Freitag, 24. Oktober 2014

TTIP – Die tolldreiste „Detroitisierung“ der EU

Vordergründig geht es bei dem TTIP-Abkommen um die Generierung neuen Wachstums in der Realwirtschaft und damit, scheinbar zwangsläufig, um neue Arbeitsplätze, erhöhtes Volkseinkommen und letztendlich der Treibstoff für den Motor jeden Wachstums, erhöhte Massenkaufkraft. Entsprechend vordergründig stehen in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung die handels- und zollrechtlichen Regelungen für die Industrien der Realwirtschaft sowie den Abbau noch vorhandener Handelshemmnisse zwischen der EU und den USA.

Das angepeilte Transatlantische Handelsabkommen TTIP ist aber u.a. wegen seiner implementierten Sondergerichtsbarkeit seit längerem in der Kritik. Denn unter Handelshemmnisse fallen schließlich auch jede Menge, gerade auch in Europa demokratisch mühsam erkämpfte, Standards des Arbeitsrechtes, Steuerrechtes, Umweltschutzes etc . Schon schlimm genug solche Standards als böse Hemmnisse wahrzunehmen. Aber dann noch eine, weder Grundgesetzlich noch Demokratisch legitimierte, Sondergerichtsbarkeit einzurichten, die diese national-gesetzlich festgelegten (Schutz-)Standards in allfälligem Einvernehmen der Lobbyisten beiderseits des Atlantiks, übernational und zu Lasten Dritter faktisch neu regeln dürfen, das ist schon toll dreist.

Eigentlich müssten alle Bundesrichter längst gegen so etwas Sturm laufen, aber still ruht der See. 

Nichts ist so heilig wie die Investorenseele, da müssen auch mal dicke Grund- und sonstige Rechte des Bürgers zurück stehen. Dem noch recht freien Internet allein ist es zu verdanken, dass sich die Bedenken nicht so einfach weg radieren ließen. Durch gewaltigen öffentlichen Druck hat sich die eigentlich streng geheime Verhandlungskommission der EU nun zu ein bisschen Demokratie nötigen lassen und immerhin auch den Entwurf des Abkommens veröffentlicht. Das ist immerhin schon ein längst fällig gewesener Schritt. Was zur Zeit aber noch mehr gefeiert wird, ist die zumindest angedachte Möglichkeit, auf die angedachte Sondergerichtsbarkeit für die Konzerne zu verzichten.

Nun, zum feiern ist es so oder so zu früh, denn was am Ende tatsächlich abgezeichnet wird steht noch in aller Ferne. Und wer die verknuddelten Entwürfe einmal liest, der sieht auch gleich wie schwammig und weitläufig diese Verträge sind und wie leicht man dort selbst riesige Pferdefüße tief versenken und für die Politik und Öffentlichkeit unentdeckt verstecken kann.

Tatsächlich müssen wir uns ja fragen, wieso ein TTIP denn nun notwendig ist. Denn echte Handelshemmnisse zwischen den USA und der EU gibt es schon lange nicht mehr. Klar, man kann hier und da einiges verbessern und vereinfachen. Das betrifft allerdings im wesentlichen nur Zölle und Papierkram. Haben sie schon mal etwas z.B. via Ebay aus den USA bestellt? Natürlich geht das prinzipiell völlig problemlos mit einem Mausklick für den Besteller. Aber es fällt besonders für den Versender Papierkram an, dann muss das Zeugs zweimal durch den Zoll, da werden jeweils wieder Stempel und Papier gezückt, und je nach Inhalt des Päckchens noch ein paar Euro Zoll für den Empfänger oben drauf verlangt. Das volkswirtschaftlich teuerste an dem Procedere ist dabei gar nicht mal der verlangte Zoll, sondern der elende Papierkram. Das gleiche Päckchen aus Großbritannien oder Polen bestellt ist dagegen problemlos und damit günstiger für alle Beteiligten.

Argentinien 2004 - Prs. Nestor und sein Finanzminister unterzeichnen die Kapitulation vor den Finanzmärkten - wikipedia: Author Barcex 
Das ist ärgerlich, aber auch nicht wirklich schwierig zu beheben. 

Also einfach die USA genauso behandeln, wie wir es mit Großbritannien oder Polen ja schon lange machen. Dafür braucht man auch EU seitig nicht allzu viel zu tun, alleine die USA hätten das Problem sich gegenüber der EU in gleichem Masse zu öffnen. Komischerweise scheint dass für die USA aber nicht sonderlich attraktiv zu sein, oder aber auch, die Lösung ist nur zu einfach um Heerscharen von bestens bezahlten EU-Experten mit guten Jobs zu versorgen?

Wo auch immer des Rätsels Lösung liegt, bei den Handelshemmnissen für Produkte der Realwirtschaft jedenfalls nicht. Das Geschäft floriert zwischen EU und USA schließlich schon seit einem halben Jahrhundert problemlos. Die zweifellos unterschiedlichen Standards haben bislang noch kaum einen Handel auf gehalten. Natürlich gehen die Meinungen darüber wie üblich weit auseinander. Die Verhandlungsführer loben ihre Idee natürlich über den grünen Klee
"Economic barriers between the EU and the US are relatively low, not just due to long-standing membership in the World Trade Organization but recent agreements such as the EU–US Open Skies Agreement and work by the Transatlantic Economic Council. The European Commission claims that passage of a trans-Atlantic trade pact could boost overall trade between the respective blocs by as much as 50%.“. Angesichts der schon aktuell im realen Handel nicht existenten Hemmnisse eine förmlich aus der Luft gerissenen Phantasie-Zahl. Realistischere Rechnungen sehen anders aus: „In a Guardian article of 15 July 2013, Dean Baker of the Center for Economic and Policy Research in the US observed that with conventional trade barriers between the US and the EU already low, the deal would focus on non-conventional barriers such as freeing up regulations regarding fracking, GMOs and finance and tightening laws on copyright. He goes on to assert that with less ambitious projections the economic benefits per household are mediocre "If we apply the projected income gain of 0.21% to the projected median personal income in 2027, it comes to a bit more than $50 a year. That's a little less than 15 cents a day. Don't spend it all in one place."

Nehmen wir der Einfachheit halber mal als ein simples Beispiel eine Kaffeemaschine. Die haben bekanntlich einen Stromstecker, der in den meisten Ländern eben unterschiedlichen Standards entsprechen muss. Problem? Nicht wirklich, der Hersteller lötet für jedes Land halt andere Stecker an dass Gerät und er Kostenunterschied ist minimal. Natürlich wäre es besser wenn alle Länder dasselbe Steckersystem hätten. Das gibt es noch nicht einmal innerhalb der EU. Ob Großbritannien oder Dänemark, unsere dreipoligen Stecker passen da nicht. Die größte Leistung der EU besteht in dem zweipoligen flachen Eurostecker, wo immerhin der Abstand der Pole schon mal Standard ist und der deswegen (fast) immer passt. Wow, zu mehr hat es in den letzten Jahrzehnten nicht gereicht.

Was wäre da nun noch zu holen? Zunächst mal müsste man sich im Sinne von TTIP auf einen Stecker einigen. Raten Sie mal welcher das denn dann würde? Der Deutsche, Britische oder Dänische? Surprise, surprise, es würde ziemlich sicher der US-amerikanische werden. Was noch?
Der Hersteller bräuchte nun nur noch ein Sorte von seinem chinesischen (ja da kommen die Dinger her) Lieferanten zu bestellen. Ersparnis, wenn es hoch kommt, 1 Euro beim potentiellen Endverbraucherpreis des Gerätes.

Was könnte der Hersteller mit dem gewonnen Euro machen? Er könnte den zum Beispiel als zusätzlichen Lohn an die Mitarbeiter weitergeben. Oder aber den Verkaufspreis senken um gegen US, oder was viel wahrscheinlicher ist, gegen China-Produkte besser anzukommen. Oder auch einfach auf sein Investorenkonto überweisen? Sie dürfen erneut raten, was mit dem Euro geschieht. Surprise, surprise, jedenfalls kaum Ersteres. Was sonst noch? Nun, die Hersteller von Adapterstecker würden pleite machen, denn die braucht ja nun keiner mehr. Auch beim Zoll und den Papierkramstemplern könnte man nun Arbeitsplätze einsparen, denn auch deren Arbeit wird nicht mehr benötigt. Nun kann man solche Rechnungen natürlich etwas genauer und weitläufiger überschlagen, aber selbst die Industriefreundlichen Wirtschaftsinstitute rechen unter dem volkswirtschaftlichen Strich mit keinem nennenswerten zusätzlichen(!) Wachstum oder gar Gewinn an Arbeitsplätzen, was übrigens keineswegs das gleiche ist.

Warum ist das so? Nun den Grund habe ich schon öfters erläutert. Wachstum in der Realwirtschaft funktioniert nur solange wie die neben den Gewinnen auch die (netto) Massenkaufkraft ansteigt. Letztere fällt aber seit Jahrzehnten in den USA und auch schon längst in der EU. Jegliche Maßnahme, die nicht auf eine unmittelbare Erhöhung der Massenkaufkraft zielt, ist daher zum Scheitern verurteilt. Bei dem letzten Satz werden jetzt alle politisch mit den TTIP Verhandlungen Beschäftigten laut aufschreien und behaupten: „Ja gerade darauf zielen wir doch alle ab!“. Das stimmt aber nicht. Tatsächlich zielt man auf eine verbesserte Gewinnlage der Unternehmen und, was völlig übersehen wurde und den Kern von TTIP ausmacht, auf eine deutliche Verbesserung der Renditechancen der Investorengemeinde. Lediglich der verbreitete naive Glaube, dass dies zumindest mittelbar fast das Gleiche sei, hält selbst ansonsten Arbeitnehmerfreundliche Politiker eisern bei der Stange.

Und da liegt des Pudels Kern: Es ist ja weder hüben noch drüben das Problem, dass Konsumenten nicht konsumieren, Arbeiter nicht arbeiten, oder Unternehmer nicht produzieren und verkaufen wollen. Das Problem ist dass diese Abfolge seit einiger Zeit nicht mehr funktioniert. Und die Ursache dafür liegt in genau den Wirtschaftsteilnehmern, die bei der erwähnten Abfolge (Unternehmen, Arbeitskräfte, Konsumenten) so gerne aus geklammert bleiben und, ob man will oder nicht, immer dahinter stecken: Die lieben Investoren und die Finanzwirtschaft. Deren Renditeforderungen nun mal seit etwa 15 Jahren so hoch sind, dass sie jedes reale Wachstum alleine über den Zinseszins direkt wieder verfrühstücken.

So wie alle volkswirtschaftlichen Wundermittel der letzten Jahre und Jahrzehnte wird daher auch TTIP keinen Aufschwung herbei zaubern können. 

Woher denn auch, es ist schließlich aus exakt demselben neoliberalen Garn gesponnen wie auch alle anderen Rohrkrepierer vorher. Genützt haben sie Staat und Bürger wenig, den Banken und Investoren aber immer wieder den goldenen Kragen gerettet. Das Wundermittel darin ist nämlich prinzipiell immer dasselbe: Viel, sehr viel, Geld von den internationalen Geldgebern, sprich insbesondere von den mit frischem FED Geld gefütterten US Investoren, das ungehindert über noch halbwegs unverbrauchte Ökonomien ausgeschüttet und selbstverständlich ordentlich rentiert werden soll.

Und deswegen ist für die USA ein reines Handelsabkommen für Produkte der Realwirtschaft auch ziemlich uninteressant. Denn tatsächlich ist die USA inzwischen weit gehend deindustrialisiert. Mehr als 70% des US-BIP's wird durch Dienstleistungen im Bereich Verkauf von Produkten, die wiederum zumeist aus Fernost kommen, erwirtschaftet. Die EU ist im ganzen Konsumgüterbereich erheblich besser aufgestellt als die USA und würde die vorhandene Reste der US-Industrie förmlich platt machen, also „Detroitisieren“, können, sofern sich die USA auf ein reines Handelsabkommen mit gleich starken Rechten beiderseits einlassen würde.

Viel besser aufgestellt sind die USA nämlich in der Finanzwirtschaft, nicht nur durch ihre Institute, sondern gerade auch durch die Eigenschaft des Dollars als nahezu unangefochtene Weltwährung. Der Euro kann und konnte das nicht ändern, nicht umsonst hat man ihn aus Richtung der USA ja auch erfolgreich unter Dauerfeuer genommen. Nein die USA haben nur ein wirklich nachgefragtes Exportprodukt, wenn man mal von der Sonderstellung in der Waffenproduktion absieht: Schulden. Sei es in Form frisch gedruckter Dollarnoten oder irgendeiner seiner Derivate. Und diese Dollarberge wachsen mit der Einführung des Quantitative Easing zur Rettung der US-Banken lustig weiter ins astronomische. Was die USA schon seit Jahrzehnten und immer mehr braucht sind weniger Abnehmer für ihre kaum noch im eigenen Land produzierten Produkte, sondern eine ständig steigende Zahl von Käufern für ihre gigantischen Geld- und damit Schuldenberge.

Das trifft sich nun aus Sicht der USA mit dem glücklichen Umstand, dass die meisten Menschen und praktisch alle Politiker, Geld für einen Wert halten. Ergo, der Import von Geld via internationaler (US-)Investoren in eine nationale (EU-)Ökonomie würde dem Import von Werten, also einem Gewinn, gleichkommen. Leider ist dies ein klassischer neoliberaler Unfug. Geld ist kein Wert, sondern nur ein staatlich garantierter Anspruch auf einen Wert. Der Unterschied zwischen Wert (in einer Nation erwirtschaftetes BIP) und Anspruch auf Wert (in einer Nation vorhandenes Geld) erklärt im Prinzip schon das ganze Dilemma. Insbesondere wenn der Anspruch nicht aus dem eigenen Land kommt.

Einen Wert, die die arbeitende Bevölkerung eines Landes erst einmal erwirtschaften muss. Das was Investoren ins Land bringen, sind erst einmal nur Schulden für denjenigen der die Gelder annimmt (kauft), die dann, mit Rendite versteht sich, zurück gezahlt werden sollen. Und zwar in diesem speziellen Fall auch noch mit erwarteten Renditen (5-10%) die locker mehrere 100-mal höher sind als die von der EZB (0,05%) oder FED (0%) geforderten Zinsen. Das wäre ja noch nicht einmal so schlimm, wenn es denn überhaupt eine Nachfrage für solche Gelder gäbe. Denn es war ja schon unmöglich die letzten geschenkten Chargen an die EU-Banken für fast umsonst zu verhökern, geschweige denn dass diese in der Lage gewesen wären, dass so billige Geld in die Wirtschaft zu transferieren. Das Geld kommt unten praktisch nicht an, weil dort die Nachfrage über die dafür notwendig steigende Massenkaufkraft fehlt. Das Geld wandert daher wenn überhaupt nur noch in weitere Aktien- und Immobilienblasen.

Was schon mit geschenkten Geld von innen nicht klappt, das soll nun mit deutlich teurerem Geld von außen funktionieren? Wohl kaum. Das Ziel von TTIP ist aus Sicht der USA eher ein weiteres Fass für Rendite trächtige Finanz-Blasen aufzumachen. Händeringend gesucht, weil fasst alle Fässer weltweit schon vollgelaufen sind und nichts schlimmer wäre, wenn all die Dollar (die nichts anderes als US-Schulden sind) zurück in die USA wandern würden.

Goldman Sachs - Bild: Wikipedia

Schauen wir nun also einfach mal in die Vertragsentwürfe:

„TTIP - Directives for the negotiation on the Transatlantic Trade and Investment Partnership between the European Union and the United States of America“ führt in seiner Präambel auf:

Nature and Scope of the Agreement

1. The Agreement will exclusively contain provisions on trade and trade-related areas applicable between the Parties. The Agreement should confirm that the transatlantic trade and investment partnership is based on common values, including the protection and promotion of human rights and international security.

2. The Agreement shall be ambitious, comprehensive, balanced, and fully consistent with World Trade Organisation (WTO) rules and obligations.

3. The Agreement shall provide for the reciprocal liberalisation of trade in goods and services as well as rules on trade-related issues, with a high level of ambition going beyond existing WTO commitments.

4. The obligations of the Agreement shall be binding on all levels of government.

Nun, das klingt zunächst mal wenig aufregend, und die Anmahnung der Menschenrechte klingt ja nun auch gleich überaus nobel. Etwas lustig bis merkwürdig ist, dass im ersten Satz betont wird, dass man sich ausschließlich um Handelsangelegenheiten kümmern würde, wobei man dann aber eifrig die Menschenrechte in Beschlag nimmt. Dabei dachte ich das der Vertrag eigentlich zwischen zwei funktionierenden Demokratien geschlossen werden soll und nicht mit Nordkorea. Zumindest, soviel darf ich hieraus schließen, ist der altehrwürdige Handel mit Sklaven nun auch offiziell ausgeschlossen. 

Absätze 2 und 3 besagen nun überdeutlich, dass der Vertrag nicht nur ambitioniert sein soll, sondern alles bereits dagewesene an Liberalisierung noch um Längen übertreffen soll. Super-Post-Neo-Liberalismus demnach also. 

Absatz 4 besagt schließlich,  das der Vertrag „auf allen Ebenen der Regierung“ bindend sein soll. Hmm, was soll das nun heißen? Unterzeichnen sollen ja nun die Regierungen bzw. deren EU-Beauftragte. Das reicht offensichtlich aber den im geheimen Munkelnden noch nicht. Vermutlich hat man die Verfassungen und die Bundesrichter im Visier, die man hiermit offensichtlich vorsorglich über Bord werfen möchte. Ob das notwendig ist wage ich zu bezweifeln, denn bislang sind diese ja noch immer bei der Grundrechtsfrage zu solchen EU-Vereinbarungen erheblicher Tragweite schon beim ersten offiziellen Seenotsignal freiwillig über Bord gesprungen. Und es besteht kaum ein Anlass eine Änderung dieses Verhaltens zu befürchten. 

Danach kommt mehr oder weniger vernünftiges zum Handel, ganz sicher ist ja auch nicht gleich alles schlecht, was in dem Vertrag stehen soll.

Das wirkliche Ei des Kolumbus aber wird erst mit Punkt 22 auf den Tisch geklopft:

Investment Protection:

Paragraph 22: The aim of negotiations on investment will be to negotiate investment liberalisation and protection provisions including areas of mixed competence, such as portfolio investment, property and expropriation aspects, on the basis of the highest levels of liberalisation and highest standards of protection that both Parties have negotiated to date. After prior consultation with Member States and in accordance with the EU Treaties the inclusion of investment protection and investor-to-state dispute settlement (ISDS) will depend on whether a satisfactory solution, meeting the EU interests concerning the issues covered by paragraph 23, is achieved. The matter shall also be considered in view of the final balance of the Agreement.

Also „investment liberalisation and protection provisions...on the basis of the highest levels of liberalisation and highest standards of protection...“. Na das wird aber eine tolle Sache. Frisch, fromm, fröhlich, frei, fürs Kapital und das auch noch mit Schutzhütchen.  

Der folgende Paragraph 23 stellt lediglich klar, dass gleiches Recht auch für die EU gelten soll. Eigentlich überflüssig, aber man merkt zumindest daran, dass die EU-Verhandler immerhin und zu Recht in diesem Punkt misstrauisch sind. Den wahren Knackpunkt haben sie aber nicht wahrgenommen.

Paragraph 23: As regards investment protection, the objective of the respective provisions of the Agreement should:  
  • provide for the highest possible level of legal protection and certainty for European investors in the US,
  • provide for the promotion of the European standards of protection which should increase Europe's attractiveness as a destination for foreign investment,
  • provide for a level playing field for investors in the US and in the EU, -
  • build upon the Member States' experience and best practice regarding their bilateral investment agreements with third countries,
  • and should be without prejudice to the right of the EU and the Member States to adopt and enforce, in accordance with their respective competences, measures necessary to pursue legitimate public policy objectives such as social, environmental, security, stability of the financial system, public health and safety in a non- discriminatory manner. The Agreement should respect the policies of the EU and its Member States for the promotion and protection of cultural diversity.

Scope: the investment protection chapter of the Agreement should cover a broad range of investors and their investments, intellectual property rights included, whether the investment is made before or after the entry into force of the Agreement.

Standards of treatment: the negotiations should aim to include in particular, but not exclusively, the following standards of treatment and rules:

a) fair and equitable treatment, including a prohibition of unreasonable, arbitrary or discriminatory measures,
b) national treatment,
c)most-favoured nation treatment
d) protection against direct and indirect expropriation, including the right to prompt, adequate and effective compensation,
e) full protection and security of investors and investments
f) other effective protection provisions, such as an "umbrella clause",
g)free transfer of funds of capital and payments by investors
h) rules concerning subrogation.

Enforcement: the Agreement should aim to provide for an effective and state-of-the-art investor-to-state dispute settlement mechanism, providing for transparency, independence of arbitrators and predictability of the Agreement, including through the possibility of binding interpretation of the Agreement by the Parties. State-to-state dispute settlement should be included, but should not interfere with the right of investors to have recourse to the investor-to-state dispute settlement mechanisms. It should provide for investors as wide a range of arbitration fora as is currently available under the Member States' bilateral investment agreements. The investor-to-state dispute settlement mechanism should contain safeguards against manifestly unjustified or frivolous claims. Consideration should be given to the possibility of creating an appellate mechanism applicable to investor-to-state dispute settlement under the Agreement, and to the appropriate relationship between ISDS and domestic remedies.

Relationship with other parts of the Agreement: investment protection provisions should not be linked to the market access commitments on investment taken elsewhere in the Agreement. ISDS shall not apply to market access provisions. These market access commitments may include, when necessary, rules prohibiting performance requirements.
All sub–central authorities and entities (such as States or municipalities) should effectively comply with the investment protection chapter of this Agreement.

Na da picken wir jetzt nur ein paar der dicksten und faulsten Eier heraus:

Spielfeld für Investoren: „...provide for a level playing field for investors in the US and in the EU“, das ist fast schon lustig in dieser so demaskierenden Weise des Ausdrucks.

Der Argentinien-Paragraph: „Scope: the investment protection chapter of the Agreement should cover a broad range of investors and their investments, intellectual property rights included, whether the investment is made before or after the entry into force of the Agreement....“. Im Klartext die Bevölkerung eines betroffenen Staates soll sowohl für uralte bis neue Schulden bis ans Lebensende ihrer Urenkel gerade stehen müssen. Schulden die ganz Andere zu anderen Zeiten reich gemacht haben. Ein fromidabler Erb-Sklavenhandel per Konstruktion und natürlich im Rahmen der „Menschenrechte“ zu sehen, sofern man nur Investor vom Schlage eines Paul Singer ist, der jüngst ein ganzes Land seinem Hedgefond zur Geisel machte..

Meistbegünstigungsklausel: „Standards of treatment: ...fair and equitable treatment, including a prohibition of unreasonable, arbitrary or discriminatory measures, ...most-favoured nation treatment,...“. Im Klartext: Alle haben den niedrigsten Standard gegenüber den lieben Investoren anzuwenden. Schon mal etwas von Kapitaltransfer- oder gar Kapitalsteuern gehört? Sollte mal kommen ist aber wieder „in Vergessenheit“ geraten gell. Auch besser so, denn mit dieser Klausel ist jegliche Besteuerungsmöglichkeit, selbst die winzigen bereits hier und da vorhandenen, passe. Die einzige Möglichkeit die Reichen Investoren an den Kosten des Staates und an der Banken Rettung, die fast nur diesen nützt, zu beteiligen sind damit endgültig Schnee von vorgestern. Nur wenn alle Staaten so etwas wollten, und dass ist schon in der EU nicht möglich geschweige denn mit den USA, dann darf es so was eben auch sonst wo nicht geben. Bon.

No-Risk-Investment: „...protection against direct and indirect expropriation, including the right to prompt, adequate and effective compensation,..full protection and security of investors and investments, ...other effective protection provisions, such as an "umbrella clause", …rules concerning subrogation. ...“. Das ist so unverschämt dass es einem eigentlich sofort die Sprache verschlagen sollte. Der Sinn der Klauseln ist klar: Unter keinen auch wie auch immer gearteten Umständen darf der Investor auch nur einen Cent verlieren. Sollte dass doch mal einzutreten drohen, so hat der betroffene Staat, im Klartext ist der „umbrella“ (Regenschirm) der kleine Mann oder Frau der Nation, dass vollständig zu bezahlen. Ganz neben bei bezieht sich diese dreiste Protektion auch auf Persönlichkeiten „full protection and security of investors and investments. Soll heißen auch wenn ein Halunke von Investor sich möglicherweise auf juristischem Glatteis bewegt hat, er darf deswegen nicht so einfach zur Rechenschaft gezogen werden, schon gar nicht vor Gerichten des betroffenen Auslandes. Die letzte Fußangel sind dann noch die „rules concerning subrogation“. Soll heißen, dass man sich auch noch von der letzten Gefahr befreien möchte, nämlich das jemand auf die Idee kommt Forderungen z.B. an Drittstaaten weiter zu reichen (subrogation = Abtretung einer Forderung ), so dass diese nicht unter das Abkommen fallen würden. Ja wo käme man denn da hin, gell. Schließlich trägt der liebe Investor ja ständig ein unternehmerische Risiko mit sich herum, für das er ja seine großen Einkommen kassiert, oder nicht? Nun, so also eher nicht. Null Risiko, maximal möglicher Gewinn, und dass staatlich garantiert. Und den hochbezahlten Verhandlungsführern ist das bislang noch nicht einmal aufgefallen?

Der Mensch ist frei, das Kapital ist freier - zum Abschluss dann nochmal im Klartext, falls es noch immer keiner gemerkt haben sollte, schließt der Paragraph 23 mit „...free transfer of funds of capital and payments by investors,...“. Heißt im Klartext, weder die Annahme noch der Abzug von Geldern darf reguliert oder behindert werden.

Nun mag man einwenden dass das doch so klar wäre, wenn ich 100 Euro auf mein Konto lege dann kann ich die doch am nächsten Tag auch wieder abheben, oder? Ja natürlich, nur wir reden bei den lieben Investoren eben in aller Regel nicht über Kleingeld, worunter sie ruhig auch ein Investment von ein paar Millionen zählen dürfen. Die regen Niemanden auf, Peanuts eben. Wir reden von Investoren die Milliarden bewegen, oftmals mehr Geld als ganze Volkswirtschaften besitzen, und dass von heute auf morgen um noch irgendwo in der Welt ein paar Prozentchen Rendite heraus zu ziehen. Und das in der Regel auch ohne nur eine Schraube an der realen Werkbank zu drehen oder drehen zu lassen. Da geht es mal um kurzfristige Arbitrage Mitnahmen, Devisen, Zertifikate, Schuldtitelhandel und tausend andere volkswirtschaftlich eher schädliches Abzocken von Gewinnen aus reinen Finanzschiebereien.

Dazu zählen selbstverständlich auch die Aktivitäten der Hedgefonds

Also der Ankauf ganzer Firmen auf Kredit, ausschlachten um dann die noch edlen Teile mit Gewinn weiter zu verkaufen. Das nennt sich Sanierung, wobei der Gewinn beim Hedgefonds bleibt, die aufgewendeten Kreditkosten aber der Firma aufgelastet werden und die enormen sozialen Kosten gefeuerter Arbeitnehmer bleiben selbstredend bei Staat und Bürger hängen. Aber auch mal ein ganzes Land wird nicht verschmäht, nicht zuletzt durch Paul Singer und seine geschickte Ausplünderung der Argentinischen Bürger. Dazu kaufte er nach einem Schuldenschnitt alte Titel zu ca. 20% des Nennwertes. Zockerniveau also, mit der Absicht natürlich, die später irgendwie für mehr los zu werden. In diesem Falle zu 100%, unter Ausnutzung ausgeprochen haarspalterischer juristischer Finessen. Die ihm von dem als verschroben geltenden New Yorker Richter Thomas Griesa dann auch glatt zugestanden wurden. Selbst US-Bankenvertreter haben diese Entscheidung später noch als äußerst merkwürdig und gefährlich kritisiert. Nämlich weil der Schuss zukünftig auch für die USA mal nach hinten los gehen könnte. Unter TTIP müsste der arme Paul allerdings nicht noch um seine Zockergewinne fürchten, die die Argentinische Präsidentin trotz der Bestätigung im finalen Urteil des Höchsten US-Berufungsgericht unter Chef Richter Katzmann verweigert hat. Unter TTIP währen wir tatsächlich verpflichtet ihm das Geld hinterher zu tragen, auch ohne das er die Hilfe eines gnädig gestimmten Bundesgerichtes in Anspruch nehmen müsste.

Oder was will man machen, wenn nun Globale Investment-Häuser wie Goldman Sachs und andere nach Herzenslust und ohne Einschränkung in Deutschland investieren wollen. Banken übernehmen und deren Investmentanteil mit billigem EZB-Geld auf Teufel und Rendite komm heraus aufblasen. To big to fail? Nun ja, aber nach welchen Regeln denn bitte, den Deutschen, Italienischen, Britischen oder den US-Regeln? Egal, jedenfalls die billigsten, denn so steht's im TTIP. Für den absehbaren tiefen Fall, Gewinne dürfen kurz vorher selbstverständlich ungehindert abgezogen werden, darf, nein muss, der deutsche Michel dann seinen ganz großen „Umbrella“ aufziehen. Und der liebe Lloyd sagt da dann auch "Danke schön, und Gott vergelt's". Belangt werden könnte er und sonstige genauso pfiffige Banker jedenfalls nicht.

Unterbinden, oder auch nur behindern, darf man solche Geschäfte nach dem jetzigen Wortlaut von TTIP durch Niemanden und Nirgends mehr. Ganz im Gegenteil haben der Staat und seine Bürger dann sogar noch die Pflicht, das eventuelle Rest-Risiko abzusichern und die Geschäfte und Gewinntransfers ins ferne Nirwana tatkräftig zu befördern.

Detroit - Bildquelle: Wikipedia

Das Erschütternde ist, dass die Politik Nichts, aber auch gar Nichts, aus der jüngeren Geschichte gelernt zu haben scheint. 

Nach wie vor werden Schulden mit noch größeren Schulden bekämpft, und der realwirtschaftliche kontraproduktive, ja teilweise einfach nur räuberische, Investmentbankingbereich bis zum geht nicht mehr aufgeblasen. Wachstum und ausreichend neue Arbeitsplätze erzeugt man so nicht, eine Erfahrung die man ja nun auch ohne tiefer gehende Ökonomiekenntnisse längst gemacht haben sollte. 

Man warf Öl ins Feuer und siehe da, der Brand hörte einfach nicht auf. Die Brandstifter im Hintergrund dienen nun der freiwilligen Feuerwehr den guten Ratschlag an, der Fehler läge einfach an immer noch zu wenig Öl. Man möge doch einfach noch mehr Öl ins Feuer pumpen, dann werde der Brand schon irgendwann erlöschen. Und die Brandhelfer der EU glauben das auch noch wider besseren Wissens und alt-neoliberaleChlorhühnchen blasen weiterhin kräftig ins Horn dass es allen widerschallt. 

Es lohnt sich auch ein Blick in den US-Hintergrund von TTIP zu werfen. Wer sind US seitig die Antreiber und Vorbereiter des Abkommens? Natürlich die US-Regierung, die fast schon traditionell von der US Banking Industrie unterwandert wird. Gerade auch Barack Obamas Regierung hat ein lange Liste von Goldman Sachs Officern in seiner Besetzungsliste. Zuständige Wirtschaftsministerin ist Penny Pritzker, die natürlich, ebenfalls eine solide Karriere als Investmentbankerin vorzuweisen hat. Hinter dem TTIP stehen weiterhin die Transatlantic Business Organisation  unter Chef Stuart Eizenstat und der Transatlantic Economic Council unter dem US-Chef Michael Froman die dem Investmentgeschäft bzw. ihren Lobbyorganisationen ebenfalls nahe stehen, inklusive den schon mal erwähnten Bilderbergern und Co. Was Wunder also wenn TTIP nur vordergründig für Handelserleichterungen steht, womit man lediglich längst eingetretene Türen öffnen könnte. Für ein Wachstum dass, wenn überhaupt noch möglich, so winzig wäre dass es im statistischen Rauschen verschwindet. Dafür müsste man sich nicht wirklich so ins Zeug werfen, so wie etwa Chlorhühnchen Friederich Merz für das allseits bekannte Atlantik-Brücke Bündnis. Man müsste weder demokratiefeindliche Geheimverhandlungen noch Sondergerichtsbarkeiten den Weg bereiten. 

Dafür würden ein paar Zollverhandlungen und Entbürokratisierungsabkommen leicht ausreichen.

Nein es geht den USA nicht um ein bisschen GDP-peanuts sondern um viel Größeres. 

Der Investmentbereich der Banken (Bankeneigengeschäft) ist ja bereits in der BRD gut doppelt so groß geworden wie der Commercial Bank Business, also die Kreditvergabe in die Realwirtschaft. In den USA liegt der Faktor sogar bei etwa 5. 

Das funktioniert nur wenn man die zugehörigen Schuldtitel im Ausland gewinnbringend verkaufen kann, sei es als simple Greenbacks oder auch als komplexe Zertifikate etc. pp. Der größte Teil dieser wachsenden Last gehört in den USA aber zu der Altersversorgung der Bevölkerung, und die droht nun mehr und mehr den Bach hinunter zu gehen. Die Detroitkatstrophe war nur der Anfang in dem es hier erstmals ein wirklich großes Gemeinwesen auf einen Schlag hinwegraffte. 

Diese Entwicklung der Alterversorgungen Richtung Nullpunkt geht hinter den Kulissen aber lustig weiter. Längst rumort es heftig in den USA, nicht nur da wo Einwanderungsdruck, wie an der Mexikanischen Grenze oder Rassismus wie jüngst in Fergusson hinzukommt. Der Amerikanische Traum wird für immer mehr Einwohner, einschließlich für den so zentralen Mittelstand, zum Albtraum und Horrorszenario. Weitere Zusammenbrüche der Lebensersparnisse der Bevölkerung können auch die USA absehbar in einen „Amerikanischen Frühling“ stürzen. Die Lunte dazu brennt und das die Ladung noch nicht gezündet hat, liegt lediglich an dem tief verwurzelten, aber längst hinfällig gewordenen Glauben an den Amerikanischen Traum, wo Jeder angeblich von Heute auf Morgen zum Millionär werden kann. Oder zum armen Lumpen ohne Wohnung, und ohne Alters- und Gesundheitsversorgung. 

Was die USA jetzt am dringendsten braucht ist daher ein großes Fass wo noch was von den vielen Schuldtiteln hinein passt um effektiv aus fremden BIP die Renditen für die unangenehm murrenden Mittelstandsbürger noch her zaubern zu können. Lieber die Detroitisierung von Paris, Rom und Berlin riskieren, als die von Washington bis Los Angeles. 

Das ist ziemlich offensichtlich das wahre Ziel hinter TTIP:  RIP Detroit, adios Germany, Arividerci Roma.



Donnerstag, 9. Oktober 2014

Dünkirchen, Kobane und die Flüchtlingsfrage

Erinnern Sie sich noch an Dünkirchen, 1940? Eher wohl nicht. Die Schlacht von Dünkirchen war eine vorweg genommene Entscheidungsschlacht des Zweiten Weltkriegs. Schauen wir auf eine verkürzte Darstellung der Wikipedia:

„Warnungen hoher Offiziere zum Trotz begann Adolf Hitler am 10. Mai 1940 den Angriff auf die Beneluxländer und Frankreich...Nach dem für die Alliierten überraschenden deutschen Vorstoß über die Ardennen und der Erzwingung des Übergangs über die Maas bei Sedan erreichten Panzerverbände den Schauplatz der Schlacht an der Somme im Ersten Weltkrieg. Gleichzeitig setzte die deutsche Heeresgruppe B im Norden ihren Vormarsch durch Belgien unaufhaltsam fort. Aufgrund des deutschen Durchbruchs im Süden ordnete der Oberbefehlshaber der alliierten Nordgruppe einen Rückzug zur Schelde an.

Da sich im Süden die französische 3. Heeresgruppe weitgehend auf eine Verteidigung der Somme-Linie beschränkte, entblößte sie dadurch die südwestliche Flanke der alliierten nördlichen Heeresgruppe. Damit wurde deutlich, dass das Britische Expeditionskorps, die belgische Armee und die französische 1. und 7. Armee von der französischen Hauptstreitmacht im Süden getrennt werden könnten. Den deutschen Panzerdivisionen stand der Weg zum Aufrollen der rückwärtigen Gebiete der alliierten Nordgruppe und zur Eroberung der Kanalhäfen offen. Am 19. Mai begann die Royal Navy im Auftrag des englischen Kriegskabinetts mit der Vorbereitung einer Rettungsaktion.

Die Schlacht von Dünkirchen - Quelle: wikipedia
Auf deutscher Seite fiel nun die Entscheidung, nach Norden zu drehen, um den Einschließungsring enger zu ziehen und die Kanalhäfen zu nehmen. Lord Gort musste eine Entscheidung treffen: entweder den französischen Verbündeten im Kampf beizustehen und die Hauptstreitkraft Großbritanniens aufs Spiel zu setzen oder aber zu versuchen, über die See zu entkommen. Obwohl er damit den Interessen der ihm übergeordneten französischen Armeeführung zuwiderhandelte, schlug er dem britischen Kriegsminister vor, eine Evakuierung zu versuchen. Gort ließ dennoch den französischen Oberkommandierenden Maxime Weygand über mehrere Tage in dem Glauben, dass sich britische Truppen an einer Doppeloffensive zur Wiedervereinigung der Nordgruppe mit den französischen Hauptkräften beteiligen würde.

Am 22. Mai starteten die Panzer Guderians den Angriff in Richtung Calais und waren am 24. Mai nur 18 Kilometer von Dünkirchen entfernt. Unerwarteterweise ließ von Rundstedt, bestätigt durch Hitler bei einem Frontbesuch am selben Tag, die Panzer anhalten. Derartige Haltebefehle waren als Pause für die voran geeilte Panzerspitze gedacht, um sich mit den übrigen Truppenteilen zu konsolidieren. Auch bestand die Befürchtung, dass eine koordinierte Aktion der Engländer im Norden und der Franzosen im Süden die Panzerspitze einschließen könnte. Dass die letzten britischen Kampfpanzer längst bei Arras abgestellt waren, wusste von Rundstedt nicht.

Die Gründe für den Haltebefehl vom 24. Mai werden bis heute kontrovers diskutiert. In der Regel wird der Haltebefehl Hitlers auf dessen eigene Autoritätsdurchsetzung zurückgeführt. Da er während des bisherigen Westfeldzuges als militärischer „Führer“ völlig außen vor gelassen wurde, war der Haltebefehl eine symbolische Geste, um seine Autorität zu demonstrieren.

Insgesamt 338.226 alliierte Soldaten konnten bei Dünkirchen nach England übergesetzt werden. Auf dem Festland hinterließ die Evakuierung ein Gefühl des „Im-Stich-gelassen-Seins“. Kriegsmüdigkeit und der Wunsch nach baldiger Waffenniederlegung unter der Zivilbevölkerung und bei Militärs waren die Folge. Die Schlacht um Frankreich begann unmittelbar nach der Einnahme von Dünkirchen und endete nur zwei Wochen später am 17. Juni 1940. Bis dahin hatte die französische Marine tausende französische Soldaten, die aus Dünkirchen gerettet worden waren, wieder zum weiteren Kampf von Southampton nach Frankreich zurücktransportiert und so gerieten diese Soldaten doch noch in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Die verlorene Schlacht wurde unter dem Ausnahmezustand durch die vom Ministry of Information gelenkte Presse wie ein Sieg gefeiert. Es wurde vom “Wunder von Dünkirchen” gesprochen.
Der Haltebefehl vom 24. bis 26. Mai wird von manchen Publizisten als kapitaler taktischer Fehler angesehen, von anderen als militärische Routine. Die Gefangennahme des gesamten britischen Expeditionskorps hätte die Kraft Großbritanniens, den Krieg gegen das Deutsche Reich fortzuführen, wohl entscheidend beeinträchtigt. Die Luftwaffe konnte Görings Ankündigung, die eingekesselten Truppen allein durch Luftangriffe zu vernichten, nicht erfüllen. Als Gründe dafür gelten eine Überschätzung der Möglichkeiten des Luftkrieges zum damaligen waffentechnischen Entwicklungsstand und die Gegenwehr der Royal Air Force.“

Nun, die Ähnlichkeiten mit der zur Zeit heftig umkämpften Kurdenmetropole Kobane ist frappierend. Ersetzen sie einfach Hitler-Deutschland durch die Türkische Panzerarmee und den IS, die Franzosen durch die Kurden, und die Briten bleiben dass was sie sind plus die heutige Weltmacht USA und den politischen Teil des Wackelkandidaten Türkei. Dünkirchen und Kobane, beide Schlachten sind dem Beginn eines Weltkrieges zu zuordnen, jeweils zu einer Zeit wo man den Begriff noch nicht so recht in den Mund nehmen wollte. Und in beiden Fällen ist für den Ausgang der Schlacht entscheidend, was die beteiligten Parteien für Vorstellungen über den absehbaren weiteren Verlauf des Krieges hegen.

Die Türkei spielt Foul: IS Kämpfer werden an der Grenze frei durchgelassen. Kurden dagegen müssen ihr Leben bei dem gleichen Versuch riskieren. Bildquelle: Twitter.
So stehen nun türkische Panzer in Sichtweite Kobane's in Warteposition, die Alliierte Unterstützung beschränkt sich alleine auf Luftangriffe. Deren verheerende Wirkung sollte man zwar nicht unterschätzen, aber in aller Regel sind sie nicht alleine ausreichend um einen so zähen Gegner wie die IS zu besiegen. Die Kurden aber lässt man im Kessel weitgehend im Stich, Panzer und Verbände rücken nicht vor weil man nicht so recht weiß, welche eventuell negativen Folgen das für die eigene Kriegsführung in Zukunft bedeutet.

Insbesondere die Türkei befürchtet dass ihr Eingreifen zu einer Stärkung der verhassten PKK des inhaftierten Kurdenführers Öcalan's führen könnte, was wiederum gewaltige innertürkische Probleme  mit der dort lebenden rund 15 Mio.starken Kurdenethnie erzeugen könnte. Da riskiert man lieber dass zehntausende Kurden in Kobane massakriert werden und der IS an einer weiteren Stelle direkt Auge in Auge an der Grenze zu Europa steht. Und dass zu den bereits Millionen Flüchtlingen noch weitere hinzukommen und in die Türkei strömen. Vorab ist anzunehmen, dass die Türkei einen ziemlich dreckigen Deal mit dem IS im Zusammenhang mit dem kürzlichen vorgenommenen Gefangenenaustausch gemacht hat. Gewissermaßen Selbstmord aus Angst vor dem Tode.

Ähnlich wie der Brite Lord Gort die Franzosen hinhielt und hinterging, werden nun die Kurden vorgeführt. Dabei ist es in der Tat schwer abzuschätzen was, welche Entscheidung man auch immer trifft, diese für den weiteren Krieg für Spätfolgen haben wird. Natürlich war es im Falle Dünkirchens so, dass ein schnelles Vorrücken der deutschen Panzerverbände die Alliierten so schwer geschädigt hätte, dass der weitere Kriegsverlauf gegenüber dem historisch bekannten völlig verändert worden wäre. Ob zum Guten oder schlechten, und für wen und wie genau, das bleibt dennoch im Ungewissen. Die Türkei hofft nun, dass die Schlacht von Kobane die Kurdenarmee genug schwächt um einen Kurdenstaat unmöglich zumachen, aber ausreichend kräftig belässt um dem IS weiter zu widerstehen und für die türkische Armee die Kohlen aus dem Feuer holt. Der Rest der Alliierten rund um die USA hoffen, dass bei der Schlacht der IS so heftige Verluste einstecken muss, dass ebenfalls diese nachhaltig geschädigt wird.

Die Gefahr dass diese simple und zynische Kalkulation nicht aufgeht ist jedoch gewaltig

Zwar lassen zeitweise Meldungen über einen Teilrückzug des IS aus Kobane und Berge von Leichen der IS-Dschihadisten in den Straßen der Stadt alliierte Hoffnungen aufkeimen, aber es ist noch viel zu früh zum triumphieren. Das „Kriegsglück“, sofern man von so was überhaupt sprechen mag, kann schon in Kürze wieder umschlagen.

Für den IS ist es zumindest aber auch eine Entscheidungsschlacht. Offensichtlich wirft er seine wesentlichen Kräfte dort an die Front. Wahrscheinlich steht der größte Teil der IS Armee in einem relative kleinen Ring um Kobane. Lässt man sie weiter gewähren, dann ist der Fall Kobane's vorhersehbar, denn üble Verluste durch Luftangriffe scheinen den IS-Halsabschneidern ja nur wenig auszumachen. Denn natürlich ist neben der strategischen Bedeutung der Stadt die enorme psychologische Wirkung auf die IS Anhänger von Bedeutung, sowohl was Sieg als Niederlage anbetrifft. Ein Sieg würde enorme Sogwirkung entfalten, der Zustrom neuer Islamisten würde vermutlich die endlichen Verluste überkompensieren. Und die nächste und übernächste Stadt würde danach auch nur eine Frage kurzer Zeit sein, zumal die Bewohner als auch Verteidiger in Anbetracht des Kobane-Desasters dann auch lieber sofort die Flucht ergreifen würden. Keine guten Aussichten für die Alliierten, zumal sich dann der IS auch wieder dem Süden ihres Einflussbereiches zuwenden könnte: Bagdad, Jordanien, Südsyrien und Libanon und natürlich, last but not least, dem Erzfeind Israel.
Warum rückt man nicht vor? Der IS wäre Geschichte.
Auf der anderen Seite wäre es aber ein grandiose Gelegenheit für die Alliierten dem IS den vorläufigen Garaus zu machen: Da er sich nun in einem relativ engen Kreis um Kobane konzentriert hat, wäre eine zweite äußere Umfassung relativ leicht möglich. Die IS-Armee wäre dann plötzlich in der Lage des sogar zweiseitig Umzingelten. Eine ähnliche Schlacht wie vor langer Zeit in Alesia. Eine sichere Todesfalle normalerweise, wenn man keinen Julius Caesar auf seiner Seite hat. Erdogans Türkei aber ist hier der übelste Hinderungsgrund. Tatsächlich sitzt die Türkei strategisch zwischen sämtlichen Stühlen und egal welche Wahl sie trifft, der Ärger wird nicht gering ausfallen. Die innertürkischen Kurden gehen ja bereits auf die Barrikaden und können die Türkei ins Chaos stürzen, wenn sie sich nicht zum Eingreifen entschließen kann. Ebenso werden hunderttausende mehr die Flucht Richtung Norden antreten. Beides keine gute Aussicht. Andererseits gibt es reichlich Islamisten in der Türkei selbst, die geheimen Verbindungen und Rekrutierungswege zum IS in Syrien und Irak eingeschlossen. Die werden nicht minder frech werden, wenn Sultan Erdogan doch die Kurden rettet.

Die Alliierten unter Führung der USA sind nun auch schon gewaltig sauer, weil sich die Türkei überall quer stellt. Eine Zustimmung zum Eingreifen hat Erdogan an die Bedingung gekoppelt, dass dann auch Assad in Syrien beseitigt werden muss. Kein guter Deal für die USA aber, die dann einen wie auch immer gearteten neuen Staat, wahrscheinlich scharf islamistisch mit oder ohne IS, erwarten darf. Wiederum keine guten Aussichten dann für den Westen und besonders für Israel. Gute Zeiten zudem für die nicht weniger als die Türkei Alliierten Iran und Saudi-Arabien, die beide so wie die Türkei zur erneuten Vormacht im Osten aufsteigen möchten und sich gegenseitig belauern. Aus deren Sicht ist die Türkei jetzt erst mal da, wo man sie gerne sehen möchte, nämlich knietief im Kriegsdreck.

Für den Iran bedeutet es, dass sie erst mal den ganzen Atomquark der Alliierten getrost vergessen darf. Das Basteln an der Bombe geht selbstverständlich weiter, es steht längst nicht mehr ganz oben auf der westlichen Agenda. Israels Mossad hat vor wenigen Tagen zwar mal wieder Nukleareinrichtungen des Irans sabotiert und eine fette Explosion ausgelöst, aber dass ist nur ein mäßiger Zeitgewinn. Die Bombe wird kommen, und dass wird auch für die Türkei und Saudi-Arabien der Fall sein. Die Türkei weiß nach der Ukraine-Krise, die längst auch ein Krieg ist der im Moment lediglich ein bisschen auf Sparflamme läuft, dass sie im Ernstfall nie und nimmer auf die Atomare Garantie der USA setzen kann. Da basteln Erdogans Experten längst an der eigenen Bombe, dass Material, Experten und die nötige Industrie dafür steht der Türkei schließlich zur Verfügung. Saudi-Arabien hat sie dagegen schon faktisch über die Beteiligung am Pakistanischen Atomprogramm in Teilhabe, Raketen zum Transport inklusive. In relative kurzer Zeit werden sich also die Lokalmächte Türkei-Iran-Saudi-Arabien und Israel auf atomarer Augenhöhe gegenüber stehen.

Schlimm genug schon für sich alleine, aber wenn dann auch noch der IS dazwischen herumtanzt, ist das Chaos endgültig perfekt. Die nächsten Stunden, Tage und höchstens Wochen werden dann also entscheidend dafür sein, wie es weiter geht. Ein Ende wird es noch lange nicht haben, dass ist sicher, und so sprach der US-Militärexperten Panetta ja auch bereits von einem 30-jährigen Krieg, der hier notwendig geworden sei. Wie wahr.

Deutschland, lieb Vaterland, magst ruhig sein. 

Ein Spruch der sich weiland darauf bezog, dass die Deutsche Armee ja stark genug sei das Land gegen jeden denkbaren Angreifer erfolgreich zu verteidigen. Nun, auch heute noch ist Deutschland erstaunlich ruhig, die Armee der Bundeswehr dagegen ist seit den 90er-Jahren tot gespart und marode geworden. Da bleiben versprochene Hilfslieferungen stecken, weil mal wieder einer der alten Transalls den Geist aufgibt und den Kurden liefert man, wenn es dann mal klappt mit dem Flieger, altes Wehrmaterial zur geflissentlichen Entsorgung. Selbst die kleinen Niederlande lassen sich da weniger lumpen, deren Jagdflugzeuge fliegen Einsätze um Kobane während das reiche Deutschland noch darüber diskutiert, ob überhaupt irgendein Handlungsbedarf gegeben wäre.

Reste der aktuellen Straßenschlacht in Hamburg, Quelle Twitter
Dieser ergibt sich inzwischen eher in Hamburg und Celle, wo es nun schon zu mehreren Straßenschlachten zwischen Kurden bzw. Yesiden und IS-Anhängern gekommen ist. Tendenz zunehmend. Denn die aktuellen Kriegsherde, von denen Syrien/Irak zur Zeit nur der ist, der in Medien am meisten diskutiert wird, erzeugen weltweit einen riesigen Flüchtlingsstrom. Eine Völkerwanderung die nach den letzten Berichten der UN bereits die Ströme des Zweiten Weltkriegs übertrifft. 

Jetzt schon, und wir sind ja gerade am Anfang des Desasters des 21. Jhd.

Gründe für eine Flucht gibt es weltweit genug und immer mehr. Es sind Unterdrückung und Ausbeutung, Klimaerwärmung und Überflutungen, Naturkatastrophen, Bevölkerungsexplosion und Rückgang der Ressourcen, es sind Armut, Seuchen und Krieg. Und alles davon ist im besten Steigflug begriffen. Viele Politiker, Journalisten und Bürger flüchten sich in die Vorstellung, dass das alles einfach aus zu sitzen wäre. So wie auch vor 50 Jahren. Hatten wir nicht den Vietnamkrieg da, oder den Bürgerkrieg und die Hungersnot in Biafra? Nun gut, es gab einige Tote zu beklagen, aber nach einiger Zeit hat sich alles gelegt und quasi in Luft aufgelöst, zumindest für uns hier. Unseren Wohlstand und den weiteren Aufstieg hat es jedenfalls nicht nennenswert behindert und heute redet auch keiner mehr über diese Themen. Warum also sollte dies jetzt anders sein?

Nun, es liegt daran, dass heute der Hintergrund ein völlig anderer ist. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich die Zahl der Menschen von gut 2 auf mehr als 7 Milliarden Menschen mehr als verdreifacht. Eine Finanzkatastrophe wie heute war damals auch noch weit entfernt. Die westlichen Ökonomien, allen voran Deutschlands nach der entscheidenden Währungsreform, waren noch knackig gesund. Alles außer Aufstieg war undenkbar, Ausbeutung durch internationale Schuldverzinsung noch, oder besser wieder, ein weitgehend unbekanntes Thema. Ressourcen waren ebenfalls in Hülle und Fülle vorhanden und Wachstum behindernder Umweltschutz war höchstens etwas für verklemmte Wissenschaftler in ihren Elfenbeintürmen. Medizinische Versorgung und Lebenserwartung jagten von Rekord zu Rekord. Erst Anfangs der siebziger Jahre rechneten einige Spielverderber des neu gegründeten Club of Rome vor, dass dieses Spiel spätestens Mitte des 21 Jhd. an seine systemischen Grenzen stoßen würde. Glauben wollte es kaum Einer, und auch heute noch wird der Umstand, sowie auch die sogar stärker als erwartet rollende Klimakatastrophe, von mächtigen Interessenverbänden geleugnet.

Tatsächlich aber merken wir jetzt die ersten Anzeichen der kommenden Apokalypse. In Afrika etwa wurde nach einer Umfrage ermittelt, dass zweidrittel der Bürger sich lieber heute als morgen nach Europa begeben würden, wenn sie es sich denn nur leisten könnten. Nun, dass sind also aktuell bereits rund 700 Millionen Menschen die so denken. Und wie kein anderer Kontinent wächst Afrika rasant, von zur Zeit etwas über ein Milliarde wird sich die Bevölkerung bis 2050 mindestens verdoppeln, vielleicht sogar verdreifachen, je nach Hochrechnung und Modellannahmen über Verhütung einerseits und Sterberaten andererseits. Angesichts der Tatsache dass die Ausbeutung in Afrika weiterhin nicht nachlässt, und auch an einer humanitäre Änderung der Zustände nicht realistisch zu denken ist, werden wir bis dann also auf bis zu 2 Milliarden potentielle Auswanderer Richtung EU zählen dürfen. Allerdings nur, falls Ausbeutung, Kriege und Seuchen in Afrika nicht noch weiter zunehmen.

Tatsächlich quellen bereits dieses Jahr sämtliche Flüchtlingsheime in Deutschland und der EU über, die für die Unterbringung verantwortlichen Städte kommen aus dem Stöhnen gar nicht mehr heraus. Dabei haben wir dieses Jahr nur 250.000 Flüchtlinge aufgenommen, die meisten zudem aus dem vergleichsweise dünn besiedelten Osten und weniger aus Afrika. Immerhin ist auch diese Zahl schon eine mittlere neue Großstadt in der BRD, aber es ist nur ein Vorgeschmack auf das, was da noch im nächsten und übernächsten Jahr heran schwappt. Schon in 2015 wird diese traurige Zahl locker die Millionengrenze reißen. 

Und irgendeine eine Grenze nach oben hin ist definitiv nicht zu sehen. 

Das ist auch der Grund dafür, dass sich seit der Lampedusa-Katastrophe vor einem Jahr nichts wesentliches an der Flüchtlingspolitik geändert hat. Auch dieses Jahr sind wieder Tausende im Mittelmeer ertrunken und täglich werden es mehr. Die Haie kommen mit dem Fressen kaum noch nach, und an manchem Touristenstrand muss morgens schon mal das Umsatz schädigende menschliche Schwemmgut weg geschafft werden. So fordern einige blau- oder grünäugige Verbände zuweilen bereits die Öffnung der EU-Grenzen für Afrikaflüchtlinge um den Massentod im Mare Nostrum zu beenden. Gebracht haben diese Forderungen bislang wenig. Aus gutem Grunde. Denn alleine die Andeutung einer Öffnung würde den Flüchtlingsstrom in kürzester Zeit verzehn- und verhundertfachen. Und selbst die Aufnahme dieser Massen würde den dahinter stehenden Auswanderungsdruck kein bisschen schwächen, denn die afrikanische Bevölkerungsexplosion die dort jährlich, je nach Schätzung, zwischen 25 und über 50 Millionen Netto-Neubürger erschafft fängt das mehr als locker auf.

So werden nun schon alte Gewebegebiete freigemacht um die Menge der Flüchtlinge noch irgendwo, außer in hässlichen und weithin auffälligen Zeltstädten, unterbringen zu können. Was nun, wenn im nächsten Jahr in den dann schon nicht mehr kontrollierbaren Ghettos ein Ebola-Fall eingeschleppt wird? Undenkbar? Puh, von wegen, es ist praktisch so sicher wie das Amen in der Kirche. Und was machen Sie dann? So viele Quarantänebetten wie sie dann bräuchten, gibt es in ganz Deutschland nicht. Das Ghetto also komplett absperren? Auch keine wirklich gute Idee, denn die Insassen werden dann zu recht Angst um ihr Leben haben und sich das spätestens nach dem zweiten Toten die Einsperrung nicht mehr gefallen lassen. Der ganze Laden fliegt dann auseinander und die Katastrophe ist danach auch nicht mehr unter Kontrolle zu bringen.

Seuchen wie Ebola, aber auch Aids-HIV, SARS oder auch die gute alte Pest des Mittelalters, es sind alle sogenannte Zoonosen. Sie kommen gehäuft dann vor, wenn Menschen eng miteinander und gleichzeitig auch eng mit Tieren zur Lebensmittelversorgung zusammen leben müssen. Tierviren, für die der menschliche Körper kaum immunisiert ist, springen dann leicht und verheerend über und werden auch sofort weiter gereicht. Armut, Dreck und mangelnde Versorgung potenziert das Ganze natürlich noch weiter, und trifft zusätzlich nun noch auf eine Situation, wo nach knapp 80 Jahren der Antibiotikagaben viele Keime längst immun geworden sind und kaum noch eines dieser lebensverlängernden Wundermittel wirksam ist. Es ist daher absehbar, dass irgendwann sich selbst die gute alte Pest noch einmal durchsetzen kann, ganz zu schweigen von den viel schwieriger zu bekämpfenden Seuchen wie Ebola und der Marburgvirus.

Was also tun sprach Zeus? 

Viele real umsetzbare Möglichkeiten gibt es nicht. Die Situation wird in den kommenden Jahren immer enger und dramatischer, unabdingbar. Und sie wird auch lieb Vaterland mehr und mehr erreichen. Aber nichts ist schlimmer in diesem Zusammenhang als Ausbeutung der Massen, sowohl was Seuchen, was Kriege, was Flüchtlingsdruck angeht. Das trifft auf sämtliche Zeiten und Regionen zu, ob Ukraine oder Nahost bis Fernost, ob Französische Revolution, US-Bürgerkrieg oder den Arabischen Frühling und seine Folgen.

Enthauptung einer Frau durch IS in Kobane; Bild verpixelt; ->Quelle
Und nichts lässt den Zustrom militanter Kämpfer, sei es für den IS oder sonstiger Warlord-Organisationen schneller Anschwellen, als die wirtschaftlich faktische Aussichtslosigkeit einer jungen heranwachsenden Generation. Wer den Krieg, nicht nur den in Nahost und Afrika, gewinnen will, der muss sehr schnell und effektiv etwas an diesen Zuständen ändern. Der reiche Westen, sprich die lieben Investoren und sein aktuelles Finanzsystem, sind dazu aber weder in der Lage noch überhaupt gewillt. Selbst der grausame IS kann das deswegen vor Ort wesentlich besser, indem er die Masse der islamistisch Willigen mit Arbeit und Einkommen versorgt und dabei auf ausländische Finanzinteressen, Staatsschulden und Renditen gepflegt „was scheißt“. Deswegen wird der Zulauf zu diesen Mörderbanden, der ja auch aus dem westlichen, und mit faktischer Schuldknechtschaft gebeutelten, Jugendproletariat genährt wird, kein bisschen abreißen.

Schon gar nicht, wenn man jetzt aus kurzsichtigen strategischen Überlegungen Kobane fallen lässt, und damit dem IS die Visitenkarte des unaufhaltsamen Erfolges aushändigt.



Donnerstag, 2. Oktober 2014

GASTBEITRAG

Thomas Freud: Kreditgeschäft bei Banken weiterhin rückläufig


Bei den meisten Bankinstituten ist das Kreditgeschäft rückläufig. Statt einen Kredit bei einer Bank zu nehmen, greifen große und kleine Unternehmen derzeit lieber auf andere Formen der Finanzierung zurück.

Mittelstand nutzt lieber Eigenkapital statt Fremdfinanzierung

Nach der Finanzkrise wurde lange Zeit das Schreckgespenst einer Kreditklemme beschworen. Wider Erwarten aber ist das Gegenteil eingetreten. Die Banken sitzen nun zunehmend auf günstigen Krediten und die Zinsen bei Wirtschaftskrediten befinden sich auf einem historischen Tiefstand. Dennoch ist die Nachfrage nur sehr zurückhaltend und das Kreditgeschäft insgesamt rückläufig. Eine Mehrzahl der Unternehmen aus dem Mittelstand verzichtet jetzt auf Fremdfinanzierung und nutzt stattdessen lieber angespartes Eigenkapital.

http://www.kreditzentrale.com/
Ausschlaggebend für die Haltung der Unternehmen war auch die Finanzkrise in der Europäischen Union, die zu größerer Unsicherheit beigetragen hat und den Impuls stärkte, ein dickeres Eigenkapitalpolster anzulegen. Vielfach sind nun mittelständische und große Unternehmen in der Lage Investitionen alleine durch Innenfinanzierung zu tätigen. Eine gute Konjunkturlage begünstigt diese Haltung. Für die Banken aber ist diese Situation problematisch.

Kleinunternehmer als Kunden eher uninteressant

Bei großen Unternehmen kommen als Finanzierungsmittel Unternehmensanleihen und Schuldscheindarlehen zum Einsatz.

Startups und Kleinunternehmen haben dagegen oftmals Schwierigkeiten einen Kredit zu erhalten, da sie als Kreditnehmer meist nur sehr wenige Sicherheiten anbieten können und so für viele Bankinstitute uninteressant sind. Der klassische Kredit als Finanzierungsform entfällt daher als Möglichkeit. Wenn eine Finanzierung über ein Bankinstitut nicht möglich ist, stellen sich viele Gründer vor allem auf alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding und Bürgschaften ein.

Viele Bankinstitute hoffen, dass sich das rückläufige Kreditgeschäft durch Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank allmählich belebt, da eine Kreditfinanzierung in dem Fall noch günstiger werden würde. Mehr zu den angesprochenen Themen können Sie auf der Webseite „Kreditzentrale“ finden. Dort kann ich Ihnen ein kostenfreies Ebook zum Thema anbieten, das sie zur privaten Nutzung auf Ihren Handheld-Devices herunterladen können.


Ergänzende Bemerkung TandemVipera:


Hr. Freud bemerkt in seinem kurzen und informativen Beitrag aus dem Bankenleben zum aktuellen Kreditgeschäft: „Viele Bankinstitute hoffen, dass sich das rückläufige Kreditgeschäft durch Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank allmählich belebt, da eine Kreditfinanzierung in dem Fall noch günstiger werden würde.“.

In der Tat ist dieser Glaube nicht nur bei den (Zentral-)Banken weit verbreitet. Tatsächlich erscheint das Argument auch sehr intuitiv, es suggeriert sogar die "goldrichtige" Lösung der Krise: Nämlich Zentralbank-Kredite für die Banken praktisch kostenlos bereit zu stellen, so dass diese das Zentralbankgeld als vorteilhaftes Geschenk zu Gunsten der Kreditvergabe an Firmen in der Realökonomie nutzen können. Natürlich mit der von der Politik dabei erhofften Folge einer kräftigen Stimulierung des Wachstums und damit auch einer Zunahme von (Vollzeit-) Arbeitsplätzen. Tatsächlich aber ist so etwas bislang nicht eingetreten, zumindest bei weitem nicht im intuitiv zu erwartenden Maße.

Trotzdem gilt natürlich für den Kleinkreditnehmer oder Häuslebauer: Die Zeiten sind ausgesprochen günstig einen Kredit aufzunehmen, wenn man ihn denn wirklich braucht und vor allen Dingen, über die vereinbarte Laufzeit hinweg auch bedienen kann.

Warum aber fragen gerade die, die größeres Wachstum erzeugen könnten, z.Z. kaum Kredite nach? Die vollständig Antwort dazu ist etwas komplex (siehe http://arxiv.org/abs/1407.6334 Kapitel 18, S.52 ff.), denn sie resultiert prinzipiell aus der Tatsache dass eine Volkswirtschaft ein praktisch geschlossenes System mit entsprechenden Rückkoppelungen ist, Betriebswirtschaft dagegen weit flexiblere offene Systeme behandelt. Volkswirtschaftlich mit betriebswirtschaftlichen Argumenten zu hantieren ist daher häufig nur irreführend. Denn geschlossene Systeme können sich diametral entgegen der betriebswirtschaftlichen Intuition verhalten. Dies ist natürlich besonders im Krisenfall gegeben, da ein geschlossenes System genau dann „gegen die Wand“ läuft und betriebswirtschaftliche Argumentationen in der Volkswirtschaft damit zunehmend sinnlos werden.

Trotzdem kann man hier auch recht vereinfacht betriebswirtschaftlich argumentieren:

Dazu fragen wir uns, wie es denn um die Effektivität einer Kreditaufnahme für eine Firma bestellt ist, die im Grunde genommen auch selbst über ausreichend Kapital zur Eigenfinanzierung verfügt: Die Firmen-Kapital-Effektivität ist im Prinzip ja der erzielbare Gewinn geteilt durch die Kosten des Eigenkapitals plus die Kosten eines Kredites. Die „Kosten“ des Eigenkapitals können im normal Fall als negativ angesetzt werden (also Gewinn), da das angelegte Eigenkapital ja selbst Zinsen erwirtschaftet, die man bei Nicht-Verwendung von den Kreditkosten abziehen darf.

Die Kosten von Krediten sind, genauso wie der erzielbare Gewinn durch die Neuinvestition, immer recht nahe an das aktuelle Wirtschaftswachstum gekoppelt (tatsächlich gilt die Faustregel Zinsen>=Inflation>=Wachstum). Was wir als Gewinn erwarten müssen ist nun das Wirtschaftswachstum (denn das haben wir ja sowieso im Hintergrund aller schon bestehenden Investitionen) plus die Kosten für den regulären Bankkredit für die Neuinvestition.

Kredit_Effektivität = (BIP_Wachstum+Kredit_Kosten)/(EK_Kosten + Kredit_Kosten)>1

Die Effektivität sollte natürlich immer größer Null sein, sonst zerrinnt einem das Geld nur so unter den Fingern. Sie muss aber sogar größer als 1 (=100%) sein, um sich gegenüber dem einfachen Nichtstun zu lohnen. Denn ist sie kleiner als 1, dann wäre es nämlich besser gewesen, sowohl eigenes als auch fremdes Kapital dort zu lassen, wo es ehedem schon lag.

Nehmen wir als ein realistisches Beispiel an, dass die Banken im Schnitt dem Geldanleger 2% mehr Zinsen zahlen, als das aktuelle Wachstum der Wirtschaft ist. Das ist dann etwas mehr als die Inflation und der Kunde ist zufrieden. Bei der Vergabe von Krediten muss sie natürlich entsprechend stärker zulangen, um selbst dabei einen Gewinn zu machen. Nehmen wir an, sie verlangen das aktuelle Wirtschaftswachstum plus 6%, was dann einem Bankengewinn von ca. 4% entspräche. Dann sieht die betriebswirtschaftliche Rechnung so aus:

Sei das aktuelle Wachstum 3%, also Einlagezins 5% und Kreditzins 9%, dann ergibt sich:

Effektivität Bankkredit: (3%+9%)/(-5%+9%)=12/4= 3
Eigenfinanzierung: (3%+9%)/(5%)=12/5= 2,4

also: Fremdkredit rechnet sich besser.

Sei aber das aktuelle Wachstum nur 1,5%, also Einlagezins 3,5% und Kreditzins 7,5%, dann ergibt sich:

Effektivität Bankkredit: (1,5%+7,5%)/(-3,5%+7,5%)=9/4= 2,25
Eigenfinanzierung: (1,5%+7,5%)/(3,5%)=90/35= 2,57

also: Eigenkredit rechnet sich jetzt besser.

Wenn wir die zugrunde liegende Funktion gegen das BIP-Wachstum auftragen so sehen wir:


Bei ordentlichem Wachstum lohnen sich daher Fremdkredite. Sinkt das BIP-Wachstum dagegen unter einen kritischen Wert (hier im Beispiel 2%), dann wird die Eigenfinanzierung deutlich effektiver als bei der Bank einen Fremdkredit aufzunehmen. Der Bankenkredit verliert in dem gewählten Beispiel ab -1% Rezession sogar jeden Sinn und wird zum reinen Verlustgeschäft.

Dies ist der prinzipielle betriebswirtschaftliche Grund, warum es eben nichts hilft immer mehr billiges Geld in die Banken zu pumpen. Es wird dadurch nichts besser sondern das Dilemma verfestigt sich nur weiter. Volkswirtschaftlich betrachtet wird die Sache dann noch viel verrückter, da wir ja die Rückwirkung der Kapitalspenden durch die Zentralbank berücksichtigen müssen. Denn dieses billige Geld geht wegen der obigen Problematik vorwiegend in Finanzinstrumente, die dann wiederum verzinst werden und die Eigenkapitaldecke großer Unternehmen stärker werden lässt, was wiederum die Eigenfinanzierung um so effektiver macht.

Die Schlange beißt sich in den Schwanz

Ein selbstbezüglicher Effekt den Politiker, und leider auch viele Volkswirtschaftler, immer noch nicht richtig verstanden haben. Die Ökonomien der Welt leiden nicht unter zu wenig, sondern unter zu viel Geld. Was alleine noch nicht so schlimm wäre, wenn es sich nicht zunehmend in immer weniger Händen konzentrieren würde. Immer mehr Geld dort hin zu schleudern, wo sowieso schon zu viel davon vorhanden ist, nützt unterm Strich gar nichts.

Feuer wird hier sprichwörtlich mit Öl bekämpft. So nahmen die EU-Banken die letzte billige EZB-Tranche ja auch kaum noch an. Warum? Weil die Banken einfach nicht mehr wissen wohin sie mit den vielen Scheinchen noch sollen. Die sind dann sogar geschenkt noch zu teuer. Denn sämtliche Anlagemöglichkeiten sind längst vollgelaufen und die Industrie, die ja selbst in aller Regel schon erheblicher Vermögensbesitzer ist, braucht das Geld schon gar nicht mehr.

Jedenfalls nicht um Wachstum zu finanzieren, wofür die Konsumenten langsam ausgehen, da denen ja die Massenkaufkraft über private und staatliche Instrumente weiter entzogen wird. Weil man nämlich die Bezahlung der gesellschaftlichen Kosten praktisch alleine von Diesen verlangt. Allgemeine Kosten, zu denen ja nun auch noch die Zinslasten für das, an zum Teil sogar obendrein marode Banken, verschenkte Geld hinzu gekommen sind. Die Folge ist Deflation, die Folge davon weniger Wachstum und weniger Zinsen, weniger Kreditnachfrage, und immer die selben verrückten Antworten auf die Krise: Die Zentralbanken wie EZB und FED schmeißen erneut weiteres Geld in den übersättigten Markt und der Kreis dreht folglich die nächste Runde. Solange, bis es dann wieder irgendwo mächtig im Gebälk kracht.