Mittwoch, 20. März 2013

Last Man Standing, oder der „Sondereinzelfall“ Zypern

Padautz...erstmals Zwangsabgabe auf allen Konten, dann Rückzug, und nun flüchtet Zypernsregierung auch noch nach Russland: „Die Zypern-Rettung eskaliert, wird zur Machtprobe zwischen Euro-Zone und Inselrepublik. Das Parlament des Landes hat die geplante Konten-Teilenteignung abgelehnt. Gäbe die EU dem nach, machte sie sich erpressbar. Jetzt richten sich alle Hoffnungen auf Russland.“ schreibt der Spiegel heute morgen.


Seit dem Wochenende beobachte ich mit einem gewissen Amüsement die eskalierende Situation die nunmehr vom EU-0,2%Fliegenschiss-BIP-Zypern ausgeht. Natürlich wird und wurde gleich wieder behauptet, Zypern sei ein „Sonderfall“ und natürlich die beabsichtigte Bankenabgabe ein „Einzelfall“ ohne Wiederholungsgefahr. Leiden wir jetzt alle schon unter Demenz? Die Einzel- und Sonderfälle sind in der EU langsam in der Überzahl, genau genommen steht eigentlich nur noch, „last man standing“, die BRD einigermaßen aufrecht. Natürlich ist das winzige Zypern sachlich gesehen unmöglich „systemrelevant“, man könnte es normalerweise mühelos abwickeln und wieder neu aufstellen. Aber es ist andererseits auch der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringen kann. Die anfänglich geforderten Ablasszahlungen von knapp 7% für Kleinsparer und knapp 10% für Große Konten wären da eigentlich ein Klacks gewesen, schließlich, man erinnere sich, beträgt die Mehrwertssteuer ja auch 19% auf alle Produkte z.B. in der BRD. Und, auch Kleinsparer haben in Zypern durch überdurchschnittliche Zinsen in der Vergangenheit ja am dort völlig überblähten Banksystem mitverdient, die Aufregung über läppische 7% bis 10% Verlust, nach dem man das ganze Land quasi versenkt hat, ist also rein rational nicht nachvollziehbar.

Denn insbesondere gilt: Ohne den weiteren tiefen Griff in die Taschen des, nicht nur deutschen, Steuerzahlers wäre der Aderlass bei deutlich unangenehmeren 100% zu taxieren. So dürfte auch Wolfgang Schäuble und seine EU-Kollegen mehrheitlich gedacht haben. Amüsant dabei ist allerdings, wie sehr man die psychologischen Momente unterschätzt hat. Der Stern textet zu diesem Zusammenhang heute ganz richtig: „Schäuble hat erheblichen Anteil an dem Schlamassel. Er war es, der auf einem möglichst hohen Beitrag zyprischer Sparer am Rettungspaket bestanden hatte...aber, nachdem der Sturm der Entrüstung ausgebrochen war, einlenkte und den Schwarzen Peter der Regierung in Nikosia zuschob. ...Schäuble hat wie die anderen Eurofinanzminister dilettantisch kommuniziert und die Lage völlig falsch eingeschätzt, dass der zunächst geforderte finanzielle Aderlass ...Vertrauen zerstört und für Wut und Empörung sorgen wird. Das allerdings ändert nichts daran, dass das Parlament in Nikosia eine irrationale und inakzeptable Entscheidung getroffen hat [nicht eine einzige Ja-Stimme zum Paket!]. ...“.

Die Situation die jetzt entstanden ist, ist komplex und von taktischen und strategischen Überlegungen etlicher Mitspieler geprägt, die sich im typischen Gefangenendilemma befinden. Kooperieren, oder taktieren, gemeinsam die Suppe auslöffeln, oder darauf zählen das die anderen gar nicht anders können, als die versaute Brühe zu schlucken? Nun, wer sind die Spieler hier? Klar, der deutsche Michel, die EU, die Arbeitnehmer und Sparer, die Banken, mehr oder weniger korrupte Politiker in Zypern, aber damit verbunden genau solche auch in Griechenland und Russland, als auch die Oligarchen in diesen Ländern die ihre meist an Steuer und Legalität vorbei lavierten Milliarden in Zypern verbunkert haben. So schreibt der Spiegel: „Indem er [Anastasiades] die Abstimmung bereits vor Beginn der Debatte für verloren erklärte, schickte er ein unmissverständliches Signal an die Abgeordneten: sagt ruhig nein.. ...Will die Euro-Gruppe ihre Glaubwürdigkeit bewahren, darf sie auf dieses Spiel nicht eingehen. Denn wenn die zyprische Politik in dieser Woche eines deutlich gemacht hat, dann dieses: Es geht ihr nicht um die armen Kleinsparer....Es geht ihr darum, das bequeme Geschäftsmodell der Insel als Niedrigsteuerparadies und Offshore-Finanzplatz aufrecht zu erhalten...“.

FOCUS Online veröffentlichte heute ein lesenswertes Interview mit dem griechischen Journalisten Vasilis Bonios dazu: „...Die Tatsache, dass die zyprischen Banken seit Jahrzehnten ein Zufluchtsort für Schwarzgeld sind, ist bekannt. Viele dieser Gelder stammen aus Schmiergeldzahlungen für staatliche Waffenkäufe. Es gibt Drogengelder, Erlöse aus Zigarettenschmuggel....Es hat sich ein kompletter Industriezweig entwickelt. Rechtsanwaltsfirmen haben sich Geldwäsche und die Gründung von Briefkastenfirmen spezialisiert. …. Wolfgang Schäuble spricht über die griechischen Oligarchen und hat Recht. Aber weder er noch die Troika machen irgendetwas in eine Richtung, die diese Menschen von der Macht und den Futtertöpfen entfernen würde. Die Troika kappt dagegen Löhne, Gehälter und Renten oder... die Konten der einfachen Bürger. Gleichzeitig wird hingenommen, dass prominente Politiker der konservativen Parteien Griechenlands mehr und mehr nazifreundliche Ansichten verbreiten....Warum geht dagegen niemand in Europa vor?... Hier [Griechenland] scheiterte das Memorandum wegen der bereits angesprochenen Oligarchen und ...[weil]... All diese Parteien sind faul und korrupt. ….Einen großen Anteil am Elend des Landes hat auch die Verstrickung vieler Justizangestellter mit den griechischen Oligarchen. Entweder kaufen die sich ein passendes Urteil oder sie sorgen für eine jahrelange Verschleppung, bis die Verjährungsfrist eingetreten ist....Wenn die Zyprer das Memorandum im Juni [2012] angenommen hätten, wären die Probleme nun geringer. Aber das hätte bedeutet, dass die zyprischen Banken von der Troika streng unter die Lupe genommen worden wären. Dabei wäre man auf die Konten der korrupten griechischen Politiker gestoßen.…“.

Ob Cayman-Inseln oder Zypern, wer die Finger an die Konten legt macht ein riesiges Fass von Korruption, Macht, Gier und menschlichen und wirtschaftlichen Abgründen auf. Die übelst stinkenden und bislang gut verdeckten Löcher in Europas sinkendem Schiff werden dabei zwangsläufig offen gelegt. Und weder in Zypern noch im Norden von Europa kann es den politischen Führern daran gelegen sein, solche Räuberhöhlen allgemein erkennbar zu machen. Was wir in den nächsten Tagen und Wochen erleben werden, ist ein für jeden politischen Beobachter höchst amüsantes Spiel mit Macht und Feuer aller Beteiligten. Amüsant ist dabei weniger das absehbare Ergebnis, das in Wahrheit keineswegs alleine an Zypern hängt sondern lediglich am bereits überrandvollen EU-Finanzfass liegt, als das durchsichtige Verhalten aller Knallchargen in diesem Boulevardstück.

Es wird nun wie in einem Millowitsch-Theatherstück werden, wo fünf Freier um dieselbe Holde herumscharwenzeln, dabei alle lügen, betrügen und gegenseitig intrigrieren, bis dann am Ende allesamt in irgendwelchen Schränken des Zimmers versteckt sind und es zum Schluss zum absehbaren Aufeinandertreffen der Kontrahenten und der Auflösung zustrebt. Während solche Farcen im Theater meist glücklich enden, wird es auf der großen Bühne wohl eher nicht so sein.


„Last Man Standing“, eine Komödiantische Farce im Volkstheater Europium. 

Als da wären die Mitspieler der Komödie:

Die „Bösen“: 

*Der Dreiste Felix (Darsteller: die Banker)

*Zippi, der Lustige Idiot (Darsteller: Zypern)

*Zuhälter Dimitri Spackos ( Darsteller: Griechenland)

*Schweinehändler Putiniov ( Darsteller: Russland)

*Berni Nanke, Krösus (Darsteller: täglich wechselnd: USA, ISR, TRK, CHN u.v.a.)

Die „Guten“: 

*Der liebe Wolfgang (Darsteller: Deutschland)

*Oma Eumelia (Darsteller: der besorgte Sparer)

*Der Kleine Michel (Darsteller: das ist der, der immer die Drecksarbeit tun muss, N.N.)

*Emil, der reiche Onkel (Darsteller: Die großen Europäer)

*Seine Frau Zicke (Darsteller: Der EURO)

*Ihr uneheliches Kind Eäsemma (Darsteller: Die Europäische Idee)

Buch, Sprecher und Soufleur: Die Europäische Idee.

Eintrittspreise: 

Erwachsene: Ihre Ersparnisse

Jugendliche: Ihre Arbeitsplätze

Geldadelige, Amtsträger und sonstige Behinderte: Sie erhalten bei uns selbstverständlich(*) angemessene Rabatte.

(*) nur in Absprache bei Vorlage eines gültigen Kontoauszuges angemessener Höhe!

Zur Freude des erlauchten Publikums erlauben wir uns Ihnen derweil schon einen kleinen Einblick in unser Theaterstück zu geben: 

Oma Eumelia:„...Zu Anfang der Woche kamen Menschen auf Zypern noch an ihr Geld aus dem Automaten...Die Geldautomaten der zyprischen Banken in Griechenland waren da schon leer. ..Offenbar zweifeln viele Bankkunden an der Zusicherung des Finanzministers Yannis Stournaras: Er wiederholte seit der vorläufigen Einigung auf das Zypern-Paket am Wochenende ständig, dass in Griechenland geführte Konten keinesfalls angetastet würden. ...“

Ja, Oma ist nervös. Wird sie damit etwa alle Guten und Bösen anstecken? Am Ende noch Zicke schaden? Wir sind gespannt.

Schweinehändler Putiniov: „....Auf Zypern, aber auch in Griechenland wurden jüngst umfangreiche Vorkommen fossiler Brennstoffe entdeckt. An die möchten die europäischen Investoren, aber vor allem die Deutschen möglichst günstig ran…“.

Wer wird pfiffiger sein in unserem Stück? Schweinehändler Putiniov oder der liebe Wolfgang, oder doch ein ganz Anderer?

Emil, der reiche Onkel: „...Nun sind die Zyprer in einer Lage, in der jede Entscheidung falsch ist. Stimmen sie für den Haircut, dann sind die Anleger weg, stimmen sie dagegen, wird es wegen des aktuellen Aufruhrs kaum besser sein...“.

Ach, der Emil, immer hat er was zu bedenken. Wird er eine überraschende, ja lustige Wendung finden?

Wenn da nicht noch seine Frau Zicke wäre: „Nachdem das Parlament in Zypern das Rettungspaket abgelehnt hat, ist der Euro weiter unter Druck. So schwach war die Gemeinschaftswährung seit drei Monaten nicht mehr. “.

So ist sie, immer muss sie sich irgendwo systemrelevant machen. Wird Emil sich also scheiden lassen oder mit Zicke sein Leben beenden wollen?

Und welche Rolle spielt das uneheliche Kind Eäsemma? „Die Europäische Union als Institution und ihre wichtigsten Vertreter verspielen ein Kapital, das mehr wert ist als all die Milliarden, die zur Rettung Zyperns, Griechenlands, Spaniens, Portugals und Irlands draufgehen: Glaubwürdigkeit. Die Europäische Idee verliert Anhänger, das Vertrauen in die Akteure schwindet, gleichsam wachsen Politikverdrossenheit, Argwohn und sogar Hass.“.

Wird sich Emil also am Ende gegen seine Frau und doch für sein Kind aus erster Ehe entscheiden?

Aber da ist noch der kleine Michel, wie wird er in das Spiel der Großen eingreifen? „...hat die Entscheidung zur Folge, dass Arbeitnehmer und Rentner um einen Teil ihrer spärlichen Rücklagen gebracht werden. Und für viele Griechen, die ihre paar Euro in Zypern angelegt hatten, kommt jetzt zum Arbeitsplatzverlust oder zur Rentenkürzung noch eine Teilenteignung hinzu. Ein Skandal, der Wut potenziert.“.

Ja, Wut hat er, der Kleine, der goldige! Wird es ihm oder wem sonst nützen? Seien Sie gespannt!

Onkel Wolfgang sieht die Sache entspannt: „"Wir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die heutige Entscheidung auf Zypern keine negativen Auswirkungen auf den Rest der Eurozone haben wird," erklärte Schäuble in einer Mitteilung. "Das Angebot der Eurogruppe eines Programms, das neben den finanziellen Hilfen auch Strukturreformen, eine Verbesserung der Einnahmen des Staates, die Bekämpfung der Geldwäsche und anderes mehr vorsieht, bleibt auf dem Tisch", hob der Finanzminister hervor.“.

Ja der liebe Wolfgang, wird er am Ende Zicke, seine heimliche Liebe, ehelichen können? Lieb ist er ja, aber manchmal halt auch ein bisschen naiv. Oder steht er am Ende ohne Hemd und Hose da?

Aber davor stehen noch einige Hindernisse. Natürlich der dreiste Felix, der unverständlicherweise so unter Feuer steht: „Werden die Manager der Bank of Cyprus und der Laiki Bank, die eine Summe so hoch wie die jährliche Wirtschaftsleistung Zyperns verspielten, etwa bestraft? Sitzen die zyprischen Zentralbanker, die keinen Finger rührten, um die Banken pflichtgemäß zu kontrollieren, nun im Gefängnis? Es wird Zeit, ein Finanzsystem zu ändern, das es Spekulanten erlaubt, ungestraft ganze Volkswirtschaften ins Verderben zu stürzen.“.

Kann Felix sich bessern? Kann er das Rennen machen? Oder werfen ihn die Mitspieler von der Bühne? Ein Schenkelklopfer verpreche ich Ihnen...

Zur Auflockerung des Abends wird unser lustiger Clown Zippi sie zu Begeisterungstürmen hinreißen: „Zypern versucht am Tag nach der Ablehnung der EU-Hilfe, den Crash zu verhindern. Die orthodoxe Kirche stellt dem Staat ihr gesamtes Vermögen zur Verfügung. Außerdem will die Regierung an die Rücklagen für die Renten.“.

Oh Mann, so lustige Einfälle hat er dauernd, Sie werden begeistert sein!

Um die Spannung auf den Höhepunkt des vergnüglichen Abends zu bringen, haben wir natürlich noch unberechenbare Schurken anzubieten. So Dimitri Spackos: „[Die Troika] reiste unlängst ohne Einigung wieder aus Athen ab, nachdem es bei einigen wichtigen Anliegen ernsthafte Unstimmigkeiten mit der Regierung gab. ...Besonders umstritten sind die „Arbeitsreserve im öffentlichen Dienst“ (ein Euphemismus für die Entlassung von Beamten) sowie der Fahrplan für die Privatisierung von Staatseigentum und die Bankenrekapitalisierung. Innerhalb kurzer Zeit traten der Präsident der Privatisierungsagentur sowie der Chef des Bankenrekapitalisierungsfonds zurück. Ersterer zog sich nach eigener Aussage aus „ethischen Gründen“ zurück, weil gegen ihn ein Gerichtsverfahren eröffnet wurde, in dem es um umstrittene Investitionen eines Staatsbetriebes ging, dessen Vorstandsvorsitzender er war.““.

Naja, ein zwielichtiger Zeitgenosse. Überall hat er die Finger drin und sauber sind sie nur selten. Wird er seine Hände in Unschuld waschen können? Oder fliegt ihm der ganze Dreck um die Ohren?

Hoffen darf er vielleicht zum Schluss auch auf Leute wie Berni, der Krösus der immer irgendwo in der Welt unterwegs ist, überall und nirgendwo, globalisiert und ohne wirkliche Heimat. Aber Geld hat er immer wenn auch meist nur Selbstgedrucktes. Aber das wissen die anderen eben nicht, und das macht die Sache so lustig.


Wird der liebe Wolfgang seine Zicke kriegen? Oder bricht im Tohuwabohu am Ende die ganze Bühne ein und begräbt den Sufleur unter sich? Wir werden sehen, das Ende wird noch nicht verraten. Wenn es auch nahe liegt...

Also ich wünsche Uns ein vergnüglich Stück Volksbühne!

(...Ach bevor ich es vergesse. Da es ein Volkstheater ist, sind sie leider gezwungen zu kommen, und...ähem...natürlich den Eintritt zu bezahlen.

Vergelts Gott! )

Samstag, 2. März 2013

Fracking und die Spur des Geldes

Wenn man sich über manche Dinge wundert und die Fakten nicht so recht zusammen passen möchten, dann ist es im allgemeinen recht hilfreich, die „Spur des Geldes“ zu verfolgen. Ein so ein Ding ist das sogenannte „Fracking“. Fracking ist in aller Munde und nun will auch die Bundesregierung ein erstes Gesetz durchwinken, dass diese umstrittene Öl- und Gasfördermethode auch in Deutschland ermöglichen soll.

Fracking-Prinzip : http://en.wikipedia.org/wiki/Hydraulic_fracturing

So schreibt Die Welt : „Das Eine-Billion-Euro-Geschäft mit dem Fracking...Zwischen 700 und 2300 Milliarden Kubikmeter groß soll das Potenzial in Schiefergaslagerstätten in Deutschland sein. Zum Vergleich: Derzeit liegt der Jahresverbrauch deutscher Haushalte und Unternehmen von Erdgas bei 92 Milliarden Kubikmetern. ...Diese gigantische Menge an Schiefergas hätte heute einen Wert von mehr als 1000 Milliarden Euro. Der Haken daran: Dieses Erdgas kann nur mit der umstrittenen Methode des Fracking aus dem Boden geholt werden....Mit solchen Milliardenzahlen macht die deutsche Erdgasindustrie derzeit Stimmung für das Fracking. "Mehrere Hundert Milliarden Euro an Wertschöpfung sind für Deutschland möglich und auch hohe Steuereinnahmen", sagte Gernot Kalkoffen, der Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung, in Hamburg...Das Problem für die Industrie ist nur: Vergangenes Jahr haben die Behörden in Deutschland keine einzige Bohrung für das Fracking zugelassen. ... Deshalb begrüßen wir [Die Unternehmen; Exxon,RWE Dea, EWE und VNG], dass die Bundesregierung nun mit einem Gesetz die Rahmenbedingungen festlegen will", sagte Kalkoffen. Die Vorschläge von Bundesumweltminister Peter Altmaier seien "eine gute Basis und ein Schritt in die richtige Richtung". .. der Verweis auf die USA, wo Fracking und Schiefergas den Erdgaspreis um ein Vielfaches verringert haben, wird Kritiker kaum überzeugen.“.
Ach, was waren das für Zeiten. Bohrstelle 1989 KTB / Petrodata AG. Oben Bohrtisch, unten Führerstand und Preventer.

Die Hype kommt mal wieder aus den USA. Zwei Dinge stoßen einem dabei, neben der erheblichen Umweltproblematik, zunächst auf: Erstens soll es vom Fracking-Gas angeblich „unendlich“ viel, und noch verwunderlicher, auch noch super billig geben. Wer die Prospektions-Szene aber ein bisschen näher kennt weiß, dass die Fracking-Methode weder besonders neu noch besonders billig ist. Die Methode wurde nämlich bereits in den 1940er-Jahren erfunden und dass sie aktuell mit großer Vehemenz erneut ins Gedächtnis gerufen werden muss, hängt eben damit zusammen dass sie ganz und gar nicht billig ist und eigentlich mangels Masse auch nicht gerade rentabel. Während man an einer normalen Bohrstelle gerade mal ein Loch bohrt, und dann ein riesiges Ventil (Preventer) drauf setzt, damit einem die ganze Soße nicht entgegen geflogen kommt, ist man beim Fracking dazu gezwungen genau umgekehrt vorzugehen: Man bohrt etliche Löcher, wenigstens so um die sechs, verteilt über ein oder zwei Quadratkilometer, und pumpt unter hohem Druck teils sehr giftige Flüssigkeit ins Gestein um dort das eingeschlossene Gas oder Öl frei zu bekommen und ein paar Tropfen heraus zu quetschen.

Die giftige Hydraulikflüssigkeit ist danach noch stärker verunreinigt als sie vorher schon war und muss schließlich entsorgt werden. Wobei „ent-Sorgen“ der übliche Euphemismus dafür ist, dass irgendwo entweder reichlich teure Reinigungsverfahren angewendet werden müssen, oder meist, das Zeugs einfach irgendwo hin gekippt wird, also „aus den Augen aus dem Sinn“. Tatsächlich pumpt man es in den USA am liebsten dann wieder ins ausgelutschte und zerrüttete Gestein zurück, wo es bis zum Sankt Nimmerleinstag bleiben soll. Aber eben meistens leider nicht tut, sondern sich einschließlich des Restgases nach oben ins Grundwasser schleicht. Selbst unter Ausschluss dieser Umweltzerstörungen, deren Kosten man erst mal aufschiebt, um sie irgendwann natürlich dem Steuerzahler aufs Auge zu drücken, kommt solcher Bohraufwand locker um den Faktor 10 höher als bei konventionellem Gas. Wie man da also überhaupt nur rentabel fördern soll, geschweige denn den so gewonnenen Brennstoff billiger anbieten kann, dass ist und bleibt dem Fachmann ein heiliges Rätsel.

Umso erstaunlicher, dass in den USA in letzter Zeit der Gaspreis um 80% fiel, angeblich genau wegen der vermehrten Anwendung dieses Verfahrens. Mehr noch, angeblich würde man in absehbarer Zeit vom größten Gas- und Ölimporteur zum größten Exporteur aufsteigen können. Welch eine Marktschreierei, viel zu schön um wahr zu sein. Zu schön um es nicht gleich glauben zu wollen, zu verlockend um nicht gleich in das Geschäft einzusteigen...Wohlstand und Energie für Alle, da darf auch die BRD nicht lange zögern. Wie alle Märchen hat das vermutlich natürlich versteckte Haken, und am Ende der ausgelegten Brotkrumen lauern nicht etwa fette Lebkuchen, sondern eine hinterlistige Hexe.

Natürlich, des Rätsels Lösung hat etwas mit Geld zu tun, aber in der Tat nicht auf Anhieb leicht zu durchschauen. Der WDR-Wirtschaftsredakteur Jürgen Döschner hat das sehr schön recherchiert. So ist der aktuelle Gaspreis den die Firmen in den USA anbieten nur als eine geschickte Mischkalkulation zu erklären. Einerseits führt das erhöhte Angebot natürlich zu einem Preisrückgang, was die Gewinne und die Attraktivität des Frackings sogar noch weiter schmälert. Tatsächlich macht man mit Fracking selbst nur Verluste.

Die monetäre Lücke wird ganz anders gefüllt. Denn die aktuellen Gewinne für die US-Multis kommen aus einer ganz unvermuteten Ecke: Dem Aktien-, Anleihen und Derivatehandel, wer hätte es gedacht. Für ihr Rating brauchen die Multis nämlich den Nachweis von selbst erschlossenen Ressourcen, denn wer mehr verkauft als er nachhaltig aus seinen Reserven schöpfen kann, der verliert sein Rating. Hat er mehr als er fördern kann, dann steigt sein Rating dagegen und der Wert seiner Papiere stetig an. Das man die Frackingressource in der Bilanz überhaupt aufführen darf, das wiederum gilt in den USA aber erst seit 2010. Und, Oh welches Wunder, seitdem haben wir die Fracking-Hype. Wobei es für die Multis natürlich zusätzlich von größtem Interesse ist, die vermuteten Ressourcen gewaltig nach oben zu interpolieren. Denn je mehr man „vermutet“, desto dicker sind die Gewinne im Papiergeschäft. Und da macht es für die Multis überhaupt nichts aus, wenn sie ein paar Jahre lang Milliardenverluste mit dem Fracking machen.

Und dabei ist eigentlich, neben den schieren Kosten, auch letztere „Vermutung“ äusserst fraglich: zwar ist im Moment Niemandem wirklich klar, wieviel aus dem Untergrund per brute force tatsächlich noch heraus zu cracken ist, aber es ist weit weniger als suggeriert. Schließlich macht man nichts anderes als aus einem fast schon trockenen Schwamm den letzten Tropfen heraus zu wringen. Jürgen Döschner: „Schiefergas ist also nichts anderes als eine Überlebenshilfe für die Dinosaurier des ausgehenden Ölzeitalters. Ihr eigenes Ende werden sie damit vielleicht ein wenig hinauszögern. Der Traum vom billigen Gas im überfluss wird auch in den USA jedoch bald ausgeträumt sein. Was bleibt sind zerstörte Landschaften und gigantische ökologische Zeitbomben im Untergrund. Noch haben wir die Chance, dies bei uns zu verhindern“.

Nun ja, es wird in Deutschland am Ende wie mit jeder US-Blase am Markt sein, man springt auf den angebotenen Zug aus Übersee auf um vermeintlich auch noch was vom Supergeschäft ab zu bekommen. Und am Ende bleibt man wieder auf einem Berg von „Ölsandzertifikaten“ und einem zerütteten Untergrund sitzen, so wie man es bei den Subprimes auch geschafft hat. Und genauso wird wieder keiner „gewusst“ haben, was doch absehbar ist. Und die Jenigen, die kräftig verdient haben werden dann längst über alle Berge sein, während Die, die zahlen müssen, wieder in die leeren Rohre schauen werden.

( Den Radio-Podcast zur WDR-Sendung kann man sich anhören unter –WDR 5,Fracking-Chance oder Gefahr? )