Dienstag, 18. Oktober 2016

TTIP und CETA: Das Ermächtigungsgesetz der Finanzindustrie

Aktuell steht die Unterzeichnung des CETA Abkommens zwischen der EU und Kanada an. SPD Vizekanzler Gabriel versucht es durch zu pauken, und die EU Members werden größtenteils mitziehen. Allerdings knirscht es schon im Gebälk (Wallonie, Belgien). CETA gilt als Türöffner für das umstrittene TTIP Abkommen zwischen USA und der EU, und das zu Recht, denn wer sich die Vertragstexte anschaut weiß nicht so recht wer da nun von wem abgeschrieben hat. Vermutlich stecken die gleichen Köpfe dahinter.

Kanada ist immerhin nur ein kleines Land, was die Bevölkerungszahl in Relation zur EU angeht, und macht in der Relation zur EU daher natürlich keinen Kohl fett. Es ist im Prinzip irrelevant auf ökonomischer Ebene, zumindest für die EU, an deren Wirtschaftskraft es nichts messbares verändern wird. Ganz anders sieht es bei der USA aus, die nicht nur ökonomisch und Bevölkerungsmäßig ähnlich stark wie die EU ist, sondern darüber hinaus über die Weltwährung des US-Dollars verfügt, die ganz andere, ja einzigartige, Maßstäbe setzt.

CETA ist gewissermaßen der Initialzünder für TTIP: Ist es einmal durch gepaukt, dann werden die Stimmen in Brüssel die bislang noch an TTIP zweifeln leiser werden, und einer Umstimmung sehr viel leichter zugänglich sein. Nach den üblichen Bewegungsregeln der Brüsseler Amtsschimmel ist dann auch TTIP so gut wie durch. Die Proteste auf den Straßen werden derweil wohl weiter gehen, aber das ist man in Berlin und Brüssel gewohnt. Solange nicht reihenweise in der EU Straßenzüge brennen, wird es wie üblich schlicht weg ignoriert werden. So schon in den „Blätterfür deutsche und internationale Politik“ in 2014: „...Sollte CETA dagegen in Kraft treten, während die Verhandlungen zu TAFTA/TTIP noch laufen, hätten die Amerikaner einen entscheidenden Vorteil errungen. Über ihre kanadischen Standorte und Töchter können die US-Konzerne dann jederzeit zu gleichen Bedingungen auf den europäischen Markt vordringen wie kanadische Unternehmen – umgekehrt wäre das schon erheblich schwieriger. Eigentlich bräuchten die Amerikaner TAFTA dann gar nicht mehr.“
  
Lesen ist gar nicht so einfach

Wer sich mit der Materie und der Kritik daran auseinander setzen will oder muss, sollte also wenigstens mal die Vertragstexte lesen. Was nicht nur wegen der anti-demokratischen Heimlichtuerei darum schwierig ist, die ja erst nach massiven Protesten der Bevölkerung zumindest teilweise aufgehoben wurde. Sondern auch wegen des schieren Umfangs der Dokumente, die zudem im Beratungsprozess alle paar Wochen wieder leicht verändert in unübersichtlichen Datenbanken, wie bei TTIP, auftauchen. Der CETA Text liegt bereits unterschriftsreif vor und ist sagenhafte 1598 Seiten lang. Immerhin könnte man den theoretisch lesen, bei TTIP ist das bislang noch eine Lebensaufgabe, bei der man sich sicher sein kann, dass diese von keiner entscheidenden Einzelperson auf höherer Ebene je geleistet werden wird.

Ob Pro- oder Anti- Aktivisten, Journalisten, Juristen, Ökonomen, gar Bürger oder Politiker: man kann sich sicher sein das fast keiner dieser entscheidenden Personen je den kompletten Text gelesen oder gar verstanden haben. Schon gar nicht Spitzen Politiker, die normalerweise keine Texte lesen die länger sind als zwei Seiten und sich ansonsten auf den Stab ihrer Berater verlassen, wo wir wieder bei ersterer Gruppe wären. Man darf vermuten, das so was durchaus Methode hat. Hinter der Unzahl von juristischen Spitzfindigkeiten und ökonomischen Nebensächlichkeiten die wirklichen Pferdefüße zu finden ist praktisch unmöglich, sofern man nicht schon ahnt wo sie liegen. Im letzteren Fall hat man immerhin eine Chance auf diesem Acker der gedrechselten Worte die verbuddelten Landminen zu finden.



                                    Der Nutzen ist Überschaubar

Das man als Lobbyist gerne Spitzenpolitiker auf sumpfige Nebenpfade lockt ist klar, schlimmer ist jedoch dass sich dieser Erfolg auch bei Pro- und Anti- Aktivisten, Journalisten und Ökonomen fasst mühelos einstellt. Tatsächlich reiben sich diese an Lappalien der Größenordnung Chlorhühnchen und französischen Naturkäse auf, wo sie sinnlos ihre Zeit und Energie verbraten während der wahre Grund der Verträge weiterhin im Dunklen bleibt.
 
Immerhin ist aufmerksamen Ökonomen schnell aufgefallen, das weder TTIP, und schon gar nicht CETA, an der real-ökonomischen Situation hüben wie drüben etwas nennenswertes ändern wird. Der wesentliche Grund ist, dass es derzeit sowieso kaum noch Handelshemmnisse zwischen Nordamerika und der EU gibt. Mit oder ohne CETA/TTIP ändert sich wenig, denn die Hemmnisse für Produkte der Realwirtschaft sind im wesentlichen einfach die Entfernung und die damit bedingten Nebenkosten für Transport realer Güter, seien es nun Autos oder auch Dienstleistungen erbringende Personen. Die wesentlichen Opportunitätskosten bleiben, die ehedem schon geringen Zölle werden durch etwas geringere ersetzt, am wesentlich bedeutsameren Papierkram ändert es aber kaum etwas. Auch nicht an dem Zeitfaktor z.B. ein Produkt in den USA zu produzieren und nach Europa in die Geschäfte zu bringen. Es sind in der Summe absolute Peanuts, wobei unter relevanten Ökonomen die Schätzungen über reale Vorteile oder Nachteile zwischen minus oder plus einem halben Prozentpunkt des GDP schwanken. Und das zum Preis erheblicher Reduzierung von Nationalen Standards, sozial- und Umwelt- politisch, die gerade im Vielvölkerstaat Europa durchaus ihre Berechtigung haben.

So bemerkte die französische Le Monde bereits in 2013: „...Eine Studie des Tafta-freundlichen European Centre for International Political Economy kommt zu dem Befund, dass das BIP der USA wie der EU – selbst unter extrem blauäugigen Annahmen – allenfalls um ein paar Promille wachsen würde, und das ab 2029. Den meisten bisherigen Prognosen liegt die Annahme zugrunde, dass Zollsenkungen stets eine starke Wirtschaftsdynamik auslösen – was empirisch längst widerlegt ist. Verzichtet man auf diese dubiose Annahme, dann – räumen die Autoren der Studie ein– schrumpft der potenzielle BIP-Zuwachs auf statistisch irrelevante 0,06 Prozent.“

Warum nun also so vehement, am Volk vorbei und selbst für Wahlkämpfer schwer verdaulichen Vertrauensverlust bei der Bevölkerung einkalkulierend, werfen sich nun Spitzenpolitiker in die Bresche? Man darf mutmaßen, dass wie üblich die selben einflussreichen Lobbies dahinter stecken. Das mögen hier und da auch mal Landwirte sein, aber es sind doch die wesentlichen Spenden-Finanziers der Parteien hüben wie drüben, die Banken und die großen Investoren.


Ermächtigungsgesetz der Finanzindustrie 

Und wenn man sich darüber klar wird, dann braucht man auch nicht solange nach des Pudels Kern zu suchen. Unter der Rubrik Market Access findet man bei TTIP einige teils verwirrende Dokumente zum lieben Investor. Und das was darin steht schlägt wirklich jedem Fass den Boden aus: Es ist das faktische Ermächtigungsgesetz der Finanzindustrie, dass jegliche Beschränkung und demokratische Kontrolle ihrer Aktivitäten ausschließen soll. Nach ihrem Textuellen Inhalt kann sich ein Staat, d.h. im Klartext ihre Bevölkerung, dann nicht mal mehr durch ihren eigene Tod, sprich Staatspleite, aus der festgeschriebene Unterwerfung an die Finanzinstitute lösen. 

Der CETA Text entspricht, oh was für ein Wunder, da auch dem noch schlimmeren TTIP Text im wesentlichen. Das meiste zu den absonderlichen Investorenprivilegien ist wortgleich im CETA Kapitel 8 ab Seite 38 ff. zu finden, und darf als Blaupause des TTIP's Chapter II angesehen werden.

Auch das ist einigen wenigen Ökonomen schon aufgefallen, aber ihre Stimmen dringen zwischen den Establishment-genehmen Protesten über Chlorhühnchen und Biokäse einfach nicht durch: Als Reaktion auf die Finanzkrise ab 2007 hatten die USA in den vergangenen Jahren schärfere Regeln im Finanz- und Bankensektor durchgesetzt. Dazu gehört etwa die Reglementierung und das teilweise Verbot riskanter Finanzprodukte, die weithin als einer der Auslöser der Krise angesehen werden. Ein Verhandlungsgegenstand von TTIP ist die Rücknahme von Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor. Der Ökonom Michael R. Krätke schrieb dazu:Die Ironie der Geschichte: In den USA gelten im Moment noch striktere Finanzmarktregeln als in Europa. Wenn alle Dienstleistungssektoren ‚liberalisiert‘ werden sollen, gilt das selbstverständlich auch für die Finanzdienstleistungen. Folglich steht uns eine seltsame Allianz der Finanzmarktderegulierer ins Haus, die die gerade erst begonnene Reregulierung von Banken und Finanzmärkten mit Elan wieder zurückdrehen werden – die Lobbyisten der britischen ‚Finanzindustrie‘ an der Spitze der Bewegung.“...“

Und natürlich, hier liegt der wahre Grund verborgen. Denn Geld regiert die Welt, allerdings dann und nur dann, wenn es ungehindert in alle Ecken des Globus vordringen kann. Ein Prozess der auch der wahre Grund für die Globalisierung gewesen ist, denn wenn Kapital an den eigenen Grenzen zum stehen kommt, kann es sich nur auf die begrenzte eigene Wirtschaftsleistung seiner Bürger stürzen. Und das ist irgendwann zu wenig. Da muss fremdländisches Bruttoinlandsprodukt als reale Gegenleistung für diese Papierberge herhalten. Der TTIP Text setzt nun alledem die Krone auf, er garantiert unbegrenzte Zugriffsrechte der Finanzindustrie die jeglicher staatlichen oder gar demokratischen Kontrolle entzogen sind.
 
So Le Monde schon 2013: „...Die Verhandlungen über diese Art Staatsstreich in Zeitlupe haben im Juli dieses Jahres in Washington begonnen – mit der erklärten Absicht, in zwei Jahren ein Abkommen zu unterzeichnen, das eine transatlantische Freihandelszone (Transatlantic Free Trade Area, Tafta) begründen wird. Das gesamte TTIP-Tafta-Projekt gleicht dem Monster aus einem Horrorfilm, das durch nichts totzukriegen ist. Denn die Vorteile, die eine solche „Wirtschafts-Nato“ den Unternehmen bieten würde, wären bindend, dauerhaft und praktisch irreversibel, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann..Für die Heimlichtuerei gibt es einen einfachen Grund. Ein solches Abkommen würde die nationalen Regierungen bis hinunter zu den Kommunalverwaltungen verpflichten, ihre aktuelle und künftige Innenpolitik dem umfangreichen Regelwerk anzupassen. In diesem Abkommen wären auf diplomatischer Ebene ausgehandelte Gesetzesvorgaben festgeschrieben, die nach dem Wunsch der Unternehmen auch viele nicht handelsbezogene Bereiche beträfen: etwa die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastung, das Gesundheitswesen und die Arzneimittelpreise, das Recht auf Privatsphäre im Internet, Energieversorgung und kulturelle „Dienstleistungen“, Patente und Urheberrechte, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte und die Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles andere mehr..Und da jede nachträgliche Vertragsänderung der Zustimmung sämtlicher Signatarstaaten bedarf, wären die reaktionären Inhalte des Abkommens durch demokratische Kontrollmechanismen wie Wahlen, politische Kampagnen und öffentliche Protestaktionen nicht mehr angreifbar. ...“




Blüten des TTIP Vertragstextes bzgl. Finanzinstitute

Und so schauen wir einfach mal in den Horror hinein, wir finden ihn bei CETA Kapitel 8, und bei TTIP im Chapter II. Was in CETA nun mehr in einem Stück vorhanden ist, ist im TTIP noch ein verwirrendes Spiel mit mehreren Dokumenten, die in Teilen auch noch Lücken enthalten, die noch ergänzt werden sollen. Es findet sich zur Zeit in drei Dokumenten zur Vorlage:
  1. July 2015
  2. September 2015 
  3. November 2015 
wobei der Unterschied zwischen dem September und November-Dokument gering ist. Das July Dokument enthält einen Platzhalter „Section 2 Investment Protection“ zum speziellen Investorenschutz gegen jedes erdenkliche Unbill, der dann in den September und November Dokumenten abgearbeitet wurde.

Ich führe hier nur summarisch die größten Knaller an, jeder der es möchte kann den Text im Original unter obigen Links nachlesen (oder auch einfach im CETA Kapitel 8 ab Seite 38 ff., was am Ende vermutlich auch genau in TTIP stehen wird). Wann und ob das vollständige abgestimmte Vertragswerk veröffentlicht wird ist noch unklar. Jedenfalls wird es die 1598 Seiten CETA noch deutlich übertreffen.

Juli-Dokument:
 
Im Article 2-2 „Market Access“ wird geregelt, dass es keinerlei Einschränkungen in der Geschäftsaktivität der Finanzinstitute geben darf: In sectors or subsectors where market access commitments are undertaken, neither Party shall adopt or maintain with regards to market access through establishment or operation of an enterprise, either on the basis of its entire territory or on the basis of a territorial sub-division, measures that impose:
a) limitations on the number of enterprises whether in the form of numerical quotas, monopolies, exclusive rights or other requirements relating to establishment such as economic needs tests
b)limitations on the total value of transactions or assets in the form of numerical quotas or the requirement of an economic needs test
c) limitations on the total number of operations or on the total quantity of output expressed in terms of designated numerical units in the form of quotas or the requirement of an economic needs test....


Im Article 2-3 „National Treatment“ wird geregelt, dass im bilateralen Verhältnis immer nur die schwächsten Beschränkungen ziehen.

Im Article 2-4 „Most-Favoured-Nation Treatment“ setzt man dem dann die Krone mit der Meistbegünstigungsklausel auf, die besagt dass man den Investoren auch nur die schwächste Beschränkung auferlegen darf die in irgendeinem(!) der Mitgliedsstaaten gelten. Schert also auch nur ein Kleckersstaat nach unten aus, ist alles andere Makulatur.
 
Der Article 2-6 „Performance Requirements“ besagt dann unterm Strich, dass auch keinerlei Beschränkungen bezüglich der Effektivität der Finanzinstitute eingezogen werden dürfen. Egal ob deren Arbeit gut oder schlecht ist, egal ob es reine Abzocker sind, sie dürfen nicht behindert werden.
 
Im Article 2-7 „Reservations and Exceptions“ wird dann vorsorglich noch sichergestellt, dass „any existing non-conforming measure that is maintained by a Party at the level of: (i) the European Union, as set out in its Annex I; (ii) a national government, as set out by that Party in its Annex I; (iii) regional government , as set out by that Party in its Annex I; or (iv) a local government“ diese Regelungen aushebeln kann. 

Er stellt klar, dass keinerlei demokratische gewählte Parlamentarier von der Ebene der Gemeinden bis hinauf ins EU-Parlament, hier irgendeine Befugnis hätten offensichtliche Fehlentwicklungen zu konterkarieren. Ermächtigung pur.


September/November-Document: CHAPTER II - INVESTMENT
 
Der Article 4 „Compensation for losses“ ist nichts anderes als der vorsorgliche Schutz vor nationalen Aufständen. Die ja entstehen könnten, wenn dem Volk die Plünderung durch die Oberschicht nicht mehr gefällt. Aktuelles Beispiel ist die Ukraine. Nachdem sie von Oligarchen aufs übelste geplündert wurden, rebellierte das Volk mit den bekannten Folgen. Die Oligarchen, Investoren und Banken durften danach aber ihre Assets behalten, ein Schnitt wurde nicht gemacht und das Volk, das den Raub ja nicht begangen hatte, leidet genauso wie vorhin weiter unter der Belastung.Und soll die „Schulden“ abbezahlen bis zum Sankt Nimmerleinstag.


Der Article 5 „Expropriation“ behandelt den Schutz vor Enteignung. Soll heißen, ein Staat könnte wie im schrecklichen Beispiel Zypern ja auf die Idee verfallen, die lieben Plünderer am Ende der Spirale zur Kasse zu bitten, also quasi zu enteignen. Diese Möglichkeit wird hier ausgeschlossen: „Neither Party shall nationalize or expropriate a covered investment either directly or indirectly through measures having an effect equivalent to nationalisation or expropriation...“

Der Article 6 „Transfer“ regelt den freien Kapitalverkehr. Explcitis verbis den freier Transfer aller Geldmittel, Bezahlungen wie Banker-Boni und aller Gewinne jederzeit und wohin auch immer. So macht Abzocken erst richtig Spaß. Obendrein wird noch nationale Straffreiheit für die Banker verklausuliert, falls sie sich mal irgendwie unkooperativ verhalten „Neither Party may require its investors to transfer, or penalise its investors for failing to transfer, the income, earnings, profits or other amounts derived from, or attributable to, investments in the territory of the other Party...“.

Der ANNEX I: "Expropriation" wiederholt nochmal eindringlich dass da nix ist mit Kostenbeteiligung: keine Enteignungen, weder direkt noch indirekt etwa über eine Kapitalbesteuerung: „indirect expropriation occurs where a measure or series of measures by a Party has an effect equivalent to direct expropriation, in that it substantially deprives the investor of the fundamental attributes of property in its investment, including the right to use, enjoy and dispose of its investment, without formal transfer of title or outright seizure….“


Damit die Demokraten das auch ja nicht durch die Hintertür des Gelddruckens machen können, ist der ANNEX II: "Public debt“ angelegt: „For the purposes of this Annex -‘negotiated restructuring’ means the restructuring or rescheduling of debt of a Party that has been effected through (i) a modification or amendment of debt instruments, as provided for undertheir terms, including their governing law, or (ii) a debt exchange or other similar process in which the holders of no less than 66% of the aggregate principal amount of the outstanding debtsubject to restructuring, excluding debt held by that Party or by entities owned or controlled by it, have consented to such debt exchange or other process. -"governing law" of a debt instrument means a country's legal and regulatory framework applicable to that debt instrument. For greater certainty, “debt of a Party” includes, in the case of the European Union, debt of a government of a Member State at the central, regional or local level. ...“

Im Klartext: Kein Staat, auch nicht Bundesstaat oder Gemeinde darf an seinen Schuldinstrumenten (Anleihen) irgendwas drehen, was die Renditen der Banker schmälern könnte. Es sei denn mindestens 66% dieser armen Leute stimmen dem zu. Darauf darf man wetten.

Zum Schluss noch SUB-SECTION 4: INVESTMENT COURT SYSTEM, also die berüchtigten Schiedsgerichte, heir allerdings für den Finanzbereich, der in der öffentlichen Diskussion, und Protesten, sträflicherweise fast völlig außer Acht gelassen wird:

Im Article 9 „Tribunal of First Instance (‘Tribunal’)“ wird bestimmt wie in den kommenden Streitfällen diesbezüglich entschieden wird. Wenn keine einvernehmliche Lösung möglich ist, entscheiden 15 speziell ausgewählte Juristen: „1. A Tribunal of First Instance ('Tribunal') is hereby established to hear claims submitted pursuant to Article 6. 2. The [...] Committee shall, upon the entry into force of this Agreement, appoint fifteen Judges to the Tribunal. Five of the Judges shall be nationals of a Member State of the European Union, five shall be nationals of the United States and five shall be nationals of third countries. ...“ Diese Rat der Fünfzehen, fünf aus der EU, fünf aus USA und fünf von Irgendwo stehen nun gottgleich über den Demokratien der Mitgliedsstaaten.

CETA ist ein Trojanisches Pferd

Es muss darauf hingewiesen werden, dass natürlich alle größeren US Banken Dependancen in Kanada unterhalten. Es ist anzunehmen, dass die US Finanzinstitute daher CETA und Kanada als Hintertür ansehen, womit sie den faktisch unbegrenzten und unregulierten Zugang zum EU Finanzmarkt auch ohne TTIP erhalten können. Kanada dürfe über rund 6000 Mrd. USD an Assets verfügen (BIP ca. 1800 Mrd. USD), gegenüber der EU mit rund dem zehnfachen der Werte. Man dürfte sich nach Unterschrift unter die CETA Verträge ggf. also in der EU darüber bald wundern können, dass dann aber die ebenfalls rund zehnmal höheren US Assets hierher herüber schwappen. Die US Institute dürften sich bei solch dreistem Vorgehen der bekannten Naivität und politischen Unfähigkeit der Brüsseler Bürokraten sicher sein, solchem Missbrauch rechtzeitig und entschieden entgegen zu treten. CETA Apologeten wie Gabriel (SPD) werden dann in ihren Memoiren vermutlich wieder ganz traurig behaupten, dass man so was ja nicht hätte ahnen können.


Da kann einem Demokraten nur schlecht werden

Ich frage mich welcher Demokrat irgendwo in dieser Welt sehenden Auges so ein Ermächtigungsgesetz unterschreiben würde? Eventuell aus Inkompetenz und Dummheit? Verwirrung? Korruption? Oder einfach nur Faulheit sich selbst zu informieren? Eventuell kombiniert mit dem irrwitzigen Vertrauen auf die Zuarbeit mutmaßlich parteiischer Berater und Lobbyisten der Investoren? Hat man aus den Finanzkatastrophen und dem völlig unmoralischen Verhalten der Banker in der jüngeren Vergangenheit wirklich nichts gelernt? Das man 1929/1933 vergessen hat mag ja sein, aber 2008? Hält man göttergleiche Investoren tatsächlich mehr für einen Segen als für eine ernste Gefahr für die Demokratie?
 
Ich glaube so dumm kann kaum einer wirklich sein. Es liegt meiner Meinung nach eher an einem seit Jahrhunderten durch Finanzprofiteure gepflegten Missverständnis, das inzwischen in die Hirne der Menschen so fest eingebrannt ist wie Pech und Schwefel: Das Geld ein Wert wäre. Wenn man das auch nur subtil glaubt, dann kann man tatsächlich zu der Annahme kommen, dass der freie Zugang des internationalen Kapitals auf die eigenen Märkte unterm Strich ein Riesengewinn sein müsse. Denn nach dieser Annahme kämen ja mit jeder Schubkarre voller Dollarnoten echte Werte ins Land, die man dann zu Freude aller verteilen könne. 
 
Nichts ferner als dass. 
Geld ist kein Wert, sondern ein Anspruch auf Werte. 

Scheinbar nur ein philosophisch feinsinniger Unterschied, den man nicht so genau nehmen müsse. Es ist aber ein gewaltiger ökonomischer Unterschied, der an Bedeutsamkeit gar nicht zu überschätzen ist. Insbesondere genau dann, wenn es um internationale Geldströme geht. Denn mit dem Export von Geld und Assets aller Art, im englischen Sprachgebrauch treffend debt instruments genannt, werden keine Werte exportiert sondern in erster Linie Ansprüche auf Werte. Reale Werte die dort geschaffen werden müssen, wo das Geld angelegt ist. 

Das ist ein besonders lukratives Geschäft wenn man im Besitz der Weltwährung Dollar ist. Denn dann kann man das Papier im eigenen Land ungedeckt produzieren, um es anderswo mit der realen Arbeitskraft der Bevölkerungen in reale Werte zu verwandeln, die man dann dort abzieht. Und obendrein, besonders im Falle des Dollars, auch noch ohne Gefahr zu laufen, dass die lausigen Papiere in großer Zahl ins eigene Land zurück fließen um dort reale Werte einzufordern, die man freilich schon lange nicht mehr produziert.

So ist das Hauptexportprodukt der USA heutzutage Geld (debt instruments), und direkt danach fast nur Agrarprodukte. Für beides findet man in TTIP daher Ausnahmeregeln: bei den Agrarprodukten will man bei seinen vorteilhaften Binnenmarkt schützenden US Regeln bleiben, für Finanzprodukte aber jegliche erdenkliche internationale Barrieren, ob bereits vorhanden oder auch nur entfernt geplant, aufheben und aushebeln.
 
Für die Demokratien und ihre Durchschnittsbevölkerung bleiben unterm Strich dabei keinerlei Machtmittel zurück um sich bei Zeiten wehren zu können. Weder dürfen die nationalen Parlamente irgendwelche Bestimmungen von TTIP ausmanövrieren, noch ist ihnen das praktisch überhaupt möglich. Selbst wenn sie ausnahmsweise mal im einvernehmlichen Verbund handeln würden, was die einzige Möglichkeit wäre, die der Vertrag noch zu ließe. Denn wenn nur ein noch so kleines Land ausschert, ist das alles aufgrund der Meistbegünstigungsklausel Makulatur. 

Auch so was hat Methode, denn was in bilateralen Beziehungen schon grenzwertig ist, in multilateralen Beziehungen ist es praktisch unmöglich, einer meckert immer. Bei einem Verbund von rund 30 Staaten braucht man nur einen, sagen wir Malta, dazu zu bringen, einer Regelung zum Beispiel der Kapitaltransferbesteuerung nicht zu folgen. Dann ist das Ding tot. Bei der unrühmlich bekannten Einigkeit der EU braucht sich die Finanzwirtschaft um so einen Dissens nicht einmal zu bemühen. Ansonsten kann sie das aus der Kaffeekasse mit ein paar Spenden an geneigte Parteien und Entscheidungsträger regeln.
 
Selbst die ultima ratio, eine Staatspleite mit einem kräftigen Haircut für die Investoren, wie etwa in Zypern, geht nicht mehr. Nur wenn mindestens 66% der Investoren und Länder zustimmen kann so was in rechtlich stark begrenztem Umfang stattfinden. Vergessen sie dass also lieber, die notwendige Mehrheit wird es nicht geben. Und auch Notstandsgesetze betroffener Länder, deren Völker vielleicht gerade dem Hunger- und Kältetod nahe sind, können daran nichts ändern.

Heil Investor! 

Das Ermächtigungsgesetz von 1933 hatte immerhin noch zwei demokratische Rückfalloptionen. Es sollte erstens auslaufen wenn eine neu Regierung an die Macht käme, und zweitens selbst wenn nicht, spätestens am 1. April 1937 beendet sein. Klang schon irgendwie nach Aprilscherz. Und Adolf Hitler hat das bekanntlich alles nicht weiter gestört, wie wir alle heute wissen. Das TTIP Ermächtigungsgesetz aber kennt noch nicht mal eine einzige demokratische Rückfalloption. Im Gegenteil, jedwede Rückfalloption wird vertraglich kategorisch ausgeschlossen.



Es ist praktisch die völlig Übereignung der Demokratien an eine nimmersatte Finanzindustrie. Ohne Moral, ohne Grenzen und ohne Mitleid. Ganz bestimmt nicht besser als die Faschistischen Parteien im damaligen Europa, nur heute viel verdeckter aber doch im Politischen und Sozialen noch viel wirksamer als diese. Die realen Auswirkungen auf die Bevölkerungen sind auch nicht geringer, denn es ist die mit den ungehinderten Finanzströmen einhergehende effektive Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerungen, die Not, Flucht und Krieg in dieser Welt befeuern. Und selbst letzteres bringt noch Gewinne über Waffenverkäufe und deren Finanzierungen mit sich.

Auch das Ermächtigungsgesetz für Hitler hat seine Vorgeschichte des parlamentarischen Versagens, so den „Friedensvertrag von Versailles“. Die darin konstatierte, und historisch nicht zu rechtfertigenden, einseitige Kriegsschuldzuweisung an Deutschland diente der moralischen Rechtfertigung der  berüchtigten Reparationsforderungen, die die wirtschaftliche und finanzielle Ausbeutung der kaiserlichen Nachfolgerepublik bedeutete. Natürlich standen hinter alledem wieder Finanzinteressen von Banken und Investoren, ganz voran Französische Banken wie die Rothschilds. Die Situation war aus Sicht der deutschen Nationalisten natürlich, dass der finanzpolitisch starke jüdische Einfluss in Frankreich für die historisch ungerechtfertigte, und letztlich auch ökonomisch sinnlose, Ausplünderung Deutschlands verantwortlich war. Nach der dadurch bedingten großen Inflation war wegen der Vernichtung der Schulden 1924 zwar wieder alles in Ordnung und die goldenen Zwanziger erblühten. Dann kam aber dasselbe Spiel in 1929 aus den USA nun mit der Weltwirtschaftskrise erneut herüber geschwappt. Investoren die seit 1924 Deutschland mit Geld vollgepumpt hatten und große Gewinne machten, pumpten ihre Kredite nach dem Börsencrash 1929 aus dem geschundenen Land dann ganz schnell wieder ab. Um damit ihre Spekulationslücken in den USA zu füllen, was aber eine negative Kettenreaktuion in der deutschen Realwirtschaft bedingte. Kein netter Zug des freien Kapitalverkehrs.

Dem entsprechend entlud sich die Wut Hitlers in Richtung des vermeintlichen Feindes, des Judentums. In der Kernaussage des ersten nachweisbaren antisemitischen Pamphlet Hitlers kommt dieser Umstand dann auch recht klar als Ursache seines Judenhasses zum Ausdruck: „Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserm inneren Gefühl nicht die Höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen. Der Wert des Einzelnen wird nicht mehr bestimmt durch seinen Charakter, der Bedeutung seiner Leistungen für die Gesamtheit, sondern ausschließlich durch die Größe seines Vermögens, durch sein Geld. Die Höhe der Nation soll nicht mehr gemessen werden nach der Summe ihrer sittlichen und geistigen Kräfte, sondern nur mehr nach dem Reichtum ihrer materiellen Güter. Aus diesem Fühlen ergibt sich jenes Denken und Streben nach Geld, nach Macht, die dieses schützt, das den Juden skrupellos werden lässt in der Wahl der Mittel, erbarmungslos in ihrer Verwendung zu diesem Zweck. Er winselt im autokratisch regierten Staat um die Gunst der »Majestät« des Fürsten und missbraucht sie als Blutegel an seinen Völkern. Er buhlt in der Demokratie um die Gunst der Masse, kriecht vor der »Majestät des Volkes« und kennt doch nur die Majestät des Geldes. Er zerstört den Charakter des Fürsten durch byzantinische Schmeichelei, den nationalen Stolz, die Kraft eines Volkes, durch Spott und schamloses Erziehen zum Laster. Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, das sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldigen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld und Herrschgier zu befriedigen.“
 
So rassistisch wie Hitlers sogenannter Gemlich-Brief vom 16. September 1919 auch war, so erinnert er doch frappant an die aktuelle Situation ziemlich genau 97 Jahre später, kurz vor der CETA Unterzeichnung. Geschichtsvergessenheit ist eine der schlimmsten Versagen, die eine Bevölkerung und ihre politischen Vertreter befallen kann. Aus der jeweils aus der modernen Arroganz erwachsenden Vorstellung, alles ja heute besser zu wissen und zu können, erwächst der Glaube man könne alles aus dem Jetzt heraus verstehen und „Geschichte würde sich nicht wiederholen“. Nichts ist falscher als das. Geschichte wiederholt sich ständig im Rhythmus der Jahrhunderte. Natürlich die Personen, die Institutionen und die speziellen Details ändern sich, dass Grundlegende der Probleme aber nicht.

Statt Scheuklappen in der politischen und ökonomischen Diskussion, statt Populismus auf allen politischen Seiten, brauchen wir eine ganz wesentliche Änderung am Weltfinanzsystem. Kein Upsizing wie es nun mit TTIP erfolgen soll, und wie es mit der Erklärung der Systemrelevanz und unbegrenzter Stützung der gigantischen Investorenvermögen auf Staats- und Bürgerkosten seit 2008 bereits geschehen ist. Sondern eben ein ganz massives Downgrading des Banking Business und der überschießenden Investorenvermögen und deren Renditeansprüche zu Lasten der Demokratien ist notwendig. 
 
Ansonsten wird sich die Geschichte wiederholen. Verlassen sie sich darauf. Es hat noch nie geholfen diejenigen zu ermächtigen, die gerade die größten Probleme verursachen. In der wirren Hoffnung die würden danach so dankbar sein, selbige Probleme und damit sich selbst, dann zu erledigen. Es wird nicht geschehen.

Montag, 29. Februar 2016

Griechenland – Verraten und Verkauft

Der Blinddarm war noch bis vor gut 100 Jahren einer der Haupttodesursachen von Kindern und Jugendlichen – ein Millionenkiller. Heutzutage ist er, dank moderner Medizin, nur noch ein meist harmlos verlaufender Routinefall für angehende Chirurgen geworden. Massenhaft und oft auch nur vorsorglich wird er entfernt, denn ihm bzw. dem Appendix haftet der Ruf eines komplett überflüssigen Darmteils an, so lediglich ein Parasiten- und Bakteriensumpf zu sein, ein blinder Rest der Evolution ohne irgendeinen Nutzen – außer vielleicht ein Killer der Natur zum Zwecke der Nachwuchsbegrenzung zu sein. Wie wir heute wissen ist das falsch, so falsch wie oft auch die unnötige Entfernung des Anhangs: Der Blinddarm ist der blind endende Anfangsteil des Dickdarms der sackförmig nach unten in die Bauchhöhle ragt. In der Umgangssprache wird häufig der Wurmfortsatz des Blinddarms, der Appendix, als Blinddarm bezeichnet. Auf den Blinddarm beschränkte Krankheiten gibt es beim Menschen nicht, mit Ausnahme der Appendizitis. Letztere kann sich auf den eigentlichen Blinddarm ausdehnen und so zu einer Blinddarmentzündung führen. Darüber hinaus können Erkrankungen des Dick- oder Dünndarms auch den Blinddarm betreffen. Einige Parasiten sind auf den Blinddarm spezialisiert und können hier lokale Entzündungen hervorrufen, die vorwiegend auf den Blinddarm beschränkt sind. Die allgemeine Annahme, dass der Blinddarm keine Funktion erfüllt, wurde durch Studien widerlegt. Dem Blinddarm kommt eine große Rolle bei der Vermittlung von Immunitätsvorgängen gegenüber durch den Verdauungstrakt aufgenommenen Antigenen zu.“

Parthenon - Wikipedia Fotograph "Onkel Tuca"
Griechenland, die historische Mutter der Demokratie und antikes Zentrum europäischen Kultur, ist mit der Wanderung der ökonomisch-politischen Zentren nach Nordwesten unglücklicherweise zu einem „geographischen Wurmfortsatz“ Europas und der EU geworden. Mit einem Appendix verbindet es die Brüsseler Wahrnehmung als irgendwie entbehrlich – dauernd irgendwie entzündet und scheinbar Antibiotika resistent. Zur fälligen OP kann man sich noch nicht entschließen – für das EURO Immunsystem erscheint Griechenland immerhin wichtig genug.Salopp gesagt aber hat Griechenland scheinbar die „EU-Arschkarte“ gezogen – wenn es mit der Genesung nicht bald klappt wird man es vielleicht doch herausschneiden? Im Zweifelsfalle verraten und verkauft.

Um das ganze Dilemma einigermaßen zu verstehen, muss man sich ein wenig mit der Griechischen Geschichte befassen. Dazu schauen wir hier einfach mal bei „TanteWiki“ nach, um einen Schnelldurchgang durch drei Jahrtausende zu machen:


Antike und Mittelalter

Das antike Griechenland wird als Wiege Europas bezeichnet, insbesondere aufgrund zivilisatorischer Leistungen auf Gebieten der Philosophie, Naturwissenschaften, Geschichtsschreibung und Literatur. 146 v. Chr. wurde das Gebiet des heutigen Griechenland römische Provinz, nach der Reichsteilung 395 war es Bestandteil des byzantinischen Reiches.

Nach der Eroberung Konstantinopels (1204) zerfiel das Gebiet in Nachfolgestaaten wie das Königreich Thessaloniki, das Fürstentum Achaia und einige weitere. Einige Gebiete wurden Kolonien der Republik Venedig, später auch Genuas und des Johanniterordens.

Begünstigt durch die Schwäche des Byzantinischen Reiches konnten Truppen des Osmanischen Reichs zwischen 1359 und 1451 den größten Teil Griechenlands erobern. Mit dem Fall Mistras 1460 war die letzte unabhängige griechische Herrschaft im heutigen Griechenland von den Osmanen erobert. In den folgenden Jahrhunderten dehnten die Osmanen ihren Staat auf das gesamte griechische Gebiet mit Ausnahme der Ionischen Inseln aus.

Louis Garneray -
The Naval Battle of Navarino (1827) - Wikimedia

Neuzeit

1821 kam es zur so genannten Griechischen Revolution. In der Schlacht von Navarino gelang es über die osmanische [türkische] Flotte die Oberhand zu gewinnen. Durch das Londoner Protokoll vom 3. Februar 1830, vom Osmanischen Reich am 24. April anerkannt, wurden Zentralgriechenland, der Peloponnes und die Kykladen zum selbstständigen Staat Griechenland erklärt. Um zu verhindern, dass sich der Funke des Republikanismus in Europa verbreitet, etablierten die europäischen Großmächte in Griechenland von außen eine Monarchie. England, Frankreich und Russland hatten dies zur Zahlungskondition für Kredite von 472.000 britischen Pfund und 60 Millionen Drachmen an das seit 1826 völlig überschuldete Land gemacht.

1832 wurde der bayerische Prinz Otto erster König Griechenlands. Zu seinem Nachfolger wurde am 30. März 1863 von der griechischen Nationalversammlung mit Zustimmung der Großmächte Georg I. gewählt. 1881 musste das osmanische Reich Thessalien an Griechenland abtreten und Kreta erklärte 1908 die Union mit Griechenland, was aber erst nach den Balkankriegen im Jahr 1913 von den Großmächten anerkannt wurde. Die meisten Inseln sowie Epirus im Norden und Makedonien (mit Thessaloniki) im Nordosten gingen erst als Ergebnis der beiden Balkankriege 1912 und 1913 an Griechenland. 1913 wurde Konstantin I. nach der Ermordung seines Vaters König.

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg blieb Griechenland zunächst neutral und trat nach der Abdankung von König Konstantin I. 1917 in den Krieg gegen die Mittelmächte und deren Verbündete, insbesondere Bulgarien und das Osmanische Reich, ein. 1922 endete der Griechisch-Türkische Krieg aber mit einer deutlichen griechischen Niederlage („Kleinasiatische Katastrophe“). Im Vertrag von Lausanne 1923 wurde ein Bevölkerungsaustausch vereinbart: Alle noch in großen Teilen der Türkei verstreut lebenden Griechen wurden nach Griechenland vertrieben (etwa 1,5 Millionen Personen), im Gegenzug mussten an die 500.000 meist türkischen Muslime Griechenland verlassen. Mehrfach erfolgten seit 1922 militärische Umsturzaktionen die zu einer inneren Destabilisierung des Landes führten. Von 1925 bis 1926 regierte General Theodoros Pangalos diktatorisch.

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg lehnte Griechenland unter dem Diktator General Metaxas am 28. Oktober 1940 ein italienisches Ultimatum zur Kapitulation ab. Daraufhin wurde Griechenland von Italien angegriffen, konnte aber die zahlenmäßig überlegenen italienischen Truppen schlagen. Erst durch das militärische Eingreifen der deutschen Wehrmacht im April und Mai 1941 wurde der griechische Widerstand gebrochen. Italien, Deutschland und Bulgarien errichteten ein hartes Besatzungsregime. Griechenland hatte von allen besetzten Ländern pro Kopf die höchsten Besatzungskosten zu zahlen. Um von der Bevölkerung mehr Sachwerte abzuziehen, wurde der Banknotenumlauf gesteigert. Der wirtschaftliche Zusammenbruch war abzusehen und wurde in Kauf genommen. Der Widerstand griechischer Partisanen ging hauptsächlich von der kommunistischen Volksbefreiungsarmee ELAS aus. Nach militärischer Intervention Großbritanniens am 5. Dezember 1944 wurde die ELAS entwaffnet und demobilisiert.

Mit der Krise des Osmanischen Reiches konnte Griechenland neu entstehen
John Nennbach Wikipedia




Nachkriegszeit: Bürgerkrieg


Der Zweite Weltkrieg ging in Griechenland fast direkt in den Griechischen Bürgerkrieg über. Die kommunistischen Partisanen gingen erneut in die Guerilla. Hauptsächlicher Unterstützer war dabei Jugoslawien, in geringerem Umfang Albanien – die Sowjetunion beschränkte sich im Wesentlichen darauf, durch ihr Veto eine UN-Intervention zu blockieren. Die royalistische Gegenwehr wurde vor allem von den Regierungen in Großbritannien und den USA unterstützt. Churchill und Stalin hatten dort ein Einflussverhältnis von „90 % West zu 10 % Ost“ für Griechenland vereinbart; dies wurde später von vielen griechischen Kommunisten als „sowjetischer Verrat“ empfunden, da man lediglich ein Bauernopfer Stalins gewesen sei. Bis in die 1960er-Jahre blieben viele Bürgerrechte und Freiheiten eingeschränkt. 1952 trat Griechenland der NATO bei, 1954 dem Balkanpakt. Mit Hilfe des Marshallplans und der hohen Einnahmen von ausländischen Touristen kam es ab den 1950ern zu einer langsamen Erholung der Wirtschaft des Landes.

Nach den gegen die griechische Minderheit gerichteten türkischen Pogromen 1955 flohen rund 100.000 in der Türkei lebende Griechen nach Griechenland und in weitere Länder. Am 21. April 1967 ergriff in Reaktion auf den erwarteten Wahlsieg der sozialistischen Eniea Dimokratiki Aristera rechtsextremer Offiziere unter Georgios Papadopoulos (Obristenputsch) die Macht und errichtete eine Militärdiktatur. Unter der Militärdiktatur spaltete sich von der KKE ein eurokommunistischer Flügel unter dem Namen „KKE-Inland“ ab. Heute gibt es in dieser Form nur noch die KKE während in der Nachfolge des Eurokommunismus der SY.RIZ.A als Bündnis linker Kleinparteien im Parlament vertreten ist. Eine entscheidende Schwächung erfuhr die Junta am 17. November 1973 durch den Aufstand der Studenten im Athener Polytechnikum, der unter Einsatz von Panzern brutal niedergeschlagen wurde und das Regime innerlich und äußerlich diskreditierte. Das Scheitern der von der Junta angestrebten Vereinigung mit der Republik Zypern und der dortige Einmarsch türkischer Truppen führte 1974 endgültig zum Zusammenbruch der Militärdiktatur und zur Rückkehr zur Demokratie unter Konstantin Karamanlis.


Ab 1975: Rückkehr zur Demokratie und in den Schoss der EU

Im Juni 1975 wurde die neue Verfassung des Landes verabschiedet. Trotz außenpolitischer Westorientierung war Griechenland von 1974 bis 1980 aus der militärischen Organisation der NATO herausgelöst. Bereits seit 1961 bestand ein Assoziierungsabkommen mit der EWG, so dass Griechenland zum 1. Januar 1981 als 10. Mitglied in die EWG aufgenommen wurde.

Der Zerfall Jugoslawiens in den 90er hatte auch ökonomische Folgen für Griechenland, zumal bis dahin die Transit-Strecke durch den Balkan („Autoput“) die Nabelschnur des Landes zum restlichen Europa darstellte. In der Folge fürchtete man einen Flächenbrand politischer und militärischer Auseinandersetzungen - Weiterhin zeichnete sich ein Namensstreit mit der angrenzenden jugoslawischen Mazedonien ab. Griechenland verhängte ein Handelsembargo gegen das Land, das später aufgehoben wurde; bis heute ist keine einvernehmliche Lösung gefunden.

Der kurzen Amtsperiode der Nea Dimokratia unter Konstantinos Mitsotakis folgte erneut eine Regierung der PASOK unter Andreas Papandreou. Die Außenpolitik war nun nicht mehr von einer Sonderrolle Griechenlands geprägt, sondern von einer starken europäischen Ausprägung. Die Politik der europäischen Orientierung wurde im Wesentlichen auch von der Regierung der Nea Dimokratia unter Kostas Karamanlis weitergeführt, setzte jedoch keine eigenen Impulse. Nach zwei Wahlperioden erfolgte ein Regierungswechsel. Unter dem neuen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou von der PASOK wurde die Überschuldung des Landes offenbar und führte zu einem rapiden Verlust an Kreditwürdigkeit auf den internationalen Märkten, in dessen Folge das Land in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Bei den Parlamentswahlen vom 25. Januar 2015 errang die Linkspartei SYRIZA 149 von 300 Mandaten, so dass der aktuelle Ministerpräsident Alexis Tsipras am 26. Januar 2015 vereidigt werden konnte.



Soweit der historische Schnelldurchgang.

Nach dem Ende der Militärdiktatur 1975, setzte ein wahrer touristisch-kultureller Griechenlandboom hierzulande ein – die älteren Semester unter den Leser werden sich noch erinnern können. In der Primarstufe an unseren Gymnasien und den Semestereingängen der Unis wurden schnell die üblichen Aktentaschen gegen griechische Hirtentaschen ausgetauscht, grobmaschige Hirtenpullover und kretische Kopftücher getragen. Wir fuhren per Flugzeug, Bahn oder über den Autoput gen Griechenland, ich war mindestens ein halbes Dutzendmal dort unterwegs. Und die Griechen waren nicht nur großartig und freundlich, sondern auch preisgünstig. Es lohnte sich seine D-Mark nicht sofort gegen Drachmen umzutauschen sondern am Ende jeder Urlaubswoche erneut – die Drachme war dann wieder ein paar Prozent gefallen und es gab mehr fürs Geld.

Geschäftstüchtig waren sie auch – so erinnere ich mich an die Anekdote, als wir in einem Touristenladen die trendigen Hirtenpullover kauften: Die waren so grobmaschig gestrickt, dass sie sich im Prinzip wie Kaugummi in alle Richtungen dehnen und ziehen ließen. Eine junge Dame probierte ein Teil an – passt wie angegossen. Frage an den Verkäufer: „Bleibt der nach dem Waschen auch so?“ - Antwort „klar, der bleibt so!“ - Ein Zweiter zog einen an, der offensichtlich ziemlich spackig am Body klebte – Verkäufer: „der dehnt sich noch nach dem Waschen“, während ich in einen deutlich zu lockeren Exemplar gekleidet das Argument zu hören bekam „der schrumpft noch!“. Nun ja, offensichtlich handelte es sich um ein textiles Hi-Tec-Produkt mit wahrlich erstaunlichen Fähigkeiten. Egal, wir haben alle einen mitgenommen und bis zum Verfall getragen, und immerhin kam es der lokalen Industrie zu Gute, die mit der schwindsüchtigen Drachme allemal besser werkeln konnten, als heute mit dem „starken“ Euro.

Der änderte nämlich alles – konnte man vorher eine allfällige Verschuldung weginflationieren und auch dem Touristen aus dem Norden viel Urlaub für relativ wenig Geld anbieten – so klebte nun jeder neuer Euro wie Pech und Schwefel am Volk. Die lokale Industrie wurde über den Verschuldungshebel der „Gemeinschafts“-Währung weggewirtschaftet, glabalisierte Textillien verdrängten die eigenen und statt des üblichen Kleinhandels verdrängten Aldi und Lidl die Arbeitsplätze und Einkommen – oh heilige Produkltivität. Als ich so etwa vor einigen Jahren die Idee hatte, mit meiner Familie nochmal einen Griechenlandurlaub zu machen, musste ich feststellen dass die Preise für einen typischen 2-Wochen-Familienurlaub völlig durch die Decke geschossen waren – für das selbe Geld konnte man dreimal nach Mallorca fliegen. Mit der Folge, dass ich inzwischen auf Mallorca auch ohne Landkarte ganz gut zurecht komme.

Den wenigsten Deutschen sind diese historischen Umstände heute noch geläufig. Erst seit der (angeblich griechischen) Finanzkrise und der mit gekünstelter Logik geäußerten „Verwunderung“ der EU, dass die Griechen nicht in der Lage sind die EU-Südostgrenze zu schützen, kommt diese Geschichte wieder mehr ins Bewusstsein.

Finanzkrise

WIKI: „Das Land hat mit der Bildung der EG 1993 eine wirtschaftliche Destabilisierung erfahren. Außer für ganz wenige Großunternehmen, hatte sich die Erschließung des offenen Binnenmarktes als wenig ergiebig erwiesen. Stattdessen wurden die eigenen Märkte mit Waren und Dienstleistungen ausländischer Konzerne überschwemmt, gegen deren Preisdumping der klassische griechische Kleinbetrieb kaum ankämpfen konnte: von einst 52% ist die Selbständigkeit nurmehr bei 30% der Erwerbstätigen angelangt, wobei der Verlust bis heute nicht ausreichend mit lohnabhängiger Arbeit ersetzt wird. Abermalige Bedenken der griechischen Selbständigen wegen der Einführung einer gemeinsamen Währung (1. Jan. 2001) wurden zwar intensiv diskutiert, hatten jedoch – bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 – die Mitgliedschaft in der EU nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt.“


WIKI: „Die griechische Staatsschuldenkrise wurde 2010 offenkundig und bleibt weiterhin ungelöst. Nach dem Wegfall der Drachme und des damit verbundenen neuen EURO-Wechselkursmechanismus wurden die üblichen interner Anpassungsmechanismen unmöglich. Bereits 2001 wies Griechenland eine Staatsverschuldung von 104% des BIP auf. Mit der Finanzkrise 2007 stieg die griechische Staatsschuldenquote auf 130% bis 2009 und das Haushaltsdefizit stieg auf fast 13% des BIP, so dass die Renditen der griechischen Staatsanleihen explodierten.

Am 23. April 2010 beantragte Griechenland ein Hilfspaket über 45 Mrd. Euro, da sich die Regierung zur Rückzahlung fälliger Kredite nicht in der Lage sah. Es folgten von der EZB, EU und IWF („Troika“) in den folgenden Jahren Kredite und Bürgschaften im Umfang von mehreren Hundert Milliarden Euro. Im März 2015 folgte obendrauf auch der Kauf von Anleihen durch die EZB. Die „Troika“ und die griechische Regierung beschlossen umfassende Kürzungen – so u.a. Lohnkürzungen und verminderter Mindestlohn, allgemeine Haushaltskürzungen, Renten- und Medizinische Versorgungsverknappung plus Erhöhung der Mehrwertsteuer, zudem wurden Privatisierungen vorgenommen. Ab dem Jahr 2008 sehen wir eine Rezession die bis 2013 ungefähr 26 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts gekostet hat. Der Schuldenstand hat sich trotzdem (genauer: deswegen) auf 177% des BIP's erhöht, seit März 2013 kommt wegen fehlender Kaufkraft Deflation hinzu: Die Arbeitslosigkeit ist stark angestiegen und lag 2014 bei rund 26 Prozent, stark zugenommen haben die Probleme unter anderem im Gesundheitssektor.

Am 12. Juli 2015 einigte sich die Eurozone auf Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm. Im Juli 2015 erhielt Athen einen Überbrückungskredit in Höhe von 7,16 Milliarden Euro aus dem EFSM. Das dritte Paket (August 2015 bis August 2018) hat einen Umfang von weiteren 86 Mrd. Euro.“


Summa summarum hat man Finanzspritzen gegeben, die die anfängliche Schuldenlast von 330 Mrd. Euro weit überstiegen und nun kommen noch mal 100 Mrd. obendrauf. 

Naiv könnte man glauben, dass dann doch die Schulden mehr als weg wären? Was sie natürlich nicht sind sondern sie stiegen und steigen sogar noch deutlich weiter. Der Grund ist das man lediglich den Schuldner getauscht hat, so wurden mit den „Hildfsgeldern“ ja keinerlei Schulden getilgt. Sondern lediglich die internationalen Investoren, etwa Goldman Sachs in USA, ausbezahlt und schadfrei gehalten – dafür stehen die Schulden jetzt beim EU-Steuerzahler als „Vermögen“ in den Büchern, und lasten damit den Regierungen und Arbeitnehmern gerade auch der BRD als kommende Schulden auf den Schultern. Mit dem neuerlichen „Hilfspaket“ überweist man sich nun die Renditen dieser Staatsschulden selbst – von einem EU-Konto auf das andere.

Alleine sinnvoll wäre es natürlich gewesen, die lieben Investoren, die sich vorher an Griechischen Renditen, Korruption und BIP gelabt hatten, auf wenigstens einen wesentlichen Teil des Schadens sitzen zu lassen und man da entsprechende Schulden(=Vermögen der Investoren) abgeschrieben hätte. Pustekuchen versteht sich. Statt schmerzhafter Änderungen bei den beteiligten Investoren und Regierungen hat man sich auf die, gerade von Schäuble und Merkel durchgesetzte, Austeritätspolitik („Sparpolitik“) geeinigt. Soll hießen, statt mit dem wie anderswo üblichen Gelddrucken (was langfristig gerade den Investoren schadet), hat man sich darauf verständigt das Geld der Bevölkerung durch Kürzungen in allen Bereichen der öffentlichen Hand abzutrotzen. Zu diesen zählt auch die Reduzierung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die Ausdünnung der Ämter in der Verwaltung insbesondere auch bei allen Sicherheitsbehörden wie der Polizei. Assistiert natürlich noch durch erhöhte Abgabenbelastungen in einer Vielzahl von Bereichen (so im Renten- und Krankenkassenbereich, Gebühren der Ämter etc. pp.) mit Ausstrahlungen auch weit in den privatwirtschaftlichen Bereich hinein – der heiligen Produktivität (faktisch der Kehrwert der Armut) zu Liebe. Der summarische Effekt, besonders in den EU-Südländern, ist natürlich eine schwindende Massenkaufkraft, sinkendes BIP und steigende Arbeitslosigkeit insbesondere des jugendlichen Nachwuchses.

Die Parteizeitung der griechischen SYRIZAdruckte diese Karikatur von Wolfgang Schäuble ab - angesichts der Dreistigkeit der Investoren Troika durchaus verständlich.


Diese Politik ist im Prinzip verbrecherisch. Zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass es den verantwortlichen Akteuren tatsächlich bewusst wäre. Wovon man allerdings nicht ausgehen kann – es ist letztlich eine komplexe Mischung aus Lobbyismus und Gier der Finanz- und Industrieverbände einerseits und der politischer Unwissenheit und Unfähigkeit, auch Überforderung und Feigheit, der Politischen Bühne in Brüssel und Berlin. Verbrecher sind lediglich diejenigen, die diese Politik wissentlich ihrer finalen Konsequenzen durchpauken – und das dürften nur ganz Wenige sein – ein Verbrechen an Demokratie und Menschlichkeit zum Zwecke der Gewinnerhaltung und Maximierung einer kleinen Finanzelite, ein perfider Verrat an den Bevölkerungen Europas. Verkauft und Verraten.


Flüchtlingskrise

Die „Flüchtlingskrise“ (Definition Flüchtling siehe Wikipedia) ist in weit überwiegendem Maße aber eine EU-Migrationskrise. Zwar stellten unmittelbare Kriegsflüchtlinge aus Syrien eine nicht geringe Subgruppe der 2015er Migranten dar, aber die überwiegende Masse kommt aus ganz anderen Gebieten bei zunehmender Tendenz. Aus Gebieten die nach unseren Maßstäben vielleicht nicht gerade ein Paradies darstellen, deren Menschen aber keineswegs unmittelbar vor Bomben, sondern vor wirtschaftlicher Misere flüchten.

WIKI: „In der Flüchtlings- und Asylpolitik wird Griechenland kritisiert. Vor allem der große Migrantenstrom aus afrikanischen Ländern macht dem Land zu schaffen, die Griechenland nur unzureichend bewältigen kann. Schon 2011 kamen 55.000 Flüchtlinge alleine über die griechisch-türkische Landgrenze am Fluss Evros in die EU. Viele residieren in illegalen Zeltlagern in Großstädten wo sie Arbeit suchen. Die Versorgung durch Bürgerinitiativen und Kirchengemeinden deckt bei weitem nicht den Bedarf. Daneben erhofft sich die griechische Regierung vom baldigen Beitritt Bulgariens und Rumäniens zum Schengenraum Entlastung für die eigenen Außengrenzen. Im März 2012 waren nur elf Personen in der staatlichen Behörde für die Asylbewerber zuständig. Gewalt gegen Migranten kommt im Zusammenhang mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage in den letzten Jahren häufiger vor. Die griechische Regierung forderte wiederholt die Unterstützung durch die EU bei der Sicherung seiner Außengrenzen. Das Interesse von Seiten nicht betroffener EU-Staaten, sich der europäischen Flüchtlingsproblematik zu stellen, ist jedoch de facto gering; aus diesen Ländern ist auch häufig die Kritik zu hören, Griechenland versorge die Flüchtlinge nicht ausreichend.“


Im Gegensatz zur Finanzkrise hat die Fluchtkrise eine ganz andere Dimension: 

Geld kann man zur Not nämlich in beliebigen Mengen durch die Zentralbanken generieren – Wohnungen und Alimentierung, Arbeitsplätze, Verwaltung und Integrationsleistungen für eine viel zu große und schnelle Migration aber auch beim besten Willen nicht in der geforderten kurzen Zeit.

Was wir dagegen sehen ist exakt das gleiche politische Chaos aus Lobbyismus, Unwissenheit und Unfähigkeit, Überforderung und Feigheit der Politik in Brüssel und besonders in Berlin. Die Hauptaktivisten in vorderster Front hier ebenso und erneut Merkel und Schäuble. Man müsste auch hier von „Haupttätern“ im kriminellen Sinne sprechen, wenn man denn annehmen könnte dass ihnen die mittel- bis langfristigen Folgen ihres Handelns, bzw. Nichthandelns, wirklich bewusst wäre. Immerhin, wenn es insbesondere BK Merkel mit ihrem in 2015 international verkündeten Freifahrtschein nach Deutschland nicht bewusst war, was man annehmen muss, so müsste sie bei klarem Verstand aber langsam eine Ahnung davon bekommen haben.

Nichts desto trotz klammert sie sich an ihre Macht - auch um den Preis den ehedem schon reichlich schütteren Zusammenhalt der EU endgültig zu ruinieren. Offiziell den eingeschlagenen Weg zu korrigieren kommt nicht in Frage. Allerdings wäre es unfair zu behaupten, dass nichts geschehen wäre seit dem Spätsommer 2015. Tatsächlich hat sich die Regierung Merkel ein wenig in die richtige Richtung gestottert. Was sie vermeiden konnte war die politische Bankrotterklärung, die sie unmittelbar zum Rücktritt gezwungen hätte: Eine offiziell verkündete allgemeine und unbefristete Grenzschließung, insbesondere für alle Illegale, oder auch eine sozial- und wirtschaftlich finanzierbare Migrationsquote.

Das Merkel damit bislang nun durchgekommen ist, hat sie alleine den Balkanstaaten zu verdanken, angefangen mit Ungarn, und heute kopiert von Österreich bis zur Griechisch-Mazedonischen Grenze. Ohne deren Maßnahmen wäre 2015 noch katastrophaler verlaufen, ganz zu schweigen von 2016 wo dann eine zweistellige Millionenzahl der Migranten aus aller Welt sicher gewesen wäre.

So kann Sie sich bis zu den Märzwahlen sicher fühlen, denn dass was zur Zeit am Ende der Balkanroute „rüber tröpfelt“, lässt sich in den Landtagswahlen am 13. März noch als halbwegs vertretbar verkaufen. Zumindest wenn man nicht so genau nachrechnet – denn wenn sich bald das Wetter über Balkan und Mittelmeer klärt, wird sich das erneut als (gewollter) Trugschluss entlarven.

Verraten und verkauft ist hier, neben dem EU- und BRD-Bürger der die sozialen und finanziellen Kosten übernehmen soll, wiederum ganz besonders Griechenland.

Denn die griechische Wassergrenze, die in Sichtweite des Hauptfluchttransitlandes Türkei liegt, ist nur sehr schwierig, und kostspielig, zu kontrollieren und zu schützen. Hat man da je etwas unternommen? Schließlich drängten sich schon 2011 Migranten an den Grenzen zu Griechenland, wenn auch nach heutigen Maßstäben noch angenehm wenige, aber schon damals war Griechenland erkennbar überfordert. Zu der Zeit war man aber gerade damit beschäftigt die lieben privaten Investoren, mit sinnfreien aber gewaltigen, Steuergeldern freizuhalten. Da hätte man dem Bürger ja kaum erklären können, dass dem mit Milliarden „Hilfsgeldern“ versehenen Griechenland nun auch noch ein paar Millionen für allfällige Auffanglager und Grenzschutzmaßnahmen zugeflossen wären.

Auch hier wieder „Augen zu und Durch“ - die im politischen Bereich, leider eben auch oft erfolgreiche Taktik des Aussitzen sollte die Lösung sein. Tatsächlich passt diese Taktik in allen Fällen, wo eine Krise nach einiger Zeit ähnlich steil wieder abfällt wie sie aufgetreten ist. Am Wahltag ist dann alles vergessen und verziehen – und im schlimmsten Fall, wenn eine andere Partei übernehmen darf – haben die dann das Problem und die allfälligen politischen Folgen an der Backe.

Bei Finanz- und Flüchtlingskrise hat man sich da aber geschnitten – denn keine der beiden hat irgendeine Aussicht darauf, dass sie sich quasi von selbst heilt, und sei es nur dadurch, dass sie einfach nur langsam abklingt. So liegt es bei der Finanzkrise an dem weitverbreiteten Glauben, dass man im volkswirtschaftlichen Sinne Schulden „abbauen“ könnte, etwa durch „Sparen“ - Was man lediglich macht, ist eine nämlich nur eine Umverteilung von Schulden=Vermögen, die schlechten Schulden in die öffentliche, dir guten Vermögen nach oben in die private Hand. Nun gut, die streng selbstbezüglichen Regeln einer Volkswirtschaft zu begreifen ist tatsächlich nicht so einfach, und da sind die meisten Politiker zweifellos überfordert – und die vielen netten Berater aus der Finanz- und Großindustrie werden sie bestimmt nur ungern über die vielen Pferdefüße aufklären.

In der Migrationsfrage scheint man ja nun auf die gleichen Berater zu zu greifen. 

Finanz- und Wirtschaftslobbyisten, die erst einmal die gewaltigen Gewinne des durch den Zuzug erzeugten notwendigen staatlichen Konsum setzen – denn den muss wieder der Bürger bezahlen und die Gewinne fließen fast ausschließlich in bereits bestens gefüllte Taschen. Und wie bei der Finanzkrise werden die wahren Dimensionen der Kosten klein geredet oder auch gleich komplett unter den Teppich gefegt. Tatsächlich sind die Kosten gewaltig – denn die Ankömmlinge sind eben keine leicht integrierbaren DDR-Bürger die Sprache, Ausbildung, Land und Wohnungen schon mitbringen.

In Wirklichkeit ist, von Ausnahmen abgesehen, mit einer Vollalimentierung zu kalkulieren, das sind so etwa 25 Mrd. Euro jährlich pro(!) eine Million Migranten. Dazu fehlt aber noch die ganze Infrastruktur, so u.a. Wohnungen, Arbeitsplätze und öffentliche Verwaltung. Letztere z.B. beträgt in der BRD trotz langjähriger Ausdünnung immer noch über 5% der Bevölkerung. Pro Million also locker 50.000 notwendige Verwaltungsstellen! Das muss alles daher kommen, und nicht mal die versprochenen 3000 Stellen, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch die Unterbringung kann man nicht so einfach durch „Hinein diffundieren“ in die Städte als quasi kostenlos darstellen. Das hat nichts mit dazwischen quetschen und „Wir schaffen das“ zu tun. Tatsächlich muss man so oder so pro Million im Effekt, egal ob lokal oder verteilt, ein Großstadt wie Köln hochziehen – tutti completti inklusive Verwaltung.

Und das sind Investitionskosten um den Dreh von 100 Mrd. Euro mindestens. Da hilft auch nicht die Behauptung „auf dem Land gebe es ja noch genug freistehende Wohnungen“, die den Bedarf decken würden. Denn auch die müssen ja gemietet werden, zu marktüblichen Preisen, die natürlich immer so bemessen sind, dass sie mittelfristig die bereits getätigten Investitionskosten, plus einen unternehmerischen Gewinn, wieder einbringen. Das ist sogar noch teurer als Neubauen. Es fällt dem Bürger, als auch den volkswirtschaftlich nicht so Beschlagenen unter den Politikern, lediglich nicht so schnell auf.

Dazu kommen natürlich noch die vielfältigen sozialen Kosten, verursacht durch u.a. z.B. Lohndrückerei, Schwarzarbeit und Kriminalität, Sicherheitsdefizite und nicht zuletzt der inzwischen enorme Überschuss an jungen Männern mit doch recht wenig kompatiblen Ansichten über Frauenrechte u.v.m. wie z.B. auch der radikale Islamismus mit seiner gesellschaftlichen Islamisierung und Terror im Schlepptau. Auch diese „politisch inkorrekten“ Kosten kann man durchaus in etwa kalkulieren, aber dann wird einem wirklich schwarz vor Augen.

Und das ganze gilt für nur 1 Million, und dass in 2016 weniger als zwei weitere Millionen in Deutschland dazu kommen, dass glaubt kein Fachmann wirklich ernsthaft. Die jetzt eingesetzte Völkerwanderung kennt tatsächlich keine echte Grenze, schon gar nicht in Bezug auf eine Obergrenze. Schaut man nach den Ursprungsländern der jetzigen Migranten, so sieht man das rund 2 Milliarden Menschen betroffen sind – ein guter Teil davon glaubt tatsächlich das sie in Deutschland ihr Glück finden könnten. 60 Millionen in etwa waren bereits Ende 2014 auf den Füssen, genauso viele etwa ist aber auch die jährliche Nettobevölkerungszunahme der Regionen.

Es besteht damit definitiv keine Aussicht auf Besserung der Situation – selbst dann nicht wenn man die komplette Bevölkerung der EU innerhalb nur eines Jahrzehnts herein nehmen würde.


Wie aber sieht das für Griechenland aus?

Hier haut es natürlich noch viel schlimmer rein. Wegen der zunehmenden Grenzschließungen besonders auf dem Balkan, stauen sich nun die Migranten in Griechenland. Zunächst auf den Inseln wie Lesbos nahe der türkischen Küste – danach werden sie mit Fähren nach Athen gebracht – und schließlich wandern sie in Massen quer durchs Land an die nördlichen Grenzen.

Denn dass die Türkei die Schleppernetze unterbricht und die Überfahrten auf die vor der türkischen Küste liegenden griechischen Inseln unterbindet, davon kann noch keine Rede sein. Das hat verschiedene Gründe. Einerseits hat Erdogan klar gemacht, dass er an der Situation nichts zu ändern gedenkt, solange aus der EU nicht, und zwar vorab, erhebliche Milliardensummen überwiesen werden. Und da ist schon weit weniger zugesagt als Erdogan, im Übrigen zu Recht, fordert, von einer vollständigen Überweisung ganz zu schweigen. Falls es dazu jemals kommen sollte, so ist damit aber auch noch nicht ganz klar, ob das reichen wird – denn die Schlepperindustrie ist ein Milliardengeschäft für türkische Ganoven und selbst Behörden und Polizei scheinen da kräftig mitzumischen und die Hand auf zu halten.

Politisch hat es aber auch noch ein Geschmäkle, nämlich aufgrund der Tatsache dass die betroffenen Inseln erst mit dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches an Griechenland gegangen sind – und die Türken immer noch Ansprüche auf diese geltend machen. Flüchtlinge als Waffe – das haben nicht nur Assad und Putin sondern eben auch Erdogan erkannt – kann da politisch nachhelfen. Wenn der Flüchtlingsstrom weiter anhält, dann werde diese Türkei-nahen Inseln zu einem unhaltbaren Problemfall für den griechischen Haushalt – der Tourismus bricht völlig weg, sonstige Einnahmen hat die Bevölkerung dort kaum noch – und die Unterhaltung und Alimentierung der Flüchtlingszentren ist ein Fass ohne Boden. Irgendwann könnte man auf die Idee kommen den Türken die Inseln einfach zurück zu schenken.

Die Belastung für Griechenland ist gigantisch. Schließlich hat es mit nur etwa einem siebtel der Bevölkerungszahl und weit geringerem BIP als Deutschland weit mehr zu stemmen – selbst ohne Finanzkrise kaum zu machen. In Berlin und Brüssel ist das bekannt, es muss auch klar sein was das bedeutet. Letztlich treibt man Griechenland in den kompletten Kollaps – finanziell, wirtschaftlich, sozial, politisch und am Ende auch militärisch.

Hilfe müsste massivst und vor allen Dingen sofort kommen, geschehen tut wenig. Merkel setzt auf einen Dialog mit der Türkei, die entscheidenden Beratungen sind auf den 7. März vertagt worden. Der Grund für die Verschiebung war, und das verschärft die ganze Sache extrem, dass sich die Türkei nicht nur einer enormen Zuwanderung aus Syrien ausgesetzt sieht, sondern auch noch einen Bürgerkrieg mit den Kurden angezettelt hat. Kriegshandlungen und Attentate zwischen Türkischer Armee, Kurdischen Verbänden und ISIS Terroristen geben sich nun gegenseitig die Zünder in die Hand. Da kann man Millionen Flüchtlinge dazwischen gerade gut gebrauchen. Also aus Sicht von Erdogan nicht wirklich, und ohne sehr viel Geld der EU kann er da auch relativ wenig machen. Angekündigt hat er also, dass wenn da nicht bald „was rüberwächst“, er die Flüchtlinge gleich an die griechische Grenze oder gar nach Deutschland transportieren lässt.

Zeitung "Dimokratia" 2012 - Eine der vielen Schmähschriften der griechischen Presse - wenig amüsant für Deutschland und ihre Kanzlerin

Griechenland also ist eingekeilt zwischen den Interessen der EU Nordstaaten einerseits, dem Erbfeind Türkei andererseits, dazu im Innern sowohl von den Migranten als auch sozial-politischer Labilität, und zu allem Glück von außen noch die lieben Investoren im Hintergrund. Ein Wunder dass die leidensfähigen Griechen nun schon solange durchhalten – der Deutsche Michel wäre da schön längst vom Sulky gesprungen. Von Merkel-Deutschland, dass den Schaden zu ganz erheblichen Teilen zu verantworten hat, von denen hat Griechenland wenig echte Hilfe zu erwarten. Zu sehr ist man mit der Verteidigung der eigenen Macht und Utopien beschäftigt – die Realität der Ausbeutung Griechenlands sowohl durch Finanz- als auch Migrationspolitik wird völlig ausgeblendet. Kein Wunder wenn das Duo Schäuble/Merkel öfters mal als die Karikatur Hitlerdeutschlands auf den Titelseiten Athener Blätter prangt.

Wird man den Bogen überspannen und warten bis Griechenland unterdem aufgestauten Druck förmlich platzt? Oder, genauso leichtfertig, für allseits offene Grenzen und einen direkten Weitertransport ins gelobte Land nach Norden sorgen? Was Griechenland sowie Europa und Deutschland brauchen, ist eine robuste Antwort auf die in den kommenden Jahren stetig wachsenden Konflikte und verbundene Völkerwanderung. Um eine solche zu finden braucht es mehr als zögerliche Symbolpolitik und grün-bunt-rote Utopien – es braucht einen gesunden Selbsterhaltungsreflex abseits ideologischer Verblendung von links bis rechts.

Und das muss schnell gehen, viel Zeit bleibt nicht mehr, sonst platzt uns der griechische Appendix mit absehbaren Folgen – Deutschland und die komplette EU laufen Gefahr daran zugrunde gehen.