Dienstag, 23. Juli 2013

World War D - oder die Außerirdischen von Detroit

Haben Sie den aktuellen Science-Fiction Film „World War Z“ gesehen? Also Z für Zombies. Ja, der mit Brad Pitt, der die Welt wieder selbstlos unter Mitwirkung der tollkühnen US-Marines vor den Zombies rettet.

Nicht alles was wie SciFi aussieht ist auch Science-Fiction; Zitat Wikipedia : “Science-Fiction ist ein Genre das den Einzelnen, die Gesellschaft oder die Umwelt in zeitlich, räumlich oder historisch oft radikal alternativen Konstellationen betrachtet. Science-Fiction entwirft Konstellationen des Möglichen, beschreibt deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Menschen. Sie reichert reale wissenschaftliche und technische Möglichkeiten mit fiktionalen Spekulationen an. Der Ursprung der Science-Fiction fällt zusammen mit dem Ursprung der durch die technologische Nutzung konstituierten Moderne und deren spezifischen Wissenschaftsglauben. In der Wissenschaft und der Technik wurde (und wird) das Heil der Menschen gesehen. Parallel zum Wissenschaftsglauben entsteht im 19. Jh. auch die Wissenschafts- und Technikangst. Diese Ambivalenz prägt die Science-Fiction, die sich der Beschreibung der Auswirkungen der Technik auf den Menschen und der utopisch-futurologischen Extrapolation ihrer Auswirkungen besonders verschrieben hat. Der Begriff der Science-Fiction ist nicht über den Handlungsort definiert: Das heißt, dass eine Geschichte nicht unbedingt in die Gattung Science-Fiction gehört, nur weil sie in der Zukunft oder im Weltall spielt. Das beste Beispiel hierfür ist wohl Star Wars, ein klassisches Märchen an einem Schauplatz, den viele Menschen mit Science-Fiction verbinden würden. Dem entgegen kann Science-Fiction zumindest im Ansatz darüber definiert werden, ein Bild unserer Möglichkeiten zu zeigen und so die Konsequenzen unseres Handelns klar zu machen. Damit hat „klassische“ Science-Fiction einen eindeutigen aufklärenden Anspruch.“


Die US-Vermögen=Volkswirtschaftl. Schulden (Assets) übersteigen das US BIP (GDP)  um das rund vierfache.
Quelle: FED, USA, Wikipedia
Science Fiction Filme kann man an zweierlei grobe Übergruppen anlehnen: Utopien und Dystopien. Bei den Utopien werden typischerweise Technik- und Kulturtrends in die Zukunft (positiv) extrapoliert, in Dystopien dagegen wird kritisch hinterfragt ob so etwas überhaupt aufgehen kann. Sie vergegenwärtigt uns daher eine zukünftige Welt, in der die gegenwärtigen als positiv wahrgenommenen wissenschaftlichen und kulturellen Trends eher ins negative gebrochen sind. Eine andere Besonderheit ist in den Hollywood Science Fiction der letzten Jahre, dass es immer irgendwelche Faktoren von außen sind, die die USA letztlich in die Knie zwingen: Seuchen, Naturkatastrophen oder eben echte Ausserirdische. Das man es selbst oder auch nur die eigenen Eliten sein könnten die das tollste Land der Erde am Ende niedermachen, dass scheint außerhalb der Vorstellungskraft zu liegen.

Letzte Woche ging die US-Metropole Detroit offiziell pleite.

Nicht dass es unerwartet kam, aber es kam wie es kommen musste. Zu seinen besten Zeiten hatte die Autostadt Detroit knapp 2 Millionen Einwohner, heute sind nur noch knapp 700.000 übrig. Es ist nicht die erste US-Gemeinde, aber die mit Abstand größte und bedeutendste, die in Konkurs ging. Die Zustände in der ehemaligen Vorzeigestadt sind in den letzten Jahrzehnten entsprechend dramatisch geworden. Weite Stadtgebiete sind verslumt, nur wer es sich noch leisten konnte hat das Weite gesucht und auch gefunden. Geblieben sind ein paar Reiche, die sich in die gesicherten Vororte absetzen konnten, und natürlich weitgehend die, die noch nie auf der Sonnenseite des amerikanischen Traumes standen. Und die mit den faktischen Dritte-Welt Zuständen in dieser US-Großstadt, die immer noch fast soviel Einwohner wie Köln hat, am ehesten zurecht kommen. Einwohner die von der Hand in den Mund leben, den täglichen Mord auf der Straße nebenan inklusive, und auf den fälligen Polizeieinsatz dürfen sie dann noch im Durchschnitt eine geschlagene Stunde warten. Bei einer Kriminal-Aufklärungsrate von aktuell weniger als 9% darf man sich ehedem von der Polizeiarbeit wenig versprechen. Und wer dann noch lebendig ist, darf im Krankenhaus auch nicht auf die schnelle, Kosten gedeckte oder gar vollständige Hilfe hoffen.
Einkommensverteilung in detroit: IM stadtzentrum liegen die Einkommen überall unter der Armutsgrenze. Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Detroit

Detroit, das ist die Dystopie des amerikanischen Traumes.

Nicht anders als Zypern oder Griechenland für die EU. Natürlich gilt auch, die Pleiteszenarien sind alle etwas unterschiedlich, was nun wie immer den Reflex aller Kommentatoren auslöste: – „Sonderfall, Einzelfall, das kann uns so nicht passieren“ etc. pp. Oder einfach gesagt: Man flüchtet sich allgemein aus den dystopischen Anzeichen in die immer dünner werdende positive Utopie. Auch die nächsten Pleiten, hüben wie drüben, werden medial wieder solche unvergleichbaren Sonderfälle sein.

Was Detroit aber vom typischen Hollywood-Untergangsszenario unterscheidet ist, dass es nicht Zombies oder Außerirdische sind, die den USA den Garaus machen. Und auch, dass vermutlich kein Ex-Agent und liebevoller Familienvater daher kommt, um im Verein mit der allmächtigen US-Armee und seinen alten Seal-Kumpel die Welt, ergo die USA, im quais Alleingang retten. Andererseits: Die an solch realen Desastern tatsächlich Schuldigen, die scheinen Außerirdischen gleich irgendwo unbekannt und unerreichbar im Nirwana des Weltenkreises verschollen zu sein. Dort wo niemand sie belangen kann, auch nicht die glorreiche amerikanische Armee.

Verlassene Häuser in Detroit - Bild: wikipedia
Nun abseits aller Unterschiede im Detail, jeder Pleite ist gemeinsam dass die Schulden eines Gemeinwesens nicht mehr bezahlbar sind. Ob es private oder öffentliche Schulden sind, ist dabei nur eine Randfrage. In unserem Geldsystem ist nun mal jeder Cent eines Vermögens ausschließlich durch irgendeinen Cent Schulden bei einem anderen gedeckt. Wären Schulden und Vermögen gleich verteilt, das Problem wäre nicht so schlimm. Naturgemäß nun aber möchten Private lieber Vermögen als Schulden übernehmen. Da es immer aber auch einen Schuldner of last resort benötigt, übernimmt letzteren Part dann auch in aller Regel der Staat. Und damit automatisch seine arbeitenden Bürger die dazu verdammt und noch in der Lage sind ein paar Steuern mehr dafür zu berappen.

Genau an letzterem scheiterte nun Detroit: Die Steuerlast für den US-Normalo hatte zuletzt auch die letzte gesetzlich noch mögliche Grenze gerissen und da war nichts mehr zu holen. Als nächstes versuchte man dass, was man zuletzt auch in der BRD so elegant durch gezogen hatte: Die Renten und Pensionen zu kürzen. Und da liegt ein Unterschied im Detail vor: Während in der BRD vorwiegend das Umlageverfahren angewendet wird, ist in den USA das Kapitalansparverfahren das Mittel für sämtliche Altersversorgungen. Privat, wie öffentlich. Und nun wollte man also erstmal wieder (wie in Zypern zeitweise auch versucht) die Pensionfonds der öffentlichen Hand angreifen, um daraus die offenen Zinsrechnungen zu begleichen. Aber, die Pensions-Fondsmanager sagten das, was sich in Deutschland im gleich gelagerten Fall niemand traute: Nein!.

Damit war die „Rettung“ Detroits auf Kosten der Rentner vom Tisch, und Detroit musste Konkurs anmelden. Die Kürzungsvorschläge waren übrigens in der gleichen Größenordnung wie bei den Renten in der BRD, als man das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöhte, nämlich so um die 20 bis 25% effektiv. Nur mit dem Unterschied dass man das bei kapitalgedeckten Fonds gleich mitbekommt, und beim Trick mit dem Renteneintrittsalter nur, wenn man etwas weitergehender betriebswirtschaftlicher Rechnungen fähig ist.

Das allgemeine Problem ist: Renten und Pensionen, egal ob Umlage- oder Kapital- finanziert, müssen immer aus aktuellem(!) BIP befriedigt werden!

Denn Kapital lässt sich zwar ansparen und verzinsen, das BIP aber nicht. Das verfällt regelmäßig und schnell, und wenn die in den letzten Jahrzehnten massiv angehäuften Altersbezüge fällig werden, dann ist von realen Werten eben nicht mehr genug da. Der dumme Fehlschluss bei der Kapital gedeckten Rente, auf deren totes Pferd man in der BRD mit der Riesterrente zuletzt noch schnell aufgesprungen ist, ist, dass mit der Kapitalvermehrung, insbesondere im Bankeneigengeschäft, zwar Kapital, aber eben keine Werte geschaffen werden. Geld ist kein eigener Wert, sondern nur Farbe und Papier im besten Falle. Geld ist eine reine Informationsstruktur die besagt, wem wieviel vom Kuchen des jeweils aktuellen BIP zusteht. Und wenn auf Grund der exponentiell zunehmenden Ungleichverteilung der Löwenanteil dieser Gutscheine am Ende in nur noch wenigen Händen liegt, dann ist die werktätige Bevölkerung nur noch der Lieferant für die steigenden fälligen Renditen, Steuern und Abgaben.

Die amerikanische Apokalypse

Und das Rentenproblem ist für die USA noch gravierender als für die BRD. Denn Detroit ist ja nur der Anfang. Die kompletten Altersbezüge, vom Unternehmer über den Arbeiter und Angestellten, den öffentlichen Diensten und Beamten vom kleinen Feuerwehrmann bis zum Präsidenten, von Creti und Pleti bis zur High-Society, alles liegt in diversen Papieren der Finanzindustrie. Und zwar vorwiegend in den höher verzinslichen Risikopapieren bis hin zu reinen Spekulationsprodukten versenkt. Der Imperativ der westlichen Politik erhält damit eine nun viel tiefere Bedeutung:

„The key message from the meeting: come hell or high water, it is imperative to preserve the functioning of the banking system.“

Denn wenn das Weltfinanzsystem crashed, dann wird ein amerikanischer Präsident vor einem sehr folgenreichen Offenbarungseid stehen, der da lautet: „My fellow Americans! I'm sorry to have to tell you that all of your ever promised pensions are gone. The strength of our country but is to make up for this little mishap with our pioneering spirit again. I am sure that we will all find a common solution. God be with you. I rather not. I'm off.“

Welche Lösung ein bis an die Zähne bewaffnetes Volk, mit unbezahlten Polizisten, Militärs und Feuerwehrleuten an der Seite, und immer noch viel Pioniergeist, sich dann ausdenkt, darüber lohnt es sich jedenfalls schon mal Gedanken zu machen. Ein jeder Staat kann sich nur solange halten, wie er seinen Sicherheitsapparat im Griff hat und ausreichend bezahlen kann. Wenn erst mal die Gehälter und Pensionen der Polizei und anderer bewaffneter Kräfte ausbleibt, dann kann man in Ländern wie Ägypten sehen was passiert: Wechseln Polizei und Militär die Seite, dann ist die Revolution endgültig im Lande.

World War D – D wie Detroit oder Dollar....

Tatsächlich ist das Problem nämlich von gigantischem Ausmaß, wie u.a. eine wissenschaftliche Arbeit von Prof. Janine R. Wedel, School of Public Policy, USA, in einer Arbeit über die Vernetzung der amerikanischen Finanzeliten sehr schön illustriert. Denn die Pensionsfonds machen einen ganz erheblichen Anteil der volkswirtschaftlichen Verschuldung der USA aus.

Nicht nur da, auch weltweit sind sie die größten Investoren überhaupt. Und wo soviel Geld offen rumliegt, da werden klamme Staaten, aber auch Firmen und sonstige Abzocker, ganz schnell hellhörig. Wenn's eng wird wird man sich dort bedienen, so oder so: „Black Rock ist der mächtigste Vermögensverwalter der Welt. Nun kommt ans Licht: Über ein tückisches Gebührenmodell könnten die „Investoren“ eine ganze Generation amerikanischer Rentner übers Ohr gehauen haben. Die betroffenen Pensionsfonds scheinen sich ziemlich dämlich angestellt zu haben.“
Vernetzung der US-Pensionsfonds, Quelle: School of Public Policy, USA; Original in Vollauflösung hier klicken.
Zudem sind die Funds gegenseitig dermaßen verwoben, dass der Fall des Einen den des nächsten nach sich zieht. In der Graphik sieht man die Verknüpfung unter den Fonds, insbesondere der Fondsmanager und Aufsichtsräte, die sich gegenseitig ihre Papiere verkaufen und an der Börse hochjubeln. Und inmitten der Krake unübersehbar, natürlich gerade die Pensionfonds der großen Automobilhersteller um und um Detroit herum, so z.B. Ford oder Daimler-Chrysler. Und natürlich wie immer die Investementkraken Goldman Sachs und JP Morgan etc.

Nur ganz wenige Fonds sind personell und geschäftlich eigenständig. Was selbstverständlich auch nicht vor der kommenden Pleite schützt, sondern nur vor der unmittelbaren Kettenreaktion. Praktisch alle öffentlichen und privaten Pensionsfonds hängen im selben Spinnennetz, sind Teile des gleichen Kartenhauses. Wenn es einstürzt, dann sind die sozialen und politischen Auswirkungen gewaltig. Und es wird sicher einstürzen, denn die USA ist finanztechnisch in keinem besseren Zustand als Griechenland. Über alle Maßen verschuldet, die BIP zahlen per Hedonisierung massiv frisiert, und bis auf wenige Industrien weltweit nicht mehr konkurrenzfähig, ja regelrecht deindustrialisiert: Das US-BIP besteht zu sagenhaften 79,6% (2011) aus purem Konsum.

GDP by sectoragriculture: 1.2%, industry: 19.2%,
services: 79.6% (2011 est.)

Seit Jahren druckt man zudem unverholen im Schnitt 1000 Mrd. USD jährlich für die Staatskasse, um überhaupt noch flüssig zu bleiben. Denn das ist der wesentliche Unterschied zu Griechenland, die können nichts drucken, sondern müssen Schulden aufnehmen und bezahlen. U.a. gerade an die BRD. Die damit einen deutlichen Teil seiner eigenen Staatsschulden durch die (u.a. die Target2-Kredit-Renditen) der Südländer gegen finanziert bekommt. Das ist zwar nicht nachhaltig, aber von den 2000 Mrd.€ Staatsschulden bleiben dann nur noch effektiv weniger als 1500 zu berappen, was ein Grund für die zur Zeit noch halbwegs gute Konjunktur in Deutschland ist.

Schuldenstände im Target2-System. Quelle: Euro-Crisis-Monitor Uni Osnabrück
Die US-amerikanische Gelddruckerei funktioniert natürlich nur deswegen so reibungsfrei, weil die restliche Welt immer noch den Dollar als Weltwährung akzeptiert. Würden sie dass nicht mehr tun und hätten sie seit 1999 statt dessen in den Euro investiert, das US-Kartenhaus wäre schon jetzt am Ende. Nicht von ungefähr kommt es, das US-Ratingagenturen immer zu rechten Zeit das eine oder andere Land, Bank oder Fonds in Europa herunter raten, während der völlig verwässerte Dollar und die luftigen US-Staatsanleihen Höchtsnoten bekommen.

Auch nicht verwunderlich, wenn die USA sich genötigt sehen die EU zu verwanzen, um vorzeitig Informationen zu erhalten wie man einem Verfall der Bedeutung des Dollars am besten entgegentritt. Außerhalb der USA befinden sich nämlich ungezählte Berge von Dollars und Dollaranleihen und auf Dollar lautende Assets. Insbesondere dadurch bedingt, dass die USA weit mehr konsumieren als sie selbst produzieren, nicht zu letzt die Öl- und Gasdollars die sich jenseits der US-Grenzen angesammelt haben. Da hilft dann auch kein Fracking mehr, wenn auch nur ein wesentlicher Teil der Ölmilliarden ins Land zurück fließt, dann sprengt dass die US-Banken. Verliert der Dollar sogar seinen Weltwährungsstatus, dann ersäuft die Wallstreet komplett in buntem ungedeckten Papier.

Über einen möglichen neuen, verheerenden und spaltenden US-Bürgerkrieg zu spekulieren, dass ist im historisch nicht so weit liegendem Falle des Pensionkassenzusammenbruchs daher keineswegs weit hergeholt. Dem Kollaps der US-Pensionen werden auch die kapitalbasierten Renten der restlichen Welt ins Grab folgen. Die Pleite Detroits schlägt schon jetzt auf deutsche Bankhäuser durch, so etwa bei den deutschen Zombiebanken HRE und Commerzbank. Die Deutsche Bank hat sicher in ihrem investiven Gemischtwarenhandel ebenfalls so einiges aus Motown liegen, hüllt sich aber bislang noch in vornehmes Schweigen.

Detroit, das ist aber nur der Anfang. So wie Zypern für die EU, wo erstmals das einzig mögliche, nämlich die unmittelbare Abschreibung von Schulden=Vermögen vorgenommen wurde. Für die Detroitgläubiger wird es vermutlich auch so kommen  ("Zyprische Lösung"), wobei wir das noch abwarten müssen. Vielleicht lässt sich Obama breit schlagen die fehlenden Dollars zu drucken  bzw. oder sie den Amerikanern als Gemeinwesen auf den sowieso schon unübersehbar gewordenen Schuldenberg legt ("Griechische Lösung"). Ein Brad Pitt jedenfalls, der die Welt, oder das was noch davon übrig ist, mit einem genialen Gegenmittel rettet, der ist nicht in Sicht.


Die Pensionsfonds der Amerikaner aber, dass sind die Zombies, die lebenden Toten, die in absehbarer Zukunft die Welt endgültig aus den Angeln heben werden.

Samstag, 13. Juli 2013

Welt im Griff



Bundespräsident Gauck stellte am 30.6.2013 fest, dass die NSA nicht mit der Stasi zu vergleichen sei: “Wir wissen zum Beispiel, dass es nicht so ist wie bei der Stasi und dem KGB, dass es dicke Aktenbände gibt, in denen unsere Gesprächsinhalte alle aufgeschrieben und schön abgeheftet sind. Das ist es nicht.“. Aha, so ist das. Stasivergleiche haben sich BK Merkel und Kollege BP Gauck darum ausdrücklich verbeten.

Ein paar vergleichende Zahlen tun also Not: Die Akten der Stasi hätten, aneinander gereiht, immerhin die Fläche von stolzen 170 Tausend Quadratmetern eingenommen. Das sind immerhin 0,17 qkm Quadratkilometer wertvollen Berliner Baulandes. Erscheint viel, aber nun sind papierende Aktenberge ja nicht mehr up-to-date. Denn in elektronische Daten gepresst fänden die Stasitexte heute auch auf einem gut ausgestatteten Handy Platz. Ganz anders verhält es sich nun mit der NSA: Das Datenzentrum der NSA in Utah soll 5 Zettabytes (5 Mrd. Terabyte) speichern können. Umgerechnet auf Papierakten ergibt das etwa einen Flächenbedarf von 17 Millionen Quadratkilometer. Das ist etwa die 4-fache Fläche der kompletten Europäischen Union ( 4,35 Mio. qkm). 





Oder anders gesagt, es würde kein Bürokomplex dafür ausreichen, sondern man müsste die gesamte EU vierstöckig überbauen um die Informationen alle in Aktenform unterzubringen. 

Nun also, wo unsere obersten Grundrechtsverwalter recht haben, da haben sie recht. Einen Vergleich mit der Stasi darf man sich bei dem immensen Unterschied in der Tat verbieten. Um den USA für ihre erstaunliche Leistung, die EU vor mehrstöckiger Überbauung bewahrt zu haben, spontan zu danken, haben wir nun unseren Innenminister entsandt, der die schon vorab geäußerten Dankesworte der Bundesregierung an unsere amerikanischen Freunde nun auch persönlich übermitteln durfte. Immerhin hatten sich einige mittelmäßig bekannte Regierungsbeamte für ein „klärendes“ Gespräch bereit erklärt zitiert die Welt-Online: „Kaum mehr als 24 Stunden plante Friedrich für seinen Besuch in Washington ein. Zwei kurze Gespräche – mit Justizminister Eric Holder und der Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Lisa Monaco. Dann kurze Pressestatements und ab nach Hause. Treffen Friedrichs mit Geheimdienstkoordinator James Clapper oder NSA-Chef Keith Alexander waren gar nicht erst angesetzt – Terminprobleme, wie es hieß.“

Die ganze Farce ist erkennbar grotesk, insbesondere wenn man es mal in das Bild eines normalen Straftatvorwurfs einer Grundrechtsverletzung übersetzt: Da würde natürlich der mutmassliche Straftäter vor das Gericht oder wenigstens zur Vernehmung ins örtliche Polizeirevier zitiert. Bei Nichterscheinen mit empfindlichen Strafen bedroht, versteht sich. Hier aber bettelt das Gericht beim mutmasslichen Straftäter um einen genehmen Termin, der zunächst mit der Begründung, man sage zu solchen Vorwürfen grundsätzlich gar nichts, abgelehnt wird. „Der US-Geheimdienst NSA soll massenhaft die Kommunikation von Deutschen und anderen Europäern überwacht, sogar Politikerbüros verwanzt haben. Die Vorwürfe stehen seit Wochen im Raum. Die Amerikaner haben sich bislang nicht sonderlich bemüht, die erregten Gemüter in Deutschland zu beruhigen. Sie ließen die Bundesregierung zappeln – und ließen deren schriftliche Anfragen unbeantwortet.“ 

Schließlich lässt sich aber der mutmassliche Grundrechtsverletzer zu einer vertraulichen Geste herab, worauf das buckelige "Gericht" selbst anreist um sich bei zweitrangigen Gesprächen durch ein paar Capos mit inhaltsleeren Floskeln bedienen zu lassen: „Die USA-Reise von Innenminister Friedrich hat sich gelohnt – zumindest aus Sicht der USA. Sie konnten den CSU-Politiker überzeugen: Er verteidigt die Späh-Aktionen und verweist auf den „edlen Zweck“ der Spionage….Die vor Wochen vom Computerspezialisten Edward Snowden enthüllte Aktion Prism sei „ein Programm, das ganz gezielt nach Begriffen wie ,Terrorismus‘ sucht“, so der Minister am Freitagabend im ZDF-„heute journal“. 45 Anschläge weltweit seien durch Informationen des US-Geheimdienstes NSA verhindert worden, ...Für Friedrich beweisen diese Ermittlungserfolge, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Amerikanern sei: „Dieser edle Zweck, Menschenleben in Deutschland zu retten, rechtfertigt zumindest, dass wir mit unseren amerikanischen Freunden und Partnern zusammenarbeiten, um zu vermeiden, dass Terroristen, dass Kriminelle in der Lage sind, unseren Bürgern zu schaden.“… Insgesamt zeigte er sich zufrieden über die erhaltenen Erklärungen. Es gebe keine Bestätigung, dass deutsche Behörden durch Spähprogramme des US-Geheimdienstes abgehört wurden. Es habe auch keine Industriespionage gegen deutsche Unternehmen gegeben. Auch sei ihm nicht bestätigt worden, dass es eine flächendeckende inhaltliche Ausspähung deutscher Bürger und ihrer Kommunikation gäbe. Allerdings wurde Friedrich darüber informiert, dass über Prism nicht nur – wie es zunächst geheißen hatte – Verbindungsdaten, sondern auch Inhalte gesammelt werden...“

Natürlich wird uns diese völlig absurd-devote Sadomaso-Lust- und Frustreise des Innenministers, gerade im Wahlkampf, in schillernden Worten als Erfolg verkauft werden: Friedrich brüstete sich darum damit, dass er die US-Regierung dazu drängen konnte, bis jetzt klassifizierte "Prism"-Daten, die Aufschluss über das Ausmaß der Spähaktion liefern könnten, schrittweise freizugeben. Doch wie realistisch ist es, dass die US-Regierung aus reiner Freundschaft zu Deutschland Informationen preisgibt, die das Potenzial haben, Amerika in der ganzen Welt zu kompromittieren?Vermutlich wird US-Präsident Barack Obama den Geheimhaltungsstatus einiger Akten herabstufen. Aber, wenn es so wäre, würde er dem deutschen Innenminister ganz sicher nicht verraten, dass er dessen Büro und das der Kanzlerin abhört. Warum auch? Welches Druckmittel könnte Friedrich einsetzen?“

So lustig wie die Geschichte erscheint ist sie natürlich nicht ganz. Natürlich muss einem klar sein, dass Geheimdienste weltweit immer am Rande oder auch ausserhalb der Legalität arbeiten. 

Ob in Diktaturen oder in Demokratien, die Unterschiede sind graduell und dank gepflegter Geheimhaltung auch nicht so leicht erkennbar. Auch Demokratien können in einer Welt, in der die Lüge in der offiziellen Politik nicht die Ausnahme sondern eher die Regel darstellt, nicht ohne verlässliche Informationen aus verdeckten Quellen auskommen. Die seit dem WTC-Attentat eskalierte Allgemeinrechtfertigung der „Terrorbekämpfung“ verdeckt dabei aber lediglich andere Zielrichtungen, insbesondere die Ausspähung der eigenen Bürger, der politischen Diplomatie als auch der Wirtschaft aller Staaten. Ob Freund oder Feind spielt dabei tatsächlich nur eine sehr untergeordnete Rolle.

In der Natur der Sache liegt immer die Tendenz einen Staat im Staate ausserhalb der politischen Kontrolle zu etablieren. Das gilt selbst in Diktaturen, wo manch ein Despot jederzeit den Putsch aus Reihen seiner eigenen Geheimdienste zu fürchten hat. Denn vertrauliche Informationen sind immer eine spitze Waffe, auch gegen die eigenen Regierungen. Jeder erfolgreiche Mensch, erst recht mit ausgeprägten Ellenbogen versehene Politiker oder Wirtschaftsgrößen, haben irgendwo eine oder gleich mehrere „Leichen“ unterschiedlichsten Kalibers im Keller, mit denen man bei Zeiten dedizerten Druck ausüben kann. Das nur z.B. in Russland, Israel und nun auch in Ägypten Geheimdienstköpfe die Staaten anführen, ist daher garnicht verwunderlich.



In Demokratien jedoch sollte den Geheimdiensten eine effektive demokratische Kontrolle gegenüber stehen, die das Attribut „effektiv“ auch verdient hat. 

Geheimdienste aber die gelernt haben, dass eine solche leicht vermeidbar ist, indem man sich praktisch immer nur hinter angeblich notwendiger Geheimhaltung verstecken kann, die führen schnell ein ausuferndes Eigenleben. Besonders krass ist das bei den amerikanischenGeheimdiensten, die nicht nur gewaltig überdimensioniert, sondern auch noch in eine Unzahl von Behörden verzettelt sind. So ist in der Debatte über die Ausspähung der BRD-Bürger untergegangen, dass ein weiteres Land genauso heftig ausgespäht wird: Die USA selbst. Der Unterschied besteht nur in der scheinbaren Gelassenheit mit denen die US-Bürger dies im Allgemeinen zur Kenntnis nehmen. Die Tatsache wird nicht nur akzeptiert sondern ja auch in unendlich vielen TV-Serien zum Thema gemacht und zum abendlichen Vergnügen ausstaffiert. So etwa in der auch hierzulande erfolgreichen CSI Serie und vielen solcher fragwürdigen Produkten mehr. Als weiteres Geschmäckle sie auch noch daran erinnert, dass zu den am stärksten durch die NSA ausgespähten Länder nicht nur wie erwartet China, sondern gerade auch das „befreundete“ Israel gehört. Gerade an letzterem wird klar, was genauso für die BRD gilt: Die örtlichen Behörden und Regierungen wissen über diesen Grundrechtswidrigen Umstand trotz gegenteiliger Behauptungen sehr wohl bescheid, aber, sie erlangen über den Austausch mit der NSA Daten und Infromationen, die sie bei Beachtung der eigenen Gesetze nicht erlangen könnten.

Was einem als politisch interessierter Bürger dagegen wirklich aufstößt ist die offizielle Lüge und die Frechheit mit der die gesetzlich als höchstes Gut verankerten Grundrechte ausgehebelt, verdreht und einfach übergangen werden. So wenn Friedrich jetzt aktuell die „amerikanischen Freunde“ über den grünen Klee lobt. Nicht anders übrigens ist es bei den diversen Rettungspaketen der EU, wo verankerte Verträge wie der von Maastricht einfach ignoriert werden. Und selbst das ansonsten schon oft mit mutigen Urteilen respektabel aufgefallene Bundesverfassungsgericht dann solche Auswüchse regelrecht durchwinkt. Oder bestenfalls den schwarzen Peter an die Politik zurückreicht, per nebulösen Richtlinien die besagen dass die Regierung bitte demnächst, d.h. in der Praxis der Finanzkrise eigentlich nie, etwas an dem Ungebaren zu ändern habe.

Etwas mehr Ehrlichkeit statt Brei ums Maul schmieren wäre da schon angebracht. 

So könnte IM Friedrich, statt devote Grußaddressen über den Atlantik zu senden, ja auch ehrlich erklären: „Wir wissen zwar dass die NSA entgegen GG Art. 10 Kommunikation in der BRD abhört, aber wir können daran wenig ändern, da die USA nun mal unser großer Bruder und militärischer Sicherheitsgarant ist. Wir versprechen aber in den nächsten Monaten alles mögliche zu tun, um das offensichtlich übertriebene Ausmass der Überwachung auf ein vertretbares Niveau zu senken….“. Hier aber versagt er auf ganzer Linie.

Und nicht nur er, schreibt die Süddeutsche: „Bemüht, bemüht zu wirken: Die Washington-Reise von Innenminister Friedrich illustriert die gefährliche Haltung der Bundesregierung im NSA-Skandal. Weil sie die Tragweite der Snowden-Enthüllungen nicht begreift, lässt die Kanzlerin ihren Minister politische Aktivität simulieren. Das ist fatal - denn es geht nicht um eine kleine Krise, sondern um den Lehman-Moment der Bürgerrechte…. Denn die Bundesregierung hat sich, mit Ausnahme der Justizministerin, bei ihrer Reaktion auf den NSA-Skandal dafür entschieden, einer fatalen Logik zu folgen: Staatsinteresse über Bürgerinteresse…. Das realpolitische Kalkül, das Verhältnis zu den schnüffelnden Verbündeten nicht zu schwächen und den Austausch zwischen den Geheimdiensten auch in der Post-Snowden-Ära zu gewährleisten, erscheint nachvollziehbar. Doch darin äußert sich auch blankes Unverständnis für das Ausmaß dessen, was sich mit Prism und Co offenbart hat. Die Snowden-Enthüllungen sind nichts anderes als der Lehman-Moment der Bürgerrechte. 2008 ging das US-Investmenthaus Lehman Brothers pleite, das Bankensystem drohte zu kollabieren. Viereinhalb Jahre später bedeuten die aufgedeckten Spionageprogramme potenziell nicht nur den Kollaps der Privatsphäre, sondern auch den des Vertrauens in die Freiheitsversprechen der Demokratie. Denn was ist das für eine Freiheit, die im Privatesten stets kompromittiert werden kann?... Noch ist Zeit, sich klar zu positionieren, das Thema von der Ebene einer Handlungssimulation auf die Agenda der westlichen Wertegemeinschaft zu bringen. Doch das erfordert Courage und Haltung. Bislang ist davon nichts zu erkennen.“

Es zeigt sich mehr und mehr die Krise der Demokratie, deren Vertreter nicht mehr in der Lage sind die Interessen der Bürger gegenüber den Wirtschafts- und Finanzeliten, noch gegenüber den Geheimdiensten und Geheimbünden effektiv zu verteidigen. Ja, sie machen sogar den Eindruck die Interessen ihrer Bürger gar nicht mehr zu kennen. Stattdessen arrangiert man sich aalglatt, und der Bürger wird rigoros an der Nase herumgeführt und für so saudumm verkauft, dass sich die Balken nur so biegen. Aber irgendwo ist der Wahlbürger auch selbst Schuld an dem Dilemma. Wer sich sein politisches Denken durch sinnfreie Wahlplakate abnehmen lässt und, trotz der faktischen Leistungsverweigerung der bürgerlichen „Blockparteien“ gegenüber dem Wähler in wesentlichen Rechts- und Grundrechtsfragen, immer wieder das Kreuzchen an der selben Stelle macht, der hat bessere Politiker auch nicht wirklich verdient.

Montag, 1. Juli 2013

Der streng geheime Weltkrieg

Edward Snowden hat etwas geschafft, was den USA äußerst peinlich sein dürfte: Er hat den flächendeckende Überwachungswahnsinn der NSA offengelegt. Nicht dass dies wirklich eine Überraschung in informierten Kreisen wäre. Es war längst bekannt, nicht nur unter Verschwörungstheoretikern, sondern, nicht nur aber auch, unser Bundespräsident Gauck wusste offensichtlich im Detail davon: “Spurenvernichtung im Amt: Die Stasi hatte Beweise dafür gesammelt, daß US-Agenten die Bundesregierung ausspionierten. Doch nach der Wende ließ das Bonner Innenministerium die belastenden Akten von bewaffneten Grenzschützern abholen und nach Washington bringen…Ein Kommando bewaffneter Grenzschutzbeamter holte die Aktenbündel beim Geheimschutzbeauftragten der Berliner Gauck-Behörde ab. Seit jenem 24. Juli 1992 sind die Akten bis auf einen kargen Rest verschwunden. Die Regierung Helmut Kohls hat sie den Amerikanern zurückgegeben. Washington hatte ganz ordentlich Druck in Bonn gemacht - schließlich trugen etliche der Dokumente Stempel der höchsten amerikanischen Geheimhaltungsstufen "Top Secret" und "Top Secret Umbra".”

In den Zeiten des kalten Krieges mag man den ungenierten Geheimdiensttätigkeiten der USA auf Deutschem Boden noch achselzuckend zugeschaut haben, danach wurde es aber zunehmend absurd. Statt in irgendeiner Weise die Beschnüffelung gerade in und der BRD zurück zu fahren, wurde alles noch ganz erheblich intensiviert. Insbesondere zählt Deutschland nach offizieller NSA Doktrin als “Partner dritter Klasse”. Was im Klartext heißt: ein potentieller Feind der auch so zu behandeln sei. Im Jahre 1992 war man nun in den Besitz von mehr als 13000 Seiten hochbrisantem Material gelangt, dass nach dem Stasigesetz deutsches Eigentum war und keineswegs herausgegeben werden musste. In eilfertigem Buckeln rückte die Kohl-Administration das Material aber schnell heraus, und das auch ohne die sowieso in solchen Fällen erlaubten üblichen Kopien anzufertigen.

Zur gleichen Zeit wurde auch das Echelonsystem aufgebaut. Es ist Satelliten basiert und horcht weltweit Telekommunikationsnetze ab.
 
Das darüber auch deutsche Kommunikation abgehört wurde war eigentlich klar, so wurden auch Firmenkommunikation etwa um Auftragsvergaben und Angeboten etwa von Airbus in Konkurrenz zu Boeing offensichtlich auf diese Art durchgestochen, obwohl sich das kaum beweisen lässt. Wie auch, schließlich ist ja alles streng geheim, und parlamentarische Kontrolle hüben wie drüben ist wenig mehr als den Abgeordneten “Brei ums Maul streichen”. Wirklich interessante und brisante Informationen werden der Öffentlichkeit sowieso, aber auch den demokratisch legitimierten Gremien, vorenthalten. Das Argument ist immer das gleiche: Streng geheim, nationale Sicherheit, Terrorismus etc. pp. Das geheimste Geheimnis dabei ist allzu oft allerdings die Unfähigkeit der sammelwütigen Behörden. Wenn einem mehr als zehn Jahre eine braune Terrorgruppe und ihre schön regelmäßigen Morde entgehen oder selbst eine logistische Meisterleistung der Terroristen um Al Quaida nicht auffällt, die eben mal zwei Bürotürme in New York pulverisieren. Wie sollte das auch sein, wenn man damit beschäftigt ist seine eigenen Freunde und Bürger auszuhorchen und Industriespionage zugunsten eigener Weltfirmen betreibt.

nsa-griesheim
Griesheim NSA Abhörstation auf GoogleMaps

Die BRD und Freund dritter Klasse ist wie jetzt bekannt wurde, sogar der Hauptausgespähte im gesamtem Europäischen Raum. Ungeniert bedienen sich die USA mit Abhöranlagen mitten auf deutschem Gebiet an der Kommunikation unserer Firmen und Bürger. Das war im Kalten Krieg zwar kein Geheimnis, als in Westberlin riesige Abhöranlagen unübersehbar vom Teufelsberg aus nach Ost und West spähte. Nach dem Fall der Mauer hat man sich etwas umorientiert und ist schließlich ins geographische Zentrum Deutschlands nach Hessen, in den Ort Griesheim gezogen. Von dort aus ist die Banken und EZB Zentrale Frankfurt auch viel einfacher auszuspionieren und die weiteren Industriezentren vom Ruhrgebiet bis München liegen auch besser.

Auch wenn sich viele Regierungsmitglieder sicherlich ein paar Illusionen über das Ausmaß hingegeben haben, so ist die ganze antidemokratische Sauerei wohl bekannt. Umso mehr ist BK Merkel als auch Prs. Obama an dem Herunterspielen der Affäre überaus gelegen. Mehr als ein bisschen gespielte Erregung wird man als Bürger kaum erwarten dürfen. Dabei dürfen wir getrost davon ausgehen, dass wirklich jedes Telefonat, Email oder Googleanfrage von der NSA automatisiert nach Schlapphut-Gutdünken durchforstet wird. Verdächtig ist Jedermann, und die falschen Worte zur falschen Zeit die in den falschen Rachen eines NSA-Analysten geraten, können in Zukunft prinzipiell jedem BRD Bürger bei Zeiten wieder um die Ohren gehauen werden.

Etwa wenn Sie das nächste mal in die USA reisen wollen und am Kennedy-Airport ohne Angabe genauerer Gründe in die nächste Maschine nach Hause gesetzt werden. Oder gar schlimmeres. Die Paranoia der Staatsschützer kennt keine Grenze, das ist bei der NSA nicht anders als bei ihrem ehemaligen Feind erster Klasse, der Stasi. Von den Möglichkeiten, dem Personal, Geld und Ausstattung der NSA, davon allerdings konnte die Stasi nur träumen, während sie kleinliche Informationen irgendwelcher IM’s auf schmale Karteikärtchen mühsam per Hand tippte.

Pflichtbewusst bügelte Innenminister Friedrich sehr gereizt die kritischen Fragen der Journalisten des NDR ab: ”…dieser Antiamerikanismus geht mir gehörig auf die Nerven!”.

Die übliche Methode also der gezielten Nicht-Auseinandersetzung, ausgerechnet vom Innenminister. Berlin möchte das Thema mit etwas Theaterdonner garniert gerne aussitzen. Streit mit den USA im Wahljahr, da ist man in normalen Jahren ja schon devot bis zur Selbstauspeitschung, aber jetzt kann man den erst recht nicht gebrauchen. Die schönen Bilder der selbstbewussten Frau und die Aura der Durchsetzungsfähigkeit der Superkanzlerin kann da nur leiden, zumal bekannt wurde das auch sie selbst von den Abhöraktionen nicht ausgeschlossen ist. Denn als Partner dritter Klasse, und somit ergo Feind erster Klasse, kann man sich in seinem Protest dann nur noch lächerlich machen.

Gott sei Dank, muss man leider sagen, hat die Sache auch eine Europäische Dimension. Das übliche Aussitzen und das Konterargumente-Repertoire( “Antiamerikanismus”, ”Antisemitismus”, ”Verharmlosung der Nazidiktatur”, “linkes Gedankengut” etc. pp.) wird also kaum ausreichen. Denn selbst die EU-Kommission wurde hemmungslos ausspioniert und EU-Büros weltweit verwanzt. Von Vertrauen zwischen der alten und der neuen Welt kann keine Rede mehr sein. Insbesondere wegen dem Britenrabatt. Ja nicht der beim Zahlen der EU-Rechnungen, sondern auch der beim NSA-Skandal: Lediglich Großbritannien und sein Königreich Kanada, Australien und Neuseeland sind von der Bespitzelung offiziell ausgenommen. Denn die NSA gehört zum USAUK-Abkommen über die gemeinsame Arbeit der Geheimdienste. So gehört es zu den Aufgaben der Briten insbesondere den deutschen Internetknoten bei der Stadt Norden an der Nordsee anzuzapfen. Wie das technisch genau geschieht ist noch nicht öffentlich, aber ohne Mitwirken oder wenigstens Mitwissen deutscher Firmen und Behörden ist das kaum denkbar. Bei allen Dingen die die NSA den Deutschen antut, stecken auch immer deutsche Geheimdienste mit unter der Decke, wie weit sie allerdings informiert sind oder nur an der Nase durch die Arena geführt werden ist nicht bekannt, sprich geheim. Sehr geheim. Und vermutlich sehr unangenehm für Berlin falls es im Wahljahr zu offensichtlich würde, dass man die systematische Verletzung der Grundrechte der Bürger (Artikel 10 GG:"Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich") zumindest geduldet, wenn nicht sogar aktiv befördert hätte.

Edward Snowden ist nun auf der Flucht vor seinen Häschern. So wie auch Julian Assange der in Großbritannien immer noch in der Botschaft Ecuadors festgehalten wird. Logisch wenn man bedenkt welche enge Bindung Großbritannien an die USA, aber nicht an die EU, hat. Which side you are on? Eine Frage die sich die EU und Großbritanien, Deutschland und seine Bürger stellen müssen. Verfolgungswahn weitgehend unkontrollierter Geheimdienste oder Freiheit, Rechtssicherheit und Grundrechte für die Bürger? Und der Bürger, muss er einfach resignieren und akzeptieren? Oder verlangt er die sofortige und nachweisliche Einstellung der Bespitzelung?

Deutschland, die EU, und ihre Bürger könnten ein Zeichen setzen.

Man könnte die sofortige Schließung von Griesheim und die sofortige Entfernung der Abhörtechnik in Norden fordern, und vor allen Dingen, auch effektiv durchsetzen. Auch noch ein weiteres Zeichen wäre möglich. Weder Snowden noch Assange können in den USA auf einen fairen Prozess oder eine faire Strafe hoffen. Denn beide haben publik gemacht was den Strippenziehern hinter den Kulissen peinlich ist, wie sie die Bürger und ihre gewählten Volksvertreter belauschen, manipulieren und an der Nase herumführen. Wie die Demokratie in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Finanzkrise zunehmend erodiert und vermodert. Man kann und will nicht weitere solche Fälle dulden oder durch ein mildes Urteil provozieren.

Es wäre angemessen, wenn die EU nun Snowden  ("Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich tue und sage, aufgezeichnet wird.") und ggf. auch Assange Asyl anbieten würde.

Denn nicht die beiden sind die Feinde der Demokratie, sondern wie nun offensichtlich geworden ist, genau diejenigen die sie jagen und sich auf Gesetze berufen, deren Einhaltung scheinbar nicht nur ihren Geheimdiensten völlig schnurz ist. Des lieben Friedens wegen kann man den Amerikanern anbieten, die beiden etwa irgendwo im freien Europa vor Gericht zu stellen, nach deutschem Recht etwa. Gerne darf ein US-Anwalt kommen um dabei die Interessen der USA zu vertreten und dem Gericht und den Verteidigern Rede und Antwort zu stehen. Nach z.B. deutschem Gebaren in Gerichten, bei denen keine groteske Hollywoodreife Vorführungen hochbezahlter Topjuristen für zwölf mit dem Schlafe kämpfende Geschworene abgeliefert werden dürfen.

Wir dürfen gespannt sein, ob sich irgendetwas von Belang tut. Was die USA tun möchte, hat sie schon verlautbart: “…Jetzt reagierte der oberste Chef der US-Geheimdienste, James Clapper. Er kündigte Aufklärung an, allerdings werde diese nicht öffentlich erfolgen: "Die Regierung wird der Europäischen Union angemessen über unsere diplomatischen Kanäle antworten." Klärung werde es auch in dem beidseitigen Expertendialog über die Geheimdienste geben, den Washington vor Wochen angekündigt hat. "Wir werden diese Themen auch bilateral mit EU-Mitgliedstaaten besprechen", so Clapper weiter. Er machte aber auch klar: "Während wir grundsätzlich bestimmte, mutmaßliche Geheimdienstaktivitäten nicht öffentlich kommentieren, haben wir klargemacht, dass die USA ausländische Geheimdienstinformationen in der Weise sammeln, wie es alle Nationen tun." ” . Im Klartext: Man wird weiter machen wie bisher. No Comment, bestenfalls ein paar balsabernde Worte unter Diplomaten und Schlapphüten. Streng geheim, versteht sich.

NSOC-2012
NSA Datenzentrum Neubau: Quelle en.Wikipedia.org/NSA

Schlimmer noch, es geht ja noch weiter: Gerade hat man in der US-Wüste ein riesiges Datenzentrum der NSA hochgezogen, für 2 Milliarden Dollar Baukosten. Das steht da nun im schmucken Raumschiff-Enterprise-Design zum Bezug und natürlich nicht um es gleich wieder dicht zu machen. Nein es soll nun richtig fliegen und wird den Wahnsinn weiter ausbauen und verschärfen.

Die USA bekommt mehr und mehr totalitäre Züge. Ein Staat der weder seinem Freund noch Feind noch Bürger traut. Und dem man umgekehrt auch nicht mehr trauen kann. Der Verrat an der Demokratie wird aber auch von unnötigem Vasallentum mit getragen. Nur ein sehr energisches Auftreten von noch freien Staaten und Bürgern kann dem Einhalt gebieten. Aber die Hoffnung auf Erfolg dürfte angesichts der Machtverhältnisse getrübt sein. Schon die Aufwertung der Bundesrepublik vom Feind erster Klasse auf Feind zweiter Klasse könnte man als respektablen Erfolg werten.