Montag, 20. April 2015

Mare Morte – 1000 Tote und eine Frage


Was machen wir mit den Millionen von Flüchtlingen aus Afrika? Genau genommen sogar nicht nur von dort, es kommen Millionen aus Nahost und auch aus dem Balkan und Osteuropa hinzu. Am offensten ist das Europäische Dilemma allerdings im Mittelmeer, dem Mare Nostrum, unser Meer, dass schon längst zum Mare Morte, zum Meer des Todes geworden ist. Nicht erst seit kürzlich wieder einmal ein Seelenverkäufer an die 1000 Menschen auf einen Schlag in die Tiefe riss. Das Problem kocht schon seit Jahren exponentiell steigend hoch. Wie viele tatsächlich schon zu Fischfutter wurden, wie viele 1000-Seelen-Kutter bereits abseits der öffentlichen Wahrnehmung in die Tiefe sanken, keiner weiß es so genau. Und man will es eigentlich auch gar nicht so genau wissen, denn die Implikationen für Europa sind zu unangenehm und zwingend.

Denn gerade für Europa ist die Vorstellung von Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung, gleiches Recht für Alle, Wohlstand und Teilhabe, Frieden und Menschlichkeit, zumindest als eine seit der französischen Revolution vorherrschende Illusion, ein wesentlicher Teil des nationalen und insbesondere des EU-Selbstverständnis geworden. Die Situation im Mittelmeer, zu römischen Zeiten nicht umsonst Mare Nostrum getauft, wrackt nicht nur reihenweise elende Schaluppen ab sondern auch Stück für Stück das vereinigte Europäische Selbstverständnis. Das morgens an beliebten Badestränden bereits hin- und wieder Leichen angespült werden, ist inzwischen nicht mehr so selten. Sie werden ohne großes Tamtam schnell entsorgt bevor der Michel seinen Anspruch auf eine Strandliege mit einem dort vorsorglich drapierten Badetuch zu unterstreichen beginnt.


Tatsächlich ist dass Problem schon seit 1993 bekannt 

und die Zahl der Ertrunkenen geht seitdem tief in die zig-zehn-Tausende. Sicher, und auch die Zahl 100.000 ist nicht mehr wirklich zu hoch gegriffen. Waren es vor 20 Jahren noch Einzelschicksale, so sind es inzwischen alltägliche Massensterben. Täglich schaffen, zur Zeit in 2015 und Tendenz steigend, offiziell mehr als 1000 Personen die illegale Überfahrt. Die Unbekannten täglichen Toten zählt dagegen keiner, im Schnitt sind es einige Prozent, die es nicht schaffen. Dutzende, wenn nicht 100, täglich. Vornehm schweigen sollten wir zudem von den Abertausenden, die den Weg quer durch Afrika bis an die Libysche Piratenküste nicht geschafft haben. Auch für die Geier in den Wüsten sind derzeit fette Tage angebrochen. Aber naja, da gibt es zwar auch viel Sand, aber nun mal keine Badetücher.

Was aber soll man nun direkt vor der Haustür an „unserem“ Mittelmeer machen? Wegschauen ist inzwischen zu schwierig geworden. Lächerlich dagegen sogar, dass mancher Meinungsmacher etwa im letzten Jahr die suggerierten, dass das in 2014 schon alle Auffanglager der BRD sprengende Flüchtlingsaufkommen damit nun halbwegs vorüber sei. Was für ein naiver Unfug. Wer sich nur ein bisschen mit den Realzahlen beschäftigt weiß, dass wir gerade am Anfang einer über-exponentiellen Katastrophe stehen.
Weltbevölkerungsentwicklung 1000 v.Chr. bis 2000 n.Chr., Bildquelle: Wikipedia. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs hatte die Erde gerade einmal 2 Mrd. Einwohner. In 2015 sind es mit 7,3 Mrd. fast viermal soviel. Der Peak ist überexponentiell steil und ganz sicher nicht nachhaltig. Er wird genauso schnell kollabieren, wie er sich auf gebaut hat. Und zwar noch vor Ende dieses Jahrhunderts wie ernst zu nehmende Berechnung zeigen. Wir erleben jetzt gerade den Anfang des Desasters.
Schon im Februar 2011 hatte ich auf das grundlegende Problem und seine in Bälde unabdingbar aufsteigende Brisanz hingewiesen. Kaum mehr als vier Jahre später ist das Problem nun langsam ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Dass dabei das Problem in seiner Gänze allerdings erkannt wäre, davon ist noch wenig zu sehen. Statt reinen Wein einzuschenken wird nun über halbwegs schmerzfreie Lösungswege nachgedacht, die uns im besten Fall ein paar Monate oder wenige Jahre weiterhelfen können. Wahrscheinlich noch nicht mal das, auch wenn die EU nun zum Flüchtlingsgipfel zusammenruft. Ursprünglich für die zweite Maihälfte geplant, hat man ihn nun auf den nächstenDonnerstag vorgezogen.

Die wenig informierte und nicht gerade Mathematik affinen Massenmedien setzen sich je nach politischer Orientierung mal die grüne, mal die rosarote oder auch die blauäugige Sonnenbrille auf. Die harmloseste Variante ist noch die Forderung nach mehr Überwachung im Mare Nostrum: Nach dem erneuten Kentern eines Flüchtlingsboots will Frankreichs Präsident Hollande mehr Überwachungsschiffe aufs Mittelmeer schicken. Die Konservativen im EU-Parlament fordern mehr Geld für die Grenzschutzbehörde Frontex....Er [Weber, EU-SVP] forderte, die EU-Grenzschutzmission auszuweiten. "Die Mitgliedstaaten müssen Frontex umgehend mit mehr Geld und mehr Befugnissen, auch zur Seenotrettung und für humanitäre Missionen, ausstatten", sagte der CSU-Politiker. "Eine umfassendere EU-Grenz- und Rettungsmission im Mittelmeer ist notwendig.““


Aber dann wird es schon problematisch.

Ansatzpunkt Schlepperbanden: „Zudem appellierte Weber an die EU-Kommission, ihre neue Strategie für eine europäische Flüchtlingspolitik früher vorzustellen. "Es wäre gut, wenn die Kommission prüft, die für Ende Mai geplante Vorstellung einer Migrationsstrategie vorzuziehen", sagte der EVP-Fraktionschef. ...Thomas de Maizière bezeichnete die Bekämpfung der Schlepperbanden als zentralen Punkt. "Wir dürfen und werden es nicht dulden, dass diese Verbrecher aus bloßer Profitgier massenhaft Menschenleben opfern", erklärte der CDU-Politiker. Zugleich stellte er fest: "Einfache Antworten gibt es nicht."“

Auch wenn man der EU in manchen Punkten, etwa dem EURO, Naivität unterstellen darf, in der Flüchtlingsfrage ist dass tatsächlich weniger der Fall. Denn das relative Nichtstun gegen das Massensterben hat seinen, vielleicht nicht guten, aber realistischen, Grund: Besonders das Afrikanische Zahlengerüst ist dafür einfach zu gewaltig. Denn der jetzt schon die üblichen Aufnahmekapazitäten überfordernde Flüchtlingsstrom ist nicht mal 1% von dem was uns demnächst erwartet. Es ist wie bei einem Staudamm, bei dem die ersten Rinnsale durch den Damm lecken. Dahinter stehen hunderte von Millionen prinzipiell Fluchtwillige und jährlich bis zu 50 Millionen Nettoneubürger Afrikas, die noch hinzukommen. Jedes Jahr. Selbst wenn wir die halbe Million, die dieses Jahr für Deutschland tiefgestapelt prognostiziert werden, einigermaßen integrieren könnten, es ist nicht mal der berühmte Tropfen auf den heißen afrikanischen Stein. Bubndesinnenminister Thomas de Maizière „bezeichnete die Bekämpfung der Schlepperbanden als zentralen Punkt“, womit er durchaus halbwegs Recht hat. Warum nur halbwegs? Nun man muss dass Übel natürlich an der Wurzel bekämpfen. Die Wurzel ist aber die Ausbeutung und Aussichtslosigkeit, Krieg und Elend in Afrika, die die Menschen zur Flucht bewegt. Nur, das Übel zu bekämpfen, daran ist man ja schon in den besten Jahrzehnten der EU gescheitert, und heute erscheint das erst recht aussichtslos. Also muss man die Wurzel etwas höher greifen. Und da sind wir mit den Schlepperbanden immerhin schon etwas näher dran, als mit den Rettungsbooten vor Lampedusa.

Im linken Spektrum ist das aber noch nicht angekommen: „SPD, Grüne und Linke forderten eine neue Seenotrettungsmission. Grünen-Chefin Simone Peter erklärte, es sei "ein tödlicher Fehler" gewesen, im Herbst vergangenen Jahres das italienische Seenotrettungsprogramm "Mare Nostrum" einzustellen. Benötigt werden eine umfassende europäische Seenotrettungsmission und sichere Zugangswege nach Europa, forderte Peter. ....Eine Nachfolgemission von "Mare Nostrum" wäre keineswegs ein Anreiz für weitere Flüchtlinge, "sondern ein Gebot der Menschlichkeit". Bundesinnenminister de Maizière müsse eine solche Rettungsmission umgehend europäisch durch setzen, so Schwabe. De Maizière hatte ein neues Seenotrettungsprogramm kürzlich abgelehnt. "Es ist an der Zeit, dass Deutschland seine restriktive Abwarte- und Abwehrhaltung aufgibt und sich in Europa an die Spitze setzt, um umfangreiche Hilfsmaßnahmen schnell und unbürokratisch zu organisieren", forderte Linken-Fraktionsvize Jan Korte. ...“.

Nun, wer möchte Ertrinkenden nicht gerne helfen. Ich auch, aber was ist die Perspektive? Als abgedroschenes, aber realistisches Beispiel, möge mal wieder die seelige Titanic herhalten: Neben den wenigen Rettungsbooten in der Nacht vom 14. auf den 15.Aptil 1912 dümpelten Hunderte von Überlebenden im Wasser. Aber nicht jedes Boot konnte noch Flüchtlinge aufnehmen, ohne den eigenen Untergang zu riskieren. Die Titanic ist nicht das einzige Beispiel, jedenfalls zieht dann irgendwann das Recht der Not oder des Krieges: Was nicht mehr geht, geht eben nicht mehr, und die Pechvögel werden notgedrungen dem Grauen der Tiefe überlassen um den Glücklicheren nicht noch zusätzlich dem Tod zu überantworten.

So also Grünen-Chefin Simone Peter: „Benötigt werden eine umfassende europäische Seenotrettungsmission und sichere Zugangswege nach Europa“. Klingt toll, ist aber völlig kontraproduktiv. Denn das im Moment nur so Wenige die Überfahrt wagen, liegt an genau drei Dingen:
  1. Erstens den gewaltigen Strapazen und dem enormen Risiko,
  2. Zweitens dem Mangel am nötigen Geld die Schlepper zu bezahlen, und
  3. Drittens der geringen Wahrscheinlichkeit der Aufnahme im Land wo „Milch und Honig“ fließen.
Ich weiß, dass dies Gefühlskalt klingt, aber wenn man sich nur nüchtern der Realität stellen möchte, sind Gefühle der grausamste Gegner der Wahrheit. Tatsächlich muss man erst einmal überlegen, was realistischerweise geht, und danach darf man beruhigt wieder auf die Gefühlsebene runter schalten. Dann aber mit etwas mehr Wissen um die absehbare Entwicklung und Lösungswege ausgestattet. Effektive „Seenotrettungsmissionen und sichere Zugangswege nach Europa“ aber eliminieren mindestens zwei der drei Hinderungsgründe für die Flüchtlingsströme: Der „Erfolg“ wäre eine Verzehnfachung des Stromes, locker, und selbst der Würde den Druck noch nicht nennenswert aus dem Kessel nehmen. Selbst was das Sterben angeht wäre der Erfolg kaum messbar, denn angenommen die EU-Seenotrettung würde 90% der potenziellen Opfer retten, die Verzehnfachung des Stromes würde die Anzahl der Toten nummerisch schon wieder ausgleichen.


Eine „apokalyptische“ Idee geistert schon länger umher.

So die Süddeutsche in 2014: “Worum es geht, hat unlängst Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière erklärt. Die Zentren sollen es möglich machen, Flüchtlinge von einer lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer Richtung Europa abzuhalten. Und zwar indem bereits auf dem afrikanischen Kontinent geprüft wird, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Das soll nicht nur die EU-Außengrenzen stärken, sondern auch Schleusern das Geschäft mit der Not der Flüchtlinge erschweren. Bei der Einrichtung der Zentren würde die EU eng mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zusammenarbeiten....Menschenrechtsorganisationen sind nicht begeistert. "Dieser Plan ist unrealistisch und wird eher dazu führen, dass die Menschen doch illegal auf das Meer gehen, um nach Europa zu gelangen", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Da wird nur ein weiterer Festungswall um Europa gezogen...“...Einem Teil der Flüchtlinge könne in den Lagern auch die legale Einreise nach Europa angeboten werden, sagte der Bundesinnenminister. "Letztlich ist es wohl richtig, dass man auch legale Wege nach Europa schaffen muss." 

Pro Asyl überzeugen die Argumente nicht, Burkhardt bezeichnet sie umgehend als Augenwischerei. Notwendig wären dann gigantische Zeltstädte, in denen hunderttausende Menschen leben müssten. "Das ist eine apokalyptische Vision." Zudem gebe es in den Ländern Nordafrikas keine rechtsstaatlichen Garantien für die Prüfung von Asylanträgen. "Wie soll denn in Ländern wie Ägypten oder Libyen, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, ein Transitzentrum betrieben werden?" Dort hätten die Menschen "keine Chance auf ein Asylverfahren nach europäischem Standard." Menschen auf der Flucht würden sich wahrscheinlich ohnehin kaum freiwillig in die Lager begeben, sagte Burkhardt weiter. "Warum sollte man monatelang in einem Camp ausharren, wenn man weiß, dass Europa doch kaum jemanden aufnimmt." Der Pro-Asyl-Vertreter forderte die EU-Innenminister auf, stattdessen legale Möglichkeiten zur Einreise nach Europa zu schaffen. "Das Problem der illegalen Einreise könnte man lösen, indem man Visa verteilt oder sich am Aufnahmeprogramm des UNHCR beteiligt."

Nun, Thomas de Maizière machte sich für Auffanglager in Nordafrika stark, mit der Absicht natürlich die Fluchtversuche über das Mittelmeer unnötig zu machen. Klar ist realistischerweise natürlich, dass dies nicht funktionieren kann. Die Probleme sind vielfältig: Erstens, wer und wo soll diese Lager betreiben? Die betroffenen Ländern und/oder die EU? Mit wie viel Personal, mit welchen Aufnahmekapazitäten, mit welchen rechtlichen Rahmenbedingungen? Bei den üblichen Halbherzigkeiten wären es zu kleine Lager mit mangelhafter Versorgung, zu wenig und überfordertes Personal mit unzureichenden rechtlichen Möglichkeiten. Die Lager wären zudem ein mächtiger Attraktionspunkt der dann Ruck-Zuck überlaufen wäre, und dann zu einer Quelle sozialer Unruhen und Rekrutierungspunkt für alle Arten von örtlichen Mafiosi mutierte. Nicht zuletzt der Schlepperbanden, die in den abgewiesenen Flüchtlingen reichlich neue Opfer für ihre seeuntauglichen Schaluppen finden würden. Zu klein und zu kurz gegriffen.

Die Kritik der Menschenrechtsorganisation trifft den Punkt schon ganz richtig, aber die angestrebte Lösung leugnet wieder jedes Mengengerüst. Ein „Asylverfahren nach europäischem Standard“ und „“ rechtsstaatlichen Garantien für die Prüfung von Asylanträgen“ ist aber eine endlose Angelegenheit die man der EU-Bevölkerung und auch den Betroffenen in kleinerem Umfang zwar durchaus zumuten kann, jedoch in den absehbaren apokalyptischen Massen ein Unding ist, der die europäische Solidarität schnell überfordern müsste. Da hat man mit dem Euro allein schon viel zu viel zu tun. Und so heißt es abwertend „da wird nur ein weiterer Festungswall um Europa gezogen“. Ja, so ist es zumindest gemeint, und aus gutem, oder wenn man so will bösem, Grunde. Ja in der Tat, den Wall irgendwo löchrig zu machen, führt zu einem Strom an Flüchtlingen den sich Keiner der Protagonisten heute bereits vorzustellen mag.

Eine besondere Variante ist die private Initiative des Flüchtlingsretters Harald Höppner

Mitteldeutsche Zeitung : "…Heute gibt er dem 98 Jahre alten Kutter einen neuen Namen: Sea Watch - Seewache. …... Seit Monaten arbeitet der 41-Jährige mit seinem Team an der Sea Watch, macht sie fit für die Überfahrt. Mitte April wird eine sechsköpfige Crew aus Freiwilligen das Schiff nach Malta bringen, von dort soll sie starten, seine „private Rettungsmission“. ….„Diese Menschen kommen, weil sie in ihrer Heimat an Hunger leiden oder Kriege erleben. Und die EU lässt sie an der Grenze ersaufen wie Ratten. Das geht nicht in meinen Kopf rein.“ ….Auf ein Gespräch über die Grenzpolitik der EU lässt sich Höppner nicht ein, er will sich nicht in politischen Details verlieren. ….Seit dem ersten Zeitungsbericht über sein Projekt, steht sein Handy nicht still – auch an diesem Tag klaubt er es immer wieder aus seiner Hosentasche. Darin sei die „ganze deutsche Medienlandschaft“ abgespeichert, lacht er. Sein Plan ist aufgegangen. Jeder soll erfahren, was er vorhat. „Wir können die Grenzen nicht abschaffen“, sagt Höppner, „das wollen wir auch nicht. Aber wir möchten dass die, die versuchen zu uns zu kommen um das angebotene politische Asyl zu beantragen, kommen können ohne dabei zu sterben.“ Die „Sea Watch“ werde der Politik „den Spiegel vorhalten“ – über Videos und Berichte, die er live in die ganze Welt schicken wird.....einen Stahlkutter, Baujahr 1917, 21 Meter lang, 5,2 Meter breit, „bis zu einem gewissen Grad hochseetauglich“ – mit einer Kajüte für acht Personen, Küche und Badewanne. Kosten: 60.000 Euro, für den Umbau nochmal 60.000 obendrauf

....Mit Erfolg. Übers Internet haben sie nach Freiwilligen gesucht. Mehr als 200 haben sich schon gemeldet: Kapitäne, Ärzte, Schiffsingenieure, Journalisten. …. Doch wünscht er sich mehr – und er ist sich sicher, dass er Unterstützer finden wird. „Ich weiß, dass wir mit unserer Einstellung keine Minderheit sind“. Die vielen Gäste und vor allem die Presse, die gekommen ist, um von der „Sea Watch“ zu erzählen, machen ihm Hoffnung. ….Ihm werde immer wieder eine Frage gestellt, sagt Höppner. Ob er etwas Illegales tue. Dann erzählt er die Geschichte - vom Freispruch Schmidts [Cap Anamur II], der im Sommer 2004 im Mittelmeer 37 Afrikaner vor dem Ertrinken gerettet und mit dem Hilfsschiff nach Italien gebracht hatte. Ihm und dem einstigen Cap-Anamur-Vorsitzenden Elias Bierdel drohte damals eine vierjährige Haftstrafe - wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Doch sie wurden freigesprochen, nach einem fünf Jahre andauernden Prozess. Für Höppner ein entscheidendes Zeichen.….Nur noch ein paar Wochen, dann wird die „Sea Watch“ 24 Stunden lang im Mittelmeer Ausschau halten. Und sie wird erste Hilfe leisten, immer dann, wenn es nötig ist: Rettungsinseln auswerfen, die Menschen mit Trinkwasser, Essen und Funkgeräten versorgen. Dann wird sie die Küstenwache rufen. Und „auf die Hilfeleistung der Profis hoffen“, sagt Höppner. Denn im Alleingang werde die Mannschaft und allen voran der Kapitän überhaupt nichts entscheiden. „Wir sorgen dafür, dass sich keiner mehr aus der Verantwortung ziehen kann“, er lächelt, „denn wir werden das zivile Auge auf dem Mittelmeer sein. Und wir werden heraus posaunen, was dort wirklich passiert.“...“


Ein besondere Pointe in diesem Zusammenhang hat sich zuletzt Unionsfraktionschef Kauder geleistet 
 
So die Badische Zeitung : „Wir können in Deutschland noch deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen. Dieser Satz stammt nicht von den üblichen Verdächtigen wie der gerne als Mulitkulti-Grüne verunglimpften Opposition oder von Bevölkerungswissenschaftlern. Sondern von dem CDU-Politiker Volker Kauder. Das überrascht, denn die Union hat zwar in der Vergangenheit zähneknirschend zugegeben, dass Deutschland schon lange ein Einwanderungsland ist. Und Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in jüngster Zeit auch viele Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen. Aber ein klares Ja zu mehr Zuwanderung hört man doch relativ selten aus Unionsmund. ...“. 

In der FAZ meinte er dazu am 15.4.2015: „Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, weitere Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. „In Kurdistan leben fünf Millionen Einwohner mit einer Million Flüchtlingen zusammen. Wir können in Deutschland noch deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen“, sagte Kauder der Zeitung „Bild“ vom Mittwoch. „Diese Menschlichkeit müssen und können wir uns leisten“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Die Forderungen der Bundesländer nach mehr Geld vom Bund für die Unterbringung der Flüchtlinge wies Kauder allerdings zurück. Die Kommunen und Länder erhielten für die Flüchtlingsunterbringung bereits eine Milliarde Euro extra aus Bundesmitteln. ….Der Unionsfraktionschef bekräftigte zudem seine Auffassung, dass es kein neues Einwanderungsgesetz geben werde. „Es geht nicht um Begriffe: Wir haben gute Regeln, wenn es da von Seiten der Wirtschaft konkrete Änderungswünsche gibt, können wir darüber reden.“ ... Qualifizierte Fachkräfte unter den Flüchtlingen könnten jetzt schon vielfach bleiben.....“

Erstaunlicherweise hatte er die Idee schon im September 2013 vorgebracht, als man noch über Marginale Zahlen von Flüchtlingen diskutierte : „Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) will mehr syrische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Ebenso wie der niedersächsische SPD-Innenminister Boris Pistorius machte Kauder sich dafür stark, die bisher zugesagte Aufnahme von 5.000 Menschen auszuweiten.....Friedrich warnte angesichts eines drohenden Militärschlags in Syrien vor einer Zunahme der Flüchtlinge. "Jede kriegerische Aktivität kann die Flüchtlingszahl weiter erhöhen", sagte er dem Berliner Tagesspiegel. Die Zahl der Asylbewerber aus dem Krisenland lag im August knapp über 1.000. Nach Serben und Russen war dies die drittgrößte Gruppe von Asylsuchenden in Deutschland. Kauder trat dagegen für eine stärkere Aufnahme ein. "Angesichts der dramatischen Situation in Syrien bin ich der Meinung, dass alle Bundesländer aufgefordert sind, weitere syrische Flüchtlinge aufzunehmen", sagte er dem Focus. "Diese Menschen haben schlimme, traumatische Erfahrungen machen müssen. Deutschland kann ihnen Schutz bieten."...“ 

Kauder, ein heimlicher grün-roter Linker im schwarzen Schafspelz?

Wohl kaum. Tatsächlich entspringt seine „Diese Menschlichkeit müssen und können wir uns leisten“-Attitüde von wo ganz anders her. Allein schon sein auf die BRD gemünzter Zahlenvergleich „In Kurdistan leben fünf Mill. Einwohner mit einer Mill. Flüchtlingen zusammen.“ lässt aufhorchen. Für Deutschland hieße dass nun ja 16 Millionen Zuwanderer. Also 16 neue Millionenstädte wie Köln, eine weitere für jedes Bundesland. Man muss schon ziemlich naiv sein zu glauben, dass Deutschland das wirklich aushalten könnte. Multikulti hin oder her. Und neu ist seine Forderung ja nicht, nur stößt er auch bei seinen Parteikollegen damit regelmäßig auf gelindes Unverständnis. Auch die Tatsache, dass sich Kauder strikt gegen Forderungen, den Islam in Deutschland als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anzuerkennen, stellt lässt nachdenken. Schließlich sind der Großteil der avisierten Flüchtlinge Schwarze junge Muslime ohne nennenswerte Schul- und Berufsausbildung. Wieso ist Kauder da so penetrant mit seiner Forderung?
Die Antwort liegt wieder mal beim Neoliberalen Weltbild. Denn bei der Frage nach mehr Wachstum gibt es aus der Ökonomengilde zwei wesentliche Behauptungen was die Triebfedern angeht: 1. mehr Geld und 2. mehr abhängige Arbeiter. Und nebenbei, der Vollständigkeit halber, 3. mehr Produktivität, Bildung, Technologie. Und die Weisheit hat der Kauder gefressen. Wo kommt die eigentlich her? Nun, aus der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion. Die ist zwar nachweislich falsch, da sie entgegen aller Erfahrung keine Krise kennt, aber sie beschreibt die immer noch verbreitete neoliberale Ökonomieansicht recht eindringlich:


Was bedeutet Sie? Nun ganz einfach, dass Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist Y. Es wird genährt aus Arbeit L (Labour) und Kapital K. Und zwar grundsätzlich exponentiell, wobei für die positiven Exponenten noch a+b=1 gilt. Was also tun um Wachstum zu erzeugen? Ganz einfach mehr Kapital drucken oder mehr Arbeiter besorgen. Aha. Und was ist wenn es dann trotzdem nicht mit dem erwarteten exponentiellen Anstieg des BIP klappt? Na dann liegt es ganz offensichtlich an dem Vorfaktor A.

In den kann man nämlich, je nach Belieben, Dinge wie technische Innovation, Bildung und eben Produktivität einfließen lassen. Wenn die unerwartete Krise kommt, so die Logik, dann nur deswegen weil die Arbeiter im Lande einfach nur zu doof oder zu faul und zu teuer, äh Verzeihung, nicht produktiv genug seinen. Was kann man an dem Punkt also machen? In Bildung investieren, naja, ist gerade nicht so in Mode, oder kräftig Hightechfirmen subventionieren, dass passt dem Kauder schon eher. Oder eben die Löhne drücken und (Lebens-)Arbeitszeiten hoch setzen, und damit macht man sich schon eher ziemlich beste Freunde.
Alles das ist natürlich zeitraubend, mehr Geld zu produzieren oder Zuwanderer anzuziehen erscheint da die schnellere Lösung zum vermeintlichen Erfolg.

In dieselbe Kategorie gehört auch die berühmte Alterspyramide. Eine Pyramide die gar nicht existiert, jedenfalls nicht wegen des Alters, sondern wegen der unfairen Umverteilung. Wenn man nun aber, wie es tatsächlich der Fall ist, fast sämtliche Steuer- und Abgabenlasten des Staates aus den Einkommen der L's finanziert, dann scheint man nach neoliberaler Logik eben auch dafür einfach nur mehr Schaffende haben zu müssen. Bringt aber garnichts, denn mehr Schaffende heißt im gleichen Maße auch mehr zu finanzierende staatliche Aufgaben, dass zu erwartende absolute Plus ist da niemals dass benötigte relative Plus. Der gedankliche Kurzschluss der Formel sieht man auch daran, dass danach bei absolut gleichem Kapitaleinsatz kleine Länder grundsätzlich schwächer wachsen müssten als große. Was natürlich nicht der Fall ist. Aber egal, klatschen wir da einfach den neoliberalen Schwamm drüber.

So einfach ist das. Sie glauben es nicht? Vor zehn Jahren hätte ich es auch noch nicht geglaubt, aber es ist tatsächlich dass Neoliberale Credo genährt aus einer simplen, und natürlich mangelhaften, Formel. Natürlich gibt es noch eine Reihe von Derivaten dieser Gleichung und ein paar alternative Modelle, die meist sogar noch primitiver sind, sie funktionieren aber alle nach dem selben singulären Grundmuster. Und das bekommt nicht mehr so schnell aus Ökonomen-, geschweige denn Politikerköpfen, heraus.

Genug gejammert, was aber kann man nun sinnvollerweise tun?

Nun, fangen wir bei den Wurzeln des Problems an und kämpfen uns dann langsam zu den Blättern durch.

Erstens: Wachstum

Genauer gesagt, Wachstum der Masseneinkommen bzw. des allgemeinen Wohlstands in Afrika und auch sonst wo in der Welt wo es kracht. Allerdings ist zur Zeit das was in Afrika einzig sicher wächst die Bevölkerung. Belastbare Zahlen gibt es aber für gar nichts, auch nichts für das BIP oder gar die umlaufenden Geldmengen, Vermögen, Besitzverhältnisse und private und staatliche Schulden in den meisten Ländern des Kontinents. Fast alles muss anhand verschiedener Indikatoren geschätzt werden. Beim Wachstum der Bevölkerung schwanken die UN Prognosen für 2050 zwischen 2 und 3 Milliarden, je nach Annahme. Zur Zeit sind es geschätzt etwas über 1,1 Milliarden. Also pro Jahr rund 25,7 bis 54,3 Millionen netto, im Schnitt 40 Millionen hinzu. Jedes Jahr wohl gesagt, netto. Bevölkerungswachstumsraten von 3 bis 5%, dass ist einsamer Weltrekord.

Das hat aber Nebeneffekte: Einerseits ist die Bevölkerung unglaublich jung, das Durchschnittsalter liegt bei 15 bis 16 Jahren. Eine international konkurrenzfähige Schulbildung und ein tragfähiger Arbeitsplatz sind dabei jedoch in der Regel Fehlanzeige. Es gibt sie nicht. BIP Wachstum? Genau weiß es wegen fehlender Zahlenwerke keiner so genau. Klar ist aber, dass Afrika ein Wachstum von etwa realen 5% braucht, um überhaupt das Bevölkerungswachstum zu kompensieren. D.h. erst ab 6-7% fängt die Wirtschaft pro Kopf überhaupt an zuwachsen. Also mit Wachstumsraten die zur Zeit nur noch China, aufweist. In Afrika gibt es die im allgemeinen nicht. Selbst da wo einmal mehr Wachstum entsteht, etwa wo gefragte Bodenschätze gefördert werden, dann reißen sich die eigennützigen und korrupten Machteliten den Zugewinn alleine unter den Nagel. Für die Bevölkerung bliebt in der Regel wenig bis gar nichts. Und neoliberal kann man dort schon lange: Wenn der Output nicht reicht, dann ist immer nur einer Schuld, der Arbeiter der zu viel Geld verlangt und nicht produktiv genug sein will. Natürlich darf man Afrika nicht alleine die Schuld für solche Zustände geben, in der globalisierten Welt gehören immer Zwei dazu. So die ausländischen Investoren die Rendite verlangen und „Produktivitätssteigerungen“. Und zum Schmieren der örtlichen Eliten braucht man auch immer zwei Hände: Die Eine die gibt, die Andere die nimmt.

Politische und Wirtschaftliche Reformen fehlen in Afrika, im Vergleich dazu ist Griechenland geradezu ein schwäbisches Musterländle. Die Lebenssituation der Menschen dort kurzfristig dahingehend zu ändern, dass sich eine Flucht nicht mehr als lohnende Alternative anbietet, dafür ist es definitiv zu spät. Das wird sich nicht so schnell ändern können wie es nötig wäre.

Wikipedia: „Die Wirtschaft Afrikas umfasst ca. 1 Milliarde Menschen in 54 verschiedenen Staaten. Afrika ist reich an Rohstoffen und natürlichen Ressourcen, dennoch ist es der Kontinent mit dem bei weitem geringsten durchschnittlichen Lebensstandard. Von den 24 „Ländern mit geringer menschlicher Entwicklung“ liegen gemäß Human Development Index 22 in Afrika. Von den 14 Ländern, deren Kaufkraftbereinigtes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2008 weniger als 1000 US-Dollar beträgt, liegen 13 in Afrika. Subsahara-Afrika (ohne Südafrika) ist die einzige Weltregion, in der die Armut seit 1990 zugenommen hat. Zwar ist das reale Pro-Kopf-Einkommen gestiegen, aber auch die absolute Zahl der Armen wuchs um rund 100 Millionen Menschen an. Mehr als zwei Drittel der Menschen in Subsahara-Afrika verfügen über weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Die weit verbreitete Armut und die sich zunehmend verschlechternden Bedingungen für die Subsistenzwirtschaft (Verdrängung durch Großbetriebe, Bevölkerungsexplosion, Raubbau, Landflucht, soziale Umwälzungen etc.) wirken sich vor allem auf die Ernährungs- und Gesundheitslage negativ aus. Mehr als ein Fünftel der Menschen in der Region südlich der Sahara gelten als unterernährt.

Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt lediglich 54 Jahre, fast 40 Prozent der Bevölkerung leben noch immer ohne ausreichende Wasserversorgung, fast 70 Prozent ohne angemessene Sanitärversorgung. Hinzu kommen die gravierenden Auswirkungen der Immunschwächekrankheit AIDS und anderer Infektionskrankheiten wie Malaria und Tuberkulose. Darüber hinaus erschweren Gewalt, Korruption und politische Instabilität eine wirtschaftliche Entwicklung. Seit mehreren Jahrzehnten existieren die unterschiedlichsten Verbesserungsvorschläge, von wenigen Ausnahmen abgesehen ist deren Erfolg bis heute bescheiden.….Einzelne Länder sind im Aufbruch: weniger Konflikte, mehr demokratische Wahlen, mehr friedliche Machtwechsel. Die Wirtschaft entwickelt sich. Die durchschnittliche Wachstumsrate lag bei fast sechs Prozent, mehrere afrikanische Länder gehören zu den weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Auch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise sorgte nur für eine kurzfristige Abschwächung des Wachstums in Subsahara-Afrika. Nach Angaben der Weltbank lag es im Jahr 2010 bei 5,1 Prozent.….Die städtischen Regionen, insbesondere die Hauptstädte, sind oftmals wesentlich besser entwickelt als die meist dünn besiedelten, ländlichen Gebiete.

Des Weiteren besteht in Afrika häufig eine sehr große soziale Ungleichheit zwischen einer kleinen, reichen Oberschicht und der Bevölkerungsmehrheit.….In Angola, Gabun und Äquatorialguinea begünstigt der Ölreichtum die wirtschaftliche Entwicklung der Länder. Prekär hingegen ist die Lage insbesondere in Niger, Tschad, der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika sowie in Somalia am Horn Afrikas. Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung in Schwarzafrika ist das andauernd hohe Bevölkerungswachstum. Es betrug zwischen 1960 und 2000 im Mittel 3%, gleichzeitig wuchs die Wirtschaft im Mittel nur um 2%. Dies hatte zur Folge, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der afrikanischen Staaten ohne Südafrika von 525 US-Dollar 1970 auf 336 US-Dollar im Jahr 1997 fiel. Schließt man das wirtschaftlich unverhältnismäßig starke Südafrika aus, so stieg das BIP pro Kopf zwischen 1960 und 2004 zwar von 425 auf 536 US-Dollar, gleichzeitig fiel das kaufkraftbereingte BIP pro Kopf von 1922 US-Dollar 1975 auf 1811 US-Dollar 2004.

Seit Mitte der 1990er Jahre erlebt Afrika erstmals seit 1960 wieder zunehmendes Wirtschaftswachstum. Die Gründe hierfür sind vielfältig. In erster Linie tragen erneut gestiegene Rohstoffpreise und erhöhte ausländische Direktinvestitionen, vor allem aus der Volksrepublik China, dazu bei. Auch die seit etwa 1990 auch in Afrika stattfindende Demokratisierung und eine damit verbundene bessere Regierungsführung tragen zur Verbesserung bei, ebenso die Beendigung zahlreicher Bürgerkriege sowie ein weitreichender Schuldenerlass. 2004 betrug das Wirtschaftswachstum in Afrika 5,1%, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts lag die durchschnittliche Wachstumsrate bei fast sechs Prozent, was jedoch immer noch unter dem anderer Wachstumsregionen wie Ostasien oder Lateinamerika liegt....Nigeria mit 170 Millionen Einwohnern und einem BIP von umgerechnet gut 372 Milliarden Euro im Jahr 2013 hat inzwischen Südafrika mit einem BIP von knapp 229 Milliarden Euro als größte Volkswirtschaft auf dem Kontinent abgelöst. Doch wirkten sich die politische Instabilität und die schlechten Lebensbedingungen negativ aus. Kenia habe zwar eine expandierende Wirtschaft, die mehr und mehr ausländische Unternehmen anlockt, doch schaffe es das Land nicht, die wachsende Bevölkerung zu ernähren und medizinisch zu versorgen.“
Afrikanisches BIP Wachstum südlich der Sahara - Die Daten sind zwangsläufig nur Schätzungen. Der Gelbe Balken ist der Bereich der für das Bevölkerungswachstum zu veranschlagen sind. Wie man sieht war das reale Wachstum offensichtlich negativ. Lediglich zur Finanzhause vor Lehman kam etwas hinzu, landete allerdings kaum im Geldbeutel des kleinen Mannes/Frau vor Ort.
Das geschätzte(!) Wachstum von zur Zeit 5 bis 6% klingt zunächst zwar ganz gut, ist aber wegen des direkt in Abzug zu bringenden einzigartigen Bevölkerungswachstums daher tatsächlich praktisch Null und zu weilen sogar negativ. So schreibt Prof. Morten Jerven von der Simon Fraser Universität in Vancouver in der ZEIT:  

„Wirtschaftsboom in Afrika: So manipuliert man mit Statistik - Die Statistiken über vermeintliche Entwicklungserfolge in Afrika führen in die Irre. Der Politik fehlt eine wichtige Entscheidungsgrundlage. ….Ist Nigeria tatsächlich im Begriff, Südafrika den Rang als Wirtschaftsmotor Afrikas abzulaufen? Hat sich Ghana wirklich in ein aufstrebendes Land "mit niedrigem mittleren Einkommen" entwickelt?

Ein Blick auf die Erhebung von Entwicklungsstatistiken weckt Zweifel. Sie beginnen schon bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts. Es bezeichnet bekanntlich die Summe aller Güter und Dienstleistungen, die in einem festgelegten Zeitraum produziert werden. Selbst in entwickelten Industriestaaten ist seine Messung nie exakt, sondern hängt von Annäherungen ab. In den meisten Entwicklungsländern Afrikas aber verfügen die Statistikbehörden nicht einmal annähernd über die Informationen, die sie für verlässliche Berechnungen eigentlich benötigen. Sie behelfen sich mit einem Kunstgriff: Die Verantwortlichen wählen ein Jahr aus, über das bessere Wirtschaftsdaten vorliegen als über andere – etwa weil Investoren entsprechende Untersuchungen durchgeführt haben. Die Informationen über dieses Jahr, das man im Fachjargon auch Basis- oder Benchmark-Jahr nennt, werden dann mit weiteren Daten zu einer Schätzung verschmolzen. Die Folge: Die Verhältnisse aus dem Benchmark-Jahr werden einfach auf die folgenden Jahre übertragen, selbst wenn sich die Wirtschaftsstruktur in der Zwischenzeit verändert hat. ….Die gesamte Wirtschaftsstatistik wird dadurch unzuverlässig. 

Aus diesem Grund empfiehlt der Internationale Währungsfonds den Entwicklungsländern eigentlich, ihre Datensätze alle fünf Jahre zu überarbeiten. Dennoch beruhen die Weltbankdaten des vergangenen Jahres zu Nigeria noch auf dem Basisjahr 2002. In Ghana lag eine Aktualisierung sogar noch länger zurück. Dort war ein Update zuletzt im Jahr 1993 vorgenommen worden. In der Konsequenz tauchte fast die Hälfte der ghanaischen Wirtschaftsleistungen gar nicht in den offiziellen Statistiken auf. Die Korrektur des Bruttoinlandprodukts war daher durchaus nachvollziehbar. Doch wie können die Wirtschaftsleistungen verschiedener afrikanischer Staaten wie Ghana und Nigeria vor diesem Hintergrund aussagekräftig verglichen werden?....Zur Verbesserung der statistischen Fähigkeiten in Afrika benötigen wir dringend umfassendere Informationen darüber, auf welchen Annahmen und Quellen die Daten beruhen. Denn manchmal sind scheinbar verlässliche Zahlen in Wirklichkeit bloße Schätzungen. 

So haben nur etwa die Hälfte der afrikanischen Staaten in den vergangenen zehn Jahren statistische Haushaltserhebungen durchgeführt. Ohne solche Erhebungen ist es jedoch schlicht unmöglich, Armut tatsächlich zu messen.….Dabei werden jedoch die Schwierigkeiten lokaler Statistiker vor Ort häufig ignoriert. Tatsächlich sind die Statistikbehörden in afrikanischen Staaten in den seltensten Fällen ausreichend finanziell und personell ausgestattet, um die globale Nachfrage nach Informationen professionell bedienen zu können. In der Summe schafft das aktuelle System mehr Verwirrung als Klarheit. Regierungen, internationale Organisationen und unabhängige Analysten benötigen jedoch verlässliche Entwicklungsstatistiken, um die Lebensbedingungen auf dem afrikanischen Kontinent beurteilen zu können. Denn auch die Politik kann nur dann wirksam ansetzen, wenn sie zunächst die Wirklichkeit möglichst objektiv wahrnimmt.“

Zweitens: Schlepperbanden

Die Idee den Schlepperbanden zu Leibe zu rücken ist dagegen grundsätzlich gar nicht so verkehrt, wenn man es denn wirklich gründlich macht. Ein paar Schlepper zu verhaften und vor den Internationalen Gerichtshof zu schleppen, das wird nichts ändern. Für jeden Schlepper der (un)freiwillig den Posten frei macht, stehen schon ein Dutzend Nachfolger bereit. Die Gewinnspanne bei dem geschäft ist ienfach zu hoch. Absolut Schrottreife Boote und Schiffe bekommt man auf dem internationalen Abwrackmarkt fast zum Nulltarif, obwohl etwa in Libyen wegen gestiegener Nachfrage auch die Preise für gerade noch schwimmfähige Seelenverkäufer in letzter Zeit nach oben geschossen sein dürften. Aber selbst wenn wir für so ein Wrack und den fälligen Transport zum Flüchtlingshafen mal so 10.000 USD rechnen, da packt man dann 150 Leute drauf und knöpft jedem der „Glücklichen“ 3000 Euro oder USD ab. Macht dann also 450.000 Dollar, abzüglich noch ein paar Unkosten, etwa für den verrückten Skipper, bleiben so 400.000 Dollar Gewinn. Soviel kann kein normaler Afrikaner mit ehrlicher Arbeit im ganzen Leben verdienen. Bei diesen Gewinnspannen ist das Mafiöse Treiben nicht mit ein paar Verhaftungen getan. Ja selbst das Standrechtliche Erschießen einiger bedeutender Köpfe würde da nicht viel ändern.

Was man aber angehen könnte wäre die Logistik dieser Banden. Denn die müssen ihr Geld ja irgendwo hin- und her transferieren, und die müssen ständig neue Boote und Schiffwracks besorgen, denn es sind ja alles one-way-ex-und-hopp Schaluppen. Konten sperren und konfizieren, Handelsbeziehungen gezielt unterbrechen, kein Boot mehr rein oder rauslassen dass in Richtung der bekannten Piratenhochburgen dümpelt. Das könnte neben Verhaftungen und Standrecht dann durchaus einen ordentlichen Erfolg zeitigen. Zumindest sofern, und nur dann, wenn die Regierungen in Libyen und sonst wo in Nordafrika, mitziehen. Womit nicht unbedingt zu rechnen ist. Denn naiv wäre es zu glauben dass die örtlichen Verwaltungen, sofern nicht wie in Libyen denn überhaupt eine existiert, nicht bei diesen Geschäften mitkassieren würde. Natürlich tun sie dass und nicht wenig.

Im failed state Libyen kommt inzwischen auch eine nicht zu unterschätzende Präsenz des Islamischen Staates hinzu. Die haben sogar bereits in 2014 damit gedroht, demnächst mal 500.000 Flüchtlinge an nur einem Tag gen Europa zu schicken. Ich bezweifle zwar, das der IS dazu logistisch in der Lage wäre, denn es wären gewaltige Menschenmengen vorübergehend in Lagern zu versorgen, und auf rund 1000 Boote, die ja auch irgendwoher kommen müssen, an mindestens einem halben Dutzend Fischereihäfen gleichzeitig gegen Norden zu schicken. Die ganzen Vorbereitungen könnten nicht unbemerkt bleiben, aber man sollte diese Möglichkeit trotzdem nicht unterschätzen. Der Erfolg der Aktion jedenfalls käme für den IS der psychologischen Wirkung einer Nuklearwaffe gleich.

Drittens: Auffanglager in Nordafrika

Nun, wir hatten es schon weiter oben. Die notwendige Größe und Logistik eines solchen Lagers sprengt halt jede Vorstellungskraft. Die letzte Meldung von heute macht das bereits klarer, und ist doch nur weniger als ein Prozent des Problems: „In Libyen warten nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere rund eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt über das Mittelmeer in die EU. Diese Zahl nannte der CDU-Politiker am Montag nach Angaben mehrerer Teilnehmer in der CDU-Bundesvorstandssitzung in Berlin. De Maiziere habe zudem von einer immer professionelleren Organisation der Schlepperbanden berichtet, die die Flüchtlinge teilweise sogar per App an die Küste und zu den Booten leiteten. “Es handelt sich um eine echte Völkerwanderung”, sagte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok zu Reuters. Die Rettung der Flüchtlinge aus dem Mittelmeer sei wichtig, werde alleine aber nicht helfen. …..Die EU-Staaten müssten in den Herkunftsländern ansetzen. “Denn es berichtet doch etwa niemand darüber, dass in der Sahara wohl noch mehr Menschen sterben als im Mittelmeer”, sagte Brok mit Blick darauf, dass die Schlepperbanden den Fluchtweg von Menschen aus Schwarzafrika nach Norden zunächst durch die Wüste organisierten. 

…..Dies hat mit Gaddafi zu tun: 2011 entschloss sich eine westliche Militärallianz, die von Frankreich und Großbritannien angeführt wurde, zum Sturz des langjährigen Machthabers. ….Seither versinkt das Land im Chaos und zerfällt in viele Einzelteile unter Kontrolle verschiedener Milizen – darunter der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS). Damit ist ein ideales Umfeld für Schlepperbanden entstanden. …..Gaddafi selbst hatte unter Verweis auf den wachsenden Migrationsdruck gefordert, dass ihn die EU besser unterstützen müsse. Er wollte damals für die Überwachung der nordafrikanischen Küste fünf Milliarden Euro haben – was ihm die EU ebenso wie moderne Waffen zum Küstenschutz nicht gewährte.…..“Gaddafi war ein Diktator, war kein Freund von Menschenrechten”, räumt etwa EU-Kommissar Günther Oettinger ein. “Er hat aber in unserem Sinne dort gewisse Regeln organisiert und hat Verfahren dort abgewickelt. Jetzt haben wir ein Chaos mit Milizen.” …..Die G7-Außenminister waren sich bei ihrem Treffen in der vergangenen Woche einig, dass man die Flüchtlingsproblematik nur in den Griff bekommen kann, wenn man Libyen wieder stabilisiert. Wie das aber passieren soll, weiß niemand....Der IS hat nicht nur angekündigt, Attentäter unter die Flüchtlinge zu mischen. Die britische Zeitung “Daily Mail” berichtete im Februar unter Berufung auf Geheimdienstquellen, dass die Gruppe gleichzeitig 500.000 Flüchtlinge in Hunderten Booten auf das Meer treiben wolle….Danach soll die EU wie vor 2011 wieder Verträge mit nordafrikanischen Staaten abschließen, um eine gefährliche Überfahrt zu verhindern, schlägt der CDU-Politiker vor. Menschenrechtsgruppen kritisieren seinen Vorschlag schon jetzt, weil es Abkommen vor allem mit Ländern wären, deren Menschenrechtsstandards nicht an nährend der EU-Praxis entsprechen. In der Bundesregierung scheint sich aber angesichts der Häufung der Schiffskatastrophen die Haltung durchzusetzen, dass diese Kritik noch das geringere der derzeitigen Übel ist.“

Tatsächlich hat eine Umfrage der UN ergeben, dass über 60% der Afrikaner lieber heute als morgen nach Europa fliehen würden, wenn sie es sich denn nur leisten könnten. Das wären zur Zeit also über 600 Millionen. Alleine aus dem Bevölkerungszuwachs dazu jedes Jahr noch mal weitere 24 Millionen. Tatsächlich sind längst weltweit schon mehr Flüchtlinge unterwegs als je im und nach dem Zweiten Weltkrieg, auf den Beinen waren. Und dabei hat den Dritten noch niemand, den Papst ausgenommen, offiziell erklärt.
Naiv also anzunehmen, mit einem solchen Lager die Situation zu klären. Es wäre nur ein apokalyptischer Anziehungspunkt: wenn man schon ein solches Lager macht, dann müsste es so groß sein wie ganz Libyen.

Und ganz nebenbei: Wir reden hier nur von Afrika. Im Nahen Osten sieht es keinen Deut besser, nein sogar noch schlimmer, aus. Lediglich die absoluten Zahlen sind etwas geringer. Der Krieg hat jüngst sogar schon die Jordanische Grenze, und damit fast schon Israel erreicht. Auch in der Israelfrage wird sich manch ein Phantast noch wundern. Israel wird dort nicht mehr ewig existieren. Der gleichzeitig wachsende Druck von Nahost und Afrika andererseits wird der jüdische Staat, Atombombe rauf oder runter, Militärisch technische Überlegenheit hin- oder her, nicht mehr solange widerstehen können. Da müssen wir gewappnet sein 8 Millionen Juden wider irgendwie in Europa unterzubringen. Davon werden mindestens 2 Millionen, mit durchaus nachvollziehbaren Argumenten, zurück in die BRD kommen. Was aber, wenn man dann auf ein bereits durch innere rassistische Unruhen vor dem Bersten stehendes Deutschland trifft? Das wird nicht gut gehen.


Viertens: Rettungsmissionen im Mare Nostrum

So gerne wie wir dass machen möchten, und sicherlich auch wieder in gewissem Rahmen aufnehmen werden, so wenig hilfreich ist es. Es liegt daran, dass man faktisch bei steigender Nachfrage den Preis des Produkts Flucht senkt. Der Effekt: Die Bedarfsträger reißen einem förmlich die Bude ein. Allein schon das Wissen um eine laufende Rettungsaktion, und damit sinkendem Risiko, saugt weitere Flüchtlinge förmlich an. Sogar das selbstgesteckte Ziel, nämlich für weniger Ertrunkene im Mittelmeer zu sorgen, wird dadurch konterkariert. Denn die Kapazitäten der Retter sind begrenzt, und wenn dann plötzlich doppelt so viele Boote unterwegs sind, und damit doppelt so viele in Seenot geraten, dann bleibt sich des Schnitter's Ernte unterm Strich gleich. Wenn sie nicht sogar noch reichlicher wird.

Trotzdem wird man, alleine schon zur Gesichtswahrung und zum Berliner Koalitionsfrieden mit der SPD, die Aktion wieder neu auflegen , so der Spiegel heute: „Nach Ansicht der Bundesregierung darf die jüngste Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer nicht ohne Reaktion bleiben. "Es ist allen in der Bundesregierung klar, dass gehandelt werden muss", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei tief bestürzt über den Tod der Bootsflüchtlinge....Ein Sprecher des Innenministeriums sagte zu der von SPD- und Oppositionspolitikern erhobenen Forderung nach einer Neuauflage der Seenotrettungsmission "Mare Nostrum", Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sei nicht generell gegen einen Ausbau der Seenotrettung im Mittelmeer. ….Dies sei aber kein Allheilmittel, betonte der Sprecher. Wenn eine Neuauflage von "Mare Nostrum" aber Teil eines Maßnahmenpaketes wäre, "dann würde sich das Bundesinnenministerium dem nicht verschließen". De Maizière hatte eine Wiederaufnahme der italienischen Marineoperation bislang ausdrücklich abgelehnt. Vergangene Woche bezeichnete ein Programm zur Seenotrettung als "Beihilfe zur Schlepperei"....“

Aber es wird auch private Aktionen wie vom Hamburger Abenteurer Harald Höppner geben. Besonders sinnvoll ist dass nicht. Seine Schaluppe hat Platz für acht Personen, und wenn er zehn dazu nimmt ist der Kahn voll. Allein nur wenn er die zehn wirklich aus dem Wasser zieht, ist das legal. Er verspricht zwar nicht selbst einzugreifen, sondern nur die offiziellen Retter herbei zu rufen, aber dass wird nicht lange funktionieren. Irgendwann wird er sich genötigt fühlen, einen durchaus noch seetüchtigen Kahn mit 500 Personen nach Europa ins Schlepptau zu nehmen. Das reicht für fünf Jahre Knast. Eigentlich. Einmal mag er dann damit davon kommen, aber beim zweiten oder dritten mal werden ihn die Küstenbewohner einen begeisterten Empfang bereiten. Seenotrettung als "Beihilfe zur Schlepperei", ja tatsächlich kann dass in solchen Kriegszeiten faktisch der Fall sein, auch wenn es moralisch anders gesehen wird.


Fünftens: Neues Einwanderungsgesetz

Zu den Akten gelegt ist praktisch ein neues Einwanderungsgesetz. Der Hintergrund dafür ist eigentlich nur genau das, was die USA, Kanada oder Australien schon immer so machen: Einwandern darf der, der genügend mitbringt und keinen Ärger macht. Also typischerweise etwa Menschen mit Berufen die man aktuell benötigt und Menschen, die bereits einen gültigen Arbeitsvertrag für das Land besitzen, gesund und einigermaßen gesund, und ohne Vorstrafen und Terroristtischen Ambitionen sind. In der Tat haben wir ja nun das Problem, dass jährlich Millionen nach Deutschland einwandern möchten. Sofern man nicht EU-Bürger ist, geht dass aber nur legal wenn man irgendwo politisch Verfolgt ist und das auch belegen kann.

Besonders Praxistauglich ist das natürlich nicht: Wer tatsächlich politisch verfolgt wird, der bekommt im Allgemeinen von seinem Herkunftsland ja nicht entsprechende Papiere und Empfehlungsschreiben ausgestellt. Andererseits, wer „nur“ aus wirtschaftlichen Gründen flieht, dem bekommt von den Schleppern die wesentlichen Einlassungen gleich eingebläut: Asyl und politisch verfolgt. Für die Behörden ein undurchdringliches Gestrüpp. Und eigentlich ist, wenn man ehrlich ist, ja auch der Wirtschaftsflüchtling ein politisch Verfolgter. Denn schließlich sind es seine Oligarchen und abhängige Politiker, die die graszierenden Ungerechtigkeiten in der Verteilung des Volkseinkommens zu verantworten haben und ihn faktisch zur Ausreise genötigt haben.

Nun ganz klar ist: Alle die nach Deutschland wollen, können wir nicht aufnehmen ohne den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft aufzulösen. Schon jetzt ist die Situation angespannt und wird auch die nächsten Jahre nicht besser. Warum also aus den Zuwanderungswilligen nicht die Besten für unsere Wirtschaft aussuchen, so wie anderer Länder auch? Es scheitert schlicht an unserer Vergangenheit. Eine solche Vorgehensweise würde hierzulande nicht als naheliegend, sondern als „Selektion“ gebrandmarkt. Also die Unterscheidung zwischen wertigem Leben und unwertem Leben. Die als nicht brauchbar Befundenen werden in die...nein in den sichern Kriegs-Tod in ihren Heimatländern zurück expediert. Politisch ist so was in der BRD nicht durchsetzbar.

Sechstens: Ehrlichkeit und Phantasie ist gefragt; Ganz neu denken

Ich denke das Wichtigste wäre erst einmal der Bevölkerung reinen Wein ein zu schenken. Die Dimensionen und Ursachen allgemein klar machen. Wir reden eben nicht von ein paar Millionen Flüchtlingen, die man schon irgendwie noch in der EU unterbringen könnte. Wir reden von einem Zustrom der die nächsten Jahre dramatisch an schwillt und diese Jahr bereits die inländischen Heime zum Platzen bringt. Wir reden von einer Zahl von EU-Zuwanderwilligen die sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren auf locker eine Milliarde auftürmen wird. Es ist auch mit noch so viel gutem willen nicht zu stemmen. Zu der Ehrlichkeit gehört es zu zu geben, dass man sich in einem Weltkrieg befindet, der die nächsten 30 Jahre nicht besser werden wird. Zwar sind die großen Konkurrenten um die Weltmacht mit ihren Truppen noch nicht unmittelbar aufeinander getroffen, aber dass ist bei der Vielzahl der Fronten nur noch eine Frage der Zeit.

Überhaupt ist vieles, was wir uns in den letzten 10 Jahren an Einschränkungen und Überrumpelungen der Demokratie haben gefallen lassen, nicht mehr durch Ziviles Recht zu rechtfertigen: Massenüberwachung von Telefon und Internet, Kameras an allen Ecken und Enden, Durchgriff der Geheimdienste, Polizeien und des Finanzamts auf praktisch alle großen personenbezogenen öffentlichen und privatwirtschaftlich relevanten Dateien; Verpflichtung der arbeitenden Bevölkerung die Rettung der Bankenwirtschaft, der Reichen und internationalen Investoren über das Zentralbank- und Steuersystem der EU zu berappen, Geheimverhandlungen für Privatwirtschaftliche Abkommen wie TTIP, die faktisch Verträge zu Lasten Dritter, nämlich dem Steuerzahler und Wähler abschließen, ohne dass dieser eine demokratische Mitentscheidung hätte. Und das alles und mehr wird von den Volksvertretern aller Parteien und den Verfassungsrichtern kläglich durch gewunken.

Der Rücktritt des Bundespräsidenten Horst Köhler im Jahre 2010 war ein Fanal: „....Hans-Olaf Henkel interpretiert Köhlers Rücktritt mit der Euro-Krise und der Einrichtung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus. Henkel erklärte Anfang Juni 2010 in der ARD-Talkrunde bei Sandra Maischberger über dieses Programm: „Da ist ja wirklich was passiert, man muss es ja fast einen Putsch nennen.“ Es sei „am Morgen durch den Bundestag, am Nachmittag durch den Bundesrat gejagt worden, und am nächsten Tag – vielleicht musste – der Bundespräsident das schon unterschreiben“. Das „wäre der einzig akzeptable Grund für einen Rücktritt“. Auch die Süddeutsche Zeitung vermutet einen Zusammenhang mit der eiligen Verabschiedung der Griechenlandhilfe, die Köhler zuvor stets abgelehnt hatte. ...“

Im Grunde genommen sind diese Unsäglichkeiten eigentlich nur im Rahmen von so etwas wie Kriegsrecht zu rechtfertigen. Zehn Jahre hatte man gebraucht um in Deutschland den Afghanistankrieg als das zu bezeichnen, was er immer noch ist: Ein Kriegseinsatz, und eben nicht eine Friedensmission für die Bundeswehr. So ist die Sprachregelung etwa immer von der Ukrainekrise und nicht vom Ukrainekrieg zu reden. Naja, wenn dass in der Ukraine nur eine Krise ist, dann will ich gar nicht erst wissen was ein Krieg ist. Aber ob nun Syrien, Irak, Jemen, Libyen, Ukraine, Kurdistan, Somalia, Südsudan, Nigeria-Tschad-ZAR-BokoHarum Dreieck, usw. Nur eine kleine Auswahl, alles dass sind eben Kriege und nicht Krisen. Die hat man in der Ehe und die werden nicht mit Maschinengewehren und Kampfbomber ausgetragen.

Worauf möchte ich hinaus? Ganz einfach, die Maßnahmen, die für eine effektive Unterbindung der Apokalypse im Mittelmeer ausreichend wären, lassen sich nicht mehr mit zivilrechtlichen Standards und gutgemeinten international einstimmigen Resolutionen erreichen. Alleine schon die Schlepperbanden zu eliminieren oder auch nur nachhaltig zu beeinträchtigen erfordert militärische Einsätze. Erst recht wenn man tiefer an die Wurzel heran möchte.

Wikipedia: „ ….Mit einem Human Development Index von 0,755 war Libyen bis zum Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 laut den Vereinten Nationen der höchstentwickelte Staat des afrikanischen Kontinents....Nach Ende des Gaddafi Regimes durch einen Bürgerkrieg und eine internationale Militärintervention auf der Seite der Gegner Gaddafis wurde das Land von Kämpfen rivalisierender Milizen erschüttert. Diese Auseinandersetzungen mündeten in den Krieg in Libyen seit 2014. In diesem Bürgerkrieg kämpfen die beiden Allianzen "Würde" (welche die offizielle Regierung stellt) und "Morgenröte", sowie die Terrororganisation "IS" um die Macht im Land. Während Libyen dabei ist ein Gescheiterter Staat zu werden, versuchen Tausende Menschen aus Libyen, Afrika und Syrien in Richtung Europa zu fliehen, was oftmals zu Schiffskatastrophen im Mittelmeer mit Hunderten Toten führt.….Seit dem Ende des Bürgerkrieges befindet sich Libyens Rechtssystem in einem unklaren Zustand....Beim Aufbau eines Rechtssystems und einer rechtsstaatlichen Verwaltung soll die UNO-Mission UNSMIL Hilfe leisten. Der Aufbau eines neuen, allgemein anerkannten Justizwesens zieht sich hin.

In Gefängnissen, überwiegend jenen, die sich nicht unter der Kontrolle des Übergangsrats befinden, wird wieder gefoltert. ….Im Dezember 2013 stimmte die Nationalversammlung Libyens für die Einführung der Scharia.….Viele Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International berichten, dass auch unter den neuen Behörden, die nach dem Bürgerkrieg in Libyen an die Macht gelangten, die Menschenrechte in Libyen stark eingeschränkt sind....Menschen mit schwarzer Hautfarbe werden diskriminiert, da diese oft pauschal als Söldner Gaddafis denunziert werden. In der Stadt Sebha kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber den Tubu. ...die Organisation Open Doors erklärte, dass inzwischen in Libyen Christen verfolgt werden. Andere als islamische religiöse Versammlungen sind verboten. ….Es kam zu Übergriffen von Salafisten auf christliche Kopten. …. Schätzungen zufolge wurden landesweit mehr als 6.000 Menschen verhaftet, bisher ohne offizielle Anklage oder Aussicht auf einen Prozess.….Die Folterverhöre, von denen einige tödlich verliefen, wurden vom militärischen Geheimdienst NASS geführt. Die Behörden vor Ort ignorierten die Forderungen der Hilfsorganisation nach einem Ende der Folter. ...Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt Libyen auf Platz 131 von 179 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit.….Seit dem Ende des Bürgerkrieges stehen weite Teile des Landes unter der Kontrolle von Revolutionsbrigaden, die sich nicht dem Nationalen Übergangsrat unterstellen. ...Eine weitere Schwierigkeit bei der Integration der Revolutionsbrigaden stellt die desolate Lage bei den Staatsfinanzen dar. ...“

Zu gut Deutsch: Ein failed State, pleite und ein Pulverfass.

Verlässliche politische Ansprechpartner die ggf. getroffene Vereinbarungen auch durch setzten können, dass darf man getrost vergessen. Lassen wir mal alle Denkverbote fallen. Was wäre denn, angesichts der drohenden Apokalypse, wenn die EU statt ein sinnloses Auffanglager anzustreben, gleich den ganzen Libyschen Staat übernähme? Der ist sowieso nur noch eine reitende Leiche. Und dort dann einen der EU assoziierten Staat nach europäischen Maßstäben als Sonder-Wirtschaftszone einrichten würde? Unter EU_Zwangsverwaltung versteht sich, ähnlich wie Hongkong im letzten Jahrhundert, begrenzt auf eine reichlich bemessene aber endliche Zeit? Mit fair bezahlten Arbeitsplätzen und Zukunftsaussichten? Ganz nach dem Motto: Wir können zwar nicht alle afrikanischen Flüchtlinge nach Europa lassen, aber wir können Europa nach Afrika bringen?

Keine einfache militärisch und politische Sache, NeoNeoKolonialismus also, aber was soll denn sonst noch funktionieren? Mit Kleinkram jedenfalls ist die Apokalypse nicht in den Griff zu bekommen. Der nächste Libyenkrieg nach 2011 steht für die USA/EU/NATO sowie so wieder an. Denn der IS ist nicht nur in Syrien und Irak, sondern auch im Jemen, auf dem Sinai und eben in Libyen aktiv. Sollte er im Libyschen Chaos die Oberhand gewinnen, dann ist Land unter. Dann würde Ägypten in die Zange genommen und Israel bekäme zu Recht kalte Füße. Die Allianz wird das verhindern müssen und sie wird es auch tun. Sicher.

Ich bin gespannt, was beim Gipfel am Donnerstag, und dass wird nicht der Letzte sein, erst einmal so raus kommt. Mehr als BlaBla und Augenwischerei? Immerhin lassen die von Thomas de Maizière in der Vergangenheit geäußerten Einlassungen den Schluss zu, dass zumindest er einen einigermaßen realen Überblick über das wahre Ausmaß des Problems hat. Ein gutes Zeichen. Schaun wir mal, was er daraus macht.


Donnerstag, 16. April 2015

Vive la Revolution - INET PARIS 2015 – Reisebericht


Nach 2012 Berlin war ich in diesem Jahr zum zweiten mal zur internationalen INET Konferenz nach Paris eingeladen (INET - YSI). Was das Institute for New Economic Thinking (links [1];[2]; wikipedia) so genau ist, wird nicht Jedem gleich bekannt sein. Das Institute for New Economic Thinking (INET) wurde Ende Oktober 2009 gegründet, um nach der Finanzkrise neue Denkansätze für die Volkswirtschaftslehre zu entwickeln. Der Hauptsitz der Denkfabrik („Thinktank“) ist New York. Geschäftsführer ist der Ökonom Robert Johnson, früherer Managing Director des Hedge-Fonds Soros Fund Management. Es geht darum neue Paradigmen zu finden und den „marktfundamentalistischen Konsens“ der Wirtschaftswissenschaften zu erschüttern. Mitbegründer sind unter anderem die Nobelpreisgewinner George Akerlof, Sir James Mirrlees, A. Michael Spence und Joseph Stiglitz. George Soros unterstützt die Projektgründung mit 50 Mill. US-Dollar. Weitere Geldgeber waren Jim Balsillie und William Janeway. Insgesamt kamen 200 Mill. US-Dollar zusammen.  

Vorne ganz links im Bild: Der Gründer George Soros als Zuhörer - Liberte, egalite, fraternite - Paris OECD 2015

Die dritte Konferenz war im April 2012 in Berlin zum Thema: “Paradigm Lost: Rethinking Economics and Politics", und nachdem ich mich 2011 beworben hatte, erhielt ich meine erste Einladung dorthin. In meinem Blog habe ich damals diese Konferenz nur am Rande erwähnt. Der Grund war dass die Konferenz mir persönlich zwar viel gebracht hat, aber im großen Ganzen waren die Vorträge und Diskussionen noch recht konservativ geprägt. Also eher eine IET statt INET Konferenz, bestenfalls eine InET bezüglich des New Thinking. Tiefpunkt für mich war damals die Gesprächsrunde mit Joschka Fischer, Ex-Grünen-Idol und inzwischen neoliberaler Industrielobbyist, mit großer Klappe und dabei unbelastet von störendem ökonomischen Sachverstand. Trotzdem hatte ich aber Gelegenheit hervorragende Kontakte zu knüpfen die bis heute fortdauern, denn natürlich waren auch in Berlin bereits Neue Denker unterwegs. Insbesondere Prof. Dirk Bezemer mit dem ich seitdem auch immer wieder mal wissenschaftlich zusammen arbeite. 

Die INET 2015 fand in den Räumlichkeiten der OECD in Paris statt.

Nun war ich in Paris 2015 wieder dabei.

Zu meinem Erstaunen hat sich in den drei Jahren doch ein deutlicher Wandel in der Ökonomenwelt vollzogen: Dass heißt, die, nach neoklassischer Sicht völlig unmögliche, nun aber negative Rolle von zu viel Geld in zu wenigen Händen auf das Wachstum und den allgemeinen Wohlstand, ist endlich ganz oben angekommen. Zumindest bei den kritischen Topökonomen außerhalb Deutschlands. Zwar konnte man aufgrund der zeitlichen Überschneidung der vielen Talks nicht allen beiwohnen, man musste seine eigenen Schwerpunkte setzen, und von daher kann ich nicht für alle sprechen. Aber ein Eindruck, den ich bereits in Berlin hatte, bestätigte sich für mich erneut: Deutsche Topökonomen hinken, insbesondere den Angloamerikanern, regelmäßig um Jahre hinterher. Dass hängt offensichtlich mit der amerikanischen Lockerheit und Unternehmenskultur zusammen: So ist es in den USA nichts besonderes, wenn ein Unternehmer mal ein richtig fette Pleite hinlegt. Es wird kaum als Makel sondern als wichtige und wertvolle Erfahrung hingenommen, die es einem ermöglicht es beim nächsten mal eben besser zu machen. In Deutschland sieht das ganz anders aus: So eine Pleite ist ein Makel, der wie Pech und Schwefel ein Leben lang am Betroffenen hängen bleibt. So offensichtlich auch in der Wissenschaft: Während deutsche Ökonomen zur Nibelungentreue an ihren alten Ideen neigen, auch wenn sie sich längst als falsch erwiesen haben, so schmeißt der Amerikaner sie über Bord, wenn sie denn ausgedient haben: O.k., wir haben wohl seit 1970 viel neoliberalen Mist gebaut; Schwamm drüber, vergiss es einfach, lasst uns ganz neu aufsetzen... 

Hans-Werner Sinn bei seinem Talk
So etwa hat auch Werner Sinn die Lehre Konrad Adenauers noch nicht verinnerlicht: „Wat scheert misch mein Jeschwätz von jestern...“. Und so hat er seinem Pariser Talk zwar die praktisch hoffnungslose Lage der Währungsunion korrekt analysiert, aber zur Lösung nur die längst überholten neoklassischen Argumente angeführt. Nämlich, Schuld ist immer der kleine Mann/Frau, der/die eben, insbesondere im Süden Europas, einfach nur nicht produktiv genug ist. „Produktiv sein“, oder „Produktivität“, dass ist ein Unwort das positiv klingt, aber seinen gezielt negativen und asozialen Inhalt zu verschleiern sucht: Es bedeutet der Arbeiter und Angestellte sei halt einfach zu teuer, er müsse billiger werden. Bedeutet im Nachgang dann natürlich auch, er muss auch Anzahl mäßig weniger Bedeutung in der Produktion haben, wobei er weniger unterm Strich verdienen soll, und dass bei mehr Arbeitszeit, und last but not least, natürlich damit auch einen höheren Anteil seines Einkommens zur Finanzierung des Staates und der Sozialsysteme, sprich Steuern und Abgaben, zu leisten habe. 

Neoliberaler Unfug der sich am Ende immer in den Schwanz beißt, denn „produktivere“ Angestellte erhöhen zwar den Gewinn des Unternehmens, zerstören aber über die auf Dauer zwangsläufigen Mindereinnahmen der Konsumenten den Binnenmarkt. Denn Produktivität ist nichts anderes als (Preis der Ware) geteilt durch (Preis des Lohnes). Ist die kleiner (1-Abgabenquote), dann kann der Beschäftigte natürlich nicht mehr die Ware selbst kaufen. Neoliberale glauben dann aber an einen Kettenbriefeffekt, der besagt: Na dann entstehen wegen der verbesserten Gewinnsituation der Unternehmen aber doch viele mehr Betriebe mit noch mehr Arbeitern, die können ja dann den Rest konsumieren. Das ist natürlich Unfug, denn die müssen ja genauso oder noch mehr produktiv sein, dass heißt ebenfalls eine Überproduktion gemessen an der Kaufkraft produzieren. Da wird gar nichts besser. Das klappt nur, wenn man wie Deutschland in der ungewöhnlichen Situation des absoluten Exportweltmeisters ist. Kaufen tut die Produktion bei uns nämlich bereits zu gut 50% das Ausland, die damit die Kaufkraftlücke schließen. Das geht aber nicht ewig so weiter, irgendwann geht auch der Auslandsnachfrage die Puste aus.

Zusammen gefaltet- Da wird dem Sinn ganz schlecht
Solange bis dann soziale Unruhen genauso zwangsläufig folgen müssen. Das wurde in einem weiteren Talk näher ausgeführt, worauf ich noch zurück komme. Werner Sinn wurde dann vom direkt folgenden Redner auch schon wieder regelrecht zusammen gefaltet. Woraufhin „Unser Werner“ auch gleich die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Konsens ist inzwischen dass, was natürlich schon lange auf der Hand liegt, das Problem lässt sich nur da bekämpfen, wo es ursächlich aufmacht: Bei den gigantischen Geldvermögen, die die Realwirtschaft zunehmend mit ihren Renditeansprüchen abwürgen. Wer nicht bereit ist, massiv und nicht kleckerweise, an die großen Vermögen heranzutreten, der hat keinerlei Chancen die Schlange am satten Biss in den Schwanz zu hindern. 

Also genau das Gegenteil von dem, was Brüssel und Berlin, aber auch Washington und London, zur Zeit protegieren. 

Und dass auch unbelastet von der negativen Erfahrung der relativen Wirkungslosigkeit der neoliberalen Maßnahmen weiter zu führen gedenken. Als aktuelles Beispiel etwa die neoliberale SPD unter Gabriel die sich jetzt für eine Aktionärsmodell zur Finanzierung der deutschen Infrastrukturlücke stark machen: „Zinssparen mit Autobahnen statt Mini-Renditen bei Lebensversicherungen: Bürger sollen sich künftig an der Finanzierung großer Infrastruktur-Projekte beteiligen und so bessere Erträge erzielen können. Diese Idee gehört zu einem Zehn-Punkte-Plan einer Expertenkommission, die im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Vorschläge erarbeitet hat, wie der Investitionsstau von 90 bis 100 Milliarden Euro rasch aufgelöst werden kann. ....Die Experten wollen vor allem Regeln lockern, damit große Versicherungskonzerne und Pensionsfonds beim Bau von Straßen, Brücken oder Verwaltungsgebäuden mitmachen. „Es gibt wahrscheinliche keine bessere Partnerschaft“, sagte der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen. Die Finanzwirtschaft sucht wegen der Mini-Zinsen an den Märkten händeringend nach neuen Geldanlagen, um ihre Kunden bei der Stange zu halten. ...Die Verbraucher sollen von Milliarden-Investitionen vor ihrer Haustür direkt profitieren können....Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Vorschläge mit großer Offenheit prüfen. Was davon noch vor der Wahl 2017 umgesetzt wird, ist aber ungewiss. ...“

Gabriel das Schaf, hat wieder den Bock zum Gärtner gemacht. Das die Lebensversicherungen keine Renditen mehr abwerfen und daher, als nicht unwesentlicher Teil der Altersversorgungen, langsam aber sicher in eine tödliche Schieflage geraten, ist des Pudels Kern. Diese gelten nämlich zu Recht als einer der schlimmsten Finanzzeitbomben die demnächst reihenweise hochgehen könnten. Kapital „gesicherte“ Altersversorgungen sind nämlich auch ein neoliberaler Unfug der langfristig niemals aufgehen kann. 

Warum? Ja, weil Geld und Zins nun mal kein eigener Wert ist, sondern nr den Anspruch auf jeweils aktuell geschaffene Werte der Bevölkerung darstellen. Zum Neoliberalen Weltbild gehört aber, dass geld in sich selbst einen wert hätte. Also einfach mehr Geld produzieren, egal wie, und man hat eben mehr Werte und ergo Wohlstand und auch Altersversorgung. Purer Unfug. Denn in dem Moment wo die angelegten Summen realisiert, also ausgegeben werden sollen, treffen sie eben nur auf das dann vorhandene BIP. Und dass wird bei Vermehrung der Geldsumme natürlich immer knapper, was dann zu Preissteigerungen führen muss (bei Immobilien sehen wir das bereits) und damit jeglichen „Gewinn“ zunichte macht. Altersversorgung, egal wie man es dreht und wendet muss nämlich IMMER aus dann aktuellem BIP berappt werden, egal ob über ein Steuer-, Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren. Da beißt die Maus eben keinen Faden ab. Und solange man alle Sozialkosten alleine über die Beschäftigten abrechnet, anstatt an die relativ dazu gigantisch gewachsenen Vermögen heranzugehen, dann kann sich das auch niemals rechnen.

Der Produktive Idealmensch

Wie alle neoliberalen Modelle klingt das Gabriel'sche Infrastruktur Projekt erst mal positiv.

Zumindest solange man den Verstand genügend weit herunterfährt. So weiter im Text: „...Eine komplette Privatisierung von Bundesstraßen und Autobahnen lehnt die Kommission jedoch ab. ...Vergleichbare Energiewende-Fonds waren beim Ausbau der Stromnetze in der Praxis aber gescheitert....Die Gewerkschaften kritisierten in einer abweichenden Stellungnahme, dass der Sparkurs sowie frühere Steuersenkungen zu Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen von jährlich 45 Milliarden Euro geführt und damit die Investitionslücke maßgeblich verursacht hätten. „Das Ergebnis ist verheerend: Öffentliche Ausgaben wurden gekürzt, viele öffentliche Dienstleistungen sind dem Rotstift zum Opfer gefallen oder wurden privatisiert.“…. “

Nun, genauso ist es. Denn was bedeutet denn „...Die Finanzwirtschaft sucht wegen der Mini-Zinsen händeringend nach neuen Geldanlagen...“ und „...die Verbraucher sollen von Milliarden-Investitionen direkt profitieren können...“? Erstmal ist es dass förmliche Eingeständnis der Tatsache, dass man seit 2008 private Schulden in öffentliche Schulden verwandelt hat und deswegen vom Bürger zwar immer mehr Steuern und Abgaben benötigt, aber gleichzeitig sämtliche Staatliche Leistungen herunterfahren und gar schuldig bleiben muss. Ausweg wäre jetzt natürlich Diejenigen, die seit 2008 unglaubliche Milliardenbeträge einkassiert haben, gründlich zur Kasse zu bitten. Das geht aber weit über den Horizont Neoliberaler Zauberschüler alla Gabriel hinaus. Nein, war natürlich nur ein Witz, wäre doch gelacht, selbstverständlich soll der Bürger jetzt wieder die Zeche, und zwar zusätzlich noch zu seiner Abgabenlast, selbst bezahlen. 

Denn Stufe 1 bedeutet: Der Bürger soll einen weiteren Teil seiner Einkünfte, die dann für persönlichen Konsum ausfallen, in die Infrastruktur (die eigentlich der Staat bereits verpflichtend(!) aus seinen Steuern hätte erstellen müssen!) stecken. Soweit so schlimm. Aber dann kommt ja die eigentliche Stufe 2 hinterher: Er soll damit auch noch einen Gewinn einfahren! Ja wie dass denn? Nun gut, psssst..., nicht er sondern die Versicherungswirtschaft, aber bitte sagen Sie dass jetzt nicht weiter, und schon gar nicht dass Sie das von mir haben. Nun aber, Gewinn machen heißt nun mal seine Einlage plus eine anständige Verzinsung, explicitis verbis diese auch noch oberhalb des aktuellen Nullzinsniveaus, zurück zu bekommen. Lieber Gabriels und Wolfgangs, wo sollen denn diese Einnahmen herkommen, die dafür notwendig sind? Haben sie da etwa ein Kettenschema im Sinne des Politikerpartygebers Carsten Maschmeyer? Das kann ich ihnen gleich sagen, dass kann nur kurzzeitig gelingen, sehr bald fehlen bei so was nämlich die Idioten die noch ihr letztes Hemd in diese Tulpenzwiebelblase investieren müssten. Nein man kann das natürlich nur gegenfinanzieren, indem man dann Maut verlangt, nicht nur für die Autobahn, sondern schließlich für alles und jedes Brückchen und Sträßchen dass der Staat seinem Steuerzahler schuldig geblieben ist. Und zwar kräftig, denn es sollen ja auch noch Übermarktübliche Zinsen dabei herausspringen! Das heißt aber, dass genau der Bürger der sein Geld hier investiert hat, es via Maut und Co. Ein zweites mal bezahlen muss, und zwar plus Zinsen; plus Gewinn für die Brückchenbauer plus Gewinne und Provisionen und Boni der Versicherungswirtschaft. Unterm Strich ist er dann wieder der geleimte, aber pssst..., nicht weiter sagen, der Bürger und sein Staat ist halt im allgemeinen blöd genug den Mist zu fressen.

So schreibt der Lokalkompass ganz richtig: „Gabriel stoppen: Kein Ausverkauf unserer Infrastruktur an Versicherungen und Banken! Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bereitet gerade im großen Stil die Privatisierung unserer Daseinsvorsorge vor. Lebensversicherer und private Rentenversicherungen sollen sich in Ausbau und Betrieb unserer Infrastrukturen einkaufen können: Straßen, Schulen, IT- und Energienetze oder Wasserwerke sollen als Anlageobjekt dienen. Ein sogenannter Expertenrat, u.a. bestehend aus Vorständen der Deutschen Bank, der Allianz und von ERGO erarbeitet dazu weitreichende Vorschläge – geheim und über die Köpfe der Menschen hinweg. ...Die Daseinsvorsorge ist eine Kernaufgabe staatlicher Tätigkeit, sie darf nicht privatisiert werden. Auch Teilprivatisierungen wie Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPPs) lehnen wir ausdrücklich ab. Die Renditeinteressen privater Anleger stehen unseren Interessen an einer zuverlässigen Infrastruktur unvereinbar gegenüber. In der Finanzkrise wurden die Banken von den BürgerInnen gerettet, und jetzt stehen die privaten Versicherungen Schlange, um an Steuergeld zu kommen! Die öffentliche Hand bezahlt zurzeit für langjährige Staatsanleihen Zinsen unter einem Prozent. Nun sollen wir Steuer- und Gebührenzahlenden auf einmal für fünf, sieben oder mehr Prozent Rendite an Versicherungen aufkommen. Und das über 30 Jahre garantiert! Wir brauchen keine “neuen Finanzierungsmodelle”, die den Staat nur zusätzlich belasten....Daseinsvorsorge dient den elementaren Bedürfnissen der Menschen. Der Zugang zu ihr muss gesichert sein, für uns und für die nachfolgenden Generationen. Eine funktionierende Daseinsvorsorge und erschwingliche Leistungen der Grundversorgung sind unverzichtbare Kernelemente sozialer Gerechtigkeit....“. Anschließend finden wir im Artikel auch den Aufruf zu einer entsprechenden Petition, der man sich anschließen kann. Ob unsere Scheuklappenpolitiker aber darauf reagieren ist noch fraglich. Friedlicher Protest ist zwar gefragt, wird aber im allgemeinen wenig genug gewürdigt.

Und dann Wolfgang Schäuble und die Griechenland-“Rettung“

So kündigt er an, auch im Falle eines Ausscheidens der Griechen aus der Währungsunion, die griechischen Banken weiter zu stützen. Unglaublich, ein Armutszeugnis und Demaskierung der Rettungspaketes als genau dass, was es immer nur war: Eine reichen und Investorenrettung auf Kosten des Kleinen Mannes, insbesondere eben auch in Deutschland. Noch schlimmer vielleicht, dass da nicht ein journalistischer Aufschrei über diese Demaskierung der gescheiterten Griechenland-Austerität der Bundesregierung einher geht. Was, wie wir später noch sehen werden, mit der korrumpierten und prekaritären Situation der großen Massenmedien einher geht. 

Yanis Varoufakis bei vor seinem Talk im Gespräch mit Nobelpreisträger Joseph Stiglitz
Erleuchtend war hier natürlich der Stargast, der Griechische Finanzminister YanisVaroufakis. Varoufakis „Problem“ ist dass er in erster Linie ein sehr guter Wissenschaftler, aber (noch) kein Politiker ist. Also, er ist genau dass, was man in Brüssel schon länger nicht mehr sehen, geschweige denn hören will: Ein kritischer Ökonom eben. So erklärte er die Situation in Brüssel oder Berlin als eine Kultur der Verweigerung („culture of denial“) und Stiglitz fügte an, dass kritische Ökonomen in Brüssel inzwischen grundsätzlich gar nicht mehr vortragen dürfen, egal ob Nobelpreisträger oder was sonst noch. Bezüglich der „Reformliste“ erklärte er uns, dass er natürlich eine habe, aber dass man im Gegensatz zu den Brüsseler Gepflogenheiten erst mal bei den Reichen, die in Griechenland faktisch gar nichts zum Staat beitragen, anfangen möchte. Natürlich gibt es auch bei den armen Griechen Strukturprobleme, so sind etwa 30% des Arbeitsmarktes Schwarzarbeit, aus verständlichen Gründen, aber da ist ja inzwischen mehr als gesund wäre gerupft worden. Das wiederum passt weder Schäuble noch sonst einem Finanzminister in der EURO-Zone, nicht immer aus lobbyistischen Klientelgründen, sondern einfach auf Grund der Erfahrungstatsache, dass das Armenrupfen eine schnelle Reform, das überfällige Rupfen der reichen Oberschichten aber ein scheinbar hoffnungsloses Projekt für den Sankt-Nimmerleinstag ist. 

Ein Rätsel war mir immer, wieso eigentlich Merkel, Schäuble und Westerwelle dem groben Unfug der Reichenrettung in Griechenland damals zugestimmt haben. Trotz aller Kritik aus Ökonomenkreisen und der eigenen Koalition, gegen jeden normalen Menschenverstand, und somit inzwischen mehr als 300 Mrd. Euro Kredite, und faktisches Steuergeld, in ein Fass ohne Boden versenkt haben. Und sich heute offiziell darüber wundern, dass die Staatsschulden in Griechenland danach nicht gesunken sondern gestiegen sind. So dumm, zu glauben mit zusätzlichen Krediten, die inzwischen vom Betrag her so groß sind wie die damalige gesamte Staatsschuld darstellte, einen überschuldeten Staat sanieren zu können, so dumm kann man eigentlich ja nicht sein. 

Und so wurde mir im Nachgang von einem wohl informierten Teilnehmer gesteckt, dass der Grund seitens der Franzosen kam. Sarkozy (und in Nachfolge Hollande) haben Schäuble und Merkel praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt: Wenn Deutschland bei dem offensichtlichen Wahnsinn nicht fleißig mitmachen würde, dann drohte man unverblümt, die Deutsch-Französische Freundschaft faktisch aufzukündigen und die ganze EURO-Gruppe auseinander zu sprengen. Daraufhin setzte man mit aller politischen Gewalt die Sache in Bundestag und Koalition durch, dem Deutschen Michel versichernd, dass es ja nur Kredite seien die man mit Gewinn sogar zurück bekommen würde. Wohl wissend dass dies gar nicht der Fall sein konnte, wohl hoffend das der Blitz erst sehr viel später einschlagen und womöglich eine neue (linke) Regierung in der BRD treffen würde. 

War aber nichts. Das Geld ist jetzt schon definitiv weg. Also, nicht wirklich weg, es befindet sich lediglich in anderen bereits wohl vergoldeten Händen. Weg ist es nur für den Deutschen Steuerzahler. Nun stünde der Offenbarungseid, nämlich gelogen, betrogen und Milliarden versenkt zu haben, kurz bevor, falls Griechenland tatsächlich den Default (möglicherweise um den 12 Mai herum) erklärt. Da die nächste Bundestagswahl aber noch weit und nicht überstanden ist, kommt das für die aktuelle Große Koalition natürlich nicht in Frage, schon gar nicht für das Duo Merkel / Schäuble. Deswegen erklärt Schäuble nun die nächste Stufe des Wahnsinns für eröffnet: „Die Regierung arbeitet offenbar an einem Plan, Griechenland auch nach einer Staatspleite im Euro zu halten. Demnach soll die EZB nach dem Bankrott weiterhin die griechischen Banken finanzieren.....Die EZB hatte erst am Dienstag entschieden, den Geldhahn für griechische Banken weiter offenzuhalten. Die EZB stockte nach Angaben aus Bankenkreisen den Rahmen für Nothilfen (ELA) der Athener Notenbank an die Geldhäuser um 800 Millionen Euro auf inzwischen 74 Milliarden Euro auf. ...Sollte Griechenland zahlungsunfähig werden, müsste die EZB die Versorgung Griechenlands mit Euros einstellen, was einen Kollaps der dortigen Banken bedeuten würde....Die Zeit berichtete, der in der Bundesregierung diskutierte Plan ziele darauf ab, die griechischen Banken soweit zu sanieren, dass sie auch nach einem Staatsbankrott an den Geldgeschäften der EZB teilnehmen könnten. Auch die Übernahme der griechischen Banken durch andere europäische Banken ist denkbar....“. Im Klartext, man will den Griechen Default im Falle des Falles einfach ignorieren. Und dann schlechtem Geld noch mehr gutes Geld des EU_Steuerzahlers hinterher werfen. „Sanieren“ und „Übernehmen“ griechischer Banken heißt nichts anderes, als eine Abschreibung der gewaltigen Summen auf Kosten der großen Investoren zu verhindern und stattdessen den Deutschen Michel und den französischen Balduin in Haftung für die entstehenden Bad Banks zu nehmen. 

Paradies Perdu - Das verlorene Paradies - Gemälde Louvre Paris
Ein Folgewahnsinn der die Deutsche Rechnung noch weiter aufbläst, mit dem einzigen Ziel den Offenbarungseid weiter hinaus zu ziehen. Denn was wäre sonst? Man müsste mitten in der Wahlperiode zugeben 328 Milliarden Euro, und davon knapp ein Drittel oder 100 Milliarden Euro des Deutschen Wählers versenkt zu haben. Was die Staatsschuld sprunghaft erhöhen und die schwarze Null natürlich als das entlarvt was sie ist: Schnee von gestern der die waren Schuldverpflichtungen völlig ausblendet. Der Wähler würde es der Koalition aber sicher vergelten, und so kann jetzt nicht sein was nicht sein darf. Also schieben über den Wahltermin 2017, die Präsentation der dann nochmal verdoppelten Rechnung soll die nächste Koalition ausbaden. Nach uns die Sintflut.

Schäuble klammert sich derweil an den Neoliberalen Glauben dass der freie Markt es schon richten würde: „...Nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble muss Athen darauf hinarbeiten, Vertrauen an den Märkten zurückzugewinnen. „Griechenland muss einen Weg finden, wie es das Vertrauen an den Märkten zurückgewinnen und seine Wettbewerbsfähigkeit [Produktivität] stärken kann“, sagte Schäuble am Mittwoch in der Columbia University in New York....“. Nun Schäuble ist kein Ökonom, sondern Jurist. Soll heißen „pacta sunt servanda“ wie unsinnig die Verträge auch immer sein mögen. Ansonsten ist er von Neoliberalem Gedankengut durchdrungen und kann von daher schon die neoklassische Produktivitätsfalle auch nicht durchschauen. 

Schäuble zieht derweil weiter vom Leder, so die FAZ: „...Schäuble hat sich in Rage geredet. ….So dann ein kalkulierter Ausbruch: „Und jetzt sagen sie mir, wir hätten das Land zu Tode gespart.“ Griechenland selbst sei schuld an seinem Zustand, ist das Mantra dieses Auftritts des Finanzministers – und nicht Europa, nicht Brüssel und schon gar nicht Berlin....Doch Schäubles Diskussionsbeiträge sind doppelbödig. Zwar richtet er über die derzeitige Regierung in Athen. Doch er meint mehr. „Ein Land, das seit Jahrzehnten durch das Versagen seiner Eliten und nicht wegen Europa und nicht wegen Brüssel und nicht wegen Berlin, sondern wegen des ausschließlichen Versagens seiner Eliten leidet und weit über seine Verhältnisse lebt und durch den Euro noch mehr über seine Verhältnisse gelebt hat, muss sich allmählich langsam an die Realität annähern. Und wenn die Verantwortlichen in diesem Land das Volk belügen, dann ist es nicht verwunderlich, dass das Volk so reagiert.“ Die Eliten, die Verantwortlichen? ….Wie nebenbei räumt er eine – auch in den Reihen der eigenen Unionsparteien – populären Forderung ab, es sollten endlich einmal die griechischen Reeder besteuert werden, die Reichen also. Er spielt mit Worten und Publikum. Mal schnell zu sagen, ruft er, „wir ändern die Verfassung, dass die Reeder auch Steuern zahlen“, das sei ein „schönes Versprechen“. Will heißen: eine irreale Forderung. „Sie werden Reeder in Griechenland nicht besteuern. Denn wenn Sie’s einführen, dann sind die weg, wenn sie nicht schon längst weg sind.“ ….Ein „Gott sei Dank“ ruft er aus, weil es in Deutschland ein geringeres Maß an „Euro-Skepsis als in anderen Ländern“ gebe. Nach Frankreich solle man doch schauen – und auf die Stärke des Front National dort. Und dann – wieder einmal tut er so, als stocke ihm die Sprache – richtet er den Blick auf die eigene Bundestagsfraktion. „Hart genug“ sei es für ihn im Februar gewesen, ruft er, als es um die Beschlussfassung des Bundestages zur Verlängerung des sogenannten Griechenlandpaketes ging. „Mühsam“ sei das gewesen. Schäuble richtet den Blick auf die vielen Gegenstimmen in seiner eigenen CDU/CSU-Fraktion – und auf die Dutzenden persönlichen Erklärungen von Unionsabgeordneten. Bald sei es genug, bald nie mehr wieder – das war deren Duktus. ….Er rempelt gegen den griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis, der früher gegen den Eintritt seines Landes in den Euroraum gewesen sei und sich nun auf ein „Jetzt sind wir halt drin“ beschränke. Schäuble spricht das so aus, dass es mal richtig lapidar klingt. Noch immer sei – in Relation gesehen – die Zahl der Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung größer als in jedem anderen europäischen Land, ruft er. Und auch die Löhne seien höher – höher als selbst in Spanien. Als der DGB-Vorsitzende erwähnt, die Löhne in Griechenland seien drastisch gesenkt worden, kommt Schäuble noch mehr in Rage.....„Jetzt muss endlich mal geliefert werden“, ruft tags darauf der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer den Griechen zu. Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende, verstärkt das noch. Gegenüber Griechenland dürfe es „kein Nachgeben“ geben, sagt er den Abgeordneten seiner Fraktion. „Wer nachgibt, gefährdet Europa.“ ….Beide müssen so reden. Sie sitzen mit Schäuble in einem Boot, wenn im Frühsommer tatsächlich ein neues Griechenland-Paket im Bundestag anstünde. Manche Europapolitiker der CDU sagen voraus, es wäre mit der Koalition am Ende, wenn ein solches Paket von der Bundesregierung vorgelegt würde – und dann an Widerstand der Abgeordneten von CDU und CSU scheiterte. Also hat der Europäer Schäuble versichert: „Wir wollen Europa und den Euro verteidigen.“ Kauder versichert: „Wir wollen, das Griechenland in der Eurozone bleibt.“ Das wiederum pflegt auch Angela Merkel wortgleich zu sagen.“

"Die Griechen" - "Die Franzosen" - "Die Jugend" - Sie werden eines Tages der Politik von heute zu danken wissen....Paris bei Nacht, April 2015.

Bemerkenswert ist hier Schäubles Aussage „[Griechenland] das seit Jahrzehnten durch das Versagen seiner Eliten und nicht wegen Europa und nicht wegen Brüssel und nicht wegen Berlin, sondern wegen des ausschließlichen Versagens seiner Eliten leidet und weit über seine Verhältnisse lebt und durch den Euro noch mehr über seine Verhältnisse gelebt hat, muss sich allmählich langsam an die Realität annähern....“. Einerseits erkennt er also dass es genau die „Eliten“ sind, die das Land in Not gebracht haben, und obendrein gibt er auch noch zu dass mit dem Euro alles noch schlimmer wurde. Nun sollte man meinen, dass Schäuble der fulminante Unterschied von „Den Griechen“ und „Den Eliten“ bekannt sein sollte, woraus natürlich entsprechende drastische Konsequenzen resultieren müssten. Aber nein, und das ist eben die „Culture of Denial“: es sind nach seiner Auffassung „Die Griechen“, die angeblich über Ihre Verhältnisse gelebt haben, und damit sind die 60% Jugendarbeitslosen also nicht nur selbst Schuld, sondern auch für die Rückzahlung der in die griechischen Eliten, u.a. gerade durch Schäuble, versenkten Milliarden zuständig. Bis zum Sankt Nimmerleinstag womöglich. Aber es sind eben nicht die Arbeitenden und erst recht nicht die jugendlichen Arbeitslosen, die aus gutem Grunde ja genau die neue Link-Rechts-Regierung gewählt haben, die sich das Geld vor und während der Troika-Reformen in die Taschen gestopft haben, sondern eben just genau diese Eliten. Jeder mit einer rechten Seele als Demokrat müsste also klar für Reichenbesteuerung und Abschreibung der Schulden, nicht nur in Griechenland argumentieren, anstatt die Zukunft Europas, unsere Jugend, mit trauriger Aussichtslosigkeit zu bestrafen. Allein die neoliberale Ideologie und die Brandmarkung sozialer Politik als bösen roten Kommunismus von vorgestern verhindert bei diesen Politikern jede demokratisch vernünftige Denkweise.

So treiben wir also, oder werden getrieben, in das unabänderliche Chaos der nächsten Jahre. 

Der neoliberale Wachstumswahnsinn, dass heißt alte Schulden immer nur durch neue und höhere Schulden zu ersetzen, Renditeansprüche des Kapitals unter dem „Produktivitäts“-Mäntelchen auf Kosten der Arbeitenden durchsetzen, die Steuer und Abgabenlast fast vollständig alleine dem abhängig beschäftigten Mittelstand aufzubürden, die politische Verweigerung sich dem resultierenden Demokratiebetrug und den absehbaren sozialen Folgen zu stellen, das kann und wird kein gutes Ende nehmen. Das Beispiel der arabischen Länder, Afrikas und Lateinamerikas, der Ukraine und ja selbst der USA vor Augen, werden die Realitäten über den nächsten Wahltag hinaus ausgeblendet auf dem Weg ins ganz große Chaos, dass den Untergang des Euro's noch übertreffen wird. 

Richard Hyman bei seinem Vortrag: "...what is benchmark for successful resistance?"
Liberté, Égalité, Fraternité ou la mort - Vive la révolution!

Das Motto der Tagung war passend zu Paris „Liberté, Égalité, Fraternité“, Freiheit, Gleichheit (vor dem Gesetz) und Brüderlichkeit. Ursprünglich ging das revolutionäre Wortspiel allerdings etwas weiter „... ou la mort“, oder uns ist der Tod. Bon. Wer es nicht sehen will, der möge es tun, aber nicht überrascht, enttäuscht oder wütend sein wenn sie denn kommt, la revolution

Und in der Tat wurde das Thema sehr anschaulich referiert und durch Statistiken untermauert, wie sehr wir längst auf die nächste große Revolution auch hier im Westen der Welt zusteuern. Für die drei Talkgäste Andrea Fumagalli, Richard Hyman und Daniel Chomsky war die Sache jedenfalls klar: Es ist nicht die Frage ob die Revolution kommt, sondern lediglich wann, wo und wie. Beim wie war man sich lediglich darin einig, dass es irgendwie möglich sein sollte die anstehende Revolution auf den Straßen und im Netz irgendwie in friedlichen, aber trotzdem erfolgsversprechenden Ansätzen, zu kanalisieren. Allgemein bekannt, wenn auch unschöne Realität ist nämlich leider, dass ausschließlich friedlicher Protest kaum eine Resonanz in den Medien findet. Sofern nicht Millionen durch die Straßen ziehen wird es regelmäßig ignoriert oder bestenfalls amüsiert zur Kenntnis genommen. 

Chomsky zeigte an statistischen Analysen der New York Times, wie sehr dieses Blatt, dass tatsächlich hoch renommiert und keineswegs „rechts“ ist, doch die Wirklichkeit systematisch verfälscht und mit weitem Vorsprung lediglich reflektiert und publiziert, was die Meinung der Besitzer des Blattes und zweitens und danach der Regierung ist. Und damit ist die NYT noch ein harmloser Fall. Tatsächlich betrifft es praktisch alle großen und bedeutenden Medien im Westen. Zwar sind Journalisten grundsätzlich frei, aber es sind auch Angestellte die ab und an was essen müssen. Da sind einerseits die „freien“ Mitarbeiter, die sich keinen Streit mit der Redaktion leisten können; und selbst die Festangestellten sind schnell aus dem Geschäft, wenn sie den Interessen der Unternehmensleitung mehr als einmal auf die Füße treten. Ein Grund lässt sich immer finden, falls nicht objektiv schon einer da ist. 

Zwar muss hierzulande kaum ein Journalist fürchten wegen kritischer Berichtserstattung unangenehme Bekanntschaft mit einer 9mm Makarov zu machen, aber die Angst vor Jobverlust ist absolut real. Qualitätsjournalismus, insbesondere investigativer, ist ein Ausnahmefall in den großen Blättern geworden. Inhaltlich muss man da auf das Netz und die Vielzahl der unbezahlten Journalisten, Blogger und Twitterer ausweichen, wobei wiederum die Qualität der Recherche und Darstellung dann kaum zu garantieren ist. Ein Teufelskreis der Demokratie auch an dieser Front: Gerade heutzutage müsste ein demokratischer Staat vielmehr und uneigennützig in einen (ggf. staatlichen, aber nicht staatlich beeinflußten) wirklich freien, unabhängigen, investigativen Qualitätsjournalismus investieren.

Austeritarianismus

Hyman hat einen schönen Begriff für den seit der Jahrtausendwende weltweit grassierenden Umstand der Ausbeutung durch das Kreditwesen im Gleichschritt mit staatlicher Austeritätspolitik gefunden: AUSTERITARIANISM – „Austeritarianismus“ in Anlehnung an die heutige Welt und dem ebenso korrupten und bankrotten Feudalismus des „Ancient Regime“, welches in der französischen Revolution mündete. Das Problem ist alle Jahrhunderte das Gleiche: Man könnte leicht aus der Geschichte lernen und Strukturen der Politik, Wirtschaft und Finanzen dahingehend nachhaltig verändern, dass solche sozialen Katastrophen nie mehr auftreten. 

Könnte man, hat man aber noch nie so richtig getan. Warum nur? mag man sich fragen. Der Grund ist dass sich diese Strukturen, die die Wohlhabenden und Mächtigen über den grünen Klee begünstigen, nach einem vorherigen Zusammenbruch schleichend und über für den individuellen Bürger viel zu lange Zeiträume erneut und nach den immer gleichen Regeln aufbauen. Wenn dann nach 40 oder 50 Jahren jemand bemerkt, dass man längst schon wieder auf der Eisbergroute fährt, ist alles zu spät. Selbst die schlimmsten Fehler der Vergangenheit und selbst schreiendes Unrecht sind dann längst erneut im komplexen Machtapparat wieder etabliert und in ehernen Gesetzen und Verträgen fixiert. So wie etwa die nun im Deutschen Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Klingt gut, ist aber neoliberaler Unfug und macht praktisch den Austeritarianismus zur Deutschen Staatsverfassung

Das grotesk dumme und völlig unsinnige Gesetz da hinein zu bekommen war eine Kleinigkeit, es jemals wieder heraus zu befördern grenzt ans Unmögliche. Und so war auch der Tenor in den Gesprächen, ich weiß nicht mehr genau wer es war der diese Zitat brachte, aber egal, es schwebte sinngemäß in jedem Talk mehr oder weniger stark im Hintergrund:



Wir befinden uns auf der Titanic.
Den Eisberg haben wir bereits hinter uns.
Nur gesunken sind wir noch nicht.


Naja, immerhin, nicht alle sind ertrunken die auf der Titanic waren, nur so etwa Zweidrittel. Wer zum überlebenden Drittel gehören möchte, der muss sich allerdings langsam eine realistische Möglichkeit überlegen in eines der wenigen übrig gebleibenen Rettungsboote zu gelangen. Mit der Strategie noch mehr Wasser in den Rumpf zu pumpen kann dies jedenfalls nicht gelingen.