Wochenende erneut gesagt, an einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone führe "kein Weg vorbei"...“. Ja das muss die Steinmeier-SPD noch sehr viel lernen, aber glauben Sie's? Die lernt das nie und nimmer mehr.

Noch etwas dicker können es andere Interne: „Josef Schlarmann ist ganz anders als Wolfgang Kubicki. ...Dennoch ähneln der laute FDPler und der leise CDU-Mann einander sehr. Beide sind die vehementesten Kritiker ihrer Führung. ….Der Leipziger Volkszeitung sagte der 72-Jährige: „Es gibt keinerlei grundsätzliche Debatte mehr, weil alles in Frau Merkels CDU als alternativlos angeboten wird.“ Die Macht konzentriere sich aufs Kanzleramt: „Alle Minister sind von der Kanzlerin unmittelbar abhängig.“ Es gelte allein Merkels Linie, für potenzielle Nachfolger sei es unmöglich, unter dem „System Merkel“ nach oben zu kommen. Die Partei empfange nur noch „Anweisungen“.….Aber in der Politik ist es wie im sonstigen Leben: Wer dauernd die Wahrheit sagt, dem glaubt man nicht. Einem, der nicht lügt, kann man schließlich nicht trauen. Wer die eigene Haltung nicht permanent den Erfordernissen anpasst, gilt als Enfant terrible, Querulant oder Quartalsirrer. ….„Es gibt zwei Wege für den politischen Aufstieg“, sagte Konrad Adenauer. „Entweder man passt sich an. Oder man legt sich quer.“ Schlarmann legt sich quer. Damit sichert er seine Macht im Wirtschaftsflügel der Union, der schon lange über den Regierungskurs murrt. Zugleich bildet Schlarmann aber auch ein Ventil für weit verbreiteten Unmut in der Partei: Was ist noch konservativ am Handeln der Union? ….Deutsche Christdemokraten wissen besser als Sozialdemokraten: Macht muss man innehaben, um über sie meckern zu können.“

Das System Merkel funktioniert wie geschmiert, sie hat das Talent alles und jeden neben sich scheinbar überflüssig zu machen. Hat die SPD je einen besseren Kanzler gehabt? Ja, Helmut Schmidt, der gefühlt 200-jährige Kettenraucher und Jopi Heesters der deutschen Politik. Merkel hat die Sozialdemokratie dagegen regelrecht gefressen, zum Nachtisch, die CDU war die Hauptmahlzeit.


Die Literatur-Professorin mit CDU-Parteibuch Gertrud Höhler verfasste nun eine Abrechnung: „...Am knackigsten erschien der früheren Beraterin von Helmut Kohl „Die Patin“. … Ein Jahr vor der Bundestagswahl schürt die konservative Intellektuelle die Unzufriedenheit mit Merkel in Teilen der Union. Deren älteren Männern wirft sie vor, mit „der Faust in der Tasche“ feige gekniffen zu haben, als die „Alphawölfin im Schafspelz aus der trüben Ostkulisse“ sich an den Sturz des Kanzlers der Einheit gemacht habe, um sich freie Bahn für ihre politische Karriere zu verschaffen. Vor allem an der Macht sei M. interessiert. Und zwar in ganz Europa. Damit steht Höhler nicht allein. „Die Germanisierung Europas macht rasche Fortschritte“, schrieb schon im Herbst 2011 Felix E. Müller, der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag“... „Das System M etabliert eine leise Variante autoritärer Machtentfaltung, die Deutschland so noch nicht kannte“,...Selbst den Vergleich mit Nationalsozialismus und Kommunismus hält sie für angebracht: „Die Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts boten andere Erfahrungen, was den politischen Stil angeht – obwohl die Anklänge nicht zu leugnen sind: die Marginalisierung der Parteien, der Themenmix aus enteigneten Kernbotschaften anderer Lager in der Hand der Regentin; ihre Nonchalance im Umgang mit dem Parlament, mit Verfassungsgarantien, Rechtsnormen und ethischen Standards.....Der autoritäre Sozialismus, der im System M angelegt ist, nimmt eine Hürde nach der anderen, weil er auf Gewöhnung setzt.“ ...Das Ergebnis sei ein fließender Politik-Brei, mal konservativ, mal christlich-sozial, mal liberal, wobei die „Patin“ immer wieder bei Sozialdemokraten und Grünen wildere. Erfahrungen in der DDR hätten die „Aufsteigerin aus dem Unrechtsstaat“ gelehrt: „Überlebenstechniken aus der Diktatur führen in der Demokratie bis an die Spitze“.... Ob die Kanzlerin das Buch liest, ist ungewiss. Einen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienenen Vorabauszug soll sie nach den ersten Zeilen empört aus der Hand gelegt haben, hieß es in der „Welt online“. Schwerer als Bücher wiegen für Politprofis ohnehin die Umfragewerte. Laut ARD-Deutschland-Trend waren Anfang August 68 Prozent der Deutschen mit Merkels Arbeit zufrieden.“

Macht macht süchtig, und Sucht macht blind. Würde Mutti Angela noch ein wenig Erinnerung an ihre Zeit als Physikerin haben, und mal einen Blick auf die realen Zahlen der BRD und der EU werfen, ihr müsste die prinzipielle Unlösbarkeit der Finanzkrise, insbesondere die sozialen Verheerungen der von ihr angetriebenen Austeritätspolitik, sicher schnell einleuchten. Vielleicht hat sie es ja auch, und lässt es uns nur nicht wissen, weil sie noch einen Plan B oder C hat. Nur welchen? Solche von der Art, den die deutsche Führung hatte, nach dem man sich siegessicher vorpreschend in Stalingrad unentrinnbar festgefahren hatte? Warum klammern sich Menschen eigentlich so verzweifelt an die Macht wenn sie sie erst mal gehabt haben, dass sie jede persönliche Vernunft fahren lassen? Wäre es nicht für Gadaffi oder Assad viel vernünftiger gewesen, frühzeitig das Weite zu suchen? Bevor sie, wie Gaddafi, vom wütenden Mob auf einer Stahlstange zu Tode gepfählt werden?

Ob System „M“ wie Merkel, System „B“ wie Berlusconi, „P“ wie Putin oder aktuelle das System „O“ in den USA: Demokratie ist oft mehr Vehikel als Überzeugung, man hebelt sie aus wo man nur kann, und das Glück des Wählers hängt letztlich am glücklichen Händchen des inthronisierten Politadels. Oder an dessen Missgriffen, wie weiland bei Kaiser Wilhelm...ein System „W“ das gar nicht soviel weniger demokratisch war,  wie unsere Demokratien in der heutigen Praxis. Allerdings auch nicht immer ganz so verlogen, weil man nämlich auch nicht die heutigen Standards in die Verfassung schrieb, die hüben wie drüben doch oft nur noch als Fassade gesehen werden. So galt ganz offiziell das „Dreiklassenwahlrecht“, das faktisch die Gewichtung der Wählerstimmen nach deren Steueraufkommen vornahm. Das entsprach natürlich nicht dem heutigen Standard „One (Wo-)Man, One Vote“. Aber durch aus der Realität, die heute durch Lobbyistenverbände im Bund und der EU faktisch ebenso erreicht wird. Ganz zu schweigen von Pseudo-Demokratien wie in Putin-Russland oder dem alternativlosen Zweiparteien „Adels-“System in den USA, dessen grobes Mehrheitswahlrecht den ebenfalls unterm Strich gleichen Effekt für den Bürger hat.Wer hat der hat, und er hat auch was zu sagen.

Und die bekannten Probleme mit den lieben Investoren hatte Wilhelm, nicht lange vor dem ersten Weltkrieg, genauso wie wir heute wieder: „Die Unternehmer und Aktionäre müßten nachgeben, die Arbeiter seien seine Untertanen, für die er zu sorgen habe. Wollten die industriellen Millionäre ihm nicht zu Willen sein, so würde er seine Truppen zurückziehen. Wenn dann die Villen der reichen Besitzer und Direktoren in Brand gesteckt, ihre Gärten zertreten würden, so würden sie schon klein werden!“ (Zitat: Wilhelm II. als er sich weigerte, Soldaten zur Niederschlagung eines Streiks im Ruhrgebiet zu schicken. Nach dem Zeugnis von Otto von Bismarck.).

Solche sozialen Sprüche jedenfalls hat man von unseren Austeritätspolitikern im System „M“ noch nicht gehört. Selbstzweifel sind dort unangebracht: „Das Scheitern der Griechenland-Programme werten viele als Versagen Griechenlands. Bislang haben nur wenige in Betracht gezogen, dass die Programme selbst schuld sein könnten an der gegenwärtigen Misere. Die bisherigen Programme sind daran gescheitert, dass sie auf einer isolierten und dogmatischen Weltsicht basieren, die von der tatsächlichen Funktionsweise der Finanzmärkte abweicht. Sie verlassen sich zur Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit einzig auf den Cashflow - und auf fiskalpolitische Korrekturen.“ schrieb da schon vor längerem die Financial Times ganz zutreffend.

Hat natürlich nichts geholfen am sturen „weiter so“. Mal gibt es Geld, mal Zeit, dann wieder Zeit, dann wieder Geld für die griechischen und letztlich weltweite Banken und Gläubiger. Auch jetzt will Merkel das Spiel so weiter treiben. Erst mal beruhigen, dann vorsichtig andeuten, dass das letzte Paket vielleicht dann doch nicht das wirklich aller, aller letzte gewesen sei, und dann kommt die nächste Charge doch, Salamitaktik nennt man dass, nur, die Salami hat in diesem Falle überhaupt kein Ende. Das weiß „M“ aber anscheinend noch nicht.

Beim Griechen an der Basis kommt von den Unsummen aber nichts an, außer natürlich die lustigen Sparmaßnahmen, die genau diese Renditen für ganz oben „erwirtschaften“ sollen. Von hinten in die Brust ins Auge, kann man da nur sagen. Das System „M“ wie „Milchmädchen“ also. Tatsächlich verbeitet sich in Griechenland bereits der nackte Hunger wie in dritte Welt Ländern: “Griechen plündern in der Not die Bauernhöfe: Ob Pfirsich oder Spaten – auf griechischen Bauernhöfen ist nichts mehr sicher. Die Krise hat die ländlichen Regionen erreicht. Es wird gestohlen, um zu überleben. Bauern tragen plötzlich Waffen.“ berichtet die WELT. „Manche Bauern haben sich bereits zu bewaffneten Selbstverteidigungsgruppen zusammengeschlossen und patrouillieren nachts auf den Feldern...."Wenn wir die Diebe treffen, wird es ernst werden – wir, ehrliche Leute, sind in Gefahr, zu Gewaltverbrechern abgestempelt zu werden, wenn wir das tun, was die Polizei nicht tut, nämlich uns zu schützen." Die Behörden schreiten bislang nicht ein, und berufen sich auf Machtlosigkeit. Eine gefährliche Entwicklung: im städtischen Kontext ist so die militant rechtsextreme "Goldene Morgendämmerung” erstarkt, als Reaktion auf wachsende städtische Kriminalität durch Migranten, aber wohl auch durch verarmende Griechen. In Ungarn ist genau wegen verbreitetem Agrardiebstahl durch arbeitslose Roma die rechtsextreme Partei "Jobbik" samt "Wehrgruppen" zu einem echten Akteur auf der politischen Szene avanciert.“

Es ist genau der Nährboden auf dem ein wahnwitziger Hitler dem eher naiven Wilhelm II., mit etwas historischen Abstand in dem die Vorgängerparteien der Union als auch der SPD sich genauso hilflos mit der Finanzplage herumschlugen, folgte. Und so wird es weiter gehen, der kommende Winter kann nicht nur in Griechenland dann zu einer echten menschlichen Katastrophe eskalieren. Verhindern ließe sich das nur mit sehr unorthodoxen und mutigen Maßnahmen. Machtgeilheit steht denen aber grundsätzlich im Wege, da es hieße den jetzigen Spieß komplett umzudrehen und ihn dorthin zu richten wo das Problem, aber auch die „Big Spenders“ der Parteien, herkommen. Für den  persönlichen Machterhalt daher keine wirklich zu empfehlende Strategie.

Kognitive Dissonanzauflösung“ erscheint da für alle „M's“ schon besser: Der Widerspruch zwischen Verhalten und Einstellung wird heruntergespielt, er wird als „alternativlos“ dargestellt oder auf andere Ursachen zurückgeführt. Oder ganz einfach durch Nichtwahrnehmen, Leugnen oder Abwerten von Informationen sowie Selektive Beschaffung und Interpretation von Dissonanz reduzierenden Informationen aufgelöst. Nicht anders lässt sich verstehen, warum unsere Politikeliten so hirnverbrannt handeln, ohne ihnen dabei kriminelles Verhalten unterstellen zu müssen. Tatsächlich dürfen einem in dieser substantiellen Krise des demokratischen Westens viele Politiker wirklich leid tun. Denn die Dissonanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist brutal und so verheerend wie auch im Sport oder Showbusiness. Wenigen guten Jobs und Aufstiegsplätzen stehen eine Unzahl an Bewerbern gegenüber, und letztlich kämpft jeder gegen jeden um die begehrten Listenplätze, Aufstiegsposten, um Machtgewinn und Machterhalt. Moral und persönlicher Anspruch bleiben da ganz schnell auf der Strecke, entweder du machst mit bei den Methoden die du eigentlich nie wolltest, oder du bleibst auf der Strecke. Abweichler oder „Nestbeschmutzer“ werden ganz schnell weg gebuttert, und sich Sachen schön zu reden, die nicht schön sind, ist dann gern gewählte Ausweg.

Nicht umsonst ist in solchen Umfeldern Drogenmissbrauch kein seltenes Vorkommnis, der letzte Ausweg solche heftigen Dissonanzen zu ertragen. Ende 2000 wurde auf den Bundestagstoiletten Kokain nach gewiesen: „Die Spekulationen über angeblichen Kokain-Konsum im Bundestag sorgen für heftigen Wirbel. Der drogenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hubert Hüppe, bezweifelt nicht, dass Kokain auch im Parlamentsgebäude geschnupft wird. Von Zweifel über Empörung bis hin zu Gelassenheit reichen die Reaktionen von Politikern auf einen Bericht des Senders Sat.1. Darin war behauptet worden, dass in 22 von 28 untersuchten Toiletten des Berliner Reichstagsgebäudes Spuren von Kokain gefunden worden seien. Der Unionspolitiker Hubert Hüppe sagte der Berliner Tageszeitung "BZ": "Wir im Bundestag sind auch keine besseren oder schlechteren Menschen als alle anderen. Wer glaubt, dass von den 650 Abgeordneten nicht der eine oder andere auch mal dazu kommt, Drogen zu nehmen, ist naiv." Seiner Ansicht nach sind die Parlamentarier sogar besonders gefährdet, weil sie "ständig fit" sein müssten und die meisten weg von Zuhause und dadurch relativ isoliert seien.“.

Anschließend war die Dissonanzauflösung natürlich genauso, wie wir es aktuelle aus dem Radsport kennen: Leugnen („Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels, nannte die Aktion "fragwürdig und unseriös". Er habe wohl dem Zweck gegolten, sinkende Einschaltquoten anzuheben. Die Bundestagspressestelle sagte, es stelle sich die Frage, ob der Bericht "auf einer seriösen Grundlage basiert". “), verharmlosen und anderen in die Schuhe schieben ( „"Es ist unglaublich, was in diesem Bericht behauptet wird", sagte Hotter [Parlamentspressesprecher]. Im Reichstagsgebäude hielten sich täglich viele Menschen auf. "Es ist nicht feststellbar, ob sich darunter auch Verbraucher von Rauschgift befinden."), und dann alles wieder der Vergessenheit (Hotter: „Die Toiletten, "in denen die Kokainspuren angeblich gefunden wurden", würden täglich gereinigt - im Falle erhöhter Inanspruchnahme auch zweimal.“) anheim geben.

Witzig auch: „...In der Debatte um angebliche Kokain-Funde in Bundestags-Toiletten haben die Grünen Verdächtigungen aus der CSU scharf zurückgewiesen. "Ich bin extrem empört", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katrin Göring-Eckardt, am Freitag im ORB zu Äußerungen des CSU-Rechtsexperten Wolfgang Zeitlmann. Dieser hatte in einem Radiodienst die Grünen verdächtigt: "Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die Schuldigen dort sitzen, wo Befürworter einer offenen Drogenpolitik sind." Schließlich sei es erklärtes Ziel von Rot-Grün, die Drogenpolitik zu verändern. ...Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck sagte: "Herr Zeitlmann muss bei dieser Aussage wohl gewaltig einen über den Durst getrunken haben." Göring-Eckardt meinte, sie schenke dem Bericht des Senders Sat 1 nicht allzuviel Glauben. Alkohol sei im Bundestag unter Abgeordneten und Mitarbeitern "sehr viel gefährlicher". ….Gleichzeitig kritisierte Thierse den Bericht des Sat 1-Magazins "Akte 2000" über Kokain im Parlament als "Toilettenschnüffelei". ...Das zunächst für Freitag angekündigte Gutachten über die Kokainfunde in Reichstagstoiletten verzögert sich derweil bis kommende Woche. Der mit der Untersuchung befasste Professor Fritz Sörgel sagte, er wolle über das Wochenende noch einige Experimente machen. Er wolle mehrere Szenarien zu der Frage aufstellen, wie das Kokain auf die Toiletten gekommen sein könnte.“



„Schnee“ von gestern? Naja. Wahrscheinlich wird die Toilette vorsorglich inzwischen täglich viermal gewienert. Schließlich schaffen nur wenige rechtzeitig den Absprung aus dem irren Karussel. BM Merz, MP Koch, BP Köhler, um da nur ein paar der bekannten Köpfe zu erwähnen. Einen Kanzler, der/die den Kram rechtzeitig hingeschmissen hätte, hatten wir jedoch noch nicht. Nun ja, vielleicht Willy Brandt, der ging obwohl er nicht wirklich musste, aber sich die Dissonanz mit seinen innerparteilichen Kritiker nicht weiter zumuten wollte.

Merkel wird sicher bleiben, so wie Kohl, der gut daran getan hätte auf dem Höhepunkt seiner Macht und Anerkennung, auf seine letzte Wiederwahl zu verzichten. So machte er weiter bis ihm Eier an den Kopf flogen, die Wahl 98 verloren ging, man hatte ihn nach 16 Jahren so richtig satt, und der ganze Spendensumpf und die Sache mit dem „Ganoven-Ehrenwort“ ihm seine Reputation nachhaltig kaputt machte. Statt eines deutschen Superkanzlers blieb zuletzt der des Gescheiterten im Gedächtnis hängen. Und jetzt kommt auch noch das EURO-Desaster hinterher, aber das kann ihm jetzt eigentlich auch noch egal sein. Aber nicht seiner Bruta, der Abserviererin, „seinem Mädchen“ Angela. Wäre sie weitsichtiger, was den physischen Verlauf der Überschuldungs- und Verteilungskrise angeht, sie würde in 2013 das Zepter einem anderen überlassen. Am bestem dem politischen Gegner, denn dann hätten die den Pechkleister der Geschichte endlich am Bein kleben.

Aber das wird nicht geschehen, denn die EURO-Krise, die keineswegs am kleinen Griechenland hängt, wird sich für sie schneller zuschnüren, als sie sich das gedacht hat. Ein Hilfspaket nach dem nächsten wird sie zu verantworten haben, solange bis es auch dem deutschen Haushalt an den Kragen geht, und ihr kein Wähler mehr auch nur noch die Uhrzeit glaubt. Und ob diese Uhrzeit nach den Herbstwahlen 2013 liegt, ist noch äußerst fraglich. Die ganze Welt, die finanzielle und die politische, starrt zur Zeit auf die US-Wahl am 6. November 2011, so wie das Kaninchen in der Grube auf die züngelnde Schlange. Die israelische Armee wartet mit warmlaufenden Motoren auf diesen Tag, die Wall Street sowieso, und die USA setzen massiv die Europäische Finanzpolitik unter Druck, die Wirtschaft bis dato wieder halbwegs ans Laufen zu bringen. Ob Psychologie aber alleine ausreicht die Märkte solange im Zaume zu halten, ist keineswegs sicher. Trotz meist gegenteiliger Behauptungen: nackte Zahlen zählen, zumindest mittelfristig, dort erheblich mehr.

Die sind gar nicht so beruhigend, inzwischen sogar bei den weltweit einsam an der Spitze liegende Exportüberschussländern: China und Deutschland. Die enorme Exportabhängigkeit schlägt mit einiger Verspätung nun zu. Wenn die Abnehmer reihenweise klamm werden, dann kann man die vollen Auftragsbücher nämlich knicken. Und das deutet sich seit Jahresmitte, in beiden Ländern, auch zunehmend an. Wann die völlig überschuldeten Währungen Dollar und Euro kollabieren, ist schwierig vorher zu sagen. Letztlich deswegen, weil dies in der Tat auch etwas mit Psychologie zu tun hat. Denn die Geldüberweisungen an die Banken als gerade auch die Sparprogramme der Staaten entziehen der Masse effektiv Kaufkraft. Das drückt auf die Preise und führt zunächst eher zur Deflation. Erst wen der Markt so nervös wird, dass zunächst Investoren als dann auch Otto-Normal-Verbraucher massiv dazu übergehen, ihre bunten Papierchen in etwas Brauchbares zu verwandeln, dann erst gehen die Preis hoch. Beim Investment in Immobilien ist dies jetzt auch schon in der BRD zu beobachten, hier ziehen die Preise nicht nur in den Städten, sondern inzwischen auch in der Provinz an. Was sich natürlich auch auf die Mieten niederschlagen wird, und damit Investment bedingt der Masse wieder Kaufkraft entzieht. Das wirkt einer allgemeinen Inflation wiederum entgegen, ist allerdings typisch für einen metastabilen Zustand. Oben entwickelt sich eine Investmentblase, unten macht sich entsprechend spiegelbildlich der soziale Druck breit.


Bis das Fass dann endlich überläuft. Finanztechnisch ist das dann der Fall, wenn die Bürger ihre Ersparnisse auflösen und in die Geschäfte tragen. Die können dann gar nicht so schnell liefern, wie es gefordert wird und die Preise schnellen nach oben. Trotzdem reißt der Käuferdrang nicht ab, was wiederum die Preise weiter befeuert. Endlich dann kommt der Schlussakt, wenn auch die Verkäufer dem ungebremst anströmenden geld nicht mehr trauen, und es zur teilweisen oder gänzlichen Handelsverweigerung kommt.

Dann wird die Sache doppelt-exponentiell und die Hyperinflation ist im Anmarsch. Seit langem gibt es schon ein statistisches Modell (Sornette, Takayasu and Zhou – model), dass solche Hyperinflationen abschätzen kann. Für vergangene Ereignisse trifft dieses Modell im allgemeinen ganz gut zu. Russische Wissenschaftler (Akaev et al.) haben anhand dieses statistischen Verfahrens nun den finanziellen „Weltuntergang“ auf den 17.12.2012 berechnet. Oder genauer gesagt, den Beginn der gefürchteten Stagflation in den USA, und damit der Welt.

Nun, auf Montag den 17. würde ich mich nicht unbedingt festlegen wollen, allerdings hat der Schweizer Sornette mit seinen statistisch ausgefuchsten Vorhersagen schon öfters richtig gelegen, vielleicht nun auch Akaev et al.? Der Vorteil solcher Statistiken liegt darin, dass sie sich nicht mit den Details herum schlagen, sondern nur die effektive Phänomenologie betrachten. Verblüffender Weise käme der Zeitpunkt etwa 6 Wochen nach der US-Wahl und mitten im Weihnachtsgeschäft zustande, was in der Tat logisch einiges für sich hat. Oder eben auch etwas früher oder später, jedenfalls dürfte etwa um den kommenden Jahreswechsel herum das Ende der Fahnenstange so ziemlich erreicht sein, sofern man nicht massiv mit unorthodoxen Methoden gegensteuert: Also das Geld vehement nach Unten statt nach Oben pumpt.

Aber wer glaubt schon an den Weihnachtsmann.

Donnerstag, 23. August 2012

Economic Engineering



Dear Blogreader and Economist,

I have made an English translation of the German book „Makroökonomische Feldtheorie“ for the international reader. It comes also with some advances, especially to the General Field Theory part of it. The working title is „Economic Engineering: General Field Theory on Economic Growth in Substitutional Competition.“ (Books on Demand, Paperback, 192 Pages). The title reflects the fact, that theoretical macro-economy, and especially its practical use, in future macroeconomy will be an engineering like distinct and exact task.

Foreword to the Preprint Version:

The German edition of this book was published in 2011 with the title“Makroökonomische Feldtheorie: Allgemeine Theorie des ökonomischen Wachstums in Substitutionskonkurrenz”, ISBN 978-3-8423-8029-5, BoD, Norderstedt, 2011. The most simplest linearized model was first introduced in literature a little bit earlier in Peetz/Genreith, “Neues Makromodell: Die Grenzen des Wachstums: Finanz- vs. Realwirtschaft,” Die Bank, 3/2011, S. 20-24. An English translation of this article appeared in Peetz/Genreith, “The financial sector and the real economy”, Real-World Economics Review, issue no. 57, 6 September 2011, pp. 40-47.

In the meantime the first Master Thesis using the new theory was delivered at the University of Luzern, Switzerland: S. Basci, “Betrachtung von Wachstumsdynamiken unter Berücksichtigung von sozioökonomischen Entwicklungen am Beispiel der Türkei”, MSc in Banking & Finance, Masterthesis, June 2012. Further academic works are in progress.

Im still working on an approved edition of this fundamental economic book in English language. Producing high quality academic books with layout standards and correct translated language like it is requested by the eminent international academic publishing companies is a very time and cost intensive task. Time that we don't have due to the actualities. Due to the dramatically increasing financial crisis, not just in the EU, but also in the US and mainly most developed countries, I have to publish this somehow raw preprint. Although the maths is on actually high standard, the graphics and the language are not yet finished to standard academic book quality. Especially the graphs have to be redesigned. Although the graphs are partly still with German markers, they are mostly self-explanatory and also provided with detailed english descriptions.

The book's preprint is published to enable international university scientist, which are no German language readers, to use and cite the new theory much earlier. I hope the worldwide much larger community of economists reading english literature will pardon me for my sometimes fragile English. The final (ISBN listet) edition will appear after a lot of fine tuning in later 2012 or 2013. The preprint version can beoffered meanwhile for a much reducedprice of just 17,90 €.

You may order the academic preprint book via BoD or if you like by email directly from me, especially if you need reduced prices for ten books or more.

Dienstag, 14. August 2012

Die Endlösung der Eurofrage


Was für „Lösungen“ entscheidender Fragen sind schon vorgeschlagen worden, absurd, grotesk oder einfach nur dumm, wirklich lösend oder auch nur sozial ausgewogen war so richtig noch keiner. Das betrifft sowohl die Lösung der Finanz-, oder besser Verteilungskrise, noch den langsam aber sicher zum weltweiten Desaster eskalierende Nahostkonflikt. Die jeweils nächsten Ereignisse vorherzusagen ist fast schon langweilig, da leicht absehbar, allerdings auch wenig beruhigend.

In der Eurofrage schießen sich die Parteien zunehmend auf die „Endlösung“, das heißt unbegrenzte Banken- und Staatenrettung und völlige Vergemeinschaftung und Sozialisierung der Schuldenberge ein. Das dies nichts mehr mit kreativer Auslegung des Grundgesetzes zu tun hat, ist den meisten inzwischen auch klar geworden, und so peilt man nun eine Volksabstimmung an, wo der Bürger sein eigenes Todesurteil mit unterschreiben soll: „...Nicht nur Schäuble und Brüderle ahnen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem anstehenden Urteil zu Fiskalpakt und ESM feststellen könnte: Die Grenzen des Grundgesetzes sind erreicht. Weil es aber offizielle Linie fast aller Parteien ist, dass die Antwort auf die Krise "mehr Europa" sein muss, scheint ein Referendum unausweichlich."

"Über was genau das Volk dann abstimmen müsste, und wann es soweit sein könnte, ist derzeit genauso unklar wie der Ausgang. Von einer politischen Union ist bisher vage die Rede, von abgegebener Souveränität, von gemeinsamer Haushaltspolitik. SPD-Kanzlerkandidaten-Bewerber Peer Steinbrück sieht eine Volksabstimmung schon in zwei Jahren kommen, Schäuble spricht von fünf Jahren, die Kanzlerin lässt alles offen....“ Das Problem dabei ist natürlich das, wenn schon die klassische Ökonomie und erst recht die Politik nicht weiß, was sie tun soll geschweige denn was wirklich zu tun wäre, der Wähler im allgemeinen steht da natürlich ebenfalls auf dem falschen Fuß. Und wie sollte man denn die Frage zur Volksabstimmung formulieren? „Wollen Sie mehr Europa?!“ oder besser „Wollen Sie mehr Schulden für die Sie und Ihre Kinder gerade stehen sollen?“. Die beiden beispielhaften Fragen sind im Prinzip gleich, die zu erwartenden Antworten sind dagegen krass unterschiedlich. Das Hauen und Stechen der unterschiedlichen Lobbygruppen alleine um die Formulierung der Volksabstimmung, als dann erst recht die Medienkampagnen im Vorfeld zum kompletten Kopfverdrehen der Wähler, das kann man sich ohne viel Phantasie recht lustig ausmalen. Bei alledem wirkt besonders absurd der naive Glaube, das Zusammenlegen aller Schulden würde irgend etwas am Gesamtschuldenstand ändern. So dumm ist nicht mal „Müller's Lieschen“.

Aber in dem Glauben sind sich die SPD-Grünen mit den Unionsspitzen weitgehend einig. Aberwitzig natürlich Vorschläge wie vom neuen DIW-Chef Fratzscher, der als Lösung den EURO-Sumpf einfach deftig erweitern möchte: „...Der Ökonom Marcel Fratzscher gibt sich gern als überzeugter Europäer. So auch zu seiner Berufung als neuer Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Notenbanker hält es laut "Financial Times Deutschland" ("FTD") für sinnvoll, die Euro-Zone zu erweitern - am liebsten mit allen EU-Staaten. [Fratzscher]...die Ergebnisse des EU-Gipfels von Ende Juni wiesen in die richtige Richtung: "Eine europaweite Bankenunion trägt dazu bei, die Verwerfungen zu beenden." Das DIW-Kuratorium beschloss am Donnerstag erwartungsgemäß, den 41-Jährigen, derzeit noch Abteilungsleiter bei der Europäischen Zentralbank (EZB), zum 1. Februar 2013 an die Institutsspitze zu berufen. ...Eine Rezession in Deutschland erwartet der Ökonom nicht. Die augenblickliche Schwächephase dürfte bereits der Tiefpunkt sein, wenn sich die europäische Krise nicht verschärfe. "Das kommende Jahr dürfte stärker werden als dieses", sagte Fratzscher....“. Nun ja, „hier werden Sie geholfen“...

Sparprogramme, von Merkel und Schäuble favorisiert und teilweise bereits durchgesetzt bringen nichts, denn sie würgen nur das BIP ab, da gerade der Staat mit seiner (im allgemeinen sehr wohl berechtigten) Umverteilung der effektiv größte Arbeitgeber praktisch aller entwickelten Nationen ist. Das die BRD noch nicht eingeknickt ist, liegt speziell an zwei Dingen, erstens an der enormen Exportlastigkeit der Nation und zweitens an dem Fakt, dass gerade Deutschland noch gar nicht mit ernsthafter Sparpolitik begonnen hat. Und stattdessen weiter Schulden, Verpflichtungen und Garantien in seit den frühen 1920er-Jahren ungekanntem Ausmaß anhäuft. Die gleichen kontraproduktiven staatlichen Sparanstrengungen wie im Süden Europas, zu Lasten der Durchschnittsbürger und Schaffenden alleine, will man frühestens nach der nächsten gewonnen Wahl im Herbst 2013 beginnen. Bis dahin soll der deutsche Wahlbürger sich noch sicher fühlen können. Im wahrsten Sinne des Wortes wird er hierzulande „für dumm verkauft“.

Die Gegenposition wird von Hollande aus Frankreich, aber auch von Obama USA vertreten, die im Prinzip lautet: „Wenn die Investmentwahnsinnigen Geld und Anleihen brauchen, dann druckt denen doch gefälligst das Zeugs! Und zwar soviel wie sie brauchen, so what's the problem?“. In der Tat zwar keine langfristig gute Idee, aber eine die für ein paar Jahre durchaus noch gut funktionieren könnte. Die irgendwann fällige Hyperinfaltion richtet die Dinge dann schon wieder... Und zu guter Letzt noch die Idee des DIW-Chefs, die im Prinzip eine weitere Überziehung des naiven Glaubens ist, die Krise läge nicht an zuviel EURO's sondern an zu wenig EURO-Europa. Er hält es „für sinnvoll, die Euro-Zone zu erweitern - am liebsten mit allen EU-Staaten.“. Nun was würde das bringen? In der Tat, man muss es leider zugestehen, kurzfristig einiges. Denn die bislang nicht im EURO-System (öffentlich und privat) überschuldeten EU-Staaten würden dem Fass ohne Boden für ein paar Jahre tatsächlich wieder einen solchen verleihen: Denn dann könnten sich die ungeheure Menge überschüssiger Euro-Anlagen ungehindert in diese neuen Reservoirs ergießen, so lange bis diese ebenfalls komplett vollgelaufen wären und den griechischen oder spanischen Weg antreten dürften.

DIW: Gebt der Spinne frisches Futter!
Eine perfide, aber für ein paar Jahre keineswegs erfolglose Strategie, sofern einem nur das Schicksal der Investorengemeinde näher am Herzen liegt, als das Schicksal der Kinder und Enkel der schaffenden Bevölkerungen. Aber das eint ihn jedenfalls mit unserer aktuellen Politikelite, denen seit einigen Jahren Marktvertrauen weit vor Bürgervertrauen geht. Was alle, letztlich untauglichen Vorschläge eint, ist das Bedürfnis kurzfristig und rücksichtslos die Ansprüche des ausgeuferten Investmentbanking und Bankeneigengeschäftes zu bedienen.

Und dazu pumpt man das Geld mit Banken- und Staatenrettungen in genau den Teil des Finanzgeschäftes, der erst die gewaltigen Probleme geschaffen hat. Und wundert sich anschließend, das jedes Rettungspaket gleich wieder ein neues, noch höheres, impliziert. Um das phänomenologisch zu verstehen, schauen wir nochmal auf die Realdaten der BRD (für die EURO-EU der 17 sieht der Graph fast identisch aus, lediglich die Realwerte sind mit einem Faktor von rund dreieinhalb zu multiplizieren):

Statt das Geld sofort im Investmentbanking zu verbrennen, sollte man damit erst einmal des BIP füttern.
Das Problem bei allen „Vorschlägen“ der Bankenlobby und der auf deren Leimrute klebenden Politiker ist, dass die „Rettungs“-Milliarden faktisch ausschließlich in das Bankeneigengeschäft fließen. Denn das BIP ist längst vollgesogen mit Krediten und kann nicht viel mehr aufnehmen, und jede Rettungsmilliarde impliziert daher einen weiteren Renditeanspruch, der durch das BIP aufgefangen werden muss. Und damit natürlich schon die nächsten Rettungsmilliarden.

Diese Art der „Rettung“ vergrößert somit ständig die volkswirtschaftliche Verschuldung (und damit aber natürlich auch die Vermögen der großen Kapitalbesitzer, die genau aus diesen Schulden bestehen), statt sie zu verringern, wie gerade von naiven Politikern allzu gerne geglaubt wird. Für das Auffangen der ständig selbst neuproduzierten Rettungspakete kann man nun zwei Auffangbecken einrichten: Einerseits ESM/EZB, die faktisch das Geld per Eigenanleihenkauf drucken (“Model Hollande“), oder durch Austeritätspolitik, die es den im BIP Schaffenden aus den arbeitenden Händen greift („Modell Merkel“). Das dritte „Modell Fratzscher“ ist nicht weniger perfide, es vergrößert lediglich temporär das zu plündernde Fass des europäischen Durchschnittsbürgers. Für das BIP und den Wohlstand der Allgemeinheit tragen alle diese Modelle nicht nennenswert bei, im Gegenteil.

Diese Art der Euro-Rettung ist in der Tat genauso sinnvoll, als wenn man bei seinem Auto den Sprit gleich im Auspuff verbrennt, anstatt in erst einmal durch den Motor zu leiten.

Viel Erfolg versprechender sind dagegen die so viel geschmähten Konjunkturpakete. Das bekannteste Beispiel der letzten Krisenzeit ist das deutsche Programm der „Abwrackprämie“ gewesen. Obwohl dessen Volumen, im Vergleich zur aktuellen Bankenrettung, geradezu verschwindend klein war, war ihr Erfolg um viele Größenordnungen höher. Nun, woran liegt das, einerseits das diese Programme so geschmäht werden, und andererseits, dass sie so relativ erfolgreicher sind? So geschmäht werden sie von Politik und Finanz-Lobbyisten deswegen, weil sie natürlich direkt das BIP antreiben, Konsum und Arbeitsplätze erhalten und neu schaffen, aber damit natürlich auch die Preise der Produkte einschließlich der Arbeit (Löhne) treiben, somit endlich also inflationär wirken.

Und damit im Endeffekt den relativen Wert der Vermögen und der damit unmittelbar einhergehenden privaten und öffentlichen(!) Schulden verringern. Würden EZB oder ESM statt Geld für Bankenrettung zu drucken, dieses für allgemeine Konjunkturstützen einsetzen, so könnte dies keinesfalls im Interesse der Finanzlobby sein. Und so wird gegen diese Art der „Endlösung der Eurofrage“ entsprechend scharf geschossen. So was sei „Kommunismus aus der tiefsten DDR-Schublade“ etc. pp., während die inzwischen Billionensubventionierung der Reichsten durch die Masse der Bevölkerung natürlich „völlig alternativlos“ sei. Mit der impliziten Behauptung verknüpft, schließlich hätten die Bürger, bzw. deren selbstgewählte Politiker (und mutmaßliche Versager), ja die Misere alleine zu verantworten und quasi alleine davon profitiert.

Eine komplette Verdrehung der Tatsachen, die eine wie die andere Behauptung, die aber weitgehend akzeptiert wird, nicht nur von der Politik sondern leider auch vom Wahlbürger selbst, der sich mehr oder weniger bereit erklärt hat, sich per Stimmzettel weiterhin zur Weihnachtsgans für wenige zu machen. In Europas Süden ist man da schon etwas weiter.

Hier muss man mal einen Abschnitt zum Thema der Subventionen einflechten. Subventionen waren und sind der größte Teil der EU-Arbeit schon immer gewesen, anfangs waren mehr als 70% des EU-Haushalts alleine Subventionen an die Landwirtschaft. Die Gewichte haben sich etwas geändert, insbesondere durch die Finanzkrise. Faktisch ist sie jetzt zu einem Banken- und Anleihenrettungsfonds geworden, wobei die ursprünglichen BIP-Subventionen langsam zur relativen Marginalie mutieren.

Subventionen haben einen schlechten Ruf, der da lautet „Subventionen sind schlecht, weil sie nur den Markt verzerren...“, und daher nennt man noch lange nicht jede Subvention auch eine Subvention. Subventionen (lat.: subvenire = zur Hilfe kommen) sind aber nicht schlecht WEIL sie den Markt verzerren, sondern sie sind genau DAZU DA, den Markt zu verzerren.

Tatsächlich besteht jedes staatliche Handeln grundsätzlich aus Subventionen für oder gegen irgendwas oder wen. Subventionen, und das sind nichts anderes als das staatliche Umverteilen von Geldern, und damit der komplette Staatshaushalt, ja sie sind sogar das einzige Mittel des Staates um in den Markt als solchen regulierend einzugreifen. „Subventionen“ sind dazu da um den Markt politisch zu beeinflussen, sie sind das einzige zur Verfügung stehende Mittel faktisch wirksamer Politik. Der Umstand dass staatliche Geldeinnahmen (negative Subventionen, Antisubvention) und staatliche Geldausgaben (positive Subventionen) je nach Gutdünken juristisch, politisch oder ökonomisch völlig anders bezeichnet werden, ändert nichts an der Tatsache, das dabei außerhalb des marktwirtschaftlichen Prinzips von Angebot und Nachfrage Gelder umverteilt werden.

So ist Hartz IV natürlich genauso eine Subvention wie die Einrichtung des EFSF oder ESM, oder der Mehrwertssteuernachlass für Hoteliers. Steuern sind Antisubventionen, Steuernachlässe oder Kilometerpauschalen dagegen sind Subventionen. Genauso sind es Subventionen, wie staatliche Ausgaben für Bildungseinrichtungen wie Unis oder Schulen, die nämlich marktwirtschaftlich für die Allgemeinheit niemals in gleicher Weise zugänglich wären. Genauso wie die Ausgaben für Sicherheitsbehörden wie Polizei oder Militär, die privatwirtschaftlich bestenfalls eine Soldateska für einige brutale Warlords darstellen würden. Natürlich nennt man das alles nicht „Subvention“, sondern staatliche „Investition“. Es ist aber genau dasselbe, weil ohne diesen staatlichen (politischen) Eingriff das System auf solidarische Weise nicht funktionieren könnte.

Wirklich schlimm an „Subventionen“ ist lediglich, dass sie ja nach politischer Meinungsbildung völlig unterschiedlich bewertet und bezeichnet werden, als auch oftmals an für das Allgemeinwohl wenig sachdienliche Bedingungen geknüpft sind. So zum Beispiel, dass sie natürlich Lobby abhängig sind, denn wer politisch den größten Einfluss aufbietet, der bekommt auch das meiste davon ab, inklusive einer zugehörigen allgemein wohlklingenden Bezeichnung dafür. Und was fast immer der Fall ist, einmal zugeteilte Subventionen laufen nahezu unbegrenzt: Will man wirklich mal eine abschaffen, so gelingt das wenn überhaupt nur dann, wenn man der Klientelgruppe ersatzweise dafür eine andere Subvention, Verzeihung Investition, zuteilt. So wird, nur zum Beispiel, die MWSt-Begünstigung der Hoteliers im Werte von rund 1,1 Milliarden Euro jährlich, mit Sicherheit nie wieder pauschal abgeschafft, sondern wenn überhaupt durch eine ähnliche Vergünstigung an anderer Stelle kompensiert werden.

Richtig dreist wird es allerdings besonders dann, wen man die staatlichen Subventionen nach oben, so etwa die faktische Steuerbefreiung von Investmentprodukten, als unumgängliche „Investition“ zum Wohle der Allgemeinheit bezeichnet, und die in der Summe geringeren Subventionen für die Abgehängten und Chancenlosen am unteren Ende der Gesellschaft als staatsfeindlichen „Kommunismus“ diffamiert. Diese ideologische Verblendung ist, neben der allgemeinen Unkenntnis über volkswirtschaftliche (Substitutions-) Zusammenhänge, eine der schlimmsten Hemmschuhe für eine gütliche Lösung der Finanz- und Verteilungskrise. Politik und Markt sind in Wahrheit die zwei wesentlichen gegensätzlich wirkenden Kräfte, die man in jedem gut funktionierenden System unbedingt braucht.

Das ist ein Grundprinzip aller Arbeit verrichtender Systeme: Man brauch dazu immer eine gravitative Kraft (hier der freie Markt), die Ungleichheit erzeugt, und eine thermodynamische Kraft (hier die Politik), die versucht wieder Gleichheit herzustellen. Überwiegt einer der beiden Kräfte vollständig, dann kommt das System nach endlicher Zeit zum erliegen: Sei es im Kommunismus, mit zu viel Gleichverteilung (erliegen der Arbeitswilligkeit mangels ökonomischen Antriebs), oder genauso im ungebremsten Kapitalismus mit zu viel Ungleichheit (erliegen der Arbeitsfähigkeit durch effektiven Einkommensverlust der Konsumenten). Das Optimum liegt immer irgendwo zwischen den beiden Extremen.

Kommen wir nun zurück auf die Sache mit den Konjunkturpaketen. Die vergleichsweise hohe Wirksamkeit liegt darin begründet, dass dabei das Geld erst in das BIP eingespeist wird, bevor es nach endlicher Zeit natürlich ebenfalls wieder auf verschiedenen Konten bei den Finanzinstituten landet. So wurde die Abwrackprämie oder Verschrottungsprämie nach dem Erfolg in der BRD von vielen Staaten auch kopiert. Grundsätzlich sind solche Eingriffe am wirkungsvollsten, je tiefer sie in der gesellschaftlichen Hierachie ansetzen. Die Verschrottungsprämie war da etwas zwiespältig, da sie nicht die breite Masse begünstigte, sondern nur eine kleinere Gruppe von relativ gutverdienenden Durchschnittsbürgern, die zufällig gerade noch ein altes Auto (Altauto 9 Jahre oder älter, mind. 1 Jahr auf Halter angemeldet, Kauf eines Jahres- oder Neuwagens mit mindestens Euro 4 Abgasnorm ) besaßen. Somit kamen unter den Konsumenten wirklich Bedürftige gar nicht zum Zuge, und auf der Seite der Produzenten wiederum nur die Autohersteller und Händler, wobei erstere noch lange nicht alle in Deutschland selbst ansässig waren. Und bei den Konsumenten konnten die kassierte 2500 Euro Subvention aufgrund deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen durchaus mit vorhandenem Sparvermögen substituiert werden, was wiederum volkswirtschaftlich kontraproduktiv war. Trotzdem war es im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt ein erstaunlicher Erfolg.

Hätte man stattdessen allerdings die Hartz IV Bezüge pauschal um 100 Euro erhöht, der Erfolg wäre noch durch dringender und auch nachhaltiger gewesen: Denn Hartz IV Bezieher haben keine Vermögen zu substituieren sondern geben ihr Geld zwangsläufig sofort und vollständig in die lokale Wirtschaft. Dabei spielt es auch überhaupt keine Rolle ob sie das Geld „versaufen“, und damit den Arbeitsplatz einer Kellnerin finanzieren, oder das Geld für Lebensmittel aus dem Lidl einsetzen, wo es der Kassiererin „Emmy“ den Job erhält und gar neue schafft. Das Geld zirkuliert dann nämlich komplett durch den Wirtschaftskreislauf, um dann endlich wieder da zu landen, wo alles Geld (bis auf die relativ kleinen Barreserven) landet: Auf den diversen Konten der Banken als Einlage. Das einzige was die Finanzindustrie daran stört: Das Geld braucht ein paar Monate bis es dort liegt, und, durch die Ankurbelung der Wirtschaft steigt das Preisniveau und damit sinkt natürlich der relative Wert ihrer Vermögen. Aber auch der allgemeine Schuldenstand, was man dort erst recht nicht zugeben mag. Umso mehr investiert man daher gerne in Medienkampagnen und der Verbreitung gängiger Klischees, Ideologien und Diffamierungen.

Nun, eine echte Rettung des Euros, in dem Sinne dass er einerseits wertstabil und andererseits förderlich für den allgemeinen Wohlstand sein sollte, ist definitiv nicht mehr möglich. Das hat systemtechnische Gründe, allerdings könnte man die Rückführung des Kapitalkoeffizienten sehr viel sozialverträglicher machen. Statt die Banken direkt zu subventionieren könnte man, nur so als Beispiel, jedem Bundesbürger ungeachtet seines Standes oder Alters, einfach monatlich 100 Euro als Konsumgutschein (mit z.B. 3 Monaten Gültigkeit) zuteilen. Das wären bei ca. 81 Millionen Deutschen also pro Jahr knapp 100 Mrd. Euro. Die würden direkt ins BIP fließen (da sie ausschließlich und direkt nur für Konsum zu verwenden sind) und dieses ebenso um diesen Betrag erhöhen (zumal 100 Mrd. Euro/ 50.000 Euro pro Arbeitsplatz = bis zu 2 Millionen neue Arbeitsplätze bedeuten) und ein nominales Wachstum von fast 4% erzeugen würden. Die Inflation würde natürlich ebenfalls um etwa diesen Wert pendeln, was wiederum die Schuldenstände innerhalb von 10 Jahren um fast 50% reduzieren würde.

Aber natürlich auch die realen Werte der Vermögen entsprechend halbieren und das ideologische Kampfgeheul im Gegenzug dafür locker verzehnfachen würde. Ergo, Aussicht auf etwas mehr ökonomische Vernunft: Null Komma Null. Nun denn, jedenfalls behauptet später nicht, ich hätte es euch nicht gesagt.