Als ich am 22. Februar prophezeite dass sich nun Russland mit Sicherheit die Krim unter den Nagel reißen würde,
da hätte ich allerdings auch nicht gedacht das Putin so rasant und konsequent
zu schlagen würde. Während Putin offensichtlich seine Entscheidung längst getroffen hatte, und zwar
schon seit Jahren wie es nach der perfekt organisierten Aktion scheint,
philosophierten die Westmächte noch darüber, wer nun genau die angehäuften
Schulden der Janukowitsch-Kleptokraten bezahlen solle. Obwohl jeder der sich
etwas näher mit der Geschichte auseinander gesetzt hatte, und ganz sicher auch
alle Fachleute im militärischen Bereich, wussten was kommen würde, gehörte die
einzige Sorge der EU Bürokraten der Frage, wie man die im Westen und Osten
angehäuften Reichtümer der Eliten, Banken und Versicherungen am effektivsten retten könne. Natürlich, keine Frage, sollten die arbeitenden
Bevölkerungen im Westen wie im Osten über neue Kredite von IWF, EU und, um der
Verrücktheit die Spitze aufzusetzen, aus Russland das Finanz-Desaster abstottern. Wie immer, Kredite
die die Schulden des Landes glatt noch mal verdoppelt hätten und unmöglich
durch die dort arbeitende Bevölkerung jemals abbezahlbar sind. Und damit ist auch
schon der tiefere Grund für den kommenden weiteren Absturz fokussiert, kam denn noch
nicht einmal einer der fleißigen Helferlein auf die naheliegende Idee die Ukrainischen
Kleptokraten, und natürlich gerade auch die gierigen, oder auch nur dummen, Investoren
in diese Kleptokratien dafür bluten zu lassen.
Falsch gezockt, o.k., Pech gehabt!?
Naheliegend wäre nämlich aus finanzökonomischer Sicht, die
vollständige Abwicklung des alten Finanzsystems der Ukraine gewesen. Also,
erst mal sämtliche Konten der Janukowitsch-Clique und Verwandtschaft
einzufrieren und zu konfizieren, um damit ausstehende Schulden zu eliminieren.
Was danach noch an Schulden und Vermögen übrig bliebe, insbesondere eben die
ausländischen, würde man zwangsweise in Ukrainischer Währung ummünzen, um diese
anschließend nach dem Vorbild der 1948-er BRD-Währungsreform um den Faktor 10
zu entwerten. Schon hätte die Ukraine aufblühen können wie damals Deutschland
nach dem Krieg. Aber halt, der Krieg war ja noch gar nicht, und natürlich man
würde ja die garantierten Rechte der lieben Investoren oder auch nur der Kleptokraten
missachten. Also warum nicht den normalen, nie endenden finanziellen-„Rechtsweg“
gehen, und mal wieder so lange warten bis sich alle gründlich die Köpfe
eingeschlagen haben und es dann sowieso so kommt. Alle 100 Jahre wieder.
So textet Reuters heute: „…US-Präsident Barack Obama drohte Russland
mit weiteren Sanktionen. .. Strafmaßnahmen würden bereits vorbereitet, eine
Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, sagte eine Sprecherin des
US-Außenministeriums, ohne weiter ins Detail zu gehen. Ein Kreml-Berater warnte
die USA vor Konsequenzen, sollten diese etwa die Konten russischer
Geschäftsleute einfrieren….“. Na also, da tut’s wirklich weh. Um ein paar
unschuldige Tote hier und da kein Gerede, aber wenn’s ans Geld geht, da hört dann
die Freundschaft nun wirklich auf.
Die Krim hat historisch auch eine unrühmliche Geschichte was den kommenden Weltkrieg angeht: „Der Krimkrieg
war ein militärisch ausgetragener Konflikt von eurasischem Ausmaß. Er
dauerte von 1853 bis 1856 und begann als zehnter russisch-türkischer Krieg
zwischen Russland auf der einen und dem Osmanischen
Reich auf der anderen Seite. Frankreich, Großbritannien und
ab 1855 auch das Königreich Sardinien kamen dem Osmanischen Reich zu
Hilfe. Durch ihr Eingreifen verhinderten Großbritannien und Frankreich, dass
Russland sein Gebiet zu Lasten des zerfallenden Osmanischen Reiches
vergrößerte. Der Krieg war der bedeutendste Konflikt in Europa zwischen
den Napoleonischen Kriegen (bis 1815) und dem Ersten
Weltkrieg (ab 1914) und störte das europäische Gleichgewicht der Pentarchie erheblich,
obwohl er oberflächlich den Status quo bestätigte. Russland war
weitgehend isoliert, während Frankreich sich wieder eindeutig als gleichrangige
Großmacht neben den anderen sehen konnte. Österreich setzte sich mit seiner
unklaren Politik zwischen die Stühle und schädigte nachhaltig seine guten
Beziehungen zu Russland.“ An der strategischen Bedeutung hat sich bis heute
kaum etwas geändert. Die Insel liegt am Triplepoint zwischen West-Europa,
Ost-Eurasien und der Islamischen Welt.
Um das Desaster zu verhindern hätte man schon im
Vorfeld per Geheimdiplomatie die Situation nach dem absehbaren
Janukowitsch-Sturz mit Putin klären müssen. Bei klarem Verstand hätte keiner den
historisch und machtpolitisch durchaus anerkennbaren Zugriff Russlands auf die
Krim, oder wenigstens den größten militärisch interessanten Teil der Krim,
verhindern können. Aber man hätte das dann in diplomatisch geregelte Bahnen
unter weitgehender Gesichtswahrung aller Beteiligten regeln können. Nun ja,
dass hätte sogar zu Kaiser Wilhelms Zeiten ja noch deutlich besser klappen
können, als mit der völlig zerfaserten EU.
Nun ist das Kind also wieder mal in den Brunnen gefallen und
die Möglichkeiten es heil dort wieder heraus zu holen sind ausgesprochen
begrenzt, möglicherweise ist es sogar schon mausetot. Wie die Entwicklung nun im Detail weiter gehen wird, darüber
kann man nur spekulieren, aber im groben Ganzen gibt es wenige, und kaum noch
gute Varianten. Denn wenn man nichts tut kann es genauso verheerend sein, als
wenn man zuviel tut. Dort die richtige Balance zu finden ist jetzt mehr als
heikel.
Wie man's macht, man macht's verkehrt.
Was passiert, wenn man nichts von wirklich schmerzhafter
Bedeutung für Russland tut?
Nun, dafür muss man etwas weiter ausholen. Der Zusammenbruch
der alten Sowjetunion war weniger militärisch, als primär wirtschaftlicher Natur: „Die wirtschaftliche
Entwicklung der Sowjetunion zeigte seit Anfang der achtziger Jahre
einschneidende Wachstumsrückgänge. Ab 1985 wurden vom neu gewählten
Generalsekretär Michail Gorbatschow erste Reformen eingeleitet. … Die
Entwicklung verselbstständigte sich und entglitt zunehmend der Kontrolle der
Partei, die nicht reagieren konnte, da dem damit einsetzenden
Demokratisierungsprozess der institutionelle Rahmen fehlte. Außenpolitisch
wurde eine umfassende Politik der Entspannung und Abrüstung eingeleitet. Die
von Gorbatschow initiierten Reformen brachten keine Wachstumssteigerung. Weder
konnte die Weiterentwicklung der Industrie in großen Kombinaten gefördert
werden, noch zogen die wachsenden Investitionsanteile des Agrarsektors eine
bessere Lebensmittelversorgung der Bevölkerung nach sich. Die zunehmende
Wirtschaftskorruption entzogen der Staatswirtschaft wichtige Ressourcen.“.
Jede Weltmacht geht auf diese Art zugrunde, militärische
Stärke bedingt immer wirtschaftliche Stärke ohne die der Apparat sonst eben
nicht mehr finanzierbar ist. Die gleiche Entwicklung sehen wir natürlich zur
Zeit auch bei den USA, deren öffentliche Finanzen ruiniert sind und über kurz
oder lang die militärische Stärke untergraben. Nota bene liegt das am immer
gleichen Problem: Finanzmittel sind natürlich jede Menge vorhanden, nur liegen
sie mit der Zeit zunehmend in wenigen unproduktiven Händen konzentriert. Und da
tun sich Diktaturen und Demokratien leider nicht viel, bei ersteren geht es
unter Eliminierung jeden Rechtsempfindens lediglich um einiges schneller. Und ein
zweiter, philosophieökonomischer Grund wiegt dabei genauso schwer:
Der Glaube
das Geld ein Wert sei: Es ist natürlich überhaupt kein Wert, sondern lediglich
ein virtueller Anspruch auf reale Werte.
Wären diese Ansprüche nun einigermaßen
gleich verteilt, dann wäre das Problem recht gering, da es sich über steigende
Preise selbst eliminieren würde. Da diese Ansprüche aber am Ende einer
nationalen Entwicklung immer in wenigen Händen konzentriert sind, sind sie dann
nur noch ein gewaltiger kontraproduktiver Machtfaktor der auch jede noch so
liebe Demokratie mühelos aus den Angeln hebeln kann.
Nun der alte Rubel hat seine Währungsreform(en) durchlaufen
und seit dem ist Russlands Stärke auch wieder, und sogar deutlich über das
ehemalige Höchstniveau gestiegen. Der Stachel des Niederganges aber steckt tief
und seit der Ära Putin versucht Russland seine verlorene Interessen- und
Einflusssphäre wieder herzustellen.
Nach dem Zusammenbruch 1991 entstanden drei neue
Atomstaaten, nämlich Weißrussland, Kazachstan und eben die Ukraine, die auch
den Standort der Schwarzmeerflotte auf der Krim beinhaltete. Bis 1995 war die
Ukraine nun die drittstärkste Atommacht der Welt, mit rund 1300 Atomraketen und
1600 Sprengköpfen ausgestattet. Neben dem Pachtvertrag für Russlands
Schwarzmeerflotte auf der Krim kam man nun zu einer Regelung der
Atombewaffnung: Die drei neuen Atommächte wurden zur Abgabe ihrer nuklearen
Bewaffnung überredet im Gegenzug zu der Garantie der Großmächte USA,
Großbritannien und Russland, dass diese in Zukunft faktisch den notwendigen
Schutz der nationalen Integrität dieser drei neuen Staaten übernehmen würden. Fest gehalten wurde dies im „BudapesterMemorandum“: “Das Budapester Memorandum wurde am 5.
Dezember 1994 in Budapest im Rahmen der dort
stattfindenden KSZE-Konferenz unterzeichnet. In ihm verpflichteten sich
die USA, Großbritannien und Russland als Gegenleistung
für einen Nuklearwaffenverzicht die wirtschaftliche und politische Sicherheit von Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine zu
garantieren…Bis 1996 wurden alle Kernwaffen der
früheren UdSSR nach Russland gebracht, das als Nachfolgestaat der
UdSSR das Recht auf Atomwaffen hat. Im Laufe des russisch-ukrainischen Gasstreits zum
Jahreswechsel 2005/06 erwog die ukrainische Regierung unter
Präsident Wiktor Juschtschenko, die Unterzeichner des rechtlich bindenden
Memorandums zur Hilfe für die Ukraine in Anspruch zu nehmen. Dieses Ansinnen
wurde von russischer Seite scharf zurückgewiesen.“
Nun ja hätte man die Bomben besser behalten? Schwer zu
sagen, aber natürlich wäre die Ukraine jederzeit von russischer Seite viel
ernster genommen worden, soviel ist ganz sicher.
Russland hat sich nun schon ein
ähnliches Ding wie die Krim geleistet, nämlich in 2008 den Krieg mit der
Ex-Republik Georgien und sich dort seitdem wesentliche russisch dominierte
Teile unter den Nagel gerissen hat. Auch damals gab es Proteste, auch ein paar
US-Schiffe kreuzten im Schwarzen Meer und ein paar diplomatische
Schienbeintritte gab es auch. Aber nach gut einem Jahr war dann alles wider
vergessen und in trockenen Tüchern. Nun war natürlich Georgien strategisch
nicht so bedeutend und auch keine Ex-Atommacht, für die man irgendwelche
großspurigen Garantien übernommen hätte. Das ist bei der Ukraine aber anders.
The United States of America, the Russian
Federation, and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland,
Welcoming the accession of Ukraine to the Treaty on the
Non-Proliferation of Nuclear Weapons as a non-nuclear-weapon State, Taking
into account the commitment of Ukraine to eliminate all nuclear weapons from
its territory within a specified period of time, Noting the changes in the
world-wide security situation, including the end of the Cold War, which have
brought about conditions for deep reductions in nuclear forces. Confirm the following:
1. The United States of America, the Russian Federation, and
the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm their
commitment to Ukraine, in accordance with the principles of the CSCE Final Act,
to respect the Independence and Sovereignty and the existing borders of
Ukraine.
2. The United States of America, the Russian Federation, and
the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm their
obligation to refrain from the threat or use of force against the territorial
integrity or political independence of Ukraine, and that none of their weapons
will ever be used against Ukraine except in self-defense or otherwise in
accordance with the Charter of the United Nations.
3. The United States of America, the Russian Federation, and
the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm their
commitment to Ukraine, in accordance with the principles of the CSCE Final Act,
to refrain from economic coercion designed to subordinate to their own interest
the exercise by Ukraine of the rights inherent in its sovereignty and thus to
secure advantages of any kind.
4. The United States of America, the Russian Federation, and
the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm their
commitment to seek immediate United Nations Security Council action to provide
assistance to Ukraine, as a non-nuclear-weapon State Party to the Treaty on the
Non-Proliferation of Nuclear Weapons, if Ukraine should become a victim of an
act of aggression or an object of a threat of aggression in which nuclear
weapons are used.
5. The United States of America, the Russian Federation, and
the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, reaffirm, in the case
of the Ukraine, their commitment not to use nuclear weapons against any
non-nuclear-weapon State Party to the Treaty on the Non-Proliferation of
Nuclear Weapons, except in the case of an attack on themselves, their
territories or dependent territories, their armed forces, or their allies, by
such a state in association or alliance with a nuclear weapon state.
6. The United States of America, the Russian Federation, and
the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland will consult in the
event a situation arises which raises a question concerning these commitments.
This Memorandum will become applicable upon signature. Signed in four copies having equal validity in the English,
Russian and Ukrainian languages.”
Nun, das klingt alles sehr nett, strategisches Wunschdenken
„Noting the changes in the world-wide security situation, including the end of
the Cold War,“ inklusive, aber hat man sich realpolitisch wirklich daran
gehalten? Iwo, insbesondere hat Russland jederzeit massiven Einfluss geltend
gemacht, ökonomisch und politisch gewaltigen Druck ausgeübt. So über die
Gasfragen und deren Bezahlung, als auch politisch, als man faktisch das Regime
Janukowitsch in 2010 installierte. Aber auch die EU und NATO haben nicht wenig
interveniert, was man natürlich auch wieder als Reaktion auf russische
Einflussnahme im Sinne des Memorandums interpretieren kann. Wobei die Frage
nach der Henne und dem Ei offen bleibt, denn Russland wird im Zweifelsfalle
genau dasselbe bezüglich der Westlichen Einflussnahme anführen. Nun sind also solche Memoranden offensichtlich sehr viel
Interpretationsfähiger als es etwa Atomwaffen sind, die eine deutlich klarere
Ansage darstellen.
Siehe genau jetzt Russland auf der Krim, dass mit seinem
Atompfand im Rücken davon ausgehen darf, dass keiner der Westalliierten den Mund
allzu weit aufreißen wird.
Und spätestens nach zwei Jahren, nicht zuletzt über
die Gas- und Finanzschiene, auch wieder total pflegeleicht sein werden. Strategisch kämpft Putin hier aber an wenigstens drei Fronten. Da
ist im Inneren erst mal die russische Oligarchie, Superneureiche die sich in den
Jahren nach dem Zusammenbruch 1991 die Milliarden unter den Nagel gerissen
haben, insbesondere gerade auch die zig-Millarden die aus der EU in Richtung
Russland flossen, damals um zu verhindern das uns die komplette zerbröselnde SU
in einem großen Knall um die Ohren flog. In diesen Jahren aber breitete dafür die EU und NATO ihren Einfluss gewaltig nach Osten aus und steht nicht zuletzt jetzt sicher z.B. in Polen und war nun auf dem „Vormarsch“ in der Ukraine. Das ist
die zweite Front, und die dritte Front ist der leidige Islamismus in und an den
südwestlichen Gebieten des Neuen Russlands unter Putin.
Der Schlag gegen die
Krim, und zu befürchten auch gegen die Rest Ukraine in Bälde, ist auch als ein
Schlag gegen alle diese drei Fronten zu interpretieren. Nämlich erstens den monetären Einfluss und die Renditen
Russlands und seiner Oligarchie zu sichern und gleichzeitig das eigene Volk
still halten, als auch die EU und NATO wieder zurückzudrängen, als auch dem
starken Islamismus im Süden und rund um das schwarze Meer zu demonstrieren, wo
der richtig große Hammer hängt. Aus seiner Sicht, und ich möchte da noch nicht
einmal das Gegenteil behaupten, scheint es die einzige Möglichkeit zu sein den Riesenstaat längerfristig
zusammenzuhalten und erst recht, den Traum der Eurasischen Union unter
Russischer Vor- und Weltmacht wieder zu errichten.
Was also sollte man nun aus westlicher Sicht tun, zumal seit
kurzem auch China signalisiert hat, dass es in der Ukrainischen Angelegenheit eindeutig
auf Seiten Russlands zu finden wäre?
(A) Nichts wirklich (dauerhaft) schmerzhaftes für Russland gegen die
Invasion unternehmen?
Nur, was sind dann die geostrategischen Folgen?
Zunächst
einmal würde das mittelfristig auf eine komplette Okkupation der Ukraine herauslaufen,
oder bestenfalls zu einer „Polnischen Lösung“, wie zum Beginn des zweiten
Weltkriegs: Also eine Aufteilung des Pufferstaates Ukraine in einen russischen
Ost- und einen EU-orientierten Westteil. Bon, werden jetzt einige sagen, wenn’s
denn sein soll, immer noch besser als ein Krieg mit Russland.
Aber das ist natürlich nicht alles. Denn wenn der Westen
nicht sein Gesicht wahren kann, und im Moment ist auch nicht zu sehen wie das
funktionieren sollte, dann bleibt es natürlich nicht bei der Ukraine. Da sind
ja noch Weissrussland (spätestens wenn dort der unsägliche Diktator fällt) und
Kasachstan, als auch die Kaukasusrepubliken, und ganz im Osten strittige Inseln
etwa mit Japan im Norden. Nicht zu vergessen die komplette Arktis nördlich
Russlands, deren Bodenschätze längst im Fokus und Anspruch Russlands liegen. Wo
sollte man da Schluss machen, wenn da nichts kommt?
Dasselbe gilt auch für
China in ähnlicher geopolitischer Machtposition: Ob das vergleichsweise schwache Syrien oder
jetzt der Krim-Konflikt, nur eins hat man von den USA im Moment sicher gelernt,
nämlich dass sie nichts allzu riskantes zu unternehmen bereit sind und ihnen
ihr eigenes Heil allemal wichtiger ist als dass von irgendwelchen Hilfsvölkern.
Warum also nicht die strittigen Inseln mit Japan einnehmen, oder gleich Taiwan
besetzen, dass wie Putin’s Krim genauso als ureigenes Chinesisches Gebiet
betrachtet wird? Und im Süden darf’s dann mit jedem Dominostein noch weiter
gehen, Myanmar, Korea, Phillipinen und um schließlich auch Australien von
kolonialistischer westlicher Fremdherrschaft zu „befreien“. Irgendeiner wird
ggf. schon rufen, so wie angeblich Janukowitsch jetzt zum Aufmarsch auf der
Krim.
Aber es kommt noch schlimmer. Was lernt denn ein Staat wie
die Ukraine, aber erst recht das unter Verletzung internationaler
Gepflogenheiten atomar bewaffnete Israel?
Atomwaffen abzugeben ist eine
ziemlich blöde Idee!
Denn auf den versprochenen Schutz der Garantiemächte kann offensichtlich
keiner wirklich zählen.Wobei Obama Israel auch schon expressis verbis angedroht hat, dass er es nicht weiter schützen könne, wenn es einem einvernehmlichen Frieden mit den Palästinensern jetzt nicht bald zu stimmen werde. Und die Eskalation im nahen Osten ist ebenfalls unmittelbar absehbar in nicht allzu ferner Zukunft, nicht weniger brisant als die Krim. Und was ist mit den Ländern die an der Schwelle zur
Atommacht stehen? Für die gilt das Gleiche: Bau dir deine A-Waffen selbst oder du bist im
Zweifelsfall allein auf weiter Flur und einer atomar bewaffneten Macht hilflos
ausgeliefert.
Selbst die vorgeblich „privilegierten“ Länder die unter der
sogenannten Nuklearen Teilhabe stehen,
sollte es nun kalt und heiß den Rücken runter laufen: „Die nukleare
Teilhabe ist ein Konzept innerhalb der Abschreckungspolitik der NATO,
das Mitgliedsstaaten ohne eigene Nuklearwaffen in die Planung des
Einsatzes von Nuklearwaffen und in den Einsatz der Waffen selbst durch die NATO
einbezieht. Zur nuklearen Teilhabe gehört, dass sie technische Voraussetzungen
zum Einsatz von Nuklearwaffen – zum Beispiel geeignete Flugzeuge – bereithalten
und auf ihrem Territorium Nuklearwaffen lagern. Im Kriegsfall können die
Teilhabestaaten Nuklearwaffen unter amerikanischer Kontrolle einsetzen. Die
gelagerten Waffen bleiben stets unter amerikanischer Hoheit. Auch im Kriegsfall
bleiben sie dies bis zu ihrer Zündung. Über die nötigen Codes verfügt nur die
US-amerikanische Führung; sie unterliegen strengster Geheimhaltung.“
Nun, man hat zwar den nuklearen Salat nun im eigenen Lande
stehen, und ist damit natürlich im Ernstfall auch erstes Ziel taktischer
Nuklearwaffen des Gegners, aber Einsetzen kann man diese Waffen, sei es nur zur
Drohung oder ernsthaft, nur wenn, ja
wenn es einem aktuellen amerikanischen Präsidenten gerade mal genehm ist.
Das
ist weder eine wirkliche Drohung noch eine echte Teilhabe, es ist tatsächlich kaum
mehr als dass was die Ukraine nun erleben musste.
Und zu diesen Staaten gehören
etwa Niederlande, Belgien, Italien, aber auch Deutschland und die Türkei.
Gerade die beiden letzten potentiellen Frontstaaten sind nun mit dem
Klammeraffen gepudert, sofern sie nicht so bald wie möglich ein paar Dutzend Sprengköpfe
bauen.
Nicht anders im fernen Osten: Japan, Südkorea, Taiwan, Australien,
alles Staaten in denen die USA zwar mit Atomwaffen unterwegs sind und zumindest
prinzipiell einen atomaren Schutz übernehmen woll(t)en, aber auch kommende
Frontstaaten die im Prinzip als Gegenleistung den Atomwaffensperrvertrag
unterzeichnet haben. Wollen die sich längerfristig wirklich auf den mehr oder
weniger versprochenen Schutz der USA noch verlassen? Nicht wirklich, würde ich
vermuten. Und so gilt das auch für alle anderen.
Die Einzigen übrigens die den
Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben sind Indien, Pakistan,
Bangladesh, Südsudan und Taiwan, dass verspricht sich daran zu halten obwohl
es, nota bene, als angeblich Chinesisches Gebiet nicht selbst unterzeichnen
durfte.
Der Atomwaffensperrvertrag ist aber genauso hohl wie viele
dieser großen Versprechen der Welt- und Großmächte: “Im Atomwaffensperrvertrag verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im
Besitz von Kernwaffen sind, auf eine atomare Rüstung. Die fünf offiziellen
Atommächte verpflichten sich im Gegenzug zum Kernwaffenverzicht der anderen,
„in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen […] über einen Vertrag zur
allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer
internationaler Kontrolle“. Außerdem
steht laut Vertrag jedem Mitgliedstaat das „unveräußerliche Recht“ auf ein
ziviles Atomprogramm zu. Alle Vertragsunterzeichner verpflichten sich, „den
weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen
und technologischen Informationen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu
erleichtern“. Jeder Staat darf den Vertrag kündigen, muss dies jedoch drei
Monate zuvor bekanntgeben.“
Nun was stand da? Ja genau die fünf offiziellen Atommächte,
USA, RUS, China, UK und Frankreich sollten längst abgerüstet haben. Aber genau
die fünf sitzen als ständige Mitglieder im UN Sicherheitsrat und müssten ihre
Abrüstung schon selbst beschließen, da gegen das Veto nur eines dieser fünf
Staaten gar nichts geht. Das Ergebnis ist bekannt, Pustekuchen. Genauso
Pustekuchen ist es mit den versprochenen Rechten bezüglich „weitestmöglichen
Austausch“ bezüglich einer friedlichen Atomindustrie, die natürlich längst
nicht alle Unterzeichnerstaaten genießen, siehe nur etwa Iran, dem man diese Rechte klar abspricht, und Israel, das man bei der dauerhaften Verletzung dieser dagegen aktiv
unterstützt (Anfangs insbesondere durch Frankreich, aber auch später faktisch
durch UK und USA).
Was also soll von all den sowieso schon hohlen Verträgen
dann noch bleiben, wenn selbst der Minimalschutz für atomare Hungerleider durch
die USA und NATO nicht gewährleistet wird? So schrieb die Welt-Online zu der Reaktion der US-Strategen und Parlamentarier:
„US-Präsident Obama muss nicht nur mit einer der größten geopolitischen Krisen
der letzten Jahrzehnte fertig werden. Er muss sich zu Hause auch als Opfer,
Schwächling und Zauderer bezeichnen lassen.…. Obama leidet
in diesen Tagen sichtbar daran, dass Russland unter Wladimir Putin …zu
siegen scheint. Tastend sucht er nach einer Strategie gegenüber dem
Aggressor, er legt die G-8-Gespräche auf Eis und setzt die Militärkooperation
mit Russland aus…..Die Republikaner haben den Präsidenten oft einen Diktator
geschimpft, einen Herrscher mit "Königskomplex", weil er etwa seine
Gesundheitsreform durchsetzen wollte. Nun heißen sie ihn Schwächling und
Beschwichtiger … Putins Aggression sei nichts als die Frucht einer
"verantwortungslosen Außenpolitik, bei der niemand mehr an Amerikas Stärke
glaubt…Unglaubliche Fehleinschätzungen des Weltgeschehens“, so der Republikaner
McCain, prägten Obamas Jahre im Amt und kastrierten die USA.… Die frühere
Gouverneurin von Alaska gehört zweifellos zu den schrillsten und
ahnungslosesten Politikern, die je die amerikanische Bühne betreten haben.… Das
hält Palin nicht davon ab, in diesen Tagen daran zu erinnern, dass sie 2008,
nach Russlands Angriff auf Georgien, vorausgesagt habe, die Ukraine sei als
nächstes dran. Damals habe man sich über sie lustig gemacht, twitterte Palin:
"Ich hasse es zu sagen, dass ich recht hatte." Senator Lindsay Graham..lässt
sich hinreißen, Obama als klassisches Opfer zu karikieren. Wenn der Präsident
mit Amerikas Macht drohe, "rollt doch jeder mit den Augen. Der Präsident
lädt Aggression geradezu ein!“… Bob Corker legte den Präsidenten samt Putin auf
die Therapiecouch: "Seit (unsere) Regierung sich in die Arme der Russen
warf, um zu vermeiden, tun zu müssen, was sie angekündigt hatte, hat Putin nur
Schwäche gesehen. Nun sehen wir die Konsequenzen."…"Dies ist der
wichtigste und schwierigste außenpolitische Test seiner Amtszeit", urteilt
Nicholas Burns, der einst George W. Bush als Staatssekretär im State Department
diente: "Es geht um sehr viel, weil der Präsident der Führer der Nato ist.
Keiner in Europa kommt ihm an Macht gleich. Er muss führen.". Das ist
fair, und niemand weiß besser als Barack Obama, dass Burns recht hat… Von
Angela Merkels Haltung gegenüber Putin ist er [McCain] "sehr
enttäuscht", sein Präsident sei ein „Schlappschwanz“. "Schweigen wir
auch", fragt er, "wenn Russland ethnische Russen in Polen oder
anderswo mit Truppen schützt?"…Wie mancher andere schlägt der Senator vor,
die sogenannte Magnitsky-Regel ..anzuwenden. Sie besagt, russische Politiker
persönlich auf Auslandsreisen und mit Einfrieren ihrer Vermögen haftbar zu
machen für Übergriffe der russischen Regierung. Warum nicht. … "Putin
spielt Schach, und wir kommen mit Klickern", hatte ein Republikaner
sarkastisch bemerkt. Der frühere Schachweltmeister Garry Kasparow, ein Hasser
des "Diktators" Putin und Verächter des schwachen Obama, verwahrte
sich am Montag in einem CNN-Interview gegen die Analogie: "Schach folgt
Regeln, Putin nicht."“.
Dieses geostrategische Dilemma der untergehenden Weltmacht
USA kommt nicht von ungefähr.
Und das liegt nicht einfach an einem unsicheren
Friedensnobelpreisträger Obama, sondern nicht zuletzt an den leeren Kassen der
öffentlichen Hand, die sich keine großen Sprünge, und schon gar nicht Kriege,
mehr leisten kann. Nichts wirklich ernsthaftes zu Unternehmen, wie im Falle von
Georgien, aber auch Syrien, ist also keine wirklich langfristig aussichtsreiche
Option. Der Rattenschwanz dahinter ist einfach zu lang und zu deutlich
erkennbar. Am ehesten würde noch das einfrieren oder gar konfizieren von
Russischen Oligarchenvermögen bringen, eine Option die aber von der westlichen
Finanzoligarchie als Präzedenzfall nicht weniger gefürchtet wird, wie das
Weihwasser vom Teufel. Weswegen man kaum davon ausgehen darf, dass unsere Investorenfreundlichen
Politiker diese Schraube ernsthaft in Erwägung ziehen. Auch an der Gasschraube
lässt sich noch etwas drehen, denn falls Putin überhaupt bisher einen
taktischen Fehler gemacht hat, dann den die Invasion zum Beginn der wärmeren
Jahreszeiten zu starten.
(B) Militärische Option
Das Risiko einer Eskalation ist sehr hoch, aber nichts in dieser
Richtung zu tun, ergibt auch kaum weniger Risiko. Denn mit ziemlicher Sicherheit ist
es nur ein Aufschub für einen folgenden Krieg, der hier oder anderswo in der
zunehmend kriegerischen Welt mit etwas Zeitverzögerung zuschlägt. Aber warum
hält man sich mit der USA und NATO die bei weitem stärkste Armee der Welt, wenn
man sie dann wenn es erstmals wirklich auf sie ankommt nicht einsetzt? Und stattdessen, von
der Ukraine teuer bezahlte, gegebene Sicherheitsgarantien quasi demonstrativ nicht
einhält? Diese Ansicht scheint sich teilweise schon durchgesetzt zu
haben, so werden zur Zeit OSZE Beobachter in die Ukraine entsandt und auch ein
US-amerikanischer Flugzeugträgerverband ging in Piräus, unweit der Dardanellen
und des Schwarzen Meer in Stellung.
Das allein ist natürlich noch viel zu wenig
um Putin zu beeindrucken. So äußerte die Präsidentschafts-Kandidatin Timoschenko:
"Putin versteht nur die Sprache der Stärke" und dafür muss man schon
deutlich mehr in die Waagschale werfen. Dafür müsste man etwa einen
kampfstarken NATO Marine-Verband, die der Schwarzmeerflotte mehr als nur Paroli
bieten kann ins Schwarze Meer und entlang der Dardanellen bringen. Zudem NATO
Militärberater ins Land und an den Westgrenzen der Ukraine zur EU massive
einsatzbereite konkurrenzfähige Truppenverbände aufstellen, sowie sichtbare Luftüberwachung
und Aufklärungsflüge zumindest entlang der Grenzen unternehmen. Wobei ernsthaft
und konkurrenzfähig eben auch heißt, dass man im Extremfall tatsächlich zurück
schießt. Das alles müsste nicht unbedingt zu einem atomaren Weltkrieg
eskalieren, aber es könnte es durchaus, weil es unmöglich ist die vielen Unwägbarkeiten
eines solchen Szenarios zu kalkulieren.
Jedenfalls würde es in Moskau zu einiger Denkarbeit führen.
Denn auch wenn die USA und die EU/NATO im Moment ebenfalls schon ziemlich klamm
sind, die militärische und wirtschaftliche Stärke übertrifft die Russlands noch
bei weitem. Die denkbare und wünschenswerte Deeskalation wäre dann
möglicherweise die beiderseitige Gesichtswahrung, indem man Russland die Krim
zuschlägt und dafür die Ukraine als selbstständigen Staat mit EU-Aussicht erhält.
Der vielleicht größte Unsicherheitsfaktor darin sind aber die
russischen Bevölkerungsanteile in den ukrainischen Ostgebieten. Wenn die Krim
an Russland geht, dann werden die Ostukrainischen Russen das wahrscheinlich
auch bald für ihre Gebiete fordern, und Putin hat ja bereits mit der gezielten Anstachelung
solcher Seperationsbewegungen agiert. Das sind die Geister die man rief, aber so
schnell nicht mehr los wird. Selbst dann nicht, wenn Putin das nach eventuell geänderter
Meinung so haben wollte. Nach absehbarer Zeit, und die dürfte auch gar
nicht so lange hin sein, hätten wir dann dass Syrische Szenario direkt vor der
Haustür mit entsprechend drastischen Konsequenzen. Was uns aber auch ohne Militäroption mittelfristig sowieso droht.
Über kurz oder lang würden
sich dann auch NATO und SOZ Truppen gegenüber stehen müssen, was den faktischen Weltkrieg regelrecht einläuten würde.
Die Kuh jetzt noch vom Eis zu bringen ist also außerordentlich
schwierig und man hat nur noch die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, zwischen
kurzfristigem und langfristigem Chaos.
Der Gewinn des Nachgebens wird sicher nur
kurzfristig sein und das langfristige Desaster des Weltkrieges dagegen wird so
oder so kaum zu vermeiden sein. Aber dafür wiederum sind nicht so sehr die Putins
und Obamas alleine verantwortlich, sondern die drastischen monetären Machtverhältnisse
die die internationale Finanzoligarchien inzwischen aufgebaut haben; die die
Verschuldungsspirale und damit die Not der meisten Menschen über die
Durchsetzung ihrer vermeintlichen Ansprüche immer weiter verschärft,
verschärfen muss will sie nicht auf ihre Renditen verzichten, und damit den Kampf
um die ständig knapper werdenden Ressourcen unnötig und dramatisch verschärft: So die SZ online: "In Ländern wie Russland, China und Indien sind in den letzten zwanzig Jahren riesige Mengen von Vermögen, natürlichen Ressourcen und Fertigungssystemen aus der Hand der Regierung an reiche Privatiers übergegangen. Das Wirtschaftsmagazin Forbes erstellt jedes Jahr eine Liste der Milliardäre, die erste aus dem Jahr 1986 zählte 140 Milliardäre weltweit. 2008 waren es 1125. Das gesamte Vermögen dieser Menschen betrug 3,2 Billionen Euro, eine Steigerung um 657 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Ein Drittel der neuen Milliardäre kam aus Russland (35), China (28) und Indien (19). Russland landete mit 87 Milliardären auf Platz zwei, hinter den USA. Dabei zog es locker an Deutschland vorbei, das diesen Rang sechs Jahre lang innehatte, mit 59 Milliardären aber nun weit abgeschlagen war."
„Schlimmer“
und wirkungsvoller als jede Wasserstoffbombe wäre daher die Maßnahme, oder alleine
schon die Drohung mit, einer Währungsreform des Dollars nach dem Vorbild der 1948-Währungsreform in Deutschland. Die Staaten der Welt wären plötzlich wieder
Handlungs- Wirtschafts- und Demokratiefähig statt am Gängelband der
Finanzindustrie zu laufen und die Machtverhältnisse von arbeitender Bevölkerung
und Finanzhandel wären wieder umgedreht.
Aber wie gesagt, allein schon der Gedanke ist so gefährlich
wie eine Atombombe.